VwGH vom 22.02.2007, 2002/14/0036

VwGH vom 22.02.2007, 2002/14/0036

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Robl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pfau, über die Beschwerde der A S in K, vertreten durch Dr. Walter Riedl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz Josefs-Kai 5, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom , Zl. RV1367/1-8/2001, betreffend Einkommensteuer 2000 (Arbeitnehmerveranlagung), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Anlässlich der Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2000 beantragte die Beschwerdeführerin, eine Volksschullehrerin, die Anerkennung von Werbungskosten in Höhe von insgesamt S 119.841,--. Die entsprechenden Aufwendungen unterteilte die Beschwerdeführerin in "Dienstreisen zu Fortbildungsseminaren", "Dienstreisen: Supervision, Selbsterfahrung, Peergruppensitzungen", "lehrgangsbegleitende Pflichtpraktika-Beratung", "Frauengesundheitszentrum ...", "Ausgaben für Unterkunft/Verpflegung laut Rechnung", "Semesterbeitrag 1. und 2. Semester", "Selbsterfahrungseinheiten Jan. bis Dez. 00", und "Fachliteratur laut Rechnung".

Mit Einkommensteuerbescheid des Finanzamtes für das Jahr 2000 wurden die beantragten Aufwendungen nicht als Werbungskosten anerkannt, "da es sich in Ihrem Fall um Ausbildungskosten handelt (keine berufsspezifische Fortbildung)".

In einer dagegen erhobenen Berufung wurde insbesondere darauf hingewiesen, dass die Beschwerdeführerin ein Schreiben des Bezirksschulrates vorgelegt habe, in dem bestätigt werde, dass sie die "im Lehrgang für Lebens- und Sozialberatung" erworbenen Kenntnisse im Bereich der Schule zur Anwendung bringen werde. Sie sei daher der Auffassung, dass der Bescheid sachlich unrichtig sei.

Mit Berufungsvorentscheidung wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Bei den gegenständlichen Kurskosten für "Lebens- und Sozialberatung" handle es sich nicht um abzugsfähige Ausbildungskosten nach § 20 EStG. Es müsse "auch ab 2000" eine berufliche Notwendigkeit gegeben sein, einschlägige Kurse zu besuchen. Der Bezirksschulrat habe den Kurs weder gefordert noch verlangt, unbestritten sei, "dass Teile des erworbenen Wissens verwendet werden können, aber nicht in einem wesentlichen Umfang". Es habe auch keine spezielle "Aus-Fortbildung" für die Berufsgruppe der Beschwerdeführerin vorgelegen, weil die Kursinhalte auch für andere Berufsgruppen zugänglich gewesen seien.

In einem als Antrag auf Entscheidung der Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz zu sehenden Schreiben führte die Beschwerdeführerin aus, den Lehrgang "Lebens- und Sozialberatung" habe sie als Fachspezifikum absolviert, welches anstatt fünf nur drei Semester gedauert habe und nur bestimmten Berufsgruppen mit sozialer bzw. pädagogischer Ausbildung zugänglich sei. Daraus sei nach Ansicht der Beschwerdeführerin deutlich die "Verwandtschaft der Tätigkeitsbereiche" zu ersehen. Außerdem habe die Beschwerdeführerin bereits vor ihrer Anmeldung zum Lehrgang Kontakt mit der Schulbehörde aufgenommen, wo ihr versichert worden sei, dass sie nach Abschluss der Fortbildungsmaßnahme im Bereich des sonderpädagogischen Zentrums zum Einsatz kommen werde und zwar im Rahmen der dort angebotenen Beratung für Eltern, Schüler und Lehrer. Sie sei daher der Ansicht, dass es sich "beim vorliegenden Lehrgang" eindeutig um eine berufliche Fortbildung handle, die ihren flexibleren Einsatz in einem erweiterten Bereich des Pflichtschulwesens ermögliche.

Der Schriftsatz weist im Übrigen eine Bestätigung des Bezirksschulrates auf, wonach der Lehrgang "Lebens- und Sozialberatung" zur beruflichen Fortbildung der Lehrerschaft gehöre. § 29 Abs. 3 LDG 1984 (Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz) verpflichte die Landeslehrer zur beruflichen Fortbildung.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab. Nach Zitierung (ausschließlich) der gesetzlichen Bestimmungen des § 16 Abs. 1, 1. Satz EStG 1988 und § 20 Abs. 1 Z. 1 und Z. 2 lit. a EStG 1988 hielt die belangte Behörde fest, Lehre und Rechtsprechung stimmten darin überein, dass "auch Kosten der Berufsfortbildung als Werbungskosten in Betracht kommen."

Diese lägen dann vor, wenn der Steuerpflichtige seine bisherigen beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten verbessere, um seinen Beruf besser ausüben zu können. Fortbildungskosten dienten dazu, in einem bereits ausgeübten Beruf auf dem Laufenden zu bleiben und den jeweiligen Anforderungen gerecht zu werden. "Aber auch hier" gelte, dass Werbungskosten eines Arbeitnehmers nur Aufwendungen seien, welche die Ausübung des Dienstes mit sich bringe, soweit sie nicht durch die allgemeine Lebensführung (§ 20 EStG) bedingt seien.

Im gegenständlichen Fall sei zu prüfen gewesen, ob die geltend gemachten Aufwendungen für therapeutische Supervision, Lebens- und Sozialberatung, das Seminar "meine Systeme" und Selbsterfahrungsseminare, die "teilweise in Wien, Kardinal König Haus, Don Bosco Haus, im Verein für Arbeit und Bildung, Kolleg für systematische Bildung und Beratung in Linz etc." absolviert worden seien, der Berufsfortbildung dienten und als solche die erforderlichen Voraussetzungen für die Anerkennung als Werbungskosten aufgewiesen hätten. Aus der "Gesamtbeurteilung der einzelnen Seminarreihen", die von der Beschwerdeführerin während ihrer Freizeit besucht worden seien, lasse sich "ableiten, dass daraus im Wesentlichen eine Berufsausbildung, nämlich zum Sozial- und Lebensberater erkennbar ist". Die Seminarreihe vermittle darüber hinaus Kenntnisse im praktischen Lebensbereich von verschiedenen psychologischen Zusammenhängen und deren praktischer Verwertung für Konfliktsituationen, wie dies für Personen verschiedenster Berufsgruppen von Bedeutung sei, die zu anderen Menschen Kontakte aufbauen müssten. Demnach würden mit anderen Personengruppen außerberufliche und berufliche mitmenschliche Kontakte, unabhängig von der Art der Berufstätigkeit hergestellt. An dieser rechtlichen Beurteilung vermöge auch das Schreiben des Landesschulrates nichts zu ändern, welches den Kursbesuch als Fortbildungsmaßnahme deklariere. Vielmehr werde bestätigt, dass die Beschwerdeführerin in weiterer Folge als Lebens- und Sozialberaterin tätig werden solle, was jedoch über den Rahmen der Tätigkeit einer Volkschullehrerin hinausgehe. In diesem Zusammenhang sei außerdem festzustellen, dass es nicht entscheidungswesentlich sei, ob der Arbeitgeber eine allfällige Fortbildung fordere oder daran interessiert sei. Es müsse sich erwiesenermaßen um Aufwendungen handeln, die der Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen dienten. Eine solche Querverbindung könne seitens der Berufungsbehörde nicht erkannt werden, wenn z.B. Seminare zur Lebens- und Sozialberatung besucht würden und die Beschwerdeführerin die Tätigkeit einer Volksschullehrerin ausübe. Die besuchten Seminarblöcke deuteten vielmehr auf eine Ausbildung zur Lebens- und Sozialberaterin hin, was auch aus einer Bestätigung des Landesschulrates für Oberösterreich hervorgehe. Zusammenfassend sei festzustellen, dass die einzelnen Seminarreihen und Kursbesuche deutlich einen Ausbildungscharakter aufwiesen und in einem nicht unerheblichen Ausmaß die Verfolgung privater Lebensinteressen erkennen ließen. Wenn auch eine solche Eigeninitiative in der gegenwärtigen beruflichen Laufbahn förderlich sein möge (Tendenz der verhaltensauffälligen Schüler steigend) genüge dies noch nicht, die in diesem Zusammenhang stehenden Aufwendungen als Berufsfortbildungskosten zu qualifizieren. Außerdem gehe aus dem Schreiben der Jugendbildungsstätte der Salesianer in Wien hervor, dass die Beschwerdeführerin Veranstaltungen zur Lebens- und Sozialberatungsausbildung besucht habe. Nicht zuletzt habe die Beschwerdeführerin in ihrer Berufungsschrift selbst erklärt, dass nach Abschluss der Fortbildung ein Einsatz im Bereich des sonderpädagogischen Zentrums erfolgen werde. Eine berufliche Veränderung in ihrer gegenwärtigen Stellung als Volksschullehrerin werde damit dokumentiert. Auch in jenen Fällen, wo vereinzelt Seminarblöcke auf das Berufsbild der Beschwerdeführerin zugeschnitten seien, müsse dennoch aus dem Gesamtbild die Schlussfolgerung gezogen werden, dass bei den Kursbesuchen die eigene Persönlichkeitsbildung vordergründig gewesen sei. Seien jedoch Beruf und private Lebensführung gleichzeitig von einem Aufwand betroffen, und sei eine einwandfreie Trennung nicht möglich, so sei schon allein aus diesem Grunde der gesamte Aufwand nicht abzugsfähig.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene Beschwerde erwogen:

Die belangte Behörde listet im angefochtenen Bescheid die strittigen Aufwendungen als solche für therapeutische Supervision, Lebens- und Sozialberatung, für das Seminar "meine Systeme" und für Selbsterfahrungsseminare auf, die teilweise an verschiedenen Bildungsstätten in Wien und Linz (etwa dem Kardinal König Haus, dem Don Bosco Haus, dem Verein für Arbeit und Bildung, dem Kolleg für systemische Bildung und Beratung) absolviert wurden. In der Folge geht die belangte Behörde davon aus, dass die Besuche aller dieser die entsprechenden Aufwendungen verursachenden Kurse und Seminare ein- und demselben Zweck gedient hätten, nämlich der Ausbildung zur Sozial- und Lebensberaterin, welche "darüber hinaus Kenntnisse im praktischen Lebensbereich von verschiedenen psychologischen Zusammenhängen und deren praktischer Verwertung für Konfliktsituationen, wie dies für Personen verschiedenster Berufsgruppen von Bedeutung ist, die zu anderen Menschen Kontakt aufbauen müssen" vermittelt hätten. Sie begründet allerdings nicht, weshalb sie die entsprechenden Kurse dieser "Gesamtbeurteilung" unterzieht. Eine solche Begründung wäre nicht nur vor dem Hintergrund erkennbar unterschiedlicher oder zumindest nicht näher dargestellter Inhalte - so ist etwa nicht ohne weiteres zu erkennen, weshalb ein nicht näher umschriebenes "Selbsterfahrungsseminar" oder der Besuch eines Frauengesundheitszentrums der Ausbildung zur Lebens- und Sozialberaterin dienen soll -, sondern auch vor dem Hintergrund geboten gewesen, dass die Beschwerdeführerin zunächst selbst nicht Aufwendungen für eine bestimmte, einheitliche Bildungsmaßnahme geltend gemacht hat, sondern diese in verschiedene Gruppen an Aufwendungen, etwa einerseits "Dienstreisen zu Fortbildungsseminaren" und andererseits zu "Dienstreisen:

Supervision, Selbsterfahrung und Peergruppensitzungen" unterteilt hat.

Aber auch die Beurteilung der erkennbar mit den Bildungsmaßnahmen bezüglich Lebens- und Sozialberatung zusammenhängenden Aufwendungen ist unzureichend begründet. Die belangte Behörde stützt ihre diesbezügliche Beurteilung insbesondere auf eine Bestätigung des "Landesschulrates" (gemeint wohl Bezirksschulrates) in R., wonach die Beschwerdeführerin - so die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid - "in weiterer Folge als Lebens- und Sozialberaterin" hätte tätig werden sollen. Aus dem Vorbringen im Berufungsverfahren, wonach die Beschwerdeführerin "nach Abschluss der Fortbildungsmaßnahme im Bereich des sonderpädagogischen Zentrums zum Einsatz kommen würde" leitete die belangte Behörde darüber hinaus ab, dass damit eine "berufliche Veränderung" in der gegenwärtigen Stellung der Beschwerdeführerin als Volksschullehrerin dokumentiert sei.

Beide Argumente tragen die Beurteilung der belangten Behörde, die Aufwendungen dienten der Ausbildung zur Lebens- und Sozialberaterin, nicht. Der Bezirksschulrat in R bestätigte lediglich, dass die Beschwerdeführerin die "Fortbildung zur Lebens- und Sozialberaterin" im Rahmen der Schule zur Anwendung bringen werde. Damit wird aber keineswegs zum Ausdruck gebracht, dass die Beschwerdeführerin nicht mehr innerhalb ihres Berufes als Volksschullehrerin, sondern als Lebens- und Sozialberaterin tätig werden sollte. Auch im Zusammenhang mit einer Tätigkeit im sonderpädagogischen Zentrum wäre der Schluss auf eine Dokumentation einer im vorliegenden Fall entscheidenden "beruflichen Veränderung" nur zulässig, wenn im sonderpädagogischen Zentrum tatsächlich Lebens- und Sozialberaterinnen - nicht aber besonders geschulte Volksschullehrerinnen oder -lehrer - tätig würden. Dass dies tatsächlich der Fall ist, hat die belangte Behörde aber nicht festgestellt.

Der angefochtene Bescheid erweist sich aus den genannten Gründen als rechtswidrig infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Der angefochtene Bescheid erweist sich aber auch als inhaltlich rechtswidrig:

Gemäß der erstmalig für Lohnzahlungszeiträume, die nach dem enden, geltenden gesetzlichen Bestimmung des § 16 Abs. 1 Z. 10 EStG 1988 in der Fassung des Steuerreformgesetzes 2000, BGBl I Nr. 106/1999, sind Werbungskosten auch Aufwendungen für Aus- und Fortbildungsmaßnahmen im Zusammenhang mit der vom Steuerpflichtigen ausgeübten oder einer damit verwandten beruflichen Tätigkeit.

Im angefochtenen Bescheid wird in verschiedenen Begründungsvarianten im Ergebnis zum Ausdruck gebracht, dass eine Anerkennung der geltend gemachten Aufwendungen - auch - deshalb zu verweigern sei, weil gegenständlich Ausbildungs- nicht aber Fortbildungsmaßnahmen vorlägen. Dieser Umstand allein steht aber bei der für das Streitjahr anzuwendenden Rechtslage der Beurteilung von Aufwendungen als Werbungskosten nicht entgegen.

Der angefochtene Bescheid war sohin, weil die inhaltliche Rechtswidrigkeit gegenüber der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften prävaliert, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am