VwGH vom 25.02.2002, 98/17/0097
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des P G in I, vertreten durch Dr. Andreas Fink und Dr. Peter Kolb, Rechtsanwälte in 6460 Imst, Sirapuit 7, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Tirol vom , Zl. 42.745- 4/97, betreffend Zeugengebühren, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesministerium für Finanzen) Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1.1. Der Beschwerdeführer, ein Wirtschaftstreuhänder, wurde am in einer Finanzstrafsache als Zeuge vernommen. Nach dem Inhalt des Protokolles wurde (unter anderem) gemäß § 108 Abs. 1 Finanzstrafgesetz (FinStrG) darauf hingewiesen, dass er Anspruch auf Ersatz von Reise- und Aufenthaltskosten und auf Entschädigung für Zeitversäumnis habe und diesen Anspruch bei sonstigem Verlust binnen zwei Wochen nach der Vernehmung geltend zu machen habe.
Mit Schreiben vom machte der Beschwerdeführer Zeugengebühren (Reisekosten und Verdienstentgang) geltend. Hinsichtlich des vor dem Verwaltungsgerichtshof allein noch strittigen Verdienstentganges verwies der Beschwerdeführer auf den Zeitpunkt seiner Abfahrt und seiner Rückkehr und die sich daraus ergebende "Ausbleibezeit" von vier Stunden und setzte hiefür einen Stundensatz von S 1.220,-- "(nach WT-Tarif)" an.
1.2. Das Finanzamt Innsbruck bestimmte mit Bescheid vom die Zeugengebühren des Beschwerdeführers betreffend die Zeitversäumnis gemäß § 17 Gebührenanspruchsgesetz (GebAG) entsprechend der mit vier Stunden angesetzten "Ausbleibezeit" mit insgesamt S 4.080,--, wobei es von einem Stundensatz von S 1.020,-- "(§ 1 AHR)" ausging. Das Mehrbegehen (hinsichtlich des Verdienstentganges) habe dem Zeugen nicht gewährt werden können, weil ihm ein Stundensatz gemäß "§ 1 AHR" der Wirtschaftstreuhänder zustehe, der "derzeit mit S 1.020,--" bestimmt sei.
1.3. Der Beschwerdeführer stellte in seinem am erhobenen Rechtsmittel den Antrag, den Bescheid der ersten Instanz dahingehend abzuändern, dass als Entschädigung für die Zeitversäumnis (unter Berücksichtigung der Umsatzsteuer gemäß "§ 9 AHR der WT" ein Betrag von S 4.896,-- zuerkannt werde.
1.4. Mit ihrem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid setzte die belangte Behörde "als Finanzstrafbehörde II. Instanz" die Entschädigung für Zeitversäumnis mit S 588,-- fest. Dass der Zeuge seinen Einkommensentgang nur zu bescheinigen, nicht aber nachzuweisen habe, ändere nichts an der Verpflichtung, den konkreten Verdienstentgang zunächst unter entsprechender Aufgliederung zu behaupten. Das Tatsachenvorbringen im Verwaltungsverfahren habe ein Vorbringen über einen konkreten Verdienstentgang zu enthalten (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 91/17/0105). Der Beschwerdeführer habe jedoch weder in seinem Antrag auf Bestimmung der Zeugengebühr vom noch in seiner Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Bescheid vom irgend eine - wenn auch bloß allgemeine - Tatsachenbehauptung in der Richtung aufgestellt, er habe durch die Abwesenheit von seiner Kanzlei Tätigkeiten nicht ausführen können bzw. es sei ihm (dadurch) ein bestimmter Einkommensverlust entstanden. Da somit ein konkreter Verdienstentgang vom Beschwerdeführer weder dem Grunde noch der Höhe nach behauptet worden sei, komme eine Entschädigung für Zeitversäumnis gemäß § 18 Abs. 2 Z 2 lit. b GebAG nicht in Betracht. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei unter "tatsächlich entgangenem" Einkommen nicht ein fiktiv nach Durchschnittssätzen errechnetes Einkommen zu verstehen (abermaliger Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 91/17/0105). Es sei vielmehr auf den konkreten Vermögensschaden abzustellen (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 86/17/0057). Daher stelle auch die in § 1 AHR angeführte Zeitgebühr keine taugliche Grundlage für die Ausmessung der Entschädigung für die Zeitversäumnis nach der genannten Gesetzesbestimmung dar. Es habe daher nur eine Entschädigung für Zeitversäumnis nach § 18 Abs. 1 Z 1 GebAG zuerkannt werden können.
1.5. Der Beschwerdeführer bekämpft diesen Bescheid vor dem Verwaltungsgerichtshof wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Er erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem aus § 108 FinStrG in Verbindung mit § 20 Abs. 2 GebAG resultierenden Recht auf Einräumung der "Gelegenheit zur Geltendmachung seiner Rechte durch Aufforderung zur Ergänzung der Bescheinigung seiner Ansprüche" und "folglich" in seinem Recht auf Zuerkennung einer Zeugengebühr gemäß § 18 Abs. 1 Z 2 lit. b GebAG in der Höhe von S 4.080,-- verletzt.
1.6. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift mit dem Antrag erstattet, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
2.0. Der Verwaltungsgerichthof hat erwogen:
2.1. Gemäß § 108 FinStrG, BGBl. Nr. 129/1958 in der Fassung durch die Novelle BGBl. Nr. 335/1975, haben Zeugen Anspruch auf Ersatz von Reise- und Aufenthaltskosten und auf Entschädigung für Zeitversäumnis unter den gleichen Voraussetzungen und im gleichen Ausmaß wie Zeugen im gerichtlichen Verfahren. Der Ersatzanspruch ist bei sonstigem Verlust binnen zwei Wochen nach der Vernehmung bei der Behörde geltend zu machen, welche die Einvernahme durchgeführt hat. Hierüber ist der Zeuge zu belehren (Abs. 1). Über den Anspruch entscheidet gemäß § 108 Abs. 2 leg. cit. die vernehmende Behörde, bei Einvernahmen durch einen Senat die Finanzstrafbehörde, bei der der Senat gebildet ist.
Nach § 18 Abs. 1 Z 2 lit. b GebAG 1975, BGBl. Nr. 136, gebühren dem Zeugen als Entschädigung für Zeitversäumnis anstatt der Entschädigung nach Z 1 beim selbstständig Erwerbstätigen das tatsächlich entgangene Einkommen; gemäß lit. c. leg. cit. gebühren dem Zeugen als Entschädigung für Zeitversäumnis anstatt der Entschädigung nach dem Buchstaben a oder b die angemessenen Kosten für einen notwendigerweise zu bestellenden Stellvertreter.
Nach § 18 Abs. 2 GebAG hat der Zeuge im Falle des Abs. 1 Z 2 auch die Höhe des Anspruches zu bescheinigen.
Nach § 19 Abs. 2 GebAG hat der Zeuge, soweit in diesem Abschnitt nicht anderes bestimmt ist und nicht feste Gebührensätze bestehen, die Umstände, die für die Gebührenbestimmung bedeutsam sind, besonders durch Vorlage einer Bestätigung über den Verdienstentgang oder die Entlohnung eines Stellvertreters oder einer Hilfskraft, gegebenenfalls durch Vorlage einer von der zuständigen Dienststelle ausgestellten Bestätigung über die Höhe der sonst zustehenden Reisegebühren (§ 3 Abs. 2) zu bescheinigen.
Vor der Gebührenbestimmung kann nach § 20 Abs. 2 GebAG der Zeuge aufgefordert werden, sich über Umstände, die für die Gebührenbestimmung bedeutsam sind, zu äußern und, unter Setzung einer bestimmten Frist, noch fehlende Bestätigungen vorzulegen.
2.2. Der Beschwerdeführer bringt vor dem Verwaltungsgerichtshof - zusammengefasst - vor, die belangte Behörde hätte ihm - im Sinne der zitierten Bestimmung des § 20 Abs. 2 GebAG - Gelegenheit geben müssen, hätte sie der Behörde I. Instanz nicht folgen wollen, sein (nach seiner Auffassung an sich ausreichendes) Tatsachenvorbringen dahin zu ergänzen, aus welchen Gründen er eine bestimmte Tätigkeit durch die Abwesenheit von der Kanzlei nicht habe verrichten können und ihm dadurch ein Einkommensverlust entstanden sei.
2.3. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann von einem tatsächlichen Einkommensentgang bei einem selbstständig Erwerbstätigen nur dann gesprochen werden, wenn während der durch die Erfüllung der Zeugenpflicht versäumten Zeit Tätigkeiten angefallen wären, die dem Zeugen Einkommen gebracht hätten, welches verloren ging. Unter "tatsächlich entgangenem" Einkommen im Sinne des § 18 Abs. 1 Z 2 lit. b GebAG ist nicht ein fiktiv nach Durchschnittssätzen errechnetes Einkommen zu verstehen. Dass der Zeuge seinen Einkommensentgang nur zu bescheinigen, aber nicht nachzuweisen hat, ändert nichts an der Verpflichtung, den konkreten Verdienstentgang zunächst einmal unter entsprechender Aufgliederung zu behaupten. Die Tätigkeiten, die während der versäumten Zeit ausgeübt worden wären und dem selbstständig Erwerbstätigen Einkommen gebracht hätten, können in der Regel bezeichnet, beschrieben und erforderlichenfalls durch Urkunden oder Aussagen bescheinigt werden. Auf Grund der für diese Tätigkeiten üblichen Entgelte und der einem Selbstständigen bei Erfüllung der versäumten Tätigkeit erwachsenden variablen Auslagen wird sich in der Regel auch das tatsächlich entgangene Einkommen errechnen und bescheinigen lassen, wobei der Schätzungsweg durch die §§ 18, 19 Abs. 2 GebAG keinesfalls verschlossen ist. Eine solche Schätzung wäre aber der Ermittlung eines fiktiven Einkommens nach Durchschnittssätzen keinesfalls gleichzuhalten, muss doch Ausgangspunkt auch der Schätzung stets eine konkrete, dem selbstständig Erwerbstätigen ein Einkommen vermittelnde Tätigkeit während des Zeitraumes der Verhinderung sein. Fehlt es aber einem Antrag auf Bestimmung der Zeugengebühr an der konkreten Behauptung, dass der Antragsteller infolge seiner Abwesenheit eine bestimmte Tätigkeit nicht habe verrichten können und ihm dadurch ein bestimmter Einkommensverlust entstanden sei, so wird der Obliegenheit, den konkreten Verdienstentgang unter entsprechender Aufgliederung zu behaupten, nicht entsprochen.
Die Geltendmachung der Entschädigung für Zeitversäumnis gemäß § 18 Abs. 1 Z 2 lit. b GebAG beschränkt sich nicht nur auf den Grund des Anspruches, sondern auch auf dessen Höhe (vgl. zu all dem das hg. Erkenntnis vom , Zl. 98/17/0357, mit weiteren Nachweisen).
Der Beschwerdeführer hat mit seinem Antrag vom den Anspruch auf Entschädigung für Zeitversäumnis dem Grunde und der Höhe nach rechtzeitig geltend gemacht. Die Höhe der Entschädigung für Zeitversäumnis errechnete der Beschwerdeführer durch Multiplikation eines durchschnittlichen Stundensatzes (nach den Honorarrichtlinien) mit der Anzahl der Stunden der Zeitversäumnis. Mit dieser Eingabe hat der Beschwerdeführer jedoch nicht das tatsächlich entgangene, sondern ein fiktiv nach Durchschnittssätzen errechnetes Einkommen bescheinigt. Ein solches fiktiv nach Durchschnittssätzen errechnetes Einkommen ist aber nach dem Gebührensanspruchsgesetz nicht zu vergüten (vgl. auch hiezu wiederum das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom , bei dem es gleichfalls um die Allgemeinen Honorarrichtlinien der Wirtschaftstreuhänder ging, mit weiteren Nachweisen).
Die belangte Behörde hat daher zu Recht einen Anspruch des Beschwerdeführers auf eine höhere als die nach § 18 Abs. 1 Z 1 GebAG vorgesehene Entschädigung für Zeitversäumnis verneint, weil der Beschwerdeführer keine konkrete Behauptung eines bestimmten Einkommensverlustes aufgestellt hat. Nur auf eine solche wäre aber gegebenenfalls § 20 Abs. 2 GebAG anzuwenden, sodass der gerügte Verfahrensmangel nicht vorliegt. Auf das Vorliegen der nunmehr in der Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof vorgebrachten Tatsachen kommt es daher gar nicht mehr an.
2.4. Aus den dargelegten Erwägungen ergibt sich, dass der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in seinen Rechten weder wegen der geltend gemachten noch wegen einer vom Verwaltungsgerichtshof aus eigenem aufzugreifenden Rechtswidrigkeit verletzt worden ist.
Die Beschwerde war infolge dessen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
2.5. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001, insbesondere deren in § 3 Abs. 2.
2.6. Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieser Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
Wien, am