VwGH vom 25.06.2007, 2002/14/0090
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Robl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pfau, über die Beschwerde der L R in G, vertreten durch Dr. Wilfried Raffaseder und Mag. Michael Raffaseder, Rechtsanwälte in 4240 Freistadt, Hauptplatz 22, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich (Berufungssenat I) vom , Zl. RV 975/1-7/2001, betreffend unter anderem Einkommensteuer für die Jahre 1994 bis 1997, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird, soweit er die Einkommensteuer für die Jahre 1994 bis 1997 betrifft, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin erzielte in den Jahren 1994 bis 1997 gewerbliche Einkünfte aus dem Betrieb einer Gastwirtschaft. Sie erklärte für die betreffenden Jahre gegenüber dem Finanzamt jeweils Gewinne, welche sie nach § 4 Abs. 3 EStG 1988 unter Anwendung der sogenannten "Bruttomethode" ermittelt hatte.
Anlässlich einer abgabenbehördlichen Prüfung stellte der Prüfer verschiedene Mängel der Aufzeichnungen (insbesondere des Wareneingangs und der Erlöse) fest. Vor diesem Hintergrund vertrat der Prüfer die Ansicht, dass die erklärten Betriebsergebnisse durch Zuschätzungen (insbesondere beim Wareneinkauf und bei den Getränkeumsätzen) zu korrigieren seien.
Das Finanzamt folgte der Ansicht des Prüfers und erließ nach Wiederaufnahme der Verfahren unter anderem entsprechende Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1994 bis 1997.
In einer dagegen erhobenen Berufung rügte die Beschwerdeführerin, dass ihrem Antrag auf Durchführung der Gewinnermittlung nach der "Nettomethode" nicht nachgekommen worden sei. Sie beantragte, "den angefochtenen Bescheiden Nettogewinnermittlungen" zu Grunde zu legen. In den nächsten Tagen würden "entsprechende Gewinnermittlungen" vorgelegt werden. In der Folge legte die Beschwerdeführerin geänderte Gewinn- und Verlustrechnungen sowie Aufstellungen bzgl. "Umsatz- und Wareneinkauf-Zurechnungen lt.BP" für die Jahre 1994 bis 1997 vor.
Begründend wies die Beschwerdeführerin darauf hin, dass der Steuerpflichtige gemäß § 4 Abs. 3 EStG 1988 selbst entscheiden dürfe, ob er die für Lieferungen und sonstige Leistungen geschuldeten Umsatzsteuerbeträge und die abziehbaren Vorsteuerbeträge als durchlaufende Posten behandelt. Die im Beschwerdefall vorhandenen Aufzeichnungen erlaubten es, eine Nettoverrechnung durchzuführen, bei der die gewinnwirksamen Posten einwandfrei ermittelt werden könnten und diese auch nachprüfbar seien. Es gebe weder eine gesetzliche Bestimmung noch einen Grund, aus dem ableitbar wäre, warum im wiederaufgenommenen Verfahren im Zuge einer Betriebsprüfung nicht an Stelle einer bisherigen Bruttoverrechnung eine Nettoverrechnung zu Grunde gelegt werden könne. Durch die im Beschwerdefall erfolgten Zuschätzungen, "wo die Zahlungen zwangsläufig erst in späteren Jahren zum Tragen kommen," ergäben sich (durch die Progression) anders als bei "konstanten Verhältnissen" gravierende Verschiebungen und Verzerrungen des Gewinnes, welche sich in einem "mehrjährigen Durchschnitt nicht wieder" ausglichen. Ein derartiger Ausgleich sei vom Verwaltungsgerichtshof als Voraussetzung angeführt worden, dass die "Bruttomethode wirtschaftlich gerechtfertigt" sei. Gerade "für solche Fälle" sei die Nettoverrechnungsmethode offensichtlich vom Gesetzgeber gedacht. Würden die "wirtschaftlichen Prämissen" durch Zuschätzungen im Zuge einer Betriebsprüfung wesentlich geändert, müsse dem Steuerpflichtigen das "Entscheidungsrecht nach § 4 (3)" jedenfalls neuerlich zugestanden werden. Andernfalls entstünden dadurch dem Steuerpflichtigen nicht im Gesetz gedeckte Vermögensnachteile.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung teilweise Folge gegeben, hinsichtlich der "Gewinnermittlung nach der Nettomethode" wurde die Berufung abgewiesen.
Begründend stützte sich die belangte Behörde im Wesentlichen auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 90/14/0169, worin auch ausgeführt werde, dass ein Wahlrecht, die Umsatzsteuer als durchlaufende Post zu behandeln, im Übrigen nur bei der durch den Steuerpflichtigen vorzunehmenden Gewinnermittlung zustehe, nicht aber anlässlich einer Korrektur des Gewinnes im Veranlagungsverfahren, "andernfalls würde die Möglichkeit bestehen, für ein Kalenderjahr einen Wechsel in der Verrechnung der Umsatzsteuer vorzunehmen, was nach dem Schrifttum ausgeschlossen ist".
Die Beschwerdeführerin habe auf Grund der Erstellung der gegenständlichen Einkommensteuererklärungen "an Hand der Einnahmen-Ausgaben-Rechnung (Bruttomethode) ihr Wahlrecht im Sinne einer Gewinnermittlung gemäß § 4 Abs. 3 EStG verwirkt".
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene Beschwerde erwogen:
Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid insoweit in ihren Rechten verletzt, als die belangte Behörde § 4 Abs. 3 EStG 1988 denkunmöglich bzw. rechtsunrichtig angewendet habe, indem sie § 4 Abs. 3 EStG vorletzter Satz nicht angewendet habe. Damit sei der Beschwerdeführerin das vom Gesetzgeber eingeräumte Entscheidungsrecht verwehrt worden, bei einer Gewinnermittlung gemäß § 4 Abs. 3 EStG 1988 (Einnahmen-Ausgaben-Rechnung) die geschuldeten Umsatzsteuerbeträge und die abziehbaren Vorsteuerbeträge als durchlaufende Posten zu behandeln.
Gemäß § 4 Abs. 3 EStG 1988 darf der Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben dann als Gewinn angesetzt werden, wenn keine gesetzliche Verpflichtung zur Buchführung besteht und Bücher auch nicht freiwillig geführt werden. Durchlaufende Posten, das sind Beträge, die im Namen und für Rechnung eines anderen vereinnahmt und verausgabt werden, scheiden dabei aus. Der Steuerpflichtige darf selbst entscheiden, ob er die für Lieferungen und sonstige Leistungen geschuldeten Umsatzsteuerbeträge und die abziehbaren Vorsteuerbeträge als durchlaufende Posten behandelt.
Die belangte Behörde stützt sich zur Begründung ihrer Ansicht, dass ein Wahlrecht, die Umsatzsteuer als durchlaufende Post zu behandeln, nur bei der durch den Steuerpflichtigen vorzunehmenden Gewinnermittlung, nicht aber anlässlich einer Korrektur des Gewinnes im Veranlagungsverfahren zustehe, vornehmlich auf das hg Erkenntnis vom , 90/14/0169. Dazu ist allerdings zu sagen, dass es sich bei der von der belangten Behörde in diesem Zusammenhang zitierten Passage nicht um eine Aussage des Verwaltungsgerichtshofes, sondern um die im Erkenntnis wiedergegebene Ansicht des Finanzamtes gehandelt hat, mit deren Richtigkeit sich der Verwaltungsgerichtshof damals schon deswegen nicht auseinandergesetzt hat, weil eine ein entsprechendes Wahlrecht voraussetzende Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG nicht erfolgt war.
Der Verwaltungsgerichtshof teilt die im angefochtenen Bescheid vertretene Ansicht nicht. Die für die Ansicht in Verweisung auf die entsprechende Aussage des Finanzamtes im zitierten Erkenntnis ins Treffen geführte Begründung, "andernfalls bestünde die Möglichkeit, für ein Kalenderjahr einen Wechsel in der Verrechnung der Umsatzsteuer vorzunehmen" überzeugt - ungeachtet des Umstandes, dass dies nach nicht näher angeführtem Schrifttum ausgeschlossen sei - schon deshalb nicht, weil das Gesetz keine Einschränkung kennt, die Umsatzsteuer für verschiedene Kalenderjahre unterschiedlich zu verrechnen, nämlich entweder nach der Brutto- oder Nettomethode (zu notwendigen Korrekturen beim Übergang von der Brutto- zur Nettoverrechnung und umgekehrt vgl. z. B. Hofstätter/Reichel, Die Einkomensteuer, Kommentar III A, § 4 Abs. 3, Tz 7). Allenfalls notwendige Änderungen für Folgejahre ermöglicht § 295 Abs. 3 BAO (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 99/15/0143).
§ 4 Abs. 3 dritter Satz EStG 1988 regelt lediglich, dass der Steuerpflichtige selbst entscheiden darf, ob er die für Lieferungen und sonstige Leistungen geschuldeten Umsatzsteuerbeträge und die abziehbaren Vorsteuerbeträge als durchlaufende Posten behandelt. Zutreffend weist die Beschwerdeführerin darauf hin, dass das Gesetz für die entsprechende Entscheidung, welche Methode innerhalb eines Gewinnermittlungszeitraumes angewandt wird, keine Regeln normiert, es auch für einen "Widerruf", somit für die Anwendung der "anderen Methode" im nächsten Gewinnermittlungszeitraum, keine Formvorschriften gibt und auch eine Bindungsdauer nicht besteht, der Gesetzgeber somit - innerhalb der Schranken der Rechtskraft - weitestgehende Freiheit gibt.
Vor diesem Hintergrund ist das Verlangen der Beschwerdeführerin, die für Lieferungen und sonstige Leistungen geschuldeten Umsatzsteuerbeträge und die abziehbaren Vorsteuerbeträge auch noch im Berufungsverfahren als durchlaufende Posten behandeln zu dürfen, berechtigt. Eine solche "Behandlung" stellte die Vorlage von entsprechenden Einnahmen-Ausgabenrechnungen unter Berücksichtigung der im Rahmen der abgabenbehördlichen Prüfung festgestellten Prüfungsergebnisse - vorbehaltlich ihrer Richtigkeit - dar.
Der angefochtene Bescheid erweist sich daher als inhaltlich rechtswidrig, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am