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VwGH vom 20.08.1996, 93/16/0188

VwGH vom 20.08.1996, 93/16/0188

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsidet Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde der P-GmbH & Co Nfg KG als Rechtsnachfolgerin der P-GmbH in N, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , GZ. GA 11-1051/3/93, betreffend Rechtsgebühr, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.860,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin (damals unter ihrem Namen X-GmbH) schloß am mit der W. einen Sacheinlagevertrag. Vertragsgegenstand ist die Einbringung der der W. gehörigen 75 %igen Beteiligung an der S. GmbH, die einer Stammeinlage von S 12,375.000,-- entspricht, in die Beschwerdeführerin zum . Als Gegenleistung erhält W. einen Geschäftsanteil von S 33,750.000,-- der Beschwerdeführerin, der im Zuge einer Kapitalerhöhung zu übernehmen ist. Weiters schloß die Beschwerdeführerin am mit der T. einen Sacheinlage- und Treuhandvertrag, mit dem letztere ihre 25 %ige Beteiligung an der S. GmbH (der einer Stammeinlage von S 4,125.000,-- entspricht) in die Beschwerdeführerin einbrachte. Als Gegenleistung erhält T. einen Geschäftsanteil der Beschwerdeführerin von S 11,250.000,--, der gleichfalls im Zuge einer Kapitalerhöhung zu übernehmen ist.

Mit daraufhin ergangenem vorläufigen Bescheid vom forderte das Finanzamt gemäß § 33

TP 21 Gebührengesetz (GebG) für beide Einbringungen von zusammen S 45,000.000,-- 2 % Rechtsgebühr, sohin S 900.000,-- von der Beschwerdeführerin an. Mit endgültigem Bescheid vom setzte das Finanzamt von einer Bemessungsgrundlage von S 34,200.000,-- 2 % Rechtsgebühr fest. Die Bemessungsgrundlage errechnete das Finanzamt aus dem gemeinen Wert der Anteile der Beschwerdeführerin zum von S 76,-- je S 100,-- Nennkapital, woraus sich eine Rechtsgebühr von S 684.000,-- ergab.

In der Berufung gab die Beschwerdeführerin an, ihre Generalversammlung hätte gleichfalls am die Erhöhung des Stammkapitals um S 45,000.000,-- beschlossen und W./T. zur Übernahme zugelassen; W./T. hätten mit Beitrittserklärung vom selben Tag die Anteile übernommen. Ein solcher Kapitalerhöhungsbeschluß werde durchgeführt, indem die neuen Geschäftsanteile übernommen würden; erst nach Übernahme könne die Eintragung der Kapitalerhöhung ins Firmenbuch erfolgen und könnten Gesellschaftsanteile entstehen. Mit der Übernahmeerklärung untrennbar verbunden sei aber die Pflicht zur Leistung der Einlage.

Im Falle einer Sacheinlage von Anteilen an einer Gesellschaft mbH seien die Kapitalerhöhung einerseits und die Abtretung der Anteile andererseits untrennbar verbundene Teile ein und desselben Rechtsgeschäftes, welches sowohl unter den ersten Teil des KVG falle, als auch nach § 33 TP 21 gebührenpflichtig sei, weshalb die Befreiungsbestimmungen nach § 15 Abs. 3 GebG zur Anwendung kämen und die Anforderung der Zessionsgebühr zu unterbleiben habe. Im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 87/15/0082, habe der Verwaltungsgerichtshof dargelegt, daß die Kapitalerhöhung und die Sacheinlage des Übernehmenden in der Form der Einbringung von Anteilen idente Rechtsvorgänge seien und damit die Voraussetzung des § 15 Abs. 3 GebG erfüllt sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Gegenstand des § 2 Z. 1 KVG sei nicht die Kapitalzufuhr, wie die Beschwerdeführerin meine, sondern der Rechtsvorgang des ersten Erwerbes neu geschaffener Gesellschaftsrechte selbst an einer Kapitalgesellschaft. Erworben werden die Gesellschaftsrechte erst mit Eintragung der Kapitalerhöhung in das Firmenbuch; erst ab diesem Zeitpunkt treten bei den an der Kapitalerhöhung beteiligten Personen die Rechtsfolgen ihrer Mitgliedstellung ein. Die Abtretung der GmbH-Anteile als Sacheinlage als solche unterliege daher nicht der Gesellschaftssteuer, § 15 Abs. 3 GebG könne für die gegenständliche Abtretung nicht zum Zuge kommen. Der vorliegende Fall unterscheide sich von dem Sachverhalt, den der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom zu beurteilen hatte, dadurch, daß es sich damals um eine freiwillige Gesellschafterleistung gehandelt habe (§ 2 Z. 3 lit. a KVG), bei welcher die Steuerschuld bereits mit der Erbringung der Leistung entstanden sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Der Bundesminister für Finanzen legte die von der belangten Behörde verfaßte Gegenschrift sowie die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 33 TP 21 Abs. 1 Z. 2 GebG (in der hier noch anzuwendenden Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. Nr. 629/1994) unterlagen Zessionen oder Abtretungen überhaupt von Anteilen an einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung oder anderen Rechten einer Gebühr von 2 % v.H. nach dem Werte des Entgeltes. Nach § 15 Abs. 3 GebG sind von der Gebührenpflicht ausgenommen Rechtsgeschäfte, die unter das Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz, Grunderwerbssteuergesetz, Kapitalverkehrsteuergesetz (1. Teil Gesellschaftssteuer und 2. Teil Wertpapiersteuer), Versichungssteuergesetz oder Beförderungssteuergesetz fallen.

Nach § 2 Z. 1 KVG unterliegt der Gesellschaftssteuer der Erwerb von Gesellschaftsrechten an einer inländischen Kapitalgesellschaft durch den ersten Erwerber. Steuergegenstand ist der Erwerb von Gesellschaftsrechten, und zwar der Erwerb neu geschaffener Gesellschaftsrechte an einer inländischen Kapitalgesellschaft durch den ersten Erwerber, was bei Neugründung, Kapitalerhöhung, Verschmelzung, Eingliederung und Umwandlung vorliegt (vgl. Egly/Klenk, Gesellschaftsteuer-Kommentar, 4. Auflage, S. 104). Die auch als Gründungssteuer bezeichnete Gesellschaftsteuer will grundsätzlich jeden Ersterwerb von Gesellschaftsrechten an inländischen Kapitalgesellschaften erfassen (vgl. Dorazil, KVG-Kurzkommentar, II 1 zu § 2 KVG). Eine solche Erhöhung des Stammkapitals ist hier erfolgt; W./T. haben sich verpflichtet, die neue Stammeinlage gegen Gewährung einer Sacheinlage zu übernehmen, sodaß - was offenbar auch die belangte Behörde nicht bezweifelt - der Gesellschaftsteuertatbestand des § 2 Z. 1 KVG vorliegt.

Der Anwendung der Befreiungsbestimmung des § 15 Abs. 3 GebG steht nicht entgegen, daß das gegenständliche Rechtsgeschäft gemäß dem Strukturverbesserungsgesetz von der Kapitalverkehrsteuer befreit ist. Für die Anwendung des § 15 Abs. 3 GebG genügt, daß das Rechtsgeschäft grundsätzlich den in dieser Bestimmung genannten Verkehrsteuergesetzen unterliegt. Das bedeutet, daß auch solche Rechtsgeschäfte gebührenfrei sind, die nach den genannten Abgabengesetzen zwar steuerbar, im Einzelfall jedoch steuerbefreit sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 87/15/0082, m.w.N.).

Im zuletzt genannten Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof seine Auffassung wiederholt, daß eine durch § 15 Abs. 3 GebG zu vermeidende Doppelbesteuerung die Identität des Rechtsvorganges voraussetzt (siehe auch das hg. Erkenntniss vom , Zl. 89/16/0214, m.w.N.). Diese Identität ist aus nachstehenden Erwägungen auch im vorliegenden Fall zu bejahen:

Bei Beurteilung der Frage, ob hier ein oder zwei selbständige Rechtsgeschäfte (§ 15 Abs. 3 GebG verwendet den Begriff "Rechtsgeschäft") vorliegen, kommt es wie bei der bürgerlich-rechtlichen Unterscheidung zwischen Tauschvertrag und Doppelkauf auf den Parteiwillen an (Aicher in Rummel ABGB I2, RZ 10 zu § 1055 ABGB). Die vorliegenden Sacheinlageverträge lassen den eindeutigen Parteiwillen erkennen, daß sich das Interesse beider Parteien unmittelbar auf den gegenseitigen Austausch der Sachleistungen bezogen hat. Wie bei einem Tausch muß daher auch hier EIN Rechtsgeschäft angenommen werden: Der Sachleistung von W./T. (Einbringung der Gesellschaftsanteile an der S.) steht die Sachleistung der Beschwerdeführerin durch Einräumung des mittels Erhöhung geschaffenen Geschäftsanteiles gegenüber. Daß die Rechtsnatur der Übernahme und Aufnahme umstritten ist (siehe Reich-Rohrwig, GmbH-Recht, 481, insbesondere FN 8), spielt für die hier zu beurteilende Frage, ob ein oder mehrere Rechtsgeschäfte vorliegen, keine Rolle: Einerseits wurde ausschließlich W./T. zur Übernahme der Kapitalerhöhungsbeträge zugelassen, andererseits stand das gesamte Vertragsverhältnis unter dem Vorbehalt der Genehmigung der Generalversammlung; daraus erhellt aber, daß die Erbringung der Sachleistung durch den einen Vertragspartner an die Erbringung der Sachleistung durch den anderen Vertragspartner zwingend geknüpft war. Schließlich sieht ja auch § 8 Z. 1 lit. b KVG (in der zuletzt durch BGBl. Nr. 10/1991 geänderten Fassung) als Gegenleistung - und damit als Bestandteil EINES Rechtsgeschäftes - die Sacheinlage vor.

Dem von der belangten Behörde aufgezeigten Unterschied des vorliegenden Falles zu den Fällen, die der Verwaltungsgerichtshof im schon genannten Erkenntnis vom und im Erkenntnis vom , Zl. 90/15/0163, zu beurteilen hatte, kommt keine entscheidende Bedeutung zu. Der Verweis auf das Vorerkenntnis vom , Zl. 1209/70, scheitert aus demselben Grund, wie er im Erkenntnis vom aufgezeigt wurde. Der Verwaltungsgerichtshof hat zwar in den beiden einschlägigen Erkenntnissen den Gesellschaftsteuertatbestand des § 2 Z. 3 lit. c KVG als erfüllt angesehen, was in der Literatur nicht ohne Kritik blieb (vgl. Arnold in AnwBl. 1990, Nr. 3448, und 1991, Nr. 3906); jedoch ändert dies aber nichts an der Tatsache, daß (alle) Rechtsgeschäfte, die unter den ersten Teil des Kapitalverkehrsteuergesetzes fallen, gemäß § 15 Abs. 3 GebG von der Gebührenpflicht befreit sind.

Schließlich vermag auch der Umstand, daß bei einer Aufspaltung das Entstehen der Gebührenschuld an die Errichtung des Notariatsaktes, der Gesellschaftsteuerschuld aber an die Eintragung ins Firmenbuch geknüpft wäre, an der Einheitlichekit des am abgeschlossenen Rechtsgeschäftes nichts zu ändern.

Die belangte Behörde belastete somit dadurch, daß sie unter Außerachtlassung des § 15 Abs. 3 GebG eine Gebührenpflicht annahm, den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war. Die Entscheidung konnte im Hinblick auf die beiden Vorerkenntnisse vom und in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erfolgen.

Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte aus dem Grunde des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG Abstand genommen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Kostenmehrbegehrens gründet sich darauf, daß der Schriftsatzaufwand nur in Höhe des verordneten Pauschalbetrages zugesprochen werden konnte, in welchem die Umsatzsteuer bereits enthalten ist.