VwGH vom 18.03.1991, 90/14/0009
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Reichel und die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Pokorny, Dr. Karger und Dr. Baumann als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Kärnten (Berufungssenat I) vom , Zl. 292/2-3/87, betreffend Einkommensteuer 1986, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist geschäftsführender Gesellschafter einer GmbH, deren Gesellschaftsvertrag am errichtet wurde. Er war an der Gesellschaft ursprünglich zu einem Drittel beteiligt. Mit Notariatsakt vom schenkte er seiner Ehegattin einen Teil seines Geschäftsanteils, wodurch sich sein Anteil auf 25 Prozent verminderte.
In der Einkommensteuererkärung für 1986 wies der Beschwerdeführer seine ab bezogenen Geschäftsführervergütungen als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von S 180.222,-- aus. Das Finanzamt setzte diese Bezüge im Einkommensteuerbescheid 1986 in Höhe der im Lohnzettel des Beschwerdeführers ausgewiesenen Bruttobezüge von S 299.521,-- als Einkünfte aus selbständiger Arbeit an.
Im Berufungsverfahren begehrte der Beschwerdeführer die Qualifikation der Geschäftsführerbezüge für die Monate Oktober bis Dezember 1986 als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, in eventu die Berücksichtigung einer Investitionsrücklage von S 20.000,--.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde diese Begehren ab. § 22 Abs. 1 Z. 2 EStG 1972 in der für das Streitjahr geltenden Fassung sei dahin auszulegen, daß die Beteiligung nur in einem Zeitpunkt des Jahres mehr als 25 Prozent betragen müsse, um für das gesamte Jahr Einkünfte aus sonstiger selbständiger Arbeit anzunehmen. Der Wechsel der Einkunftsart von Einkünften aus selbständiger Arbeit zu Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit sei einer Betriebsaufgabe gleichzuhalten; daraus ergebe sich aber, daß die Auflösung einer allenfalls gebildeten Investitionsrücklage beim laufenden Gewinn des Jahres 1986 zu erfolgen habe.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher mit Beschluß vom , Zl. B 915/89-7, die Behandlung der Beschwerde ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. Vor diesem erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf richtige Anwendung des § 22 Abs. 1 Z. 2 EStG 1972 bei der Qualifikation seiner Geschäftsführerbezüge des Streitjahres und auf Inanspruchnahme einer Investitionsrücklage gemäß § 9 EStG 1972 verletzt. Er beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die belangte Behörde beantragt in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. STEUERLICHE BEHANDLUNG DER BEZÜGE ALS
GESELLSCHAFTER-GESCHÄFTSFÜHRER:
Gemäß § 22 Abs. 1 Z. 2 EStG 1972 in der für das Streitjahr geltenden Fassung des Abgabenänderungsgesetzes 1981, BGBl. Nr. 620, sind Einnahmen aus sonstiger selbständiger Arbeit stets die Gehälter und sonstigen Vergütungen jeder Art, die von einer Kapitalgesellschaft an wesentlich Beteiligte für ihre sonst alle Merkmale eines Dienstverhältnisses (§ 47 Abs. 3) aufweisende Beschäftigung gewährt werden. Eine Person ist dann wesentlich beteiligt, wenn ihr Anteil am Grund- oder Stammkapital der Gesellschaft in einem Zeitpunkt des Veranlagungszeitraumes mehr als 25 v.H. beträgt.
Die Anteilsabtretung an die Ehegattin des Beschwerdeführers selbst wurde von den Abgabenbehörden im Beschwerdefall anerkannt (vgl. hingegen das hg. Erkenntnis vom , Zlen. 88/14/0043, 0044). Strittig ist aber, wie die eben zitierte Bestimmung, insbesondere die Wendung "IN EINEM ZEITPUNKT DES VERANLAGUNGSZEITRAUMES" auszulegen ist.
Die belangte Behörde kann sich für ihre Ansicht, eine Beteiligung von mehr als 25 Prozent müsse nur in irgendeinem Zeitpunkt des Jahres vorliegen, um für das gesamte Jahr Einkünfte aus selbständiger Arbeit anzunehmen, auf die von ihr zitierte herrschende Lehre stützen (vgl. Hofstätter-Reichel, Kommentar zur Einkommensteuer, § 22 Tz 53a;
Schubert-Pokorny-Schuch-Quantschnigg, Einkommensteuerhandbuch
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2. | Auflage, § 22 Tz 38; Schögl-Wiesner-Nolz-Kohler, EStG | |||||||||
8. | Auflage, Seite 200; Dollak-Bauer-Simon-Zaussinger, EStG | |||||||||
11. | Auflage, Seite 341). Selbst der Beschwerdeführer hat noch in seinem Berufungsnachtrag vom offenbar diese Meinung vertreten. |
Auch der Verwaltungsgerichtshof ist der Auffassung, daß die Bestimmung ihrem Wortlaut nach nur in diesem Sinne verstanden werden kann, soll nicht die Wortfolge "in einem Zeitpunkt des Veranlagungszeitraumes" überflüssig werden. Gegenteiliges ist auch den erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage des Abgabenänderungsgesetzes 1981 (850 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen XV. Gesetzgebungsperiode, Seite 17 f) nicht zu entnehmen. Der Auslegung des Beschwerdeführers, es sei zwischen Zeitpunkten, zu denen eine Beteiligung über 25 Prozent bestehe, und anderen Zeitpunkten, zu denen dies nicht der Fall sei, zu unterscheiden, kann sich der Gerichtshof nicht anschließen.
Es mag sein, daß das dargestellte Auslegungsergebnis unbefriedigend ist, wie Gaier, RdW 1986, 156, auf den sich der Beschwerdeführer beruft, meint. Dies berechtigt den Gesetzesanwender aber nicht dazu, eine Rechtslage anzunehmen, wie er sie für wünschenswert hält. Anzumerken ist, daß sich der Gesetzgeber des EStG 1988 - allenfalls auf Grund vorgetragener Kritik - zu einer Änderung der Rechtslage veranlaßt gesehen hat; es trifft nicht zu, daß diese Änderung bloß klarstellenden Charakter hätte. Vielmehr heißt es in den erläuternden Bemerkungen (621 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen XVII. Gesetzgebungsperiode, Seite 78), daß bei Gesellschafter-Geschäftsführern der Anteil von mehr als 25 Prozent am Grund- oder Stammkapital "in einem Zeitpunkt" durch den Entfall dieser im EStG 1972 enthaltenen Wortfolge nicht mehr dazu führe, daß die Tätigkeitsvergütungen des gesamten Jahres als Einkünfte nach Z. 2 zu erfassen seien. Überschreite (unterschreite) der Gesellschafter-Geschäftsführer während des Jahres die 25 Prozent-Grenze, so lägen jahresanteilig Einkünfte aus sonstiger selbständiger Arbeit und aus nichtselbständiger Arbeit vor. Diese Ausführungen erlauben zwar keine Rückschlüsse auf den Willen des Gesetzgebers des Jahres 1981, machen aber deutlich, daß bei der Schaffung des EStG 1988 von der oben zitierten herrschenden Ansicht ausgegangen wurde.
Im übrigen wirft der Beschwerdeführer vor allem verfassungsrechtliche Fragen auf, wobei er sich auf Gaier (a.a.O.), Lechner (RdW 1986, 190) und Weinberger (ÖStZ 1986, 266; dieser Autor behauptet freilich, § 22 Abs. 1 Z. 2 EStG 1972 in der Fassung des Abgabenänderungsgesetzes 1981 enthalte gar keine Legaldefinition der wesentlichen Beteiligung) stützt.
Diese Bedenken des Beschwerdeführers hat schon der Verfassungsgerichtshof in seinem Ablehnungsbeschluß unter Hinweis auf seine Rechtsprechung zum Gleichheitsgrundsatz dahin, daß ein Gesetz nicht schon dann gleichheitswidrig ist, wenn seine Anwendung nicht in allen Fällen zu einem befriedigenden Ergebnis führt, und daß nicht jede Unbilligkeit, die eine einheitliche Regelung mit sich bringt, bereits als Unsachlichkeit gewertet werden kann, sowie zur sachlichen Rechtfertigung der Festsetzung einer "wesentlichen Beteiligung" in steuerrechtlicher Hinsicht mit einem Ausmaß von mehr als 25 Prozent, nicht geteilt. Auch der Verwaltungsgerichtshof kann sich den geäußerten Bedenken nicht anschließen.
2. INVESTITIONSRÜCKLAGE:
Gemäß § 9 Abs. 3 EStG 1972 können Steuerpflichtige, die ihren Gewinn gemäß § 4 Abs. 3 EStG ermitteln, in der Steuererklärung beantragen, daß ein Betrag bis zu 25 v.H. des Gewinnes steuerfrei bleibt.
Unstrittig ist, daß der Wechsel der Einkunftsart von Einkünften aus selbständiger Arbeit zu Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit einer Betriebsaufgabe gleichzuhalten ist (vgl. Schubert-Pokorny-Schuch-Quantschnigg, Einkommensteuerhandbuch 2. Auflage § 24 Tz 39), was zur gewinnerhöhenden Auflösung und Versteuerung der Rücklage beim laufenden Gewinn führt (vgl. das von der belangten Behörde zitierte hg. Erkenntnis vom , Zlen. 84/14/0065, 0104).
Strittig ist aber, ob der Beschwerdeführer berechtigt ist, die für 1986 (in eventu) gebildete Rücklage erst 1987 aufzulösen. Hiefür führt er ins Treffen, zum Wechsel der Einkunftsart (Betriebsaufgabe) sei es frühestens am , 00.00 Uhr, gekommen.
Dieser Argumentation kann der Verwaltungsgerichtshof nicht folgen. Bereits mit Ablauf des Jahres 1986 bestand keine Möglichkeit mehr, eine Rücklage bestimmungsgemäß zu verwenden. Im Jahr 1987 existierte kein "Betrieb" mehr, in dem dies hätte geschehen können. Die Bildung einer Rücklage in einem Jahr, in dem der Betrieb - wenn auch erst mit Jahresende - aufgegeben wird, ist aber wegen der Auflösungsverpflichtung ein bloßes Zahlenspiel (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 90/14/0226).
Somit ist der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid auch in diesem Punkt in seinen Rechten nicht verletzt worden.
Die vorliegende Beschwerde erweist sich demnach als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.