VwGH vom 25.02.2002, 98/17/0039

VwGH vom 25.02.2002, 98/17/0039

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde der Marktgemeinde Matzen-Raggendorf, vertreten durch Dr. Franz Nistelberger, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Stock im Eisen-Platz 3, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom , Zl. IVW3-BE-112-17/1-97, betreffend Vorschreibung von Kanalbenützungsgebühr (mitbeteiligte Partei: MB in M), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird, soweit damit der Bescheid des Gemeinderates vom auch für den Bemessungszeitraum bis zum aufgehoben wird, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Das Land Niederösterreich hat der beschwerdeführenden Marktgemeinde Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Auf Grund einer Erhebung, die am vor Ort durchgeführt worden war und die in einem Schreiben betreffend das Haus "M, K-Gasse-Presshaus" angekündigt worden war, schrieb der Bürgermeister der beschwerdeführenden Marktgemeinde der mitbeteiligten Partei mit Bescheid vom den Jahresbetrag für Kanalbenützungsgebühren ab in der Höhe von S 1.669,80 zuzüglich Umsatzsteuer für die Schmutzwasserentsorgung und in der Höhe von S 303,60 zuzüglich 10% Umsatzsteuer für die Regenwasserentsorgung, sohin gesamt S 2.071,74, vor. Die Mitbeteiligte erhob Berufung und führte aus, dass das in Rede stehende Gebäude in der K-Gasse seit 1975 nicht mehr als Presshaus benutzt werde, da sie die gesamte Weinwirtschaft mit diesem Zeitpunkt beendet hätte. Die Berufung beziehe sich auf die angeführte Schmutzwasserentsorgung, da überhaupt kein Schmutzwasser anfalle. Der dort befindliche Wasseranschluss diene lediglich der Bewässerung des hinter dem Objekt liegenden Gartens und versickere das Wasser auch entsprechend. Es werde daher ersucht, die Kanalbenützungsgebühr für die Schmutzwasserentsorgung mit S 0,-- festzusetzen.

Mit Bescheid des Gemeinderates der beschwerdeführenden Gemeinde vom wurde der Berufung keine Folge gegeben und der bekämpfte Bescheid vollinhaltlich bestätigt. Die Kanalbenützungsgebühr setze sich aus einem Anteil für die Regenwasserentsorgung und aus einem Anteil für die Schmutzwasserentsorgung zusammen. Der Anteil für die Schmutzwasserentsorgung errechne sich aus dem Produkt der Schmutzwasserberechnungsfläche und dem Einheitssatz von S 22,--. Die mitbeteiligte Partei brächte lediglich vor, dass sie das in Rede stehende Presshaus seit 1975 nicht mehr benutze. Die Verpflichtung für eine Kanalbenützung ergäbe sich jedoch aus § 56 Abs. 2 und 3 der Nö Bauordnung. Darin sei zwingend vorgeschrieben, dass in Gemeinden mit öffentlichen Kanälen die Abwässer bzw. Niederschlagswässer in diesen Kanal einzuleiten seien. Gemäß § 9 des Nö Kanalgesetzes sei die Kanalbenützungsgebühr unabhängig von der tatsächlichen Benützung der Kanalanlage zu entrichten.

Die mitbeteiligte Partei erhob Vorstellung, in der sie darauf hinwies, dass nur ein Geschoß an die Kanalanlage angeschlossen sei, zumal das Kellergeschoß nur über eine Wasserentnahmestelle verfüge. Es fielen keine Abwässer in diesem Geschoß an.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Vorstellung Folge, hob den bei ihr bekämpften Bescheid auf und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde.

Begründend führt die belangte Behörde nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und einer Reihe von Rechtsvorschriften (insbesondere des Nö Kanalgesetzes, LGBl. 8230-5) aus, die Ansicht der Abgabenbehörde zweiter Instanz, dass es für die Pflicht der Entrichtung eines Anteils für die Schmutzwasserentsorgung rein darauf ankomme, ob das Objekt über einen Wasseranschluss verfüge, sei verfehlt. Vielmehr wäre zu prüfen gewesen, ob das gegenständliche Presshaus, welches im Erhebungsbogen aus dem Jahr 1986 noch als Wohngebäude tituliert werde, nicht als Kellergeschoß iSd Kanalgesetzes 1977 zu werten wäre. Aus den vorgelegten Unterlagen gehe nicht hervor, wie das Gebäude situiert sei. Sollte es zutreffen, dass das Gebäude als Kellergeschoß zu werten wäre, "also das Gebäude zumindest zu mehr als der Hälfte unterhalb des Geländes liegen", wäre das Presshaus als "Kellergeschoß" im Sinne des Nö Kanalgesetzes 1977 anzusehen und zwar auch dann, wenn in einem solchen Gebäude kein Hauptgeschoß nach § 4 Z 7 der Nö Bauordnung vorhanden sein sollte.

Durch den Umstand, dass die Abgabenbehörde zweiter Instanz es unterlassen hätte, die gebotenen Ermittlungen durchzuführen, sei die Vorstellungswerberin in ihrem subjektiv-öffentlichen Recht auf Durchführung eines dem NÖ Kanalgesetz 1977 entsprechenden Verfahrens verletzt worden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der sich die beschwerdeführende Marktgemeinde gegen die Rechtsauffassung der belangten Behörde bezüglich des Fehlens einer Abgabepflicht, wenn lediglich ein Kellergeschoß vorhanden wäre, wendet.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und ebenso wie die mitbeteiligte Partei eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die beschwerdeführende Marktgemeinde weist darauf hin, dass die mitbeteiligte Partei den Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde vom betreffend die Umgestaltung der Kanalanlage gemäß § 17 Nö Kanalgesetz 1977 nicht bekämpft habe. Mit Rechtskraft dieses Bescheides bestehe die Verpflichtung zum Anschluss der Liegenschaft an die Kanalanlage. Gemäß § 9 Nö Kanalgesetz 1977 sei die Kanalbenützungsgebühr unabhängig von der tatsächlichen Benützung der öffentlichen Kanalanlage zu entrichten. Im Übrigen wird versucht nachzuweisen, dass die Gemeindebehörden zutreffend davon ausgehen hätten können, dass kein Kellergeschoß vorliege.

2. § 5 Niederösterreichisches Kanalgesetz 1977, LGBl. 8230, in der Fassung der 5. Novelle LGBl. 8230-5, die gemäß ihrem Art. II am in Kraft getreten ist, lautet auszugsweise:

§ 5

Kanalbenützungsgebühr

(1) Für die Möglichkeit der Benützung der öffentlichen Kanalanlage ist eine jährliche Kanalbenützungsgebühr zu entrichten, wenn der Gemeinderat die Einhebung einer solchen Gebühr beschlossen hat.

(2) Die Kanalbenützungsgebühr errechnet sich aus dem Produkt der Berechnungsfläche und dem Einheitssatz zuzüglich eines schmutzfrachtbezogenen Gebührenanteiles. Dieser wird nur dann berücksichtigt, wenn die eingebrachte Schmutzfracht den Grenzwert von 100 Berechnungs-EGW überschreitet. Werden von einer Liegenschaft in das Kanalsystem Schmutzwässer und Niederschlagswässer eingeleitet, so gelangt in diesem Fall ein um 10 % erhöhter Einheitssatz zur Anwendung.

(3) Die Berechnungsfläche ergibt sich aus der Summe aller an die Kanalanlage angeschlossenen Geschoßflächen. Die Geschoßfläche angeschlossener Kellergeschoße und nicht angeschlossener Gebäudeteile wird nicht berücksichtigt. Angeschlossene Kellergeschoße werden jedoch dann berücksichtigt, wenn eine gewerbliche Nutzung vorliegt, ausgenommen Lagerräume, die mit einem Unternehmen im selben Gebäude in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen. Wird die Liegenschaft trotz bestehender Anschlußverpflichtung nicht an die Kanalanlage angeschlossen, so ist die Berechnungsfläche so zu ermitteln, als ob die Liegenschaft an die Kanalanlage angeschlossen wäre.

...

(6) Wenn der Beginn der Abgabepflicht während des Jahres eintritt, ist die Gebühr für dieses Jahr nur in dem verhältnismäßigen Anteil der Jahresgebühr zu entrichten. Dasselbe gilt sinngemäß im Falle einer Veränderung der bisherigen Gebühr."

§ 5 Niederösterreichisches Kanalgesetz 1977, LGBl. 8230, in der Fassung vor der 5. Novelle LGBl. 8230-5, die gemäß ihrem Art. II am in Kraft getreten ist, lautete auszugsweise:

"§ 5

Kanalbenützungsgebühren

(1) Für die Benützung der öffentlichen Kanalanlage ist eine Kanalbenützungsgebühr für jedes Jahr zu entrichten, wenn der Gemeinderat die Einhebung einer solchen Gebühr beschlossen hat.

(2) Die Kanalbenützungsgebühr setzt sich aus einem Anteil für die Regenwasserentsorgung und aus einem Anteil für die Schmutzwasserentsorgung zusammen.

(3) Der Anteil für die Regenwasserentsorgung errechnet sich aus dem Produkt der Regenwasserberechnungsfläche und dem Einheitssatz. Die Regenwasserberechnungsfläche ergibt sich aus der Summe der bebauten Flächen der an die Kanalanlage anzuschließenden Gebäude, vermehrt um 15 v.H. der unbebauten Fläche.

...

(5) Der Anteil für die Schmutzwasserentsorgung errechnet sich aus dem Produkt der Schmutzwasserberechnungsfläche und dem Einheitssatz zuzüglich eines schmutzfrachtbezogenen Anteils. Dieser wird nur dann berücksichtigt, wenn ...

...

(7) Die Schmutzwasserberechnungsfläche ergibt sich aus der Summe aller an die Kanalanlage angeschlossenen Geschoßflächen.

...

(9) Wenn der Beginn der Abgabenpflicht während des Jahres eintritt, ist die Gebühr für dieses Jahr nur in dem verhältnismäßigen Anteil der Jahresgebühr zu entrichten. Dasselbe gilt sinngemäß im Falle einer Veränderung der bisherigen Gebühr."

Art. II Abs. 3 der Novelle 8230-5 lautet:

"(3) Rechtskräftige Bescheide über die Vorschreibung der Kanalbenützungsgebühr nach den bisherigen Vorschriften bleiben bis zu einer neuerlichen Vorschreibung nach den Bestimmungen des Art. I unberührt. Anhängige Verfahren sind nach den bisherigen Vorschriften zu Ende zu führen."

3. Die Fassung des Kanalgesetzes 8230-5 trat am , also während der Anhängigkeit des Berufungsverfahrens über die Berufung der mitbeteiligten Partei in Kraft.

Gemäß Art. II Abs. 3 der Novelle sollten rechtskräftige Bescheide über die Vorschreibung der Kanalbenützungsgebühr nach den bisherigen Vorschriften bis zu einer neuerlichen Vorschreibung nach den Bestimmungen in der Fassung der Novelle unberührt bleiben. Anhängige Verfahren waren nach der bis zum geltenden Rechtslage zu Ende zu führen.

Diese Anordnung wirft die Frage auf, ob und inwiefern das beschwerdegegenständliche Abgabenverfahren nach den bis zum geltenden Bestimmungen zu Ende zu führen war. Da der Wortlaut des Art. II Abs. 3 zweiter Satz der Novelle keinerlei Differenzierung enthält, wären anhängige Verfahren zur Festsetzung der Kanalbenützungsgebühr grundsätzlich nach der alten Rechtslage zu Ende zu führen gewesen. Dies ungeachtet des Umstandes, dass die Festsetzung der Kanalbenützungsgebühr pro futuro erfolgt und gegebenenfalls (wie der vorliegende Beschwerdefall zeigt; siehe unten) die neue Rechtslage für den Abgabepflichtigen günstiger sein konnte. Der Verwaltungsgerichtshof versteht Art. II Abs. 3 der Novelle LGBl. 8230-5 dahingehend, dass damit nur zum Ausdruck gebracht werden sollte, dass die Fortführung und Entscheidung von Verfahren für Bemessungszeiträume vor dem nach den alten Vorschriften erfolgen solle (vgl. schon das hg. Erkenntnis vom , Zl. 97/17/0461).

4. Daraus ergibt sich, dass bei der Entscheidung über die Berufung der mitbeteiligten Partei nach dem Bemessungszeitraum, auf den sich die Entscheidung bezog, zu differenzieren gewesen wäre. Auch die belangte Behörde hätte demzufolge bei der Entscheidung über die Vorstellung bei der Beurteilung des bei ihr bekämpften Bescheides des Gemeinderates nicht schlechthin von der Rechtslage nach LGBl. 8230-5 ausgehen dürfen, sondern hätte die Rechtmäßigkeit des Gemeindeabgabenbescheides nach den unterschiedlichen Bemessungszeiträumen getrennt an Hand der dafür jeweils maßgeblichen Rechtslage zu prüfen gehabt.

Da gemäß § 5 Abs. 3 NÖ Kanalgesetz 1977 in der Fassung LGBl. 8230-5 die Geschoßfläche (selbst) angeschlossener Kellergeschoße in die Berechnung der Schmutzwasserberechnungsfläche nicht miteinzubeziehen ist, entsprach die Rechtsauffassung der belangten Behörde, die Gemeindebehörden wären auf Grund des Vorbringens der mitbeteiligten Partei gehalten gewesen, ergänzende Sachverhaltsfeststellungen zum Vorliegen eines Kellergeschoßes zu treffen, für diese Fassung dem Gesetz.

Wenn in diesem Zusammenhang in der Beschwerde Rechtsausführungen enthalten sind, weshalb die Gemeindebehörden auf Grund der Bauordnung die Auffassung vertreten hätten können, dass es sich bei dem einzigen Geschoß des in Rede stehenden Gebäudes nicht um ein Kellergeschoß gehandelt habe, so ersetzen diese Ausführungen nicht die Begründung des bei der belangten Behörde bekämpften letztinstanzlichen Gemeindebescheides. In diesem ist der Gemeinderat auf die Frage, ob ein Kellergeschoß vorliege, nicht eingegangen. Die belangte Behörde konnte daher zu Recht auf Grund der Vorstellung den für den Anwendungsbereich dieser Fassung des Gesetzes darin gelegenenen Verfahrensmangel aufgreifen, da die Sachverhaltsfeststellungen und die Begründung des bei ihr bekämpften Bescheides die rechtlichen Schlussfolgerungen nicht zu tragen vermochten. Darauf, ob der Bescheid allenfalls im Ergebnis objektiv zutreffend war, kam es hingegen nicht an.

Die Aufhebung des bei der belangten Behörde bekämpften Bescheides erfolgte daher insoferne zu Recht, als es um die Festsetzung der Kanalbenützungsgebühr für den Zeitraum ab dem ging.

5. Für den Zeitraum vom bis war aber entsprechend Art. II Abs. 3 der Novelle LGBl. 8230-5 von der alten Rechtslage auszugehen.

Nach § 5 Abs. 7 Kanalgesetz 1977 idF LGBl 8230-4 war bei der Berechnung der Schmutzwasserberechnungsfläche von der Summe aller an die Kanalanlage angeschlossenen Geschoßflächen auszugehen. Eine (generelle) Sonderbestimmung für Kellergeschoße wie § 5 Abs. 3 Kanalgesetz 1977 LGBl. 8230-5 enthielt diese Fassung des Gesetzes nicht. Nach dieser Rechtslage kam es in jedem Fall darauf an, ob ein Geschoß an die Kanalanlage angeschlossen war oder nicht (vgl. neuerlich das hg. Erkenntnis vom , Zl. 97/17/0461).

6. Die belangte Behörde hätte daher den bei ihr bekämpften Bescheid nicht ohne nähere Differenzierung mit der dargestellten Begründung, es sei zu prüfen, ob ein Kellergeschoß vorliege, aufheben dürfen. Für das Jahr 1996 wäre eine Beurteilung an Hand des Kanalgesetzes 1977 idF 8230-4 vorzunehmen gewesen.

Daher trifft die Begründung der belangten Behörde für die Aufhebung des bei ihr bekämpften Gemeindebescheides nur für die ab dem geltende Rechtslage zu. Für den davor liegenden Zeitraum bis zum überbürdete die belangte Behörde somit der Gemeindebehörde eine verfehlte Rechtsauffassung.

Die belangte Behörde belastete daher ihren Bescheid insoweit mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes, sodass er diesbezüglich gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

7. Im Übrigen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

8. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. II Nr. 501/2001, insbesondere deren § 3 Abs. 2. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft die verzeichnete Pauschalgebühr nach § 24 Abs. 3 VwGG, zu deren Entrichtung die beschwerdeführende Gemeinde gemäß § 2 Abs. 1 Z 2 und 3 Gebührengesetz 1957 (vgl. zB. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 91/17/0159) in Verbindung mit § 24 Abs. 3 letzter Satz VwGG nicht verpflichtet war.

Wien, am