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VwGH vom 17.12.2002, 98/17/0044

VwGH vom 17.12.2002, 98/17/0044

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des JP in Salzburg, vertreten durch Endl & Pressl, Rechtsanwälte in 5020 Salzburg, Dreifaltigkeitsgasse 9, gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien vom , Zl. MD-VfR - P 24/96, betreffend Haftung gemäß § 7 WAO für Lohnsummensteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1. Mit Haftungsbescheid des Magistrates der Stadt Wien vom wurde der Beschwerdeführer "gemäß § 7 und § 54 der Wiener Abgabenordnung - WAO, LGBl. für Wien Nr. 21/1962, in der derzeit geltenden Fassung" für den Rückstand an Lohnsummensteuer der W-Gesellschaft mbH (im Folgenden: GmbH) in der Höhe von S 15.042,-- für den Zeitraum 1988 bis Juli 1989 haftbar gemacht und zur Zahlung dieses Betrages aufgefordert.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung gegen diesen Bescheid. Nach Ergehen einer Berufungsvorentscheidung wurde die Berufung mit Bescheid vom als unbegründet abgewiesen.

1.2. Auf Grund einer Beschwerde des Beschwerdeführers vor dem Verwaltungsgerichtshof wurde dieser Bescheid mit hg. Erkenntnis vom , Zl. 92/17/0186, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Begründend führte der Verwaltungsgerichtshof insbesondere aus, dass die belangte Behörde ihre Feststellung über die Uneinbringlichkeit der Abgabenforderung ausschließlich auf die Stellungnahme des Masseverwalters vom gestützt habe, "dass nach dem derzeitigen Stand die Konkursgläubiger keine bzw. keine nennenswerte Quote zu erwarten haben."

Da sohin der Sachverhalt in diesem wesentlichen Punkt einer Ergänzung bedürfe, sei der Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften im Sinne des § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b VwGG belastet.

Der Verwaltungsgerichtshof legte in diesem Erkenntnis weiters dar, dass die belangte Behörde darüber, in welchen konkreten Zeiträumen der Beschwerdeführer zum Geschäftsführer bestellt gewesen sei und in welchen Zeiträumen andere (potentiell) haftende Personen diese Funktion innegehabt hätten, keine ausreichenden Feststellungen getroffen habe, obwohl sie den Beschwerdeführer für den Rückstand an Lohnsummensteuer für den gesamten Zeitraum 1988 bis Juli 1989 haftbar gemacht habe und ihm als haftungsbegründende Pflichtverletzung die Missachtung des § 28 Abs. 1 Gewerbesteuergesetz, dem zufolge die Lohnsummensteuer für einen Kalendermonat am 15. des darauffolgenden Monates fällig sei, angelastet habe. Kämen mehrere (auch nacheinander bestellt gewesene) Vertreter des Primärschuldners als Haftungspflichtige in Betracht, so sei die Ermessensentscheidung, wer von ihnen (für welchen Zeitraum) in Anspruch genommen werde, entsprechend zu begründen.

Zum übrigen Beschwerdevorbringen, dass sich die belangte Behörde mit den Beweisanträgen des Beschwerdeführers zu seinem mangelnden Verschulden an der Nichterfüllung abgabenrechtlicher Pflichten nicht auseinandergesetzt habe, wurde der Vollständigkeit halber bemerkt, dass weder das diesbezügliche Vorbringen noch die Beweisanträge des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren geeignet gewesen seien, ein mangelndes Verschulden darzutun. Weder die Beauftragung eines Steuerberaters mit den steuerlichen Agenden noch die behauptete Behinderung der Geschäftsführung durch die Organe bzw. Mitarbeiter der Alleingesellschafterin vermöchten nach der ständigen Rechtsprechung den Geschäftsführer zu exkulpieren.

1.3. Im fortgesetzten Verfahren räumte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom die Gelegenheit zur Stellungnahme zu den Beweisergebnissen der ergänzenden Beweisaufnahmen ein. Darin wurde u.a. die für die Monate Juni 1989 und Juli 1989 fällig gewordene Lohnsummensteuer genannt und ein Schreiben des Masseverwalters vom hinsichtlich des uneinbringlich gewordenen Teiles der Forderung vorgelegt.

Der Beschwerdeführer nahm mit Schreiben vom zu diesem Vorhalt Stellung und führte darin u.a. aus, dass sein Vorbringen offenkundig missverständlich gewesen sei. Bei der GmbH habe es sich um ein verbundenes Unternehmen des WB-Konzerns gehandelt, der "natürlich über ein zentrales Rechnungswesen verfügte". Dieses zentrale Rechnungswesen habe die Weisung bzw. Aufgabe von der Konzernleitung gehabt, die Bücher zu führen, das Rechnungswesen zu betreiben und sämtliche Steuern pünktlich abzuführen. Darüber hinaus seien auch laufend Steuerberater betraut gewesen, die die Steuererklärungen fristgerecht eingereicht und überprüft hätten. Der Beschwerdeführer habe während seiner gesamten Tätigkeit als Geschäftsführer nicht einen einzigen Anlassfall, bei dem eine Steuererklärung nicht oder verspätet abgegeben worden wäre, zu verzeichnen gehabt. Er habe seine Kontroll- und Überwachungspflicht jedenfalls bestmöglich erfüllt. Es könne somit keine Rede davon sein, dass bei seinem damaligen Kenntnisstand von einer Behinderung der Geschäftsführung bzw. gar von einer gesetzwidrigen Weisung auszugehen gewesen wäre. Zur Frage der Geltendmachung der Haftung ihm gegenüber wird in dieser Stellungnahme ausgeführt, dass es nicht billig sei, den Beschwerdeführer auch für Abgabenrückstände verantwortlich zu machen, die nachweislich vor seiner Bestellung zum Geschäftsführer aufgelaufen seien.

1.4. Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers insoweit Folge, als der Betrag, für den die Haftung geltend gemacht werde, auf S 11.330,-- reduziert wurde. Dieser Betrag ergibt sich aus der für die Monate Juni und Juli 1989 fällig gewordenen Lohnsummensteuer reduziert um den auf Grund der Konkursquote bereits lukrierten Betrag. Eine Heranziehung zur Haftung für Abgaben, die vor der Bestellung des Beschwerdeführers zum Geschäftsführer fällig wurden, erfolgte somit im angefochtenen Bescheid nicht mehr.

In der Begründung stellte die belangte Behörde zunächst fest, dass der Beschwerdeführer am zum Geschäftsführer der GmbH bestellt und am von dieser Funktion abberufen worden sei. Mit Gesellschafterbeschluss vom sei er neuerlich zum Geschäftsführer bestellt worden und habe diese Funktion bis zur Konkurseröffnung ausgeübt. Am sei Herr H zum weiteren Geschäftsführer bestellt worden.

Aus den Angaben des Masseverwalters im Schreiben vom ergebe sich, dass die Konkursquote im günstigsten Fall 8,178 % betragen werde. Im restlichen Ausmaß sei von einer Uneinbringlichkeit der Abgabenrückstände auszugehen.

Weiters führte die belangte Behörde aus, dass die eingeschränkte Haftung den in § 18 WAO normierten Ermessensrichtlinien der Zweckmäßigkeit und Billigkeit entspräche, da die Verletzung der Verpflichtung zur Entrichtung der Abgaben während eines Zeitraumes erfolgt sei, in dem der Beschwerdeführer Geschäftsführer gewesen sei. Dazu komme, dass sich der Beschwerdeführer offenkundig dazu herbeigelassen habe, als "Strohmann" zu fungieren. Es könne nicht unbillig sein, dass jemand, der in diesem Maß seine Verpflichtungen verletze, zur Haftung herangezogen werde, andernfalls der Abgabengläubiger leer ausgehen müsste. Es spreche nichts dafür, dass den zweiten Geschäftsführer ein weitaus höheres Ausmaß der Verantwortung treffe, sodass es unter diesem Gesichtspunkt unbillig wäre, den Beschwerdeführer zur Haftung heranzuziehen. Zur Frage der Einhaltung der Kontroll- und Überwachungspflichten wird ausgeführt, dass dann, wenn keine Behinderung der Geschäftsführung vorgelegen sein sollte, der Beschwerdeführer leicht die Kontrolle hätte ausführen können. Der Beschwerdeführer habe eine nähere Erklärung des Umstandes unterlassen, wie es möglich gewesen sei, dass er trotz tauglicher Kontrolle nicht feststellen habe können, dass die Bezahlung der Lohnsummensteuer für Juni und Juli 1989 zur Gänze unterblieben sei.

Bei der GmbH obliege die Geschäftsführung den Geschäftsführern. Zwar könnten "Gesellschafter der GmbH jede Geschäftsführungsangelegenheit initiativ aufgreifen und mit Beschluss den Geschäftsführern Weisung erteilen, doch" finde "die dem Geschäftsführer auferlegte Verpflichtung, Weisungen eines Dritten, der nicht Gesellschaftsorgan ist, zu befolgen", dort ihre Grenze, wo die Befolgung den Geschäftsführer zivil- oder strafrechtlich verantwortlich machen würde oder wenn die Weisung den Interessen der Gesellschaft nachteilig wäre. Zweifellos seien nun Weisungen, durch deren Befolgung der Geschäftsführer gesetzlich auferlegte öffentlich-rechtliche Verpflichtungen, wie z. B. die Bücher zu führen und steuerliche Vorschriften einzuhalten, verletzen würde, keinesfalls von ihm zu beachten (Hinweis auf Kastner, Grundriß des österreichischen Gesellschaftsrechts, 294).

Unter Hinweis auf die hg. Rechtsprechung wird dargelegt, dass es Aufgabe des Geschäftsführers sei nachzuweisen, dass ihm die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten für die Gesellschaft unmöglich gewesen sei. Die Behauptung, dass die Gesellschaft über keine Mittel verfügt habe und den Abgabengläubiger nicht benachteiligt habe, habe der Beschwerdeführer nicht belegen können.

Im Hinblick auf ein Vorbringen des Beschwerdeführers im fortgesetzten Verfahren, dass im Innenverhältnis weder er noch der zweite (am bestellte) Geschäftsführer vertretungsbefugt gewesen sei, wird ausgeführt, dass der Geschäftsführer dann, wenn er durch Behinderung von Gesellschaftern die Funktion des Geschäftsführers nicht ausüben könne, verpflichtet sei, entweder sofort im Rechtsweg die Ausübung zu erzwingen oder auszuscheiden.

1.5. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der die Verletzung im Recht, nicht ohne Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen gemäß § 7 und § 54 der Wiener Abgabenordnung für einen Lohnsummensteuerrückstand der GmbH haftbar gemacht zu werden, geltend gemacht wird.

1.6. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. In der Beschwerde wird die von der belangten Behörde im Bescheid zu Grunde gelegte Höhe der uneinbringlich gewordenen Abgabenforderung nicht mehr bestritten.

2.2. Durch die Einschränkung der Haftung auf die Abgaben für die Monate Juni und Juli 1989, die in einem Zeitraum fällig wurden, zu dem der Beschwerdeführer nach den nunmehr expliziten Feststellungen der belangten Behörde zum Geschäftsführer bestellt war, entfiel für die belangte Behörde die Notwendigkeit, das Auswahlermessen betreffend die Heranziehung zur Haftung für Abgaben, die vor der Bestellung des Beschwerdeführers zum Geschäftsführer fällig wurden, zu begründen.

Soweit die Behörde auf Grund der Bestellung eines zweiten Geschäftsführers für die Heranziehung zur Haftung für die Abgabe für Juni und Juli 1989 die Geltendmachung der Haftung dem Beschwerdeführer gegenüber zu begründen hatte, wird in der Beschwerde ebenfalls keine Rechtsverletzung geltend gemacht. Es ist diesbezüglich auch für den Verwaltungsgerichtshof keine Rechtswidrigkeit ersichtlich, die gegebenenfalls von Amts wegen aufzugreifen wäre.

2.3. Strittig ist im Beschwerdefall nunmehr lediglich, ob die Annahme der belangten Behörde hinsichtlich des Verschuldens des Beschwerdeführers im Sinne des § 7 WAO zutreffend ist.

Der Beschwerdeführer wiederholt im Zusammenhang mit der Frage seines Verschuldens die oben wiedergegebenen Ausführungen aus der Stellungnahme im fortgesetzten Verfahren und beruft sich unter dem Gesichtspunkt der Verletzung von Verfahrensvorschriften darauf, dass jene Unterlagen, auf Grund derer die verlangte Liquiditätsaufstellung erstellt hätte werden können, beim Landesgericht Salzburg nach der Beschlagnahme bei der GmbH in Verstoß geraten seien. Die belangte Behörde hätte daher zumindest seinen Beweisanträgen entsprechen müssen.

Auch diese Ausführungen sind jedoch nicht geeignet, ein mangelndes Verschulden darzutun. Wie bereits im Vorerkenntnis vom ausgeführt wurde, kann die Beauftragung eines Steuerberaters mit den steuerlichen Agenden den Geschäftsführer der GmbH nicht exkulpieren. Auch das nunmehr präzisierte Vorbringen, dass die GmbH ein verbundenes Unternehmen des WB-Konzerns gewesen sei, welcher über ein zentrales Rechnungswesen verfügt habe, dem die Aufgabe der Abführung der Steuern zugekommen sei, vermag keine Rechtswidrigkeit der Beurteilung der belangten Behörde aufzuzeigen. Die Betrauung einer Abteilung eines Konzernunternehmens mit der Abgabenberechnung und Abführung der Abgaben ist grundsätzlich nicht anders zu beurteilen als die Beauftragung eines Steuerberaters mit der Durchführung dieser Tätigkeiten. Darüber hinaus hat der Beschwerdeführer zwar im fortgesetzten Verfahren eine interne Geschäftsverteilung dahingehend, dass der zweite Geschäftsführer für das Rechnungswesen zuständig gewesen sei, behauptet, hat diese Behauptung aber über Nachfrage nicht weiter belegt, sondern auf den Umstand hingewiesen, dass "intern" (?) weder er noch der zweite Geschäftsführer vertretungsbefugt gewesen sei. Die belangte Behörde hat daraus zutreffend den Schluss gezogen, dass somit nicht von einer internen Aufteilung der Kompetenzen ausgegangen werden kann.

Was den Vorwurf eines Verfahrensmangels in diesem Zusammenhang anlangt, ist darauf hinzuweisen, dass sich zwar aus dem vorgelegten Akt ergibt, dass sich der Beschwerdeführer bemühte, Buchhaltungsunterlagen der GmbH für den fraglichen Zeitraum beim LG Salzburg einsehen zu können bzw. zu erhalten und dass diese Bemühungen fehlgeschlagen sind. Daraus folgt aber nicht, dass damit die grundsätzlich bestehende Verpflichtung des Geschäftsführers, die Liquiditätssituation nachzuweisen, um sein mangelndes Verschulden darzutun, aufgehoben wäre. Beweisthema bei der Heranziehung eines Geschäftsführers zur Haftung nach § 7 iVm § 54 WAO (worauf sich folglich der Entlastungsbeweis des Geschäftsführers zu beziehen hat) ist, ob und inwieweit der Gesellschaft, die er vertreten hat, Mittel zur Verfügung gestanden sind, aus denen die in Rede stehenden Abgabenschulden (zumindest anteilig) beglichen hätten werden können (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 97/17/0144). Dass der Beschwerdeführer, wie er in der Beschwerde vorbringt, keinerlei Zahlungen mehr geleistet habe, ist daher nicht ausschlaggebend. Aus diesem Grund hätte aber auch eine Aussage des zweiten Geschäftsführers zum Beleg dieses Umstandes nichts Maßgebliches zum entscheidungswesentlichen Sachverhalt beigetragen.

2.4. Aus den dargelegten Erwägungen ergibt sich, dass die beschwerdeführende Partei durch den angefochtenen Bescheid in ihren Rechten weder wegen der geltend gemachten noch wegen einer vom Verwaltungsgerichtshof aus eigenem aufzugreifenden Rechtswidrigkeit verletzt worden ist.

Die Beschwerde war infolge dessen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

2.5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. II Nr. 501/2001, insbesondere deren § 3 Abs. 2.

Wien, am