VwGH vom 18.11.1993, 93/16/0158
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Dr. Wurdinger, über die Beschwerde des R in W, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Präsidenten des Handelsgerichtes Wien vom , Zl. Jv 1038-33/93, betreffend Gerichtsgebühren, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist die Frage strittig, ob ein vom Beschwerdeführer vor dem Handelsgericht Wien im Verfahren 30 Cg nn1/93b als Kläger erhobener Anspruch auf Feststellung einer Konkursforderung gemäß § 111 Abs. 1 KO (betreffend Kündigungsentschädigung) unter den Befreiungstatbestand der Anm. 8 zu TP 1 GGG fällt.
Während der Beschwerdeführer in seinem Berichtigungsantrag gegen den Zahlungsauftrag des Kostenbeamten unter Hinweis auf die mit der GGG-Novelle 1991, BGBl. Nr. 694 vorgenommenen Änderung der Textierung des zitierten Ausnahmetatbestandes von "Verfahren ... vor einem Arbeitsgericht" auf "arbeitsrechtliche Streitigkeiten" Gebührenfreiheit behauptet, vertritt die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid, womit sie den Berichtigungsantrag keine Folge gab, die Meinung, es ergebe sich aus dem Bericht des Justizausschusses, daß die Änderung der in Rede stehenden Gesetzesstelle nur der Anpassung des GGG an das ASGG gedient habe. Dies ändere nichts daran, daß auch dann, wenn eine Streitigkeit vor dem Konkursgericht ihre Ursache in einen früheren Arbeitsverhältnis habe, eine Insolvenzstreitigkeit und nicht eine arbeitsgerichtliche vorliege.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Gebührenfreiheit gemäß der Anm. 8 zu TP 1 GGG verletzt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 110 Abs. 1 KO können Gläubiger, deren Forderungen in Ansehung der Richtigkeit oder Rangordnung streitig geblieben sind, deren Feststellung, sofern der Rechtsweg zulässig ist, mittels Klage geltend zu machen, die gegen alle Bestreitenden zu richten ist (§ 14 ZPO). Das Klagebegehren kann nur auf den Grund, der in der Anmeldung und bei der Prüfungstagsatzung angegeben worden ist, gestützt und nicht auf einen höheren als den dort angegebenen Betrag gerichtet werden.
Nach § 111 Abs. 1 leg. cit. ist zur Verhandlung und Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten über die Richtigkeit und die Rangordnung von Konkursforderungen ausschließlich das Konkursgericht zuständig.
Die Anm. 8 zu TP 1 GGG hatte vor der Novelle 1991 folgenden Wortlaut:
"Gebührenfrei sind Verfahren (einschließlich Mahnklagen und gerichtliche Aufkündigungen) vor einem Arbeitsgericht bei einem Wert des Streitgegenstandes bis S 6.000,--."
Mit Art. I Z. 9 lit. d GGG der Novelle 1991, BGBl. Nr. 694 wurde diese Anmerkung dahin geändert, daß sie nunmehr lautet:
"8. Gebührenfrei sind arbeitsrechtliche Streitigkeiten (einschließlich Mahnklagen und gerichtliche Aufkündigungen) bei einem Wert des Streitgegenstandes bis S 15.000,--."
In gleicher Weise wurden je die Anmerkungen 5 zu den TP 2 und 3 GGG novelliert. Diese erst im Justizausschuß vorgenommene Änderung dient "der Anpassung des Gerichtsgebührengesetzes an das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz" (vgl. AB, 350 der Beilagen zu den sten. Prot. des NR XVIII GP 2). Damit hat der Gesetzgeber nur konsequent jenen Weg weiter verfolgt, den er schon seinerzeit mit der (gegenüber dem § 15 Z. 1 lit. a GJGebGes: "Streitigkeiten, die vor das Arbeitsgericht gehören" vorgenommenen) Umformulierung in § 16 Z. 1 lit. a GGG ("arbeitsrechtliche Streitigkeiten") eingeschlagen hatte, um der Eingliederung der Arbeitsgerichte in die ordentliche Gerichtsbarkeit durch das (damals in Aussicht genommene, neue) Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz Rechnung zu tragen (vgl. dazu den AB, 454 der Beilagen zu den sten. Prot. des NR XVI GP 2)-
Der Verwaltungsgerichtshof hat zur Rechtslage vor der GGG-Novelle 1991 in seinem Erkenntnis vom , Zl. 89/16/0022 (auf dessen ausführliche Entscheidungsgründe zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird) ausgesprochen, daß auch für ihrer Herkunft nach arbeitsrechtliche Streitigkeiten, die gemäß § 111 Abs. 1 KO beim Konkursgericht erhoben werden, weder die Bestimmung des § 16 Z. 1 lit. a GGG noch die Gebührenfreiheit gemäß Anm. 8 zu TP 1 GGG anzuwenden sind.
Wenn nun der Beschwerdeführer vermeint, im Wege ausführlicher Interpretationsversuche darlegen zu können, daß durch den Ersatz der Worte "vor einem Arbeitsgericht" durch die Worte "arbeitsrechtliche Streitigkeiten" im Wege der GGG-Novelle 1991 die zitierte Rechtsprechung ihre Bedeutung verloren hätte, so übersieht er nicht nur den aus den oben zitierten Materialien eindeutig erkennbaren Zweck der Novelle, der seinen guten Grund einfach darin hat, daß es seit dem Inkrafttreten des Arbeits- und Sozialgerichtsgesetzes keine Arbeitsgerichte im früheren Sinn mehr gibt, sondern auch den Umstand, daß das Gerichtsgebührengesetz im Wege seines § 16 Z. 1 lit. a bzw. Z. 2 lit. a (wie auch schon das Gerichts- und Justizgebührengesetz in Gestalt seines § 15 Z. 1 lit. a bzw. Z. 2 lit. c) immer schon zwischen arbeitsrechtlichen Streitigkeiten und insolvenzrechtlichen unterschieden hat. Indem nämlich unter anderem für Streitigkeiten betreffend die Rangordnung von Forderungen im Konkurs eine Spezialbestimmung eingerichtet ist, läßt das Gesetz klar erkennen, daß es auch gebührenrechtlich die Streitigkeiten im Konkurs (deren eigenständiger Charakter sich im übrigen insbesondere aus § 110 Abs. 1 Satz 2 KO ergibt; vgl. dazu die von Mohr in MGA Konkurs-, Ausgleichs- und Anfechtungsordnung7 unter E 18 sowie 21 bis 25 referierte Judikatur) sehr wohl von anderen (somit auch arbeitsrechtlichen) unterscheidet und daß damit der ursprüngliche (allenfalls arbeitsrechtliche) Charakter einer solchen Streitigkeit gebührenrechtlich keine Bedeutung mehr hat.
Aus der somit erkennbaren Eigenständigkeit von Streitigkeiten im Konkurs ergibt sich daher außerhalb des Spezialtatbestandes des § 16 Z. 2 lit. a GGG auch nach der GGG-Novelle 1991 die Unanwendbarkeit sowohl des § 16 Z. 1 lit. a GGG als auch des Befreiungstatbestandes nach Anm. 8 zu TP 1.
Daran vermag auch die von Fink in seiner Besprechung des oben zitierten hg. Erkenntnisses (vgl. JBl 1991, 131, 132) geäußerte Meinung nichts zu ändern, weil Fink einerseits auf die Tatsache der Berücksichtigung der Eigenständigkeit von Streitigkeiten im Konkurs durch § 16 Z. 2 lit. a GGG insbesondere aber durch § 110 Abs. 1 Satz 2 KO gar nicht eingeht und weil andererseits die von Fink angestrebte gebührenrechtliche Beurteilung ausschließlich nach inhaltlichen Kriterien der nach der ständigen hg. Judikatur maßgeblichen Zielsetzung einer möglichst einfachen Handhabung des Gesetzes (vgl. das bereits oben zitierte hg. Erkenntnis sowie das Erkenntnis vom , Zl. 87/16/0044, ÖStZB 20/1988, 457 m.w.N.) zuwiderliefe. Die Orientierung daran, ob eine Streitigkeit vor dem Konkursgericht oder dem "Arbeits- und Sozialgericht Wien" bzw. einem "Landesgericht als Arbeits- und Sozialgericht" geführt wird, ist ungleich einfacher als die Beurteilung einer Streitsache nach ihrer materiellrechtlichen Wurzel.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Ein Ausspruch über Aufwandersatz hatte zu entfallen, weil die belangte Behörde im Rahmen der Aktenvorlage keinen Aufwandersatz angesprochen hat.