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VwGH vom 17.02.1994, 93/16/0169

VwGH vom 17.02.1994, 93/16/0169

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Dr. Wurdinger, über die Beschwerde der Molkerei A, Gesellschaft m.b.H. & Co, in X, vertreten durch Dr. C und Dr. W, Rechtsanwälte in X, gegen den Bescheid des Bundesministers für Finanzen vom , Zl. M 2628/1/12-III/7/93, betreffend Tarifierung gemäß § 3 Abs. 1 Zolltarifgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird in Punkt 2. seines Spruches wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.420,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist die Einreihung der als "Schlemmer Joghurt (mit Piemont Kirschen)" bezeichneten Ware in die Position 2d2 (nach Meinung der belangten Behörde) oder 2c2 (nach Meinung der Beschwerdeführerin) der Unternr. 040310B des Zolltarifs strittig, wobei beide Parteien übereinstimmend davon ausgehen, daß die Ware, auf die die Bezeichnung "Fruchtjoghurt" zutrifft, auf Grund ihres wesensbestimmenden Joghurtanteiles als "anderes Joghurt" iS der Unternr. 040310B des Zolltarifes zu behandeln ist.

Die beschwerdegegenständliche Ware hat nach den Feststellungen der belangten Behörde unstrittig folgende Beschaffenheit:

"Sie besteht aus einem Joghurterzeugnis und einer Fruchtzubereitung, die in einem als gemeinsame Umschließung dienenden Zweikammerbehältnis aus Polystrol getrennt voneinander abgepackt sind. In der größeren Kammer befindet sich das Joghurterzeugnis (Verpackungsankündigung: 135 g), in der kleineren Kammer die Fruchtzubereitung (Verpackungsankündigung: 40 g). Beide Kammern werden gemeinsam, jedoch räumlich getrennt, mit einer aufgesiegelten, bunt bedruckten Aufreiß- bzw. Abdeckfolie aus Aluminium verschlossen. Der Aufdruck auf der Deckelfolie lautet "m/Schlemmer Joghurt/feiner Joghurt mit Sahne und Piemont-Kirschen". Daneben ist die Folie mit Angaben über die jeweilige Zusammensetzung der beiden Komponenten, deren Füllgewichte, sowie mit einer Gehaltsangabe über den in der Gesamtmasse der beiden Komponenten bzw. in der vereinigten Ware enthaltenen Eiweiß-, Fett- und Kohlenhydratanteilen bedruckt.

Die als Joghurt bezeichnete Komponente ist eine weiße, homogene, sämig-viskose (dick-flüssige) Masse mit joghurtartigem, leicht sahnigem Geruch und Geschmack. Organoleptisch wurden von acht (Geruch) bzw. sechs (Geschmack) von zwölf Testpersonen Aromen, insbesondere Vanille, festgestellt.

Die Untersuchung der Joghurtkomponente ergab:

Eigengewicht 135,0 g

Trockenrückstand (105oC) 24,0 Gew%

Wassergehalt 76,0 Gew%

pH 4,10

Dichte bei 20oC 1,062 g/cm3

Gesamtzucker,

gerechnet als Invertzucker

nach Luff-Schoorl 9,3 Gew%

Glucose (enzymatisch) 1,6 Gew%

Fructose (enzymatisch) weniger als 0,1 Gew%

Saccharose (enzymatisch) 3,3 Gew%

Lactose, wasserfrei (enzymatisch) 5,2 Gew%

Galaktose (enzymatisch) 0,5 Gew%

Gesamtstickstoff nach Kjeldahl (%N) 0,91 Gew%

Milcheiweiß (%Nx6,38 5,8 Gew%

Gesamtfett nach Stoldt-Weibull

(=Milchfett) 4,9 Gew%

Stärke, qualitativ negativ

Rindercaseine, RIDD positiv

Rindermolkenproteine, RIDD positiv

Vanillin, HPLC positiv

mikroskopisches Bild Milchsäurebakterien (Strepto-

kokken); reichlich Öltröpfchen;

Zellgewebsfragmente von Früchten

oder der Kakaobohne sind nicht

vorhanden.

Nach dem Analysenergebnis in Verbindung mit der sinnfälligen Beschaffenheit und dem mikroskopischen Befund erweist sich die Joghurtkomponente als ein gezuckertes und mit Gelatine als Bindemittel stabilisiertes, aufgefettetes Joghurt ohne Zusatz von Früchten oder Kakao. Die angegebene Aromatisierung des Joghurts mit einem kombinierten Sahne-Vanillearoma im Ausmaß von 0,01% wurde mittels HPLC überprüft und hinsichtlich des Vanillins qualitativ bestätigt. Der Sahnearomazusatz wurde analytisch nicht nachgewiesen, der Zusatz dieses Aromas wird aber nicht ausgeschlossen. Wie die Ergenisse der Untersuchungen mittels HPLC und die organoleptischen Prüfungen zeigen, sind Aromastoffe in geringem Ausmaß im Joghurt enthalten.

Die Fruchtzubereitung ist eine rote, viskose, mit entkernten, ganzen Kirschen durchsetzte Masse, mit kirschartigem, süß-saurem Geschmack und aromatischem Geruch.

Die Untersuchung der Fruchtzubereitung ergab:

Eigengewicht 40,5 g

Trockenrückstand (15oC) 31,5 Gew%

Gesamtzucker,

gerechnet als Invertzucker

nach Luff-Schoorl 21,8 Gew%

Glucose (enzymatisch) 10,6 Gew%

Fructose (enzymatisch) 9,0 Gew%

Saccharose (enzymatisch) 3,1 Gew%

Sorbinsäure, HPLC positiv

Zitronensäure, qualitativ positiv

Ethanol, Destillation nicht nachweisbar

Nach dem Analysenergebnis in Verbindung mit der sinnfälligen Beschaffenheit erweist sich die Fruchtkomponente als im wesentlichen aus ganzen und Teilen von entkernten Kirschen, Zucker, Zitronensäure, einem Verdickungsmittel, Aromastoffen und Sorbinsäure bestehend.

Durch das Zusammenfügen der Inhalte der beiden Kammern erhält man ein Produkt, auf das die Bezeichnung "Fruchtjoghurt" zutrifft."

Während die Beschwerdeführerin die maßgebliche Gewichtsprozentgröße des Milchfettgehaltes von "2 oder mehr jedoch weniger als 4" ausgehend vom Gesamtgewicht unter Einbeziehung der Fruchtkomponente (175 g) mit 3,76 Gewichtsprozent als gegeben erachtet und demzufolge die Position 2c2 (AA Code 270) angewendet haben will, gelangte die belangte Behörde, allein ausgehend von der Joghurtkomponente, zu einem maßgeblichen Gewichtsprozentgehalt an Milchfett von 4,9 und nahm demzufolge auf Grund der Beschaffenheit der Ware die Einreihung in die Position 2d2 (AA Code 271) des Zolltarifes vor.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf gesetzmäßige Tarifierung verletzt und erklärt ausdrücklich, den Punkt 1 des Spruches des Bescheides der belangten Behörde nicht zu bekämpfen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die hier maßgeblichen Tarifbestimmungen des Zolltarifes

lauten auszugsweise:

"0403 Buttermilch, Sauermilch und Sauerrahm, Joghurt, Kefir

sowie andere fermentierte oder gesäuerte Milch und

Rahm, auch eingedickt oder mit Zusatz von Zucker oder

anderen Süßungsmitteln oder mit Geruchs- und

Geschmackstoffen oder mit Zusatz von Früchten oder

Kakao:

040310 - Joghurt:

A - ohne Zusatz von Geruchs- und Geschmackstoffen

und ohne Zusatz von Früchten oder Kakao ...

B - anderes

1 - in Pulverform, granuliert oder in anderer fester

Form ...

2 - sonstige ...

c - mit einem Gehalt an Milchfett von 2 oder mehr,

jedoch weniger als 4 Gewichtsprozent:

1 - keinen Zucker enthaltend oder mit einem

Gesamtzuckergehalt, gerechnet als Invert-

zucker, von weniger als 5 Gewichtsprozent

(AA Code 230)

2 - anders (AA Code 270)

d - mit einem Gehalt an Milchfett von 4 oder mehr,

jedoch weniger als 6 Gewichtsprozent:

1 - keinen Zucker enthaltend oder mit einem

Gesamtzuckergehalt, gerechnet als Invert-

zucker von weniger als 5 Gewichtsprozent

(AA Code 231)

2 - anders (AA Code 271)."

Die allgemeinen Vorschriften für die Auslegung des

Zolltarifs (AV) lauten auszugsweise:

"2 - b - Jede Bezugnahme auf einen Stoff in einer Nummer

gilt für diesen Stoff sowohl in reinem Zustand als auch

gemischt oder in Verbindung mit anderen Stoffen. Ebenso gilt

jede Bezugnahme auf eine Ware aus einen bestimmten Stoff für

Waren, die ganz oder teilweise aus diesem Stoff bestehen. Die

Einreihung solcher gemischten oder zusammengesetzten Waren

erfolgt nach den Grundsätzen der Vorschrift 3.

3 - Kommen für die Einreihung von Waren bei Anwendung der

Vorschrift 2b oder aus einem anderen Grund zwei oder mehr

Nummern in Betracht, so ist wie folgt zu verfahren: ...

b - Gemische und Waren, die aus verschiedenen Stoffen

oder Bestandteilen bestehen, sowie handelsübliche

Zusammenstellungen von Waren, die in einer gemeinsamen

Aufmachung für den Kleinverkauf vorliegen und die in einander

ergänzender Weise verwendet werden, um eine bestimmte Tätigkeit

oder die Deckung eines bestimmten Bedarfes zu ermöglichen,

sind, wenn ihre Einreihung nicht nach der Vorschrift 3a

erfolgen kann, so einzureihen, als würden sie zur Gänze aus

jener Komponente (Stoff, Bestandteil oder Ware) bestehen, die

ihr Wesen bestimmt, sofern diese Feststellung getroffen werden

kann.

6 - Maßgebend für die Einreihung von Waren in die Unternummern einer Nummer sind der Wortlaut der Unternummern und der Anmerkungen zu den Unternummern sowie, in sinngemäßer Anwendung, die vorstehenden Vorschriften, wobei nur Unternummern der gleichen Gliederungsstufe gegenüberzustellen sind. Vorbehaltlich gegenteiliger Bestimmungen sind bei Anwendung dieser Vorschrift auch die Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln heranzuziehen."

Für die Einreihung einer Ware ist in erster Linie der normative Gehalt der betreffenden Nummer des Zolltarifs maßgebend (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 91/16/0026). Dabei ist im Interesse der Rechtssicherheit und der leichten Nachprüfbarkeit des Verwaltungshandelns das entscheidende Kriterium für die zollrechtliche Tarifierung von Waren grundsätzlich in deren objektiven Merkmalen und Eigenschaften zu suchen, wie sie im Wortlaut der Nummern und der Anmerkungen zu den Kapiteln oder Abschnitten des Zolltarifs, der als international verbindliches Warenverzeichnis für die Signatarstaaten des Internationalen Übereinkommens über das harmonisierte System zur Bezeichnung und Kodierung von Waren (1987/553) die Grundlage für die Einreihung der weltweit gehandelten Waren bildet, festgelegt sind. Es kommt also grundsätzlich auf an der Ware selbst feststellbare, objektive Merkmale an (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 90/16/0051).

Der Zolltarif bezieht sich nun in seiner Nummer 0403, Unternummer 10 auf Joghurt, differenziert dabei zwischen Joghurt A (nach hier nicht weiter interessierenden Kriterien) und "Joghurt B-anderes" (wohin unstrittig die streitgegenständliche Ware gehört) und trifft unter B 1 und 2 eine weitere Unterscheidung danach, ob das "andere Joghurt" in Pulverform, granuliert oder in anderer fester Form vorliegt (1) oder in sonstiger (2), wobei innerhalb dieser Untergruppe in deren lit. a bis f je nach dem Vorhandensein von Milchfett und dessen Gehalt weiter differenziert wird.

Hinsichtlich der hier in Rede stehenden Varianten "2d2" bzw. "2c2" (wofür ein Milchfettgehalt von 4 oder mehr jedoch weniger als 6 Gewichtsprozent bzw. ein solche von 2 oder mehr, jedoch weniger als 4 Gewichtsprozent maßgeblich ist) geht es daher nach dem normativen Gehalt der zitierten Bestimmungen immer um "anderes Joghurt". Da für die Einordnung in die Untergruppe 040310 B "anderes Joghurt" aber die Beschaffenheit der vorliegenden Ware als "Fruchtjoghurt" entscheidend ist, hat sich auch die maßgebliche Größe des Milchfettgehaltes in Gewichtsprozent an der Ware in ihrer Gesamtheit, also einschließlich des Fruchtanteiles zu orientieren und nicht nur an der in der Ware (wenn auch mit maßgeblicher Bedeutung für die Klassifizierung als Joghurt überhaupt) enthaltenen Joghurtkomponente. Diese Auffassung wird auch durch die Bestimmungen der Punkte 2b iVm 3b der AV gestützt, woraus eindeutig das Prinzip der ganzheitlichen Behandlung einer aus verschiedenen Stoffen zusammengesetzten Ware zu entnehmen ist (vgl. dazu auch das hg. Erkenntnis vom , Slg. N.F. Nr. 5430/F).

Daraus folgt aber, daß die belangte Behörde dadurch, daß sie die relevante Gewichtsprozentgröße an Milchfett nicht anhand des Gesamtgewichtes der Ware "anderes Joghurt" sondern nur auf Grund der darin enthaltenen Joghurtkomponente ermittelte, ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet hat, was gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG zu seiner Aufhebung führen muß.

Die belangte Behörde wird mit den in ihrer Gegenschrift vorgetragenen, auf die Bemerkung III zu den AV in den Erläuterungen zum Zolltarif gestützten Argumenten auf die bereits oben zitierte hg. Rechtsprechung (Erkenntnis Zl. 91/16/0026) verwiesen, wonach diesen Erläuterungen keine normative Wirkung zukommt und ihre Anwendung als Auslegungshilfe am normativen Inhalt des Zolltarifs ihre Grenzen findet.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VO BGBl. Nr. 104/1991.