VwGH vom 21.09.1993, 90/14/0057
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde des Präsidenten der Finanzlandesdirektion für Tirol gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Tirol, Berufungssenat II, vom , 30.940-3/89, betreffend einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften für die Jahre 1984 bis 1986 der mitbeteiligten Partei HVG II bürgerlichen Rechts, bestehend aus der C GmbH, KL, KST und der L GmbH, alle in Linz, alle vertreten durch Dr. D, Rechtsanwalt in W, sowie 151 weiteren Beteiligten, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
An der im August 1984 gegründeten HVG II bürgerlichen Rechts (in der Folge: HVG) mit Sitz in X, Y-Straße 7, waren neben KL, KST sowie der L GmbH die übrigen in der dem Erkenntnis angeschlossenen Liste genannten mitbeteiligten Parteien über die C GmbH als Treuhänder beteiligt. Die Gesellschaftsanteile hatten eine Nominale von insgesamt 40 Mio S. Zum übernahm die L GmbH die Gesellschaftsanteile von 122 Beteiligten im Nominale von 32,2 Mio S. In den Jahren 1987 und 1988 übernahm die L GmbH weitere Gesellschaftsanteile.
Mit Vertrag vom 29. Oktober bzw mietete die HVG von der L GmbH ein in deren Eigentum befindliches Hotelgebäude mit allen seinen Einrichtungen ab auf unbestimmte Zeit.
Mit Vertrag vom 29. Oktober bzw vermietete die HVG dieses Hotelgebäude ab ebenfalls auf unbestimmte Zeit an die B Hotelbetriebsgesellschaft mbH.
Die CB GmbH wurde von der HVG mit Vertrag vom mit der Beschaffung von Gesellschaftern zur Erreichung des Eigenkapitals von 40 Mio S, dem dazu notwendigen Marketing, der Konzeption des Beteiligungsangebotes sowie mit der laufenden Betreuung der Gesellschafter beauftragt. Die S GmbH übernahm mit Vertrag vom die kaufmännische Betreuung, die Beschaffung der notwendigen Finanzierungsmittel sowie die Ausarbeitung der Finanzierungskonzeption einschließlich der Besorgung der eventuell erforderlichen Sicherheiten für die HVG.
Mit Vertrag vom 17. bzw gewährte die I GmbH als Kreditgeberin der HVG einen Kredit von 33 Mio S, rückzahlbar bis .
Alle bisher genannten Gesellschaften mbH haben ihren Sitz ebenfalls in X, Y-Straße 7.
Im Jahr 1984 erzielte die HVG einen Überschuß der Werbungskosten über die Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung von 41,923.043 S und machte daneben Sonderwerbungskosten für Zinsaufwendungen der Beteiligten von 380.447 S geltend. Einnahmen der HVG (Zinserträgen) von 287 S standen Werbungskosten von 41,923.330 S gegenüber. Diese betrafen mit 16,679.384 S Zinsen und Geldverkehrsspesen, wovon 13,448.126 S auf vorausbezahlte Kreditzinsen für den Zeitraum bis entfielen. Die sonstigen Ausgaben waren vor allem Finanzierungskosten von 3,180.000 S, für 10 Jahre an die S GmbH vorausbezahlte Verwaltungskosten von 5,4 Mio S, an die CB GmbH bezahlte Vertriebskosten von 8 Mio S, Kosten für Garantien und Bürgschaften von 4,782.946 S, Kosten für Marketing und Werbung von 1,2 Mio S, Vertragskosten von 2,750.000 S, Aufwendungen für Gutachten von 1 Mio S sowie für Stempel- und Rechtsgebühren von 1,251.000 S. Überdies leistete die HVG im Jahr 1984 eine Mietvorauszahlung für zehn Jahre von 31,875.000 S, mit deren Abschreibung sie jedoch erst im Jahr 1985 begann. Zur Leistung der Vorauszahlungen war die HVG berechtigt, jedoch nicht verpflichtet.
In den Jahren 1985 bis 1987 erzielte die HVG weitere Überschüsse der Werbungskosten über die Einnahmen von
629.790 S 44.277 S und 53.641 S und machte daneben Sonderwerbungskosten für Zinsaufwendungen der Beteiligten von 1,406.186 S 269.193 S und 45.490 S geltend. In den Jahren 1988 und 1989 erzielte die HVG Überschüsse der Einnahmen über die Werbungskosten von 16,468.486 S und 2,319.793 S, wobei sie für das Jahr 1988 daneben Sonderwerbungskosten für Zinsaufwendungen der Beteiligten von 41.268 S geltend machte. Für das Jahr 1989 sind Sonderwerbungskosten nicht aktenkundig. Der Überschuß der Einnahmen über die Werbungskosten entstand im Jahr 1988 vor allem durch eine teilweise Rückerstattung der vorausbezahlten Kreditzinsen von 5,819.946 S wegen vorzeitiger Tilgung des von der I GmbH gewährten Kredites sowie durch die teilweise Rückerstattung der Verwaltungskosten, der Kosten für die Garantieübernahme und für die Beschaffung der Untermietverträge für den Zeitraum nach dem . (Die Verwaltung der HVG wurde im Jahr 1988 von der L GmbH übernommen, die Eigentümerin des an die HVG vermieteten Hotelgebäudes ist.) In einer Vorschau für die Jahre 1990 bis 1996 ging die HVG von der Erzielung weiterer Überschüsse der Einnahmen über die Werbungskosten zwischen rund 3 Mio und rund 5 Mio S jährlich aus, wodurch sie bis zum Jahr 1995 einen Gesamtüberschuß der Einnahmen über die Werbungskosten von 360.543 S erzielen würde. Sonderwerbungskosten sind in dieser Vorschau nicht angeführt.
Strittig ist vor allem, ob die in den Streitjahren erklärten Überschüsse der Werbungskosten über die Einnahmen gemäß § 188 BAO einheitlich und gesondert festzustellen sind, weil die HVG aus ihrer Vermietungstätigkeit innerhalb eines noch faßbaren Zeitraumes einen Gesamtüberschuß erzielt (Ansicht der belangten Behörde sowie der mitbeteiligten Parteien) oder ob diese Tätigkeit eine steuerlich unbeachtliche Liebhaberei darstellt, weil bei der Erzielung eines positiven Ergebnisses nach elf bzw zwölf Jahren nicht mehr von einer absehbaren Zeit gesprochen werden kann (Ansicht des beschwerdeführenden Präsidenten).
Gegen den im Spruch dieses Erkenntnisses genannten Bescheid wendet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde des Präsidenten.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, verzichtete jedoch ausdrücklich auf die Erstattung einer Gegenschrift.
Die im Spruch des Erkenntnisses genannten mitbeteiligten Parteien C GmbH, KL, KST und L GmbH beantragen in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Als EINKUNFTSQUELLE stellt sich eine Vermietung und Verpachtung nur dar, wenn sie AUF DAUER GESEHEN zu einem Überschuß der Einnahmen über die Werbungskosten führen kann. Abschließend und mit Sicherheit ließe sich diese Frage, ob AUF DAUER GESEHEN ein solcher Überschuß erzielt und eine Vermietung und Verpachtung daher als QUELLE VON (POSITIVEN) EINKÜNFTEN gewertet werden kann, erst nach Beendigung der Vermietungstätigkeit beurteilen. Bei dieser Gesamtschau wäre eine Vermietung und Verpachtung, bei der den hohen "Verlust" (Überschuß der Werbungskosten über die Einnahmen) eines Jahres "Gewinne" (Überschuß der Einnahmen über die Werbungskosten) folgender Jahre nicht ausgleichen, keine Quelle von (positiven) Einkünften.
Die dem Modell der Liebhaberei entsprechende Gesamtschau ließe jedoch in aller Regel die für die einzelnen Kalenderjahre vorzunehmenden Einkommensteuerveranlagungen (vgl § 39 Abs 1 EStG 1972) nicht zeitnah zu und ist bei langfristigen Vermietungen praktisch undurchführbar. Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat daher auch schon vor Beendigung einer Tätigkeit den Schluß auf steuerliche Liebhaberei für zulässig erachtet und ihn in der Mehrzahl der Fälle an Hand eines Beobachtungszeitraumes - bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung von fünf bis acht Jahren - gezogen.
Da mit fortschreitender Zeit - allein schon im Hinblick auf die wechselnden Geldwertänderungen - die Prognosen über eine Einnahmen-Ausgaben-Entwicklung immer unsicherer werden, ist auch die Forderung in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gerechtfertigt, die Eignung einer Tätigkeit, positive Ergebnisse abzuwerfen, müsse in ABSEHBARER ZEIT feststehen. Als absehbar wird sich regelmäßig ein Zeitraum von der Dauer eines Beobachtungszeitraumes im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erweisen (vgl das hg Erkenntnis vom , 88/14/0137, Slg Nr 6428/F, mwA).
Sowohl der beschwerdeführende Präsident als auch die belangte Behörde und die mitbeteiligten Parteien gehen davon aus, daß die HVG einen Gesamtüberschuß der Einnahmen über die Werbungskosten voraussichtlich erst im Jahr 1995 (somit nach elf Jahren ohne, nach zwölf Jahren mit Berücksichtigung des Jahres 1984) erzielen wird. Wenn die belangte Behörde gemeint hat, die Tätigkeit der HVG sei daher geeignet in absehbarer Zeit positive Ergebnisse abzuwerfen, so hat sie damit die Rechtslage verkannt.
Zu beachten ist nämlich auch, daß die Tätigkeit der HVG in der bloßen Anmietung und Weitervermietung eines (betriebsbereiten) Hotelgebäudes mit allen seinen Einrichtungen besteht. Bei dieser Tätigkeit ist schon nach relativ kurzer Zeit mit einem Gesamtüberschuß der Einnahmen über die Werbungskosten zu rechnen, weil die An- und Weitervermietung von (fertiggestellten) Gebäuden üblicherweise nicht mit besonders hohen Investitionen verbunden ist. Die mitbeteiligten Parteien haben Gegenteiliges nicht behauptet und sind laut den vorgelegten Verwaltungsakten Investitionen auch nicht getätigt worden.
Die hohen Überschüsse der Werbungskosten über die Einnahmen entstanden bei der HVG im ersten Jahr ihrer Tätigkeit auf Grund der von ihr gewählten Bewirtschaftungsart, die auf der Leistung hoher Vorauszahlungen sowie der Übertragung diverser - bereits genannter - Aufgaben an andere Gesellschaften beruhte. Ob durch diese Vorauszahlungen der Finanzierungsbedarf anderer Abgabepflichtiger gedeckt wurde oder nicht, hat auf die Einkunftsquelleneigenschaft der Tätigkeit der HVG keinen Einfluß. Unter Beibehaltung der von der HVG ursprünglich (somit im Jahr 1984) gewählten Bewirtschaftungsart hätte sie ein positives Gesamtergebnis - wenn überhaupt - erst wesentlich später als nach elf bzw zwölf Jahren erzielt. Die Tätigkeit der HVG war in der in den Streitjahren ausgeübten Art somit keinesfalls geeignet, in absehbarer Zeit zu einem Gesamtüberschuß der Einnahmen über die Werbungskosten zu führen.
Die Erzielung von Überschüssen der Einnahmen über die Werbungskosten bereits ab dem Jahr 1988 wurde der HVG erst dadurch ermöglicht, daß sie in diesem Jahr den Kredit mit einer Laufzeit bis (teilweise) vorzeitig tilgte sowie die Verträge betreffend die kaufmännische Betreuung, die Garantieübernahme und die Beschaffung von Untermietverträgen vorzeitig kündigte, wodurch sie einen Teil der vorausbezahlten Beträge zurückerhielt bzw ihr in den folgenden Jahren keine Aufwendungen aus diesen Verträgen mehr erwuchsen. Die genannten Aufgaben übernahm nunmehr die HVG bzw die an ihr beteiligte L GmbH als Eigentümerin des an die HVG vermieteten Hotelgebäudes. Die für zehn Jahre vorausbezahlten Kreditzinsen wurden der HVG sogar entgegen der ausdrücklich im Vertrag vom 17. bzw vom getroffenen Vereinbarung für die Zeit nach dem rückerstattet.
In der (teilweise) vorzeitigen Tilgung des Kredites sowie der Übernahme diverser, zunächst an verschiedene Gesellschaften übertragene Aufgaben durch die HVG liegt eine tiefgreifende Änderung der Wirtschaftsführung, weshalb die in der Folge erzielten Überschüsse der Einnahmen über die Werbungskosten nicht auf die Streitjahre rückprojiziert werden können (vgl das hg Erkenntnis vom , 87/14/0107, mwA).
Bemerkt wird, daß weder die HVG bzw die mitbeteiligten Parteien noch die belangte Behörde noch der beschwerdeführende Präsident auf den Umstand hingewiesen haben, daß die an der HVG Beteiligten in den Jahren 1984 bis 1988 Sonderwerbungskosten von 380.447 S 1,406.186 S 269.193 S 45.490 S und 41.268 S geltend gemacht haben. In der Vorschau für die Jahre 1990 bis 1996 sind keine Sonderwerbungskosten angeführt. Unter Berücksichtigung der aktenkundigen Sonderwerbungskosten kann - auch bei Außerachtlassung der geänderten Wirtschaftsführung seit dem Jahr 1988 - keine Rede davon sein, bereits im Jahr 1995 werde voraussichtlich ein Gesamtüberschuß der Einnahmen über die Werbungskosten erzielt werden.
Der beschwerdeführende Präsident rügt auch, bei der Ermittlung der "steuerlichen Verluste" seien die Geschäftsführerbezüge der mitbeteiligten Parteien KL und KST erklärungsgemäß wie Vergütungen nach § 23 Z 2 EStG den negativen Anteilen an den gemeinschaftlichen Einkünften im Sinn des § 28 EStG 1972 hinzugerechnet worden, obwohl die erstzitierte Bestimmung bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nicht anwendbar sei.
Mit diesen Ausführungen ist der beschwerdeführende Präsident im Recht. Die Bezüge der Geschäftsführer der HVG sind daher zu Unrecht als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung im Rahmen der einheitlichen und gesonderten Feststellung erfaßt worden, weswegen sich der angefochtene Bescheid auch aus diesem Grund als inhaltlich rechtswidrig erweist. Vielmehr wären diese Bezüge als (positive) Einkünfte der Geschäftsführer nach § 22 Abs 1 Z 2 EStG 1972 zu erfassen gewesen (vgl nochmals das bereits erwähnte hg Erkenntnis vom ), wodurch sich der bis zum Jahr 1995 prognostizierte Gesamtüberschuß der Einnahmen über die Werbungskosten - ungeachtet der nicht berücksichtigten Sonderwerbungskosten - um weitere 280.000 S verringert.
Die Prüfung der Frage, ob im Beschwerdefall ein Mißbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechtes im Sinn des § 22 BAO vorlag, wurde von der belangten Behörde nicht vorgenommen. Der Verwaltungsgerichtshof hat daher auf diese Frage nicht einzugehen.
Der angefochtene Bescheid erweist sich aus den vorhin angeführten Gründen als inhaltlich rechtswidrig und war daher gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG aufzuheben.