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VwGH vom 19.01.1994, 93/16/0110

VwGH vom 19.01.1994, 93/16/0110

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Fellner und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Dr. Wurdinger, über die Beschwerde des S in W, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in X, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , GZ. GA 14-1/S-267/1/90, betreffend Bestrafung wegen des Finanzvergehens des versuchten Schmuggels, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer reiste am aus Hongkong kommend am Flughafen Wien ins Inland ein. Nach der vom Zollamt Flughafen Wien aufgenommenen "Tatbeschreibung" meldete er - nach Abholung seiner Gepäckstücke - vier Computerteile schriftlich bei der Zollbehörde zur Durchführung des Zollverfahrens an. Gegenüber dem Abfertigungsbeamten V. habe der Beschwerdeführer (zunächst) angegeben, von den vier Computerteilen seien nur zwei auffindbar, die anderen beiden müßten (auf der Reise) gestohlen worden sein. Der Beschwerdeführer sei daraufhin durch den "Grün-Kanal" gegangen, um in der Abflughalle bei der Fluggesellschaft die beiden fehlenden Computerteile zu reklamieren. Vor dem Durchgang durch den "Grün-Kanal" sei eine Zollkontrolle vorgenommen worden, bei der im Gepäck des Beschwerdeführers folgende Waren vorgefunden wurden:

1 Stk. Videokamera "Thomson", mit Tragtasche, 1 Anzug grau, 1 Anzug braun mit Gilet, 1 Hose blau, 1 Hose grau,

2 Jeanshosen, 1 Anorak blau, 1 Weste rot, 6 Nachthemden, 1 Pyjama, 1 Kostüm zweifärbig, 1 Kinderpyjama, 1 Pullover, 1 Damenbluse beige, 1 Kostüm beige, 1 Bluse weiß,

1 Kinderpullover, 4 Blusen weiß, 1 Tischtuch, 4 Blusen, 2 Entfernungsmesser, 1 Leitungssuchgerät, 1 Reisebügeleisen, 8 Krawatten, 2 Batterierasierer, 1 Computerspiel "Car Racing 2", 14 Armbanduhren Quarz.

Auch die beiden fehlenden Computerteile seien der Tatbeschreibung zufolge bei der Zollkontrolle gefunden worden. Weiters seien am Körper des Beschwerdeführers

14 Quarz-Armbanduhren aufgefunden worden.

Bei seiner Vernehmung am gab der Beschwerdeführer als Beschuldigter an, der (in der Tatbeschreibung wiedergegebene) Sachverhalt sei richtig aufgenommen worden. Er habe die nicht deklarierten Waren in Hongkong erworben. Er bekomme jede Woche eine Computerlieferung aus Taiwan und Hongkong und verzolle diese immer am Flughafen Wien-Fracht. Der Beschwerdeführer kenne sich bei den Zollformalitäten sehr gut aus.

Bei der von der Finanzstrafbehörde erster Instanz durchgeführten mündlichen Verhandlung gab der Beschwerdeführer als Beschuldigter an, er habe sich nach der Ankunft am Flughafen Wien zum Rot-Kanal begeben, um die vier Computerteile zu stellen. Er habe ein mitgeführtes Anmeldungsformular über die vier Computerteile ausgefüllt dem Zollbeamten V. übergeben. Als dieser die Waren sehen wollte, habe er einen Computerteil nicht finden können. Auf Anraten des Zollorgans sei er zum Schalter der Fluggesellschaft gegangen. Dort sei ihm gesagt worden, er müsse mit dem Gepäck kommen, damit dieses abgewogen werden könne. Als er mit dem Gepäck durch den "Grün-Kanal" gehen wollte, sei es zu der Gepäckkontrolle gekommen, wobei die in Rede stehenden Waren vorgefunden wurden. In der Folge sei er aufgefordert worden, die Taschen seiner Kleidung zu leeren. Daraufhin habe er aus der Innentasche seines Staubmantels 14 dort verwahrte Armbanduhren hervorgeholt. Die Tatbeschreibung sei vom Beschwerdeführer unterfertigt worden, ohne daß er sie gelesen habe.

Bei der am fortgesetzten mündlichen Verhandlung gab der Abfertigungsbeamte V. als Zeuge an, der Beschwerdeführer habe nach der Einreise ihm gegenüber erklärt, Computerteile verzollen zu wollen. Es sei möglich, daß er ihm eine Anmeldung vorgelegt habe; auf Grund des geringen Warenwertes sei aber die Abfertigung mittels mündlicher Warenerklärung begonnen worden. Da der Beschwerdeführer nur zwei Kartons vorlegen konnte, habe er ihn aufgefordert, die restlichen Teile vorzulegen. Dieser habe gemeint, die Ware sei ihm gestohlen worden. Nachdem der Beschwerdeführer vom Schalter der Luftfahrtgesellschaft zurückgekommen war, habe er erklärt, er müsse sich mit dem gesamten Gepäck zum Schalter im ersten Stock des Flughafengebäudes begeben, um eine eventuelle Gewichtsdifferenz feststellen zu können. Der Zeuge habe den Beschwerdeführer ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht, daß er den Amtsraum nur über die Reisegepäckabfertigung verlassen dürfe. Später sei der Zeuge vom Abfertigungsbeamten R. aus dem "Grün-Kanal" angerufen worden. Dort sei die Revision des Reisegepäcks des Beschwerdeführers im Gang gewesen. Bei Vorfinden der Anzüge habe der Beschwerdeführer erklärt, diese anläßlich einer früheren Reise in London gekauft zu haben. Nach Vorhalt der Neuwertigkeit der Anzüge und der Ausstattung mit asiatischen Etiketten habe der Beschwerdeführer zugegeben, sie anläßlich der unternommenen Reise gekauft zu haben. Nach Abschluß der Gepäcksrevision sei der Beschwerdeführer von R. gefragt worden, ob dies sämtliche mitgeführten Waren gewesen seien, welche Frage vom Beschwerdeführer bejaht worden sei. Bei der anschließend durchgeführten Personendurchsuchung habe der Beschwerdeführer die 14 Armbanduhren vorgelegt.

Auf eine entsprechende Frage des Beschwerdeführers gab der Zeuge V. an, der Beschwerdeführer habe (bei der Abfertigung) mit Sicherheit nicht gesagt, noch Ware außer den Computerteilen mit sich zu führen.

Der Abfertigungsbeamte R. (der am "Grün-Kanal" Dienst versehen hatte) gab als Zeuge an, nach dem Auffinden der Waren habe der Beschwerdeführer angegeben, er habe diese dem Zeugen V. erklärt. Daraufhin sei V. der Amtshandlung zugezogen worden. V. habe dabei jedoch darauf verwiesen, daß der Beschwerdeführer nur Computerteile erklärt hätte. Der Beschwerdeführer habe unter anderem angegeben, die Anzüge bereits vor dieser Reise in England gekauft zu haben. Auch die Kamera habe er schon vor dieser Reise besessen. Auf Vorhalt der Aussage des Beschwerdeführers, V. habe R. die Tatbeschreibung diktiert und der Beschwerdeführer habe sie unterfertigt, ohne sie zu lesen, gab der Zeuge R. an, die Amtshandlung habe mindestens zwei Stunden gedauert. Die Tatbeschreibung habe er allein verfaßt. Dem Beschwerdeführer sei die Möglichkeit gegeben worden, die Tatbeschreibung durchzulesen.

Mit Erkenntnis der Finanzstrafbehörde erster Instanz wurde der Beschwerdeführer des Finanzvergehens des versuchten Schmuggels nach den §§ 13, 35 Abs. 1 FinStrG schuldig erkannt. Es wurde über ihn eine Geldstrafe in Höhe von S 8.000,-- verhängt und auf den Verfall der bezeichneten Tatgegenstände erkannt. Auf Grund der aufgenommenen Beweise ging die Finanzstrafbehörde dabei davon aus, daß der Beschwerdeführer die in Rede stehenden Waren anläßlich der Abfertigung vorsätzlich nicht gestellt hat. Dazu verwies die Finanzstrafbehörde auch auf den Umstand, daß der Beschwerdeführer bei der vorgenommenen Beschau versucht habe, einzelne Waren wie die Anzüge als zollfreies Reisegut darzustellen und das Vorhandensein weiterer (sodann im Zuge der Personendurchsuchung aufgefundener) Waren (nämlich der 14 Quarzuhren) bestritten habe.

In der Berufung gegen das Straferkenntnis wurde insbesondere die Auffassung vertreten, der Beschwerdeführer sei seiner Stellungspflicht dadurch nachgekommen, daß er den sogenannten Rot-Kanal gewählt habe und damit die Erklärung gesetzt habe, daß er der Stellungspflicht unterliegende Waren mit sich führe. Aus dem Umstand, daß der Beschwerdeführer (in weiterer Folge) den Grün-Kanal wählte, um (mit Erlaubnis des Abfertigungsbeamten) eine Verlustanzeige zu erstatten, könne eine rechtsverbindliche Erklärung im Sinne des § 172 Abs. 12 ZollG nicht abgeleitet werden.

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Die belangte Behörde vertrat dabei insbesondere die Auffassung, es seien alle typischen Merkmale eines Reiseschmuggels vorgelegen, bei dem der Reisende einen Teil der mitgeführten Waren dem Zollamt in der Hoffnung stellt, daß hinsichtlich der anderen Waren keine Nachforschungen angestellt wurden. Überdies wurde auf das in der Tatbeschreibung abgelegte Geständnis des Beschwerdeführers verwiesen.

In der Beschwerde gegen diesen Bescheid wird dessen inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend gemacht.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift und legte

die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Des Schmuggels macht sich im Sinne des § 35 Abs. 1 FinStrG schuldig, wer eingangs- oder ausgangsabgabepflichtige Waren vorsätzlich unter Verletzung einer zollrechtlichen Stellungs- oder Erklärungspflicht dem Zollverfahren entzieht.

Nach § 48 Abs. 1 ZollG ist unter anderem jede über die Zollgrenze eingehende Ware, unbeschadet der Bestimmungen des ZollG über den Post- und Luftverkehr, dem der Übertrittsstelle nächstgelegenen Zollamt zu stellen. Nach § 52 Abs. 1 ZollG sind Waren beim Zollamt zur Durchführung des Zollverfahrens schriftlich oder mündlich anzumelden.

Die Verletzung einer zollrechtlichen Stellungspflicht oder einer zollrechtlichen Erklärungspflicht ist dabei als Mittel zur Begehung des Schmuggels anzusehen. § 35 Abs. 1 FinStrG gewährleistet durch die Gleichsetzung von Verstößen gegen die Stellungspflicht mit Verletzungen der zollrechtlichen Erklärungspflichten, daß nicht etwa derjenige, der die Ware auf den Amtsplatz bringt, aber eine falsche Anmeldung abgibt, straffrei ausgeht (vgl. die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom , 10 Os 150/84,

EvBl 1986/174).

Wenn der Beschwerdeführer eingangs den Vorwurf erhebt, es sei aus dem Spruch des erstinstanzlichen, von der belangten Behörde mit dem angefochtenen Bescheid bestätigten Straferkenntnisses nicht erkennbar, ob dem Beschwerdeführer eine Verletzung einer Stellungspflicht oder einer Erklärungspflicht zur Last gelegt wurde, so ist ihm - abgesehen davon, daß eine Verletzung von Verfahrensvorschriften von ihm gar nicht geltend gemacht worden ist - entgegenzuhalten, daß aus der Begründung dieses Bescheides - der zur Auslegung eines unklaren Spruches herangezogen werden kann (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , 92/14/0026) - eindeutig ersichtlich ist, daß von der Finanzstrafbehörde die Verletzung der Stellungspflicht als Tathandlung angesehen worden ist. Im Verein mit der Begründung des Bescheides wurde die Tat dabei so eindeutig umschrieben, daß vernünftigerweise kein Zweifel daran bestehen kann, wofür der Beschwerdeführer bestraft wurde.

Der Beschwerdeführer geht in seiner Argumentation, mit der eine inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides geltend gemacht wird, davon aus, es könne ihm wenn überhaupt nur eine Verletzung einer abgabenrechtlichen Erklärungspflicht zur Last gelegt werden. In diesem Zusammenhang werden von ihm Überlegungen angestellt, daß - bei ein und demselben Reisevorgang - die Einbringung mehrerer Anmeldungen denkbar ist, wobei er auf die beim Zollamt Flughafen Wien übliche getrennte Abfertigung von Handelswaren einerseits und im Reiseverkehr eingeführter Waren anderseits verweist. Diese Überlegungen gehen deswegen ins Leere, weil die Auffassung, es könne dem Beschwerdeführer eine Verletzung der Stellungspflicht nicht angelastet werden, unrichtig ist. Die Stellungspflicht im Sinne des § 48 Abs. 1 ZollG ist dabei dann verletzt, wenn der Täter entweder die Überwachung der Zollgrenze durch die Zollwacheorgane (§ 23 Abs. 2 ZollG) körperlich umgeht oder auf dem Amtsplatz dem überwachenden Organwalter des Zollamtes die mitgeführten stellungspflichtigen Waren nicht unverzüglich von sich aus vorführt (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 90/16/0031).

Nach den vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht mehr strittigen Feststellungen der Finanzstrafbehörden hat aber der Beschwerdeführer gerade unterlassen, die in Rede stehenden Tatgegenstände einem Organwalter des Zollamtes vorzuführen. Dadurch, daß der Beschwerdeführer - der nach seinem ausdrücklichen Zugeständnis mit der Durchführung von Zollverfahren vertraut ist - einem am sog. Rot-Kanal Dienst verrichtenden Organwalter gegenüber einzelne Waren (Computerteile) gestellt hat, die tatgegenständlichen Waren aber trotz ausdrücklicher Hinweise auf eine erforderliche Reisegepäckabfertigung nicht gestellt, sondern vielmehr - aus welchen Gründen immer - den Abfertigungsbereich durch den sog. Grün-Kanal zu verlassen versuchte, hat er eine Vorführung der Waren unterlassen und damit die ihm obliegende Stellungspflicht verletzt. Diese Pflichtverletzung ist - ungeachtet des Umstandes, daß der Beschwerdeführer im Sinne des § 172 Abs. 12 ZollG zunächst den sogenannten Rot-Kanal wählte - vom Tatbild des § 35 Abs. 1 FinStrG direkt umfaßt, sodaß es nicht weiter von Bedeutung war, daß der Beschwerdeführer hinsichtlich einzelner Waren unrichtige Erklärungen (behauptete Zollfreiheit für Reisegut nach § 34 ZollG) abgab und die in der Bekleidung verborgenen Uhren auch nach der vorgenommenen Beschau der Packstücke weiterhin verheimlichte, wodurch der Beschwerdeführer hinsichtlich dieser Waren weitere Ausführungshandlungen des Schmuggels setzte.

Wenn in der Beschwerdeschrift demgegenüber unter Berufung auf das oben genannte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 90/16/0031, ausgeführt wird, der Beschwerdeführer sei aktiv tätig geworden, sodaß die zollhängigen Waren einem Zollverfahren unterzogen werden konnten, so bezieht sich der Beschwerdeführer auf die ständige Rechtsprechung, wonach die Stellungspflicht nur dann erfüllt ist, wenn die Ware dem Zollamt so vorgeführt (körperlich vorgewiesen) wird, daß das Zollorgan bei der Zollkontrolle in die Lage versetzt wird, vom Vorhandensein der Ware Kenntnis zu nehmen. Der Stellungspflicht wird dabei keineswegs entsprochen, wenn - wie im Beschwerdefall - der hiezu Verpflichtete unter Mitführung seines Reisegepäcks, aber ohne die einzelnen Waren etwa körperlich vorzuweisen, bloße einzelne, aber nicht alle in den Packstücken - sowie hier in der Kleidung - verwahrten eingangsabgabepflichtigen Waren gegenüber dem Zollorgan stellt. Gerade im Falle des Beschwerdeführers war das Zollorgan aber durch das Verheimlichen der - zum Teil in der Kleidung verborgenen - Waren nicht in der Lage, von ihrem Vorhandensein Kenntnis zu nehmen. Von einem körperlichen Vorweisen der tatgegenständlichen Waren war aber bei dem von der belangten Behörde angenommenen unstrittigen Sachverhalt keine Rede. Die daran anknüpfenden Überlegungen des Beschwerdeführers über eine rechtliche Beurteilung der Unterbrechung der Amtshandlung im Abfertigungsbereich und das Verlassen dieses Bereiches durch den Grün-Kanal gehen damit ins Leere.

Auch der Einwand des Beschwerdeführers, er habe den Amtsplatz, der sich gemäß § 28 Abs. 4 (richtig: Abs. 1) ZollG auf den gesamten Flugplatz erstrecke, nicht verlassen, ist im Hinblick auf das Tatbild des § 35 Abs. 1 FinStrG nicht von wesentlicher Bedeutung, zumal ihm lediglich das Finanzvergehen des versuchten Schmuggels zur Last gelegt worden ist.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, sodaß sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.