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VwGH vom 30.04.2002, 98/17/0166

VwGH vom 30.04.2002, 98/17/0166

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des Magistrats der Stadt Wien gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zl. UVS-05/K/47/954/97, betreffend Übertretung nach dem Wiener Parkometergesetz (mitbeteiligte Partei: G L in Wien), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Mit Bescheid des Magistrats der Stadt Wien vom wurde der mitbeteiligten Partei zur Last gelegt, sie habe ein näher bezeichnetes mehrspuriges Kraftfahrzeug am um

17.36 Uhr in Wien an einer näher bezeichneten Stelle in einer gebührenpflichtigen Kurzparkzone abgestellt, ohne für seine Kennzeichnung mit einem für den Beanstandungszeitpunkt gültig entwerteten Parkschein gesorgt zu haben, da der Parkschein gefehlt habe; die mitbeteiligte Partei habe demnach die Parkometerabgabe fahrlässig verkürzt und § 1 Abs. 3 Parkometergesetz, LGBl. für Wien Nr. 47/1974 in der geltenden Fassung (in der Folge: ParkometerG) verletzt. Wegen dieser Verwaltungsübertretung wurde eine Geldstrafe gemäß § 4 Abs. 1 ParkometerG in der Höhe von S 500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 12 Stunden) verhängt. Überdies wurde die mitbeteiligte Partei zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verhalten.

In der dagegen erhobenen Berufung brachte der Mitbeteiligte - er war im Zeitpunkt der ihm zur Last gelegten Abgabenverkürzung Bediensteter der Bundespolizeidirektion Wien - vor, auf Grund einer bescheidmäßigen Ausnahmebewilligung gemäß § 45 StVO berechtigt zu sein, das verfahrensgegenständliche Kraftfahrzeug im gesamten 1. Wiener Gemeindebezirk innerhalb der flächendeckenden Kurzparkzone ohne Parkschein und ohne zeitliche Begrenzung abzustellen; es könne daher die vorgehaltene Verwaltungsübertretung (fahrlässige Verkürzung der Parkometerabgabe) nicht in Betracht kommen.

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpften Bescheid der belangten Behörde vom gab diese der Berufung Folge, behob das erstinstanzliche Straferkenntnis und stellte das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG ein. Dem Berufungswerber (der mitbeteiligten Partei im verwaltungsgerichtlichen Verfahren) sei mit Bescheid vom eine Ausnahmebewilligung gemäß § 45 Abs. 2 StVO erteilt worden. Diese habe folgenden Wortlaut (auszugsweise Wiedergabe durch den Verwaltungsgerichtshof):

"Auf Grund des Antrages vom ... erteilt die Magistratsabteilung 46 im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde (§ 94d Zif. 6 StVO) eine Ausnahmebewilligung von der im gesamten

1. Wiener Gemeindebezirk innerhalb der flächendeckenden Kurzparkzone in der Zeit Mo-Fr (wt) von 09.00-19.00 Uhr geltenden Parkzeitbeschränkung von 1 1/2 Stunden für das Kraftfahrzeug mit dem polizeilichen Kennzeichen ...

Folgende Bedingungen sind einzuhalten:

1. Die Wirksamkeit der Ausnahmebewilligung beginnt am und endet am und gilt nur im Zusammenhang mit der gültigen Parkkarte PF ...

2. Als Nachweis für die Ausnahmebewilligung ist die Ihrer Dienststelle übergebene Parkkarte sowie der gefaltete Bescheid hinter der Windschutzscheibe derart anzubringen, dass die Vorderseite (Kennzeichen bzw. Gültigkeitsdauer, siehe Faltmarke) von außen gut sichtbar und gut lesbar ist.

3. Der Bescheid ist auf Verlangen den Organen der öffentlichen Aufsicht zur Einsichtnahme auszuhändigen."

Die MA 46 habe - so die belangte Behörde weiter - fernmündlich mitgeteilt, dass die im obgenannten Bescheid angeführte Parkkarte vom Magistrat der Stadt Wien der Bundespolizeidirektion Wien zugewiesen worden sei. Es bestehe zwischen der Gemeinde Wien und der Bundespolizeidirektion Wien eine Vereinbarung, wonach diese vom Magistrat, mit Hinblick auf die pauschale Entrichtung der Parkometerabgabe, eine "gewisse Anzahl von Parkkarten" für ihre Bediensteten, die im Bereich gebührenpflichtiger Kurzparkzonen ihren Dienstort hätten, zur Verfügung gestellt bekomme, und die Bundespolizeidirektion diese Karten ihren Sicherheitswache- bzw. Kriminalbeamten - sofern diese im Besitze einer bescheidmäßigen Ausnahmegenehmigung des Magistrates seien - hinsichtlich deren jeweiliger Dienstversehung zur Verfügung stellen könne.

Im Zusammenhang mit der rechtlichen Beurteilung ging die belangte Behörde davon aus, dass für das verfahrensgegenständliche Kraftfahrzeug - im Rahmen der genannten Pauschalierungsvereinbarung - die Parkometerabgabe entrichtet worden sei. Die erstinstanzliche Verurteilung wegen der fahrlässigen Verkürzung der Parkometerabgabe sei daher zu Unrecht erfolgt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, hinsichtlich der Beschwerdelegitimation auf § 14a des Gesetzes über den Unabhängigen Verwaltungssenat Wien, LGBl. für Wien Nr. 53/1990, gestützte Beschwerde, mit der (ausschließlich) Rechtswidrigkeit des Inhaltes des bekämpften Bescheides geltend gemacht wird.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und ebenso wie die mitbeteiligte Partei eine Gegenschrift mit dem Antrag erstattet, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 45 Abs. 2 StVO kann die Behörde Ausnahmen von Geboten oder Verboten, die für die Benützung der Straßen gelten, auf Antrag bewilligen, wenn ein erhebliches persönliches (wie z.B. wegen einer schweren Körperbehinderung) oder wirtschaftliches Interesse des Antragstellers eine solche Ausnahme erfordert, oder wenn sich die ihm gesetzlich oder sonst obliegenden Aufgaben anders nicht oder nur mit besonderen Erschwernissen durchführen ließen und weder eine wesentliche Beeinträchtigung von Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs, noch wesentliche schädliche Einwirkungen auf die Bevölkerung oder die Umwelt durch Lärm, Geruch oder Schadstoffe zu erwarten sind.

Nach § 1 Abs. 1 des Parkometergesetzes (dieses in der Fassung LGBl. Nr. 8/1994) kann der Gemeinderat für das Abstellen von mehrspurigen Fahrzeugen in Kurzparkzonen (§ 25 der StVO 1960 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 275/1982) nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen die Entrichtung einer Abgabe vorschreiben. Zur Entrichtung dieser Abgabe sind nach § 1 Abs. 3 leg. cit. der Lenker, der Besitzer und Zulassungsbesitzer zur ungeteilten Hand verpflichtet. Jeder Lenker eines mehrspurigen Fahrzeuges, der ein solches Fahrzeug in einem Gebiet abstellt, für das eine Anordnung nach Abs. 1 getroffen wurde, hat die Parkometerabgabe bei Beginn des Abstellens des Fahrzeuges zu entrichten. Die Lenker haben bei der Durchführung der angeordneten Kontrollmaßnahmen mitzuwirken.

Gemäß § 1 Abs. 5 leg. cit. werden die Bestimmungen der StVO 1960 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 275/1982 sowie die darauf gestützten Verordnungen und Anordnungen durch dieses Gesetz nicht berührt.

Der Gemeinderat hat nach § 2 Abs. 1 erster Satz ParkometerG die Parkometerabgabe durch Verordnung festzusetzen. Nach den ersten beiden Sätzen des § 2 Abs. 2 leg. cit. kann der Magistrat aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung mit den Abgabepflichtigen Vereinbarungen über die Höhe und die Form der zu entrichtenden Abgabe treffen. Hiebei können insbesondere Pauschalierungsvereinbarungen und Vereinbarungen über die Fälligkeit getroffen werden.

Nach § 4 Abs. 1 ParkometerG sind Handlungen oder Unterlassungen, durch die die Abgabe hinterzogen oder fahrlässig verkürzt wird, als Verwaltungsübertretungen mit Geldstrafen bis zu S 3.000,-- zu bestrafen. Gemäß § 4 Abs. 3 leg. cit. sind die sonstigen Übertretungen der Gebote und Verbote dieses Gesetzes und der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Verordnungen als Verwaltungsübertretungen mit Geldstrafen bis zu S 1.000,-- zu bestrafen.

Nach § 7 leg. cit. hat die Gemeinde ihre in diesem Gesetz geregelten Aufgaben mit Ausnahme der Durchführung des Verwaltungsstrafverfahrens im eigenen Wirkungsbereich zu besorgen.

Der Gemeinderat hat von der ihm eingeräumten Befugnis Gebrauch gemacht und die Entrichtung einer Abgabe vorgeschrieben. Diese ist in der Verordnung des Gemeinderates vom , mit der für das Abstellen von mehrspurigen Kraftfahrzeugen in Kurzparkzonen die Entrichtung einer Abgabe vorgeschrieben wird, ABl. Nr. 48, näher geregelt. § 4 der erwähnten Verordnung bestimmt, dass die Abgabe mit der ordnungsgemäßen Entwertung des Parkscheines entrichtet ist; § 5 normiert, dass Übertretungen dieser Verordnung gemäß § 4 des Parkometergesetzes geahndet werden.

Die in § 2 Abs. 2 ParkometerG ermöglichte Pauschalierungsvereinbarung wird in der Verordnung der Wiener Landesregierung über die pauschale Entrichtung der Parkometerabgabe, LGBl. für Wien Nr. 53/1995 in der Fassung LGBl. Nr. 65/1995, auch der Höhe nach näher geregelt. In § 5 Abs. 1 dieser Verordnung werden als Hilfsmittel zur Kontrolle der Abgabenentrichtung (§ 1 Abs. 2 ParkometerG) unter anderem auch Einlegetafeln erwähnt, die, wie sich aus § 5 Abs. 3 der Verordnung ergibt, bei Kraftfahrzeugen mit einer Windschutzscheibe hinter dieser und durch diese gut lesbar, bei anderen mehrspurigen Kraftfahrzeugen an sonst geeigneter Stelle gut wahrnehmbar anzubringen und auf Verlangen den Organen der öffentlichen Aufsicht zur Einsichtnahme auszuhändigen sind.

Wie der Verwaltungsgerichtshof bei vergleichbarer Rechtslage bereits ausgesprochen hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 94/17/0009) wird die allgemeine Regel des § 1 Abs. 3 zweiter Satz ParkometerG, wonach die Parkometerabgabe bei Beginn des Abstellens der Fahrzeuge zu entrichten ist, durch die Ermächtigung des § 2 Abs. 2 leg. cit. zum Abschluss von Pauschalierungsvereinbarungen durchbrochen. Bei einer Pauschalierung kommt es auf die tatsächlich konkretisierten Tatbestände nicht an, weshalb für den Zeitraum der Geltung einer derartigen Vereinbarung § 1 Abs. 3 zweiter Satz ParkometerG, der an den jeweiligen Abstellvorgang anknüpft, gar nicht zum Tragen kommen kann.

Die im Parkometergesetz vorgesehenen Vereinbarungen - so das zitierte Erkenntnis vom weiter - haben einen Gegenstand der öffentlichen Verwaltung, nämlich die Entrichtung von Abgaben, zum Regelungsinhalt. In Abweichung von der auch in diesem Abgabengesetz grundsätzlich vorgesehenen obrigkeitlichen, d. h. einseitigen Normsetzungsbefugnis der Behörde bei der Durchsetzung des Abgabenanspruches der Gebietskörperschaft wird es hier im gewissen Umfang von der Willensübereinkunft zwischen Behörde und Abgabepflichtigen abhängig gemacht, ob bestimmte Modalitäten der Abgabenentrichtung zwischen den Vertragspartnern gelten sollen; es liege also eine Ermächtigung zum Abschluss eines so genannten subordinationsrechtlichen öffentlich-rechtlichen Vertrages vor.

Eine Abgabenverkürzung kann demnach nur dann vorliegen, wenn die Abgabe nicht im Wege einer Pauschalvereinbarung entrichtet wurde. Entscheidend ist demnach der Inhalt der getroffenen Vereinbarung.

Im hier zu entscheidenden Beschwerdefall gehen die Streitteile übereinstimmend vom Vorliegen einer rechtswirksamen Vereinbarung aus. Der Verwaltungsgerichtshof legt daher seiner Entscheidung zu Grunde, dass eine derartige Pauschalierungsvereinbarung geschlossen wurde. Nach dem im angefochtenen Bescheid - unbestritten - festgestellten Inhalt dieser zwischen der Gemeinde Wien und der Republik Österreich-Bund (Bundespolizeidirektion Wien) getroffenen Vereinbarung erhält die Bundespolizeidirektion vom Magistrat eine gewisse Anzahl von Parkkarten für die Bediensteten, die im Bereich gebührenpflichtiger Kurzparkzonen ihren Dienstort haben. Die Bundespolizeidirektion stellt diese Parkkarten ihren Sicherheitswachebeamten bzw. Kriminalbeamten - sofern diese im Besitz einer bescheidmäßigen Ausnahmegenehmigung des Magistrates sind - hinsichtlich deren jeweiliger Dienstversehung zur Verfügung.

In der Beschwerde wird hiezu weiter vorgebracht, dass eine größere Anzahl von Ausnahmebewilligungen erteilt worden seien, als Parkkarten zur Verfügung gestellt worden seien. Von der Richtigkeit dieses Vorbringens sind auch die belangte Behörde und die mitbeteiligte Partei in ihren Gegenschriften ausgegangen.

Feststellungen über den (weiteren) Inhalt der erwähnten Pauschalierungsvereinbarung fehlen jedoch. Dies gilt in erster Linie für die vereinbarte Art der Entrichtung, im Besonderen ob vereinbart wurde, dass die Leistung der Pauschalsumme nur eine Entrichtung für jene Fälle bewirke, in denen die Parkkarte im abgestellten Fahrzeug eingelegt wurde, oder auch für die Fälle des Abstellens des Fahrzeuges des Bediensteten im Zusammenhang mit oder im Hinblick auf die Dienstversehung, auch wenn die Parkkarte nicht hinter der Windschutzscheibe angebracht wurde. Dies erscheint deshalb relevant, weil im erstgenannten Fall das Abstellen des Kraftfahrzeuges ohne eingelegte Parkkarte allenfalls als Übertretung des § 4 Abs. 1 Wiener ParkometerG, im zweitgenannten Fall als bloße Übertretung des § 4 Abs. 3 leg. cit. zu beurteilen wäre. In diesem Zusammenhang hätte sich die Behörde (auch) Klarheit darüber verschaffen müssen, was die im angefochtenen Bescheid wiedergegebene Wendung in der Vereinbarung - eine Ausfertigung derselben ist in den vorgelegten Verwaltungsakten nicht enthalten - bedeutet, die Bundespolizeidirektion Wien könne die Parkkarten ihren Bediensteten für die Dienstversehung zur Verfügung stellen.

Im Hinblick darauf, dass diese wesentlichen Feststellungen wegen der dem angefochtenen Bescheid zu Grunde liegenden Rechtsanschauung der belangten Behörde, dass die "pauschale Entrichtung der Parkometerabgabe" durch den Bund an die Bundeshauptstadt Wien nach der Pauschalierungsvereinbarung in Verbindung mit dem Umstand, dass dem Beschwerdeführer mit dem oben wiedergegebenen Bescheid der MA 46 vom eine Ausnahmebewilligung nach § 45 Abs. 2 der Straßenverkehrsordnung erteilt worden sei, jedenfalls die Entrichtung der Parkgebühr für das verfahrensgegenständliche Abstellen des Fahrzeuges des Beschwerdeführers bewirkt habe, unterblieben sind, belastete die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.

Der angefochtene Bescheid war infolge dessen gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Wien, am