VwGH vom 16.11.1993, 90/14/0045
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Baumann, Mag. Heinzl und Dr. Zorn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Büsser, über die Beschwerde des Dr. H in X, vertreten durch Dr. U, Rechtsanwalt in X, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Steiermark (Berufungssenat) vom , Zl B 183-3/89, betreffend Einkommensteuer 1985, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Auwendungen in der Höhe 11.570 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist Facharzt für Innere Medizin. Mit Beschluß des Bezirksgerichtes über die Scheidung im Einvernehmen (§ 55a Ehegesetz) vom wurde die Ehe des Beschwerdeführers geschieden. In Punkt 4 der Vergleichsausfertigung vom selben Tag wurde festgehalten, daß sich der Beschwerdeführer verpflichte, zur Abgeltung sämtlicher vermögensrechtlicher Ansprüche der Gattin aus deren Mitwirkung im ehelichen Erwerb einen Betrag von 1 Million Schilling zu bezahlen. In der Einkommensteuererklärung für das Kalenderjahr 1985 beantragte der Beschwerdeführer, diesen Betrag als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen. Es handle sich um einen Abgeltungsbetrag gemäß § 98 ABGB.
Im Einkommensteuerbescheid anerkannte das Finanzamt die Zahlung nicht als außergewöhnliche Belastung. Die als Ordinationshilfe tätige ehemalige Gattin habe ein Nettogehalt von monatlich ca. 17.000 S erhalten. Ein Abgeltungsbetrag im Sinne des § 98 ABGB stehe daher nicht zu.
In der Berufung wird vorgebracht, die ehemalige Gattin habe über die Beistandpflicht des § 90 ABGB hinaus im Rahmen eines Dienstverhältnisses zum Beschwerdeführer Leistungen erbracht. Dieses halte dem Fremdvergleich stand, es sei einkommensteuerrechtlich anerkannt worden, weil die Tätigkeit bei weitem über die im Familienrecht begründete Mitwirkungspflicht hinausgehe. Der Anspruch im Sinne des § 98 ABGB übersteige im gegenständlichen Fall den Anspruch aus dem Dienstverhältnis und bleibe daher gemäß § 100 ABGB bestehen. Im Zeitraum der aufrechten Ehe (vom bis ) habe der Beschwerdeführer insgesamt ein Einkommen von 5.075.000 S (nach Abzug der Einkommensteuer), seine ehemalige Gattin ein solches von 580.000 S (ebenfalls nach Abzug der Einkommensteuer) bezogen. Selbst bei großzügiger Bemessung der monatlichen Haushaltskosten mit 30.000 S betrage der gemeinsam erzielte Vermögenszuwachs 4.548.000 S. Die Gattin des Beschwerdeführers habe überdurchschnittlich zum Vermögenszuwachs beigetragen, sie habe oft bis zur Grenze der physischen und psychischen Belastbarkeit in der Praxis des Beschwerdeführers mitgearbeitet. Zudem habe sie ihr Nettoeinkommen zur Gänze in den Betrieb eingelegt. Die vereinbarte Abgeltung erreiche ohnedies nur 22 % des gemeinsamen Nettovermögenzuwachses.
In der abweisenden Berufungsvorentscheidung hielt das Finanzamt dem Beschwerdeführer vor, die frühere Ehegattin sei bereits durch die laufenden Gehaltszahlungen angemessen entlohnt worden. Der in der Berufung glaubhaft gemachte Nettovermögenszuwachs gehe ausschließlich auf die Tätigkeit des Beschwerdeführers zurück, die Tätigkeit der ehemaligen Gattin hätte auch von einer fremden Ordinationshilfe erbracht werden können.
Im Antrag auf Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz wird vorgebracht, daß sich die Höhe des Abgeltungsanspruches gemäß § 98 ABGB nach der Art und Dauer der Leistungen richte und die gesamten Lebensverhältnisse der Ehegatten und insbesondere die gewährten Unterhaltsleistungen angemessen zu berücksichtigen seien. Die Leistungen der ehemaligen Gattin könnten nicht mit der Tätigkeit einer fremden Ordinationshilfe verglichen werden. Die Arbeitsleistungen hätten den Rahmen von 40 Wochenstunden erheblich überschritten, sie hätten überdurchschnittliche, nicht vergleichbare Leistungen betroffen. Durch die Gehaltszahlungen sei lediglich ein Teil dieser Leistungen abgegolten worden. Wenn auch auf Grund der Ausbildung bzw der berufsrechtlichen Vorschriften für Ärzte der Gewinn einer ärztlichen Ordination ausschließlich dem Arzt zugeordnet werden müsse, so seien die tatsächlichen Verhältnisse doch wesentlich anders gelegen. Nur durch das bedingungslose Gewinnstreben beider Ehegatten, durch den unermüdlichen Einsatz und den Verzicht auf Privatleben seien die erzielten Ergebnisse möglich gewesen. Der Beschwerdeführer und seine Gattin hätten aber den Lebensstil dem hohen Einkommen angepaßt. Zudem habe die Gattin hohe Unterhaltsleistungen erhalten.
Auf die Frage nach der Berufsbezeichnung für die ehemalige Gattin teilte der Beschwerdeführer mit, sie sei als Angestellte des Sanitätsdienstes (geprüfte Ordinationshilfe) tätig gewesen. Daneben habe sie auch den gesamten Einkauf des Ordinationsmaterials abgewickelt, sämtliche Honorarnoten erstellt und die gesamte Buchhaltung des Betriebes geführt. Die ehemalige Gattin sei bis zum für den Beschwerdeführer tätig gewesen.
Die belangte Behörde gab der Berufung in diesem Punkt keine Folge. Zur Begründung führt sie an, der Kollektivvertragslohn der ehemaligen Gattin des Beschwerdeführers hätte als Angestellte des Sanitätsdienstes brutto maximal 5.000 S pro Monat betragen. Es sei nicht glaubhaft, daß eine Ordinationshilfe für 40 Wochenstunden mehr als das Vierfache des Kollektivvertragslohnes erhalte. Die Höhe des Gehaltes sei daher nur dadurch zu erklären, daß es auch die andere Tätigkeit der ehemaligen Gattin abgelten solle. Der Hinweis auf den Vermögenszuwachs der Ehegattin sage nichts über den Beitrag der ehemaligen Gattin aus. Die Unterhaltsgewährung durch den Beschwerdeführer würde den Abgeltungsbetrag mindern. Das hohe gemeinsame Einkommen der Ehegatten sei wohl zum weitaus überwiegenden Teil auf die Tätigkeit des Beschwerdeführers zurückzuführen, was auch daraus ersichtlich sei, daß der Beschwerdeführer auch nach Auflösung des Dienstverhältnisses mit seiner Ehegattin gleich hohe bzw sogar höhere Gewinne erzielt habe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 34 Abs 1 EStG 1972 werden außergewöhnliche Belastungen, die dem Steuerpflichtigen zwangsläufig erwachsen, auf Antrag insoweit vor Berechnung der Steuer vom Einkommen abgezogen, als sie die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen. Zwangsläufig erwächst die Belastung dem Steuerpflichtigen gemäß § 34 Abs 3 leg. cit. in der für das Streitjahr geltenden Fassung, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann. Leistungen des gesetzlichen Unterhaltes an den geschiedenen Ehegatten sowie Abgeltungsbeträge gemäß § 98 ABGB, die aus Anlaß der Scheidung, Aufhebung oder Nichtigerklärung der Ehe gezahlt werden, gelten als zwangsläufig erwachsen.
Wirkt ein Ehegatte im Erwerb des anderen mit, so hat er gemäß § 98 ABGB Anspruch auf angemessene Abgeltung seiner Mitwirkung. Die Höhe des Anspruches richtet sich nach der Art und Dauer der Leistungen; die gesamten Lebensverhältnisse der Ehegatten, besonders auch die gewährten Unterhaltsleistungen, sind angemessen zu berücksichtigen.
Gemäß § 100 ABGB berührt § 98 vertragliche Ansprüche eines Ehegatten an den anderen aus einem Mit- und Zusammenwirken im Erwerb nicht. Solche Ansprüche schließen einen Anspruch nach § 98 aus; bei einem Dienstverhältnis bleibt dem Ehegatten jedoch der Anspruch nach § 98 ABGB gewahrt, soweit er seine Ansprüche aus dem Dienstverhältnis übersteigt.
Im vorliegenden Fall ist die Frage strittig, ob es sich bei dem vom Beschwerdeführer in der Einkommensteuererklärung als außergewöhnliche Belastung geltend gemachten Betrag von 1 Million S (teilweise) um eine Abgeltung im Sinne des § 98 ABGB handelt.
Zwischen dem Beschwerdeführer als Arbeitgeber und seiner Gattin als Arbeitnehmerin hat ein Dienstverhältnis bestanden. Gemäß § 100 ABGB hat die Gattin aber einen Anspruch nach § 98 ABGB, soweit dieser den Anspruch aus dem Dienstverhältnis übersteigt. In diesem Sinne vertritt der Beschwerdeführer die Auffassung, die an die ehemalige Gattin bezahlten Gehälter würden nur einen Teil des Abgeltungsbetrages abdecken.
Die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (vgl Nachweise bei Neumayr, in Harrer/Zitta, Familie und Recht, Wien 1992, Seite 481 ff), des Verwaltungsgerichtshofes (hg Erkenntnisse vom , 87/13/0037, und vom 4. Feber 1987, 85/13/0158) und die herrschende Lehre (Koziol/Welser, Grundriß des bürgerlichen Rechtes, 9. Auflage, Seite 202; Schwimann, Praxiskommentar zum allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch, Band 1, Rz 3 ff zu § 98 ABGB, Pichler in Rummel I, 2. Auflage, Rz 2 zu § 98) vertreten die Ansicht, daß die Höhe des Abgeltungsanspruches erfolgsabhängig, ähnlich dem Anspruch aus einem Gesellschaftsverhältnis zu beurteilen ist, worauf der Beschwerdeführer zu Recht hinweist.
Die partnerschaftliche Struktur der Ehe zwingt zur Annahme, daß als Ausgangsbasis für die Berechnung der Höhe der Abgeltung nicht jener Betrag heranzuziehen ist, der etwa einem Angestellten für eine gleichartige Leistung bezahlt werden müßte. Wenn der Erwerb des Ehegatten, in dem der andere mitwirkt, demnach eine günstigere Ertragslage aufweist, so ergibt sich aus der partnerschaftlichen Struktur der Ehe die Folgerung, daß die Abgeltung für die Mitwirkung höher auszufallen hat, als dies bei einem Angestellten der Fall wäre. Wenn andererseits die Ertragslage schlecht ist, so folgt aus der gleichen partnerschaftlichen Struktur, daß sich der mitwirkende Gatte mit einer geringeren Abgeltung zufrieden geben muß. Diese Auffassung ergibt sich im übrigen auch aus der im § 91 ABGB statuierten Verpflichtung zur "Rücksichtnahme aufeinander" (vgl nochmals hg Erkenntnis 87/13/0037).
Obwohl die Höhe des Anspruches nach § 98 ABGB erfolgsabhängig ist und ferner insbesondere auch von den gewährten Unterhaltsleistungen abhängt, enthält der angefochtene Bescheid weder Feststellungen darüber, in welcher Höhe während der Zeit der Mitwirkung der Ehegattin ein Gewinn erzielt worden war, noch darüber, in welcher Höhe der Beschwerdeführer seiner Ehegattin Unterhaltsleistungen gewährt hatte. Die belangte Behörde hat es unterlassen, die Beitragsleistungen des Beschwerdeführers für seine ärztliche Praxis zu ermitteln und zur Beitragsleistung seiner ehemaligen Gattin ins Verhältnis zu setzen. Wenn auch kein Zweifel darüber besteht, daß die Beiträge des Beschwerdeführers als Arzt deutlich überwiegen, sind solche Sachverhaltsfeststellungen doch für die Ausmessung des Abgeltungsbetrages gemäß § 98 ABGB erforderlich. Dem Ehegatten steht nämlich wie bei einem Gesellschaftsverhältnis ein angemessener Anteil des gemeinsam erzielten Gewinnes zu. Die Sachverhaltsfeststellung, daß das gesamte Einkommen der Ehegatten wohl zum weitaus überwiegenden Teil auf die Tätigkeit des Beschwerdeführers zurückzuführen sei, ist für die Berechnung des Abgeltungsbetrages nicht ausreichend. Zudem ist die Ableitung aus dem Umstand, daß die Gewinne der Jahre nach Auflösung des Dienstverhältnisses mit der ehemaligen Gattin nicht zurückgegangen sind, nicht schlüssig, weil nicht dargestellt wurde, in welcher Weise die Leistungen der ehemaligen Gattin substituiert worden sind.
Die in der Berufung behaupteten Unterhaltsleistungen des Beschwerdeführers mindern - wie auch die erhaltenen Gehaltszahlungen - den Abgeltungsanspruch. Dies ändert nichts daran, daß die relevanten Gegebenheiten, die für die Ermittlung des Abgeltungsanspruches - soweit dieser nicht gemäß § 1486a ABGB verjährt war - maßgebend sind, feststehen müssen.
Der Sachverhalt bedarf somit in einem wesentlichen Punkt der Ergänzung.
Der angefochtene Bescheid mußte daher gemäß § 42 Abs 2 Z 3 lit. b VwGG aufgehoben werden.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl Nr 104/1991, im besonderen Art III Abs 2.