VwGH vom 18.08.1994, 93/16/0136
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peternell, über die Beschwerde der A-Gesellschaft m.b.H. in W, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , GZ 11-1947/90, betreffend Rechtsgebühr, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem am mit der C. GmbH & Co KG abgeschlossenen Bestandvertrag pachtete die Beschwerdeführerin die Liegenschaft EZ 800 KG O. zum Zwecke der Errichtung eines Bauwerkes, wobei dieses Bauwerk durch den Bestandnehmer in der Absicht errichtet werden sollte, daß es nicht ständig dort verbleibt und Bestandteil oder Zubehör von Grund und Boden, sondern vielmehr Gegenstand selbständigen Eigentums wird (Superädifikat). Das Bestandverhältnis wurde auf unbestimmte Dauer abgeschlossen. Die Bestandgeberin verzichtete jedoch darauf, das Vertragsverhältnis vor dem aufzukündigen.
Das Finanzamt setzte die Rechtsgebühr nach § 33 TP 5 GebG mit endgültigem, in Rechtskraft erwachsenem Bescheid vom fest.
Zwischen denselben Vertragsparteien wurde mit 17. Juni bzw. eine "Zusatzvereinbarung" geschlossen.
Die Punkte II. bis V. dieses Vertrages lauten:
"II.
Die Liegenschaft ist noch nicht aufgeschlossen. Dem Bestandnehmer ist der zwischen dem Bestandgeber und der P Gesellschaft m.b.H. abgeschlossene Anlagenbenützungs- und Anlagenbetriebsverordnungs-Vertrag für das Industriezentrum NÖ (ABBO), mit welchem zwischen dem Grundeigentümer und der P die Regelung für die Versorgungsleitungen, Aufschließungsanlagen und Dienstleistungseinrichtungen geregelt werden, vollinhaltlich bekannt.
III.
Der Bestandgeber erteilt seine Zustimmung, daß die dem Bestandgeber aufgrund des vorgenannten Vertrages mit P zustehenden Rechte, soweit sie das bestandgegenständliche Grundstück betreffen direkt vom Bestandnehmer in Anspruch genommen werden, wobei jedoch keine Übertragung der Rechte und Pflichten aus dem ABBO-Vertrag auf den Bestandnehmer erfolgt. Der Bestandgeber räumt dem Bestandnehmer diese Berechtigung für die gesamte Dauer des aufrechten Bestandes des Bestandvertrages ein.
In diesem Zusammenhang verpflichtet sich der Bestandgeber, dem Bestandnehmer die entsprechenden Einrichtungen, soweit sie das bestandgegenständliche Grundstück betreffen, uneingeschränkt zur Verfügung zu stellen und jede Beeinträchtigung des Bestandnehmers in dessen Nutzung zu unterlassen.
Als Gegenleistung für die Überlassung der Nutzung der entsprechenden Anlagen gem. dem ABBO-Vertrag für das bestandgegenständliche Grundstück hat der Bestandnehmer eine einmalige Zahlung von S 5,926.025,-- zuzüglich 20 % Mwst. zu leisten, wobei diese Zahlung nach direkter Vorschreibung durch P vom Bestandnehmer an P zu berichtigen ist.
Es gilt ausdrücklich als vereinbart, daß neben der vorgenannten Zahlung der Bestandnehmer zu keinerlei weiteren Leistungen an den Bestandgeber aus der Überlassung von Rechten aus dem ABBO-Vertrag verpflichtet ist und kann der Bestandgeber keinerlei Ansprüche, aus welchem Titel immer, geltend machen.
IV.
Der Bestandnehmer wird die erforderliche Zustimmung der P zu dieser Vereinbarung einholen, wobei die P durch Mitunterfertigung dieser Vereinbarung ihr Einverständnis dahingehend erklärt, den oben genannten Betrag in Anrechnung auf das vom Bestandgeber nach dem ABBO-Vertrag geschuldete Entgelt, direkt dem Bestandnehmer in Rechnung zu stellen.
V.
Im übrigen gelten die Bestimmungen des vorzitierten Bestandvertrages uneingeschränkt weiter; diese Zusatzvereinbarung stellt einen integrierenden Bestandteil des vorzitierten Bestandvertrages dar."
In den Akten erliegt weiters eine "Anlagenbenützungs- und Anlagenbetriebsordnung" genannte Vereinbarung zwischen der
E. GmbH und der C. GmbH & Co KG vom , auf welchen Vertrag in der Vereinbarung vom 17. Juni bzw. Bezug genommen wurde. Danach ist die E. GmbH Eigentümerin von im Industriezentrum N. gelegenen, für Betriebsansiedlungen bzw. für die Bereitstellung von Aufschließungsanlagen und Dienstleistungseinrichtungen bestimmten Liegenschaften, von Straßen, einer Trennkanalisation, eines Wasserversorgungsnetzes und von Straßenbeleuchtungsanlagen. In Punkt III. dieser Vereinbarung räumte die E. GmbH der C. GmbH & Co KG das Recht ein, die im Eigentum der E. GmbH stehenden vorbezeichneten Einrichtungen und Anlagen, soweit sie für den Gebrauch und Verwendung der (anschließenden) Betriebsgrundstücke der C. GmbH & Co KG notwendig seien, mitzubenützen. Die Mitbenützungsrechte wurden im einzelnen näher dargestellt. Als Entgelt für diese Rechte wurde die Leistung des (einmaligen) Betrages von
S 14,850.780,--(einschließlich Umsatzsteuer) vereinbart.
Das Finanzamt schrieb von dem in Punkt III. der Vereinbarung vom 17. Juni bzw. genannten Betrag eine Gebühr nach § 33 TP 5 GebG vor.
In der Berufung gegen diesen Gebührenbescheid wurde ausgeführt, die Berechtigung zur Nutzung der entsprechenden Anlagen sei für die Dauer des zugrundeliegenden Bestandvertrages eingeräumt worden. An Stelle einer laufenden Zahlung sei hier eine Einmalzahlung vereinbart worden, die die laufenden Zahlungen substituiere. Daher sei dieser Betrag analog einer Mietzinsvorauszahlung auf den Zeitraum des vom Bestandgeber abgegebenen Kündigungsverzichtes (40 Jahre) aufzuteilen. Auf Grund der unbestimmten Laufzeit des gegenständlichen Vertrages sei die Bemessungsbasis mit dem dreifachen Jahresentgelt der anteiligen Vorauszahlung von S 14.815,-- zu ermitteln.
Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Die belangte Behörde ging dabei davon aus, daß es sich bei der Vereinbarung vom 17. Juni bzw. um einen Zusatz im Sinne des § 21 GebG handelte. Weder in dieser Zusatzvereinbarung noch im zugrundeliegenden Vertrag vom sei eine anteilige Rückzahlungsverpflichtung für den Fall der vorzeitigen Auflösung des Bestandverhältnisses vereinbart worden.
In der Beschwerde gegen diesen Bescheid wird dessen inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend gemacht.
Der Bundesminister für Finanzen legte die von der belangten Behörde verfaßte Gegenschrift sowie die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 33 TP 5 Abs. 1 Z. 1 GebG unterliegen Bestandverträge (§§ 1090 ff ABGB) und sonstige Verträge, wodurch jemand den Gebrauch einer unverbrauchbaren Sache auf eine gewisse Zeit und gegen einen bestimmten Preis erhält, nach dem Wert einer Gebühr von 1 v.H. Nach Abs. 3 Satz 1 dieser Gesetzesstelle sind die wiederkehrenden Leistungen bei unbestimmter Vertragsdauer mit dem Dreifachen des Jahreswertes zu bewerten.
Nach Auffassung der Beschwerdeführerin ist den angeführten Bestimmungen der Sinn beizumessen, daß Abs. 1 Verträge "von gewisser Zeit zu einem gewissen Preis" erfasse, während sich Abs. 3 auf Verträge "von unbestimmter Dauer mit konkreten Jahreswerten" erstrecke. Es bestehe insofern eine Gesetzeslücke, als für Verträge von unbestimmter Dauer, für welche ein einmaliger Preis geleistet werde, keine Lösung "geboten" werde.
Damit hat aber die Beschwerdeführerin, die Rechtslage verkannt: Die im § 33 TP 5 Abs. 1 GebG enthaltene Wortfolge "auf eine gewisse Zeit" ist wörtlich dem § 1090 ABGB entnommen. Dieses Tatbestandsmerkmal "auf eine gewisse Zeit" fordert damit das Bestehen irgendeiner zeitlichen Bindung des Bestandgebers und damit den Ausschluß jederzeitiger Widerruflichkeit (vgl. Würth in Rummel2, Rz 4 zu § 1090). Keine andere Bedeutung kann diesem Tatbestandsmerkmal im Bereich der nach der
2. Alternative des § 33 TP 5 Abs. 1 GebG erfaßten sonstigen, als eine Art Bestandvertrag anzusehenden Verträge zukommen. Von Abs. 1 des § 33 TP 5 GebG, der den der Rechtsgebühr unterliegenden Tatbestand regelt, werden somit sämtliche Bestandverträge im Sinne der §§ 1090 ff ABGB sowie die sonstigen Verträge über eine Gebrauchsüberlassung erfaßt, unabhängig davon, auf welche Dauer das Bestandverhältnis vereinbart worden ist.
Demgegenüber stellt Satz 1 des § 33 TP 5 Abs. 3 GebG keine Regelung des Abgabentatbestandes dar; vielmehr enthält diese Bestimmung eine Sonderregelung über die Ermittlung des Kapitalwertes von wiederkehrenden Leistungen. Während der Kapitalwert von wiederkehrenden Nutzungen und Leistungen im Bereich des II. Abschnittes des Gebührengesetzes gemäß § 26 GebG grundsätzlich nach der Vorschrift des § 15 BewG zu ermitteln ist, sind Leistungen auf unbestimmte Dauer abweichend von § 15 Abs. 2 BewG - wo die Bewertung mit dem Neunfachen des Jahreswertes vorgesehen ist - nach der Spezialvorschrift des Abs. 3 des § 33 TP 5 GebG mit dem Dreifachen des Jahreswertes anzusetzen.
Im Beschwerdefall wurde für die Überlassung der Rechte an den Versorgungsleitungen, Aufschließungsanlagen und Dienstleistungseinrichtungen im Industriezentrum N. - entgegen der Auffassung der belangten Behörde handelt es sich im Hinblick auf den völlig anderen Vertragsgegenstand nicht um einen Zusatz (§ 21 GebG) zu dem eine Liegenschaft betreffenden Bestandvertrag vom - ausdrücklich eine einmalige Geldleistung vereinbart. Eine mit der tatsächlichen Bestanddauer in irgendeinem Zusammenhang stehende aliquote Rückzahlungsverpflichtung wurde den Vertragspartnern nicht vereinbart.
Von der Beschwerdeführerin wird angestrebt, daß diese einmalige Leistung auf 40 Jahre - also auf die Dauer des einseitigen Kündigungsverzichtes - aufgeteilt gebührenrechtlich als wiederkehrende Leistung behandelt werde. In diesem Sinne sind zwar alle Leistungen des Bestandnehmers, die dem Bestandgeber nur nach Maßgabe der tatsächlichen Dauer des Bestandverhältnisses verbleiben, die somit nach Beendigung des Bestandverhältnisses insoweit zu erstatten sind, als sie nicht "abgewohnt" wurden, als wiederkehrende Leistungen zu betrachten. Da aber im Beschwerdefall Gegenleistung für die Überlassung der Benutzung der Aufschließungsanlagen eine einmalige Zahlung darstellte, war die in Rede stehende Leistung mit ihrem vollen Wert als Bemessungsgrundlage der Bestandvertragsgebühr heranzuziehen (vgl. das Erkenntnis vom , 92/16/0068).
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.