VwGH vom 24.04.1990, 90/14/0064
Betreff
N gegen Finanzlandesdirektion für Steiermark vom , Zl. B 45-4/89, betreffend Eintragung eines steuerfreien Betrages auf der Lohnsteuerkarte für das Jahr 1987 wegen außergewöhnlicher Belastung:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer hat anläßlich seiner Eheschließung im Dezember 1983 die damals 21 bzw. 18 Jahre alten Töchter seiner Gattin in den gemeinsamen Haushalt aufgenommen. Für diese Stieftöchter durch ihn im Streitjahr erbrachte Leistungen beantragte der Beschwerdeführer die Eintragung eines steuerfreien Betrages auf der Lohnsteuerkarte aus dem Titel außergewöhnlicher Belastung. Es handelte sich bei den Aufwendungen einerseits um Mieten und Verpflegungsmehrkosten für das auswärtige Studium der einen Tochter in Graz (S 36.000,--) und um Aufwendungen für ein Heiratsgut zugunsten der anderen Stieftochter (S 161.000,--) aus Anlaß deren Eheschließung im Dezember 1987.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde das Begehren mit der Begründung abgewiesen, daß den Beschwerdeführer zu den Leistungen weder eine gesetzliche noch eine sittliche Pflicht traf. Der Einwand, daß der leibliche Vater der Stieftöchter, der für die noch studierende Tochter einen monatlichen Unterhaltsbetrag von S 2.500,-- leiste, kein nennenswertes Einkommen beziehe und deshalb nicht in der Lage gewesen wäre, die Studienkosten bzw. das Heiratsgut zu finanzieren, verhelfe dem Antrag nicht zum Erfolg, weil der unterhaltspflichtige Vater im Streitjahr über ein entsprechendes wirtschaftliches Einkommen verfügt habe und durchaus in der Lage gewesen wäre, wenn auch in geringerem Ausmaß als der Beschwerdeführer, der Tochter, ebenso wie die Kindesmutter ein Heiratsgut auszusetzen. Maßgebend für die Dotation eines Heiratsgutes seien nämlich die finanziellen Verhältnisse der Eltern und nicht die des Stiefvaters. Wesentlich sei, daß die beiden Stieftöchter anläßlich der Aufnahme in den Haushalt bereits 21 bzw. 18 Jahre alt gewesen seien und den für die Heranbildung eines jungen Menschen maßgebenden Lebensabschnitt (Kindergarten, Pflichtschule, Erziehung durch die Eltern, Ausbildung für einen Beruf) bereits vorher "durchlaufen" gehabt hätten. Bei einer solchen Sachlage sei der Stiefvater nach dem Urteil billig und gerecht denkender Menschen jedenfalls nicht verpflichtet, seinerseits die Stiefkinder finanziell zu unterstützen.
Der Beschwerdeführer erachtet sich durch diesen Bescheid in seinem Recht auf Anerkennung der von ihm als außergewöhnliche Belastung geltend gemachten Aufwendungen verletzt. Er behauptet inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und beantragt deshalb die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Eine der in § 34 Abs. 1 EStG 1972 aufgestellten Voraussetzungen für den Abzug vom Einkommen vor Berechnung der Steuer ist die Zwangsläufigkeit der Belastung. Gemäß § 34 Abs. 3 EStG 1972 erwächst die Belastung dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.
Eine rechtliche Pflicht behauptet auch der Beschwerdeführer nicht.
Tatsächliche Gründe, aus denen sich der Steuerpflichtige der Belastung nicht entziehen kann, sind nur solche, die den Steuerpflichtigen unmittelbar selbst betreffen wie etwa seine eigene Erkrankung (Schubert-Pokorny-Schuch-Quantschnigg, Einkommensteuer-Handbuch, 2. Aufl., Tz 25 zu § 34). Einen solchen Sachverhalt hat der Beschwerdeführer nicht vorgetragen. Er macht daher in der Beschwerde zu Unrecht geltend, er habe sich der Belastung aus tatsächlichen Gründen nicht entziehen können.
Es bleibt daher nur noch zu untersuchen, ob den Beschwerdeführer eine sittliche Pflicht zu den Aufwendungen für seine Stieftöchter traf.
Zu Unrecht bezieht sich der Beschwerdeführer zum Nachweis einer solchen Pflicht auf das hg. Erkenntnis vom , 925/78 (ÖStZB 1979, 261). Der dieser Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt ist mit dem vom Beschwerdeführer vorgetragenen nicht vergleichbar. In jenem Fall hatte der damalige Beschwerdeführer eine aus einer sich in langjähriger Notlage befindenden Familie stammende nahe Angehörige (Nichte), die im 9. Lebensjahr stand, von deren Aszendenten nur mehr die Mutter und die väterliche Großmutter lebten, in seinen Haushalt aufgenommen und nicht nur die Kosten ihres Unterhaltes bestritten, sondern ihr auch in dem für die Heranbildung des jungen Menschen maßgeblichen Lebensabschnitt das Elternhaus ersetzt. Der damals strittige "Heiratsausstattungsbeitrag" aus Anlaß der Verehelichung der vermögenslosen Nichte, zu der über das übliche Verwandtschaftsverhältnis hinaus eine seelisch-sittliche Verbindung bestand, war gewissermaßen als letzter materieller Beitrag für die weitere selbständige Lebensführung eine Beihilfe mit auf den Weg. Im Hinblick auf die Besonderheit dieses Falles wurde vom Verwaltungsgerichtshof eine sittliche Verpflichtung angenommen.
Im Beschwerdefall indes leben unbestrittenermaßen beide leiblichen Eltern der Stieftöchter des Beschwerdeführers. Der leibliche Vater hat auch selbst ein Einkommen und leistet Unterhaltsbeträge für die noch in Ausbildung befindliche Tochter. Daß die leibliche Mutter und Gattin des Beschwerdeführers unter dem Gesichtspunkt der für das Unterhaltsrecht geltenden Anspannungstheorie nicht dazu gesetzlich verpflichtet und in der Lage wäre, allenfalls zur Unterhaltsleistung und zur Dotation fehlende Beträge aufzubringen, behauptet der Beschwerdeführer nicht. Auch ist von einer seelisch-sittlichen Verbindung zwischen Stiefvater und Stieftöchtern nicht die Rede. Der Beschwerdeführer bestreitet auch die von der belangten Behörde getroffene Feststellung nicht, daß er die beiden Stieftöchter in seinen Haushalt erst in einem Alter aufgenommen hat, in dem der für ihre Entwicklung maßgebende Lebensabschnitt bereits hinter ihnen lag.
Eine Zwangsläufigkeit aus sittlichen Gründen setzt voraus, daß sich der Steuerpflichtige nach dem Urteil billig und gerecht denkender Menschen zu der Leistung verpflichtet halten kann. Es reicht nicht aus, daß die Leistung menschlich verständlich ist, es muß vielmehr die Sittenordnung das Handeln gebieten. Zur Annahme einer sittlichen Verpflichtung zwischen Familienangehörigen ist erforderlich, daß sich der Angehörige in einer akuten Notlage befindet (Verwaltungsgerichtshof , 85/13/0007, ÖStZB 1987, 143). Die Sittenordnung bietet jedoch keinen Anhaltspunkt dafür, daß Stiefeltern gegenüber den Stiefkindern, deren unterhalts- und dotationspflichtige Eltern noch leben, weitergehende sittliche Pflichten zu materieller Unterstützung (Unterhalt, Heiratsgut, Ausstattung) treffen. Weder die Beitragsleistung zum auswärtigen Studium der einen Stieftochter, noch die Leistungen zur Heiratsausstattung der anderen Stieftochter können aber als solche zur Beseitigung einer akuten Notlage angesehen werden. In der Beschwerde ist daher auch nur von einer "Zerstörung" von Karriereaussichten bei Unterbleiben des Studiums die Rede. Das Fehlen eines "angemessenen" Heiratsgutes bewirkt keine Notlage. In diesem Zusammenhang ist nochmals darauf hinzuweisen, daß nicht nur der leibliche Vater der beiden Stieftöchter, sondern auch deren Mutter - die Ehegattin des Beschwerdeführers - nach dem Gesetz, selbst wenn das Kind in dem von ihr geführten Haushalt betreut wird, über diese Beitragsleistung hinaus (§ 140 Abs. 2 zweiter Satz ABGB) für den angemessenen Unterhalt ihres Kindes zu sorgen hat. Daran dürfte sie auch die Ehe mit dem Beschwerdeführer nicht hindern.
Die Behauptung des Beschwerdeführers, es wäre mit Sicherheit eine schwere Belastung für sein weiteres Zusammenleben mit den Stieftöchtern bzw. seiner Gattin im gemeinsamen Familienverband gewesen, hätte er die Leistungen nicht erbracht, ist kein Beweis für eine sittliche Pflicht im dargestellten Sinn zu ihrer Aufbringung. Im übrigen ist dem Vorbringen entgegenzuhalten, daß sich auch die Stieftöchter und die Ehegattin des Beschwerdeführers in ihren Anforderungen an den Beschwerdeführer an die Rechts- und Sittenordnung zu halten hätten. Ausgehend davon hätten sie sich die betreffenden Leistungen vom Beschwerdeführer nicht erwarten und auf ihr Ausbleiben nicht mit "Belastung" des Zusammenlebens reagieren dürfen.
Der Verwaltungsgerichtshof kann daher der in Steuer- und Wirtschaftskartei 1983, K 28, wiedergegebenen (angeblichen) "Praxis der Finanzverwaltung" nicht als richtiger Auslegung des Gesetzes beitreten.
Dem angefochtenen Bescheid haftet daher inhaltliche Rechtswidrigkeit nicht an.
Unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit durch Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt der Beschwerdeführer die Unterlassung von Feststellungen, inwieweit eine finanzielle Leistungsfähigkeit der leiblichen Eltern der Stiefkinder im Jahre 1987 gegeben gewesen sei, ferner ob die Stiefkinder ohne die Unterstützung des Beschwerdeführers auf ihre auswärtige Hochschulausbildung hätten verzichten müssen, die im Hinblick auf die außerordentliche Begabung der Kinder dringend angebracht gewesen sei, ob der Vater der Stieftochter im Zeitpunkt der Eheschließung finanziell überhaupt zur Bestellung eines Heiratsgutes in der Lage gewesen wäre, ob die Beziehung des Beschwerdeführers zu den beiden Stiefkindern bereits einer Vater-Kind-Beziehung entsprochen habe und, ab welchem Zeitpunkt der Beschwerdeführer mit den Stiefkindern im gemeinsamen Familienverband lebte.
Daß der Beschwerdeführer zu diesen von ihm nun in der Beschwerde aufgeworfenen Fragen seinerseits vor den Verwaltungsbehörden ein entsprechendes Tatsachenvorbringen, das diese Fragen konkret beantwortete, erstattet und hiefür Beweise oder Bescheinigungsmittel angeboten habe, bringt er nicht vor. Er behauptet auch nicht, daß sich die von ihm als erforderlich angesehenen Feststellungen durch die belangte Behörde bereits aus vorliegenden Ermittlungsergebnissen hätten treffen lassen. Es handelt sich daher in Wahrheit um den Vorwurf der Verletzung amtswegiger Ermittlungspflicht, wie dies auch im Beschwerdepunkt (2.1.0.) zum Ausdruck gebracht wird. Geht es im Abgabenverfahren um Begünstigungen (Ermäßigungen, Befreiungen uä), tritt der Grundsatz der strikten Amtswegigkeit der Sachverhaltsermittlung in den Hintergrund. Es liegt an der Partei, die Umstände darzulegen, die für die Begünstigungen sprechen (vgl. Stoll, Bundesabgabenordnung Handbuch, Seite 270). Der Vorwurf unvollständiger amtswegiger Erforschung des Sachverhaltes wird schon aus diesem Grund zu Unrecht erhoben. Abgesehen davon handelt es sich bei den vermißten Feststellungen um solche, die unter Berücksichtigung obiger Ausführungen zum Beschwerdegrund inhaltlicher Rechtswidrigkeit nicht entscheidungswesentlich sind. Der Feststellung im angefochtenen Bescheid, die Stieftöchter seien bereits 21 bzw. 18 Jahre alt gewesen, als sie in den Haushalt des Beschwerdeführers aufgenommen worden seien, und auch die Mutter der Stieftöchter wäre in der Lage gewesen, der einen Tochter ein Heiratsgut - wenn auch im geringerem Ausmaß - auszusetzen, wird aber selbst in der Beschwerde nicht mit konkretem Vorbringen begegnet, weshalb der Gerichtshof gemäß § 41 Abs. 1 VwGG nur von diesem im angefochtenen Bescheid festgestellten Sachverhalt ausgehen kann.
Bereits der Inhalt der Beschwerde ließ somit erkennen, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt. Die Beschwerde war daher gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.