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VwGH vom 28.10.1993, 90/14/0029

VwGH vom 28.10.1993, 90/14/0029

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Baumann, Mag. Heinzl und Dr. Zorn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Hutter, über die Beschwerde des B in G, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Tirol vom , Zl. 40.322-4/87, betreffend Haftung für Lohnsteuer für den Zeitraum bis , zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer betreibt ein Hotel. Im Anschluß an eine Lohnsteuerprüfung für den Zeitraum vom bis versagte das Finanzamt die begünstigte Besteuerung von Überstundenzuschlägen mit der Begründung, daß eine nach Normalarbeitszeit und Überstunden getrennte Aufzeichung der täglich geleisteten Gesamtarbeitsstunden nicht vorliege.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung. Seine Lohnverrechnung sei so organisiert, daß der jeweilige Abteilungsleiter die geleisteten Stunden der Mitarbeiter an die Lohnverrechnungsstelle weiterleite und die Lohnverrechnerin nach diesen Informationen die Überstunden und die kollektivvertraglichen Überstundenzuschläge ermittle und abrechne. Das Finanzamt sei gemäß § 115 BAO verpflichtet, von Amts wegen die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu ermitteln, die für die Abgabepflicht wesentlich seien. Amtsbekannte Umstände, wie die Erbringung von Überstunden im Gastgewerbe, seien dabei auch zugunsten des Abgabepflichtigen zu prüfen und zu würdigen. § 138 BAO normiere, daß die Glaubhaftmachung tatsächlicher Umstände genüge, wenn Beweise nicht vorlägen oder ihre Beschaffung nicht zumutbar sei. Daß die steuerfrei belassenen Zuschläge auf tatsächlich geleistete Überstunden entfielen, könne mittels der für das Jahr 1987 erstellten Überstundenaufzeichungen glaubhaft gemacht werden. Da sich die Struktur der Dienstnehmer des Beschwerdeführers nicht geändert habe, könne nämlich von den Aufzeichnungen des Jahres 1987 auf die Verhältnisse des Prüfungszeitraumes geschlossen werden. Im übrigen ergebe sich aus § 184 BAO die Verpflichtung zur Vornahme einer Schätzung (der erbrachten Überstunden), wenn die Abgabenbehörde die Grundlagen für die Abgabenerhebung nicht ermitteln oder berechnen könne.

Das Finanzamt wies die Berufung mit Berufungsvorentscheidung ab. Aufzeichnungen, aus denen die genaue Anzahl und zeitliche Lagerung der tatsächlich geleisteten überstunden hervorgingen, seien nicht geführt worden.

Der Beschwerdeführer beantragte ohne weiteres Vorbringen die Vorlage seiner Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz. Die belangte Behörde wies die Berufung ab. Aus den Aufzeichnungen des Beschwerdeführers ergäbe sich die Anzahl der im Lohnzahlungszeitraum abgerechneten Überstunden, zum Teil auch der täglich geleisteten Arbeitsstunden. Die zeitliche Lagerung der als Überstunden abgerechneten Arbeitsstunden lasse sich aber aus den Aufzeichnungen nicht entnehmen. Diese könne sich auch nicht aus den Überstundenaufzeichnungen für das Jahr 1987 ergeben. Entsprechende Aufzeichnungen zu führen, wäre dem Beschwerdeführer zumutbar gewesen. Der Beschwerdeführer habe aber auch andere Beweismittel zur Frage der zeitlichen Lagerung der Überstunden nicht angeboten. Es sei Sache des Steuerpflichtigen, den Nachweis dafür zu erbringen, daß die Voraussetzungen für eine steuerliche Begünstigung - die Steuerfreiheit für Überstundenzuschläge sei eine Begünstigungsvorschrift - gegeben seien. Eine Schätzung nach § 184 BAO komme nicht in Betracht, weil Grundlage für die Abgabenerhöhung der Betrag der vom Beschwerdeführer steuerfrei behandelten Überstundenzuschläge sei; diese könnten genau ermittelt werden, weil sie in den Lohnkonten eingetragen seien.

Gegen diese Entscheidung wurde Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof eingebracht, deren Behandlung mit Beschluß vom , B 750/89, abgelehnt wurde. Der Verfassungsgerichtshof trat die Beschwerde mit Beschluß vom , B 750/89, gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. Die Beschwerde macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

In ihrer Gegenschrift beantragt die belangte Behörde, die Beschwerde als unbegründet und kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 68 Abs. 1 EStG 1972 sieht für in Überstundenentlohnungen enthaltene Zuschläge für Mehrarbeit eine begünstigte Besteuerung vor. Gemäß § 68 Abs. 3 leg. cit. gilt als Überstunde jede über die Normalarbeitszeit hinaus geleistete Arbeitsstunde. Aus dieser Bestimmung hat der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung abgeleitet, daß die Steuerbegünstigung für Überstundenzuschläge nur in Betracht kommt, wenn die genaue Anzahl und zeitliche Lagerung aller im einzelnen tatsächlich geleisteten Überstunden und die genaue Höhe der dafür über das sonstige Arbeitsentgelt hinaus mit den Entlohnungen für diese Überstunden bezahlten Zuschläge feststehen. Vom erstgenannten dieser beiden Erfordernisse kann nur abgesehen werden, wenn eine klare, nach der Sachlage wirtschaftlich fundierte und daher steuerlich anzuerkennende Vereinbarung über eine Pauschalabgeltung der Überstundenleistungen in bestimmter Höhe getroffen ist (Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofs vom 14. Feber 1978, 2488/77, Slg. Nr. 5227/F, und vom , 92/15/0037, mwH).

Eine steuerlich anzuerkennende "Überstundenpauschalierung" wird für den Beschwerdefall nicht behauptet. Es kommt also die Steuerbegünstigung für Überstundenzuschläge nur in Frage, wenn die genaue Anzahl und DIE ZEITLICHE LAGERUNG tatsächlich geleisteter Überstunden feststünde.

Die Aufzeichnungen des Beschwerdeführers geben unbestritten keine Auskunft über die zeitliche Lagerung der Arbeitsstunden. Der Beschwerdeführer hat auch sonst keine Beweismittel zur Frage der zeitlichen Lagerung der Überstunden angeboten. Die Beweiswürdigung der belangten Behörde, daß die zeitliche Lagerung der Überstunden nicht festgestellt werden könne, ist daher schlüssig.

Zu den Beschwerdeausführungen, daß die Form des Nachweises von Überstunden im Gesetz nicht festgelegt sei und daher die Unbeschränktheit der Beweismittel zu beachten sei, ist zu bemerken, daß diese Auführungen grundsätzlich mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs übereinstimmen. Wenn es sich allerdings, wie im Beschwerdefall, um eine Vielzahl von Überstunden in mehreren Jahren handelt, wird der Nachweis in aller Regel nur durch zeitnah erstellte Aufzeichnungen erbracht werden können, aus denen hervorgeht, an welchem Tag und zu welchen Tagesstunden der einzelne Arbeitnehmer die Überstunden leistete. Nachträgliche Zeugenaussagen und Bestätigungen der Arbeitnehmer können diese Aufzeichnungen im allgemeinen nicht ersetzen. Gleiches gilt für eine nachträgliche Rekonstruktion der zeitlichen Lagerung der Überstunden (vgl. hg. Erkenntnisse 85/14/0031, Slg. Nr. 6018/F, und 86/14/0068).

Der Beschwerdeführer bringt weiters vor, das Einhalten von "formalistischen Erfordernissen, die die Finanzverwaltung aufstellt", sei ihm für die Vergangenheit nicht zumutbar gewesen, weil er diese Erfordernisse nicht gekannt habe, die bloße Glaubhaftmachung der Überstunden sei daher gemäß § 138 Abs. 1 letzter Satz BAO ausreichend. Dem ist entgegenzuhalten, daß bereits das eine ständige Rechtsprechung einleitende hg. Erkenntnis 2488/77, Slg. Nr. 5227/F, die oben genannten Ausführungen zur Aufzeichnung von Überstunden enthält. Zur hier wesentlichen Frage der zeitlichen Lagerung der Überstunden wurde im übrigen die Glaubhaftmachung nicht angeboten.

Nach Ansicht des Beschwerdeführers hätte sich aus § 184 Abs. 1 BAO für die belangte Behörde die Verpflichtung zur Schätzung des Ausmaßes der Überstunden bzw. der auf die Überstunden entfallenden Überstundenzuschläge ergeben. Die Schätzung nach § 184 Abs. 1 BAO ist ein Akt der Tatsachenfeststellung (vgl. Stoll, Bundesabgabenordnung Handbuch, Seite 417). Sie ist daher nur ein Teilbereich aus der Sachverhaltsfeststellung im Rahmen der freien Beweiswürdigung gemäß § 167 Abs. 2 BAO. Die belangte Behörde führt aus, eine Schätzung müsse deshalb unterbleiben, weil sie die Höhe der Lohnbestandteile ermitteln könne. Darin liegt ein Begründungsmangel, weil sich die belangte Behörde nicht mit dem Berufungsvorbringen, welches erkennbar auf die Schätzung der geleisteten Überstunden gerichtet ist, auseinandersetzt. Der Mangel ist aber nicht wesentlich, weil es darauf ankam, ob die zeitliche Lagerung der Überstunden festellbar war und die belangte Behörde in schlüssiger Weise davon ausging, daß dies nicht der Fall war.

Der Beschwerdeführer bringt weiters vor, der angefochtene Bescheid sei in sich widersprüchlich. Einerseits führe er aus, ein Nachweis für erbrachte Überstunden können nicht durch (im vorhinein erstellte) Dienstpläne erbracht werden, andererseits betone er, die Vorlage von Dienstplänen wäre als ausreichender Nachweis akzeptiert worden. Hiezu ist zu bemerken, daß die erste Aussage die Darstellung der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs betrifft. In diesem Zusammenhang sei verwiesen auf das hg. Erkenntnis vom , 86/14/0068, in welchem die Beweiswürdigung der belangten Behörde, im vorhinein erstellte Schichtpläne könnten nicht den Nachweis für die tatsächliche Erbringung bzw. zeitliche Lagerung von Überstunden darstellen, als schlüssig anerkannt worden ist. Die zweite Aussage steht im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung im konkreten Verfahren. Letztere stellt aber keinen tragenden Teil der Begründung des angefochtenen Bescheides dar, weil es unbestritten ist, daß der Beschwerdeführer derartige Dienstpläne nicht erstellt hat.

Auf welche Weise der Nachweis der tatbestandmäßigen Voraussetzungen für die begünstigte Besteuerung von Schmutz-, Erschwernis- und Gefahrenzulagen im Sinne des § 68 Abs. 1 EStG erbracht werden kann, ist in diesem Verfahren nicht zu beurteilen.

Die in der Beschwerde zitierten Erlässe des Bundesministers für Finanzen bzw. der Finanzlandesdirektion bilden schon mangels Kundmachung im Bundesgesetzblatt keine Rechtsvorschrift, aus der der Beschwerdeführer subjektive Rechte ableiten könnte. Es erübrigt sich daher, auf die Ausführungen des Beschwerdeführers betreffend diese Erlässe einzugehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 88/14/0032).

Der angefochtene Bescheid läßt somit keine Rechtswidrigkeit erkennen. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.