VwGH vom 31.05.1995, 93/16/0171
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Fellner und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peternell, über die Beschwerde der S in W, Republik Italien, vertreten durch Dr. N, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Beschwerdeentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom , Zl. 6-6/M/4/1992/Ha, betreffend Erlag eines Geldbetrages zur Sicherstellung von Geldstrafe und Verfahrenskosten im Finanzstrafverfahren, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Anläßlich einer Amtshandlung von Organen des Hauptzollamtes Linz und des Gendarmeriepostenkommandos Vorchdorf wurde am festgestellt, daß die Beschwerdeführerin einen Personenkraftwagen mit dem amtlichen Kennzeichen der Republik Italien XY n1 benützte. Bei der anschließenden Vernehmung als Beschuldigte gab die Beschwerdeführerin an, sie studiere sei dem Jahre 1990 in Innsbruck, ohne dort einen Wohnsitz zu unterhalten. Seit März 1991 wohne sie mit ihrem Verlobten Karl H. zusammen und halte sich überwiegend in Vorchdorf auf. Aufgrund dieser Umstände sehe sie den Mittelpunkt ihrer Lebensverhältnisse überwiegend in Vorchdorf und bedingt durch das Studium zum Teil auch in Innsbruck gelegen an. Ihre in Italien lebende Familie besuche sie in regelmäßigen Abständen. Karl H. und die Beschwerdeführerin beabsichtigten, in Kürze zu heiraten. Sie habe sich kurz nach ihrem Zuzug in der Gemeinde Vorchdorf meldeamtlich mit einem Hauptwohnsitz in dieser Gemeinde erfassen lassen. Die Beschwerdeführerin sei mit ihrem Hab und Gut noch nicht nach Österreich übersiedelt. Sie habe bei ihrem Verlobten lediglich ihre Studienunterlagen und Kleidungsstücke. Ihr sei bewußt, daß sie bei einer Übersiedlung zollrechtliche Vorkehrungen treffen müsse. In diesem Fall hätte sie auch wegen des Autos etwas unternommen. Sie habe sich nicht veranlaßt gesehen, über die Verwendung des Fahrzeuges bei kompetenter Stelle Erkundigungen einzuziehen. Auch Karl H. habe das Fahrzeug im Inland gelenkt. Es sei auch vorgekommen, daß er kurze Fahrten allein unternommen hat. Übrigens sei es nicht ausgeschlossen, daß die Beschwerdeführerin nach der geplanten Hochzeit mit ihrem Mann nach Italien übersiedeln werde.
Anläßlich dieser Vernehmung wurde gegen die Beschwerdeführerin das Finanzstrafverfahren wegen des Verdachtes der fahrlässigen Verkürzung von Eingangsabgaben eingeleitet. Statt der in Aussicht genommenen Beschlagnahme des Personenkraftwagens zur Sicherstellung der zu erwartenden Geldstrafe samt Kosten wurde von der Beschwerdeführerin ein Geldbetrag von S 17.000,-- erlegt.
Bei seiner Vernehmung als Verdächtiger ebenfalls am gab Karl H. zunächst Vorchdorf als seinen Wohnsitz an. Im Verlauf der Vernehmung gab er an, Vorchdorf sei lediglich sein Aufenthaltsort in Österreich. Sein Hauptwohnsitz sei in Italien. Auf Vorhalt der Aussage der Beschwerdeführerin gab Karl H. an, er und die Beschwerdeführerin hielten sich seit März 1991 bis auf Besuche in Italien in Vorchdorf auf. Karl H. kenne die einschlägigen zollrechtlichen Bestimmungen, da er sechs Jahre lang bei seinem früheren Dienstgeber Verzollungen durchgeführt habe. Schließlich sagte er aus, er sei in Österreich nur auf Besuch; er sei Inhaber einer Pizzeria in Italien, welche er in Zukunft betreiben werde. Wenn seine Verlobte es sage, werde es richtig sein, daß er in Österreich auch allein mit dem PKW gefahren sei.
In weiterer Folge erließ das Hauptzollamt Linz an Karl H. einen Haftungsbescheid vom über die auf das gegenständliche Kraftfahrzeug entfallenden Eingangsabgaben in Höhe von S 75.856,--.
Die Beschwerdeführerin richtete am an das Hauptzollamt Linz eine Eingabe, in der unter anderem ausgeführt wurde: "Für die von Ihnen begangenen Straftaten ist daher das Landesgericht Innsbruck zuständig, sollte ich nicht innerhalb von 8 Tagen mein Geld zurückbekommen ..."
Das Hauptzollamt Linz als Finanzstrafbehörde erster Instanz wertete diese Eingabe als Antrag auf Ausfolgung des erlegten Geldbetrages von S 17.000,-- und wies den Antrag mit Bescheid vom als unbegründet ab. Aufgrund der Aussage der Beschwerdeführerin habe der Verdacht bestanden, daß sie das Finanzvergehen der Hinterziehung von Eingangsabgaben begangen hat. Da die Beschwerdeführerin in ihrem Schreiben vom angegeben habe, nach Italien übersiedelt zu sein, sei die Einbringung der zu erwartenden Geldstrafe gefährdet.
Im Rechtsmittel gegen diesen Bescheid wurde ausgeführt, die Beschwerdeführerin habe auch nach ihrer Eheschließung mit Karl H. ihren Wohnsitz nicht nach Österreich verlegt, sondern diesen gemeinsam mit ihrem Ehegatten in Italien genommen. Die Beschwerdeführerin sei im Zeitpunkt der Amtshandlung in Österreich lediglich mit touristischem Gepäck unterwegs gewesen und habe keineswegs irgendwelches Übersiedlungsgut nach Österreich gebracht.
Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde dem Rechtsmittel keine Folge gegeben. Nach der ausführlichen Begründung des Bescheides ging die belangte Behörde davon aus, daß das in Rede stehende Fahrzeug zu Recht im formlosen, sicherstellungsfreien Vormerkverkehr eingebracht worden sei. Erst die nachfolgende Überlassung des Fahrzeuges an Karl H. sei unzulässig gewesen. Es bestehe daher der Verdacht, daß die Beschwerdeführerin eine fahrlässige Eingangsabgabenverkürzung i. S.d. § 36 Abs. 2 FinStrG begangen habe. Aufgrund des Vorbringens der Beschwerdeführerin sei die Einbringlichkeit der Geldstrafe und der Verfahrenskosten als gefährdet anzusehen. Diese Voraussetzungen seien auch im Zeitpunkt der Erlassung des (zweitinstanzlichen) Bescheides weiterhin gegeben.
Die Behandlung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wurde vom Verfassungsgerichtshof mit Beschluß vom , B 1855/92-12, abgelehnt. Vor dem Verwaltungsgerichtshof wird die inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides geltend gemacht.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Von der Beschwerdeführerin wurde zur Sicherung der Geldstrafe ein Geldbetrag von S 17.000,-- erlegt. Die Finanzstrafbehörden bejahten aufgrund des festgestellten Sachverhaltes das Weiterbestehen der Gefahr im Verzug sowie des Verdachtes der fahrlässigen Eingangsabgabenverkürzung im Sinne des § 36 Abs. 2 FinStrG.
Mit ihren Einwendungen verkennt die Beschwerdeführerin die Rechtsnatur des angefochtenen Bescheides. Im Falle von Maßnahmen zur Sicherung einer Geldstrafe (vgl. § 172 Abs. 1 FinStrG) kommt es nicht zu einer abschließenden rechtlichen Beurteilung eines Sachverhaltes. Vielmehr handelt es sich dabei um vorläufige Maßnahmen zur einstweiligen Sicherung öffentlicher Rechte. In einem derartigen vorläufigen Verfahren sind Entscheidungen im Verdachtsbereich und somit keine abschließenden Lösungen zu treffen (vgl. ähnlich zu einer Beschlagnahme i.S.d. § 89 Abs. 1 FinStrG das Erkenntnis vom , 93/16/0050). Wie von der belangten Behörde eingehend begründet wurde, konnte sie aufgrund ihrer Sachverhaltsfeststellungen von einem Verdacht gegen die Beschwerdeführerin ausgehen, sie habe das Finanzvergehen im Sinne des § 36 Abs. 2 FinStrG (fahrlässige Verkürzung von Eingangsabgaben) dadurch begangen, daß sie Karl H. das im formlosen, sicherstellungsfreien Vormerkverkehr in das Inland verbrachte Fahrzeug zum Gebrauch überlassen hat. Ob die Beschwerdeführerin tatsächlich des ihr zur Last gelegten Finanzvergehens schuldig ist, wird demgegenüber erst in dem gegen sie eingeleiteten Finanzstrafverfahren zu entscheiden sein.
Damit kann aber die Beschwerdeführerin aus ihrem Vorbringen, ihr "ordentlicher Wohnsitz" sei "damals wie heute" in Italien gelegen, nichts gewinnen. Die belangte Behörde hat eine Sachverhaltsfeststellung in dem Sinne, der gewöhnliche Wohnsitz der Beschwerdeführerin sei in Österreich gelegen gewesen, gar nicht getroffen. Der strafrechtliche Vorwurf gegen die Beschwerdeführerin bestand eben nicht darin, sie habe das Fahrzeug selbst benutzt, sondern vielmehr darin, sie habe es an Karl H. als einer nicht begünstigten Person überlassen.
Karl H. gab bei seiner Vernehmung zunächst als Wohnsitz Vorchdorf an. Zu seinen Einkommensverhältnissen befragt, verwies er auf den Bezug von Arbeitslosenunterstützung. Weiters sagte er aus, er habe bei seinem früheren Arbeitgeber sechs Jahre lang Verzollungen bei den Zollämtern Linz und St. Pölten durchgeführt. Auf den Vorhalt der Aussagen der Beschwerdeführerin gab er an, er und die Beschwerdeführerin hielten sich seit März 1991 in Vorchdorf auf. Damit war der Verdacht der belangten Behörde, Karl H. sei keine im Sinne des § 93 Abs. 10 ZollG begünstigte Person, jedenfalls begründet. Mit den in keiner Weise bewiesenen Behauptungen des Karl H., er sei Inhaber einer Pizzeria in Bozen, konnte demgegenüber der Verdacht, sein gewöhnlicher Wohnsitz sei im Inland gelegen, nicht entkräftet werden. Der in diesem Zusammenhang erstmals in der Beschwerde aufgestellten Behauptung, Karl H. sei am eine Lizenz zur Führung eines Gastbetriebes in Bozen verliehen worden, kommt dabei keine Relevanz zu.
Die Beschwerde war daher gemäß § 35 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.