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VwGH vom 02.05.1991, 90/13/0294

VwGH vom 02.05.1991, 90/13/0294

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Karlik und die Hofräte Dr. Schubert, Dr. Pokorny, Dr. Karger und Dr. Graf als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde des Ing. P gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Berufungssenat IV, vom , Zl. 6/1-1410/87-14, betreffend Einkommensteuer für 1984 und 1985, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist geschäftsführender Gesellschafter eines Import-Exportunternehmens. Seine 1963 geborene Tochter studierte in den Streitjahren in Italien Werbegrafik und erlernte damit auch die italienische Sprache. Die Kosten dieses Studiums machte der Beschwerdeführer in den Einkommensteuererklären für die Jahre 1984 und 1985 als außergewöhnliche Belastung geltend. Die belangte Behörde versagte diesen Kosten mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid die Anerkennung als außergewöhnliche Belastung. Die Kosten wären nicht zwangsläufig angefallen, weil der Beschwerdeführer nach der im angefochtenen Bescheid zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes weder aus rechtlichen noch aus sittlichen Gründen verpflichtet gewesen wäre, der Tochter das Auslandsstudium zu finanzieren. Bei Abgabepflichtigen, die von ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen her mit dem Beschwerdeführer vergleichbar seien, erfülle der Umstand, daß sie ihren Kindern im Alter der Tochter zum Erlernen oder Verbessern ihrer Fremdsprachenkenntnisse einen längeren Auslandsaufenthalt ermöglichten, nicht einmal das Merkmal der Außergewöhnlichkeit gemäß § 34 EStG 1972.

Die vorliegende Beschwerde macht sowohl inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides als auch dessen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 34 Abs. 1 EStG 1972 werden auf Antrag außergewöhnliche Belastungen, die dem Steuerpflichtigen zwangsläufig (Abs. 3) erwachsen, insoweit vor Berechnung der Steuer vom Einkommen abgezogen, als sie die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4).

Nach § 34 Abs. 2 EStG 1972 liegt eine außergewöhnliche Belastung, die zu einer Ermäßigung der Einkommensteuer führt, vor, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig (Abs. 3) größere Aufwendungen als der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes erwachsen.

Die Belastung erwächst dem Steuerpflichtigen zufolge § 34 Abs. 3 EStG 1972 zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.

Tatsächliche Gründe im Sinne des § 34 Abs. 3 EStG 1972 sind solche, die den Steuerpflichtigen unmittelbar selbst betreffen (Schubert-Pokorny-Schuch-Quantschnigg, Einkommensteuerhandbuch2, § 34 Tz 25 und die dort erwähnte Rechtsprechung). Zu Leistungen an andere verhalten allenfalls rechtliche oder sittliche Gründe.

Rechtliche Gründe, der Tochter das Auslandsstudium zu finanzieren, führt der Beschwerdeführer nicht ins Treffen, und dies nach der Aktenlage zu Recht, weil die in den Streitjahren mehr als 20-jährige Tochter der Eingabe des Beschwerdeführers an das Finanzamt vom zufolge das Auslandsstudium NACH der - kaufmännischen - Ausbildung absolvierte, bei Beginn des Auslandsstudiums also eine Ausbildung bereits erhalten hatte (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 2529/76).

Wie schon in den Berufungen gegen die Einkommensteuerbescheide für 1984 und 1985 macht der Beschwerdeführer allein eine ethische, also eine sittliche Verpflichtung, geltend, der Tochter das Auslandsstudium zu finanzieren. Er wollte damit der Tochter eine optimale, laut Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid für 1984 die bestmögliche Ausbildung zuteil werden lassen.

Nicht alles, wozu sich Eltern ihren Kindern gegenüber verpflichtet fühlen, um ihnen eine bestmögliche Ausbildung angedeihen zu lassen, ist aber als sittliche Verpflichtung im Sinne des § 34 Abs. 3 EStG 1972 anzusehen. Die Bereitschaft, für die eigenen Kinder eine Vielzahl finanzieller Opfer zu bringen, wird von den Eltern zwar häufig als sittliche Pflicht empfunden; das bedeutet aber nicht, daß alle damit verbundenen Aufwendungen zwangsläufig erwachsen. Ein sittlich achtenswertes Verhalten kann nämlich durchaus auch auf freiwillige Entscheidungen zurückzuführen sein. Eine sittliche VERPFLICHTUNG im Sinne des § 34 Abs. 3 EStG 1972 setzt jedoch voraus, daß sich der Steuerpflichtige nach dem Urteil billig und gerecht denkender Menschen einem Aufwand NICHT ENTZIEHEN kann. Nicht das persönliche Pflichtgefühl des Steuerpflichtigen, sondern der objektive Pflichtbegriff nach den herrschenden moralischen Anschauungen ist entscheidend. Es reicht daher nicht aus, daß das Handeln des Steuerpflichtigen menschlich verständlich oder lobenswert ist; vielmehr muß die Sittenordnung dieses Handeln gebieten (hg. Erkenntnisse vom , Zl. 84/14/0158, vom , Zl. 86/14/0085, und vom , Zl. 87/13/0081).

Auch bei einem Auslandsstudium eines Kindes erscheint die Finanzierung zwar achtenswert, es trifft aber nicht zu, daß sich der Steuerpflichtige dieser Leistung ohne öffentliche Mißbilligung NICHT ENTZIEHEN kann (siehe auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 87/14/0182). Der Verwaltungsgerichtshof verweist in diesem Zusammenhang auch auf seine Erkenntnisse vom , Zl. 81/14/0181, vom , Zl. 85/14/0164, und vom , Zl. 85/14/0008, in denen er zum Ausdruck brachte, daß zwar ein Studienaufenthalt im Ausland für das Ausbildungsniveau und die spätere Berufslaufbahn des Ausgebildeten von Vorteil sein kann, daß sich aber nicht von jedem Vorteil, den Eltern ihren Kindern angedeihen lassen, sagen läßt, daß die Eltern mit den dadurch verurachten Kosten zwangsläufig belastet werden. Vielmehr ist es durchaus üblich, daß die Eltern im Interesse einer möglichst guten und umfassenden Ausbildung ihres Kindes neben der gesetzlich geregelten Unterhaltspflicht freiwillig und ohne sittliche Verpflichtung weitere Kosten auf sich nehmen.

Bereits auf Grund vorstehender Erwägungen kann auch im Beschwerdefall dem Auslandsstudium der Tochter des Beschwerdeführers nicht im Wege einer außergewöhnlichen Belastung Rechnung getragen werden. Zur Beschwerde bleibt daher nur noch anzumerken, daß der vom Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren vorgetragene Sachverhalt nicht erkennen läßt, daß die Tochter die italienische Sprache beherrschen mußte, um italienische Werbegrafik professionell zu entwerfen. Brachte doch der Beschwerdeführer in der schon erwähnten Eingabe vom vor, die umfangreichen Fremdsprachenkenntnisse der Tochter wären, sollte sie den Betrieb des Beschwerdeführers übernehmen, sehr wichtig, da dieser Betrieb aus England, Frankreich, ITALIEN, Deutschland, Skandinavien und Übersee IMPORTIERE und nach Jugoslawien und Ungarn exportiere. In Anbetracht dessen, daß der Betrieb aus Italien importierte, wäre vom Beschwerdeführer aus der Sicht des nunmehr behaupteten Entwerfens italienischer WERBEgrafik näher darzulegen gewesen, warum es für Importe einer Werbung bedarf oder warum sonst die Tochter italienische Werbegrafik entwerfen sollte. Im Einklang mit dem eben wiedergegebenen Vorbringen in der Eingabe vom stehen hingegen die Ausführungen des steuerlichen Vertreters in der Berufungsverhandlung, daß beim Italienaufenthalt das Studium der italienischen Sprache im Vordergrund stand und die Ausbildung in der Werbegrafik in zweiter Linie erfolgte.

Da im Beschwerdefall die Kosten des Italienaufenthaltes der Tochter nicht zwangsläufig anfielen, kommt schon deshalb ihre Berücksichtigung gemäß § 34 EStG 1972 nicht in Betracht; die Frage der Außergewöhnlichkeit der Aufwendungen kann daher auf sich beruhen.

Aus dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 88/14/0218, ist für den Beschwerdeführer deshalb nichts zu gewinnen, weil es dort nicht um die sittliche Verpflichtung zur Leistung von Kosten eines Auslandsstudiums nach erfolgter Berufsausbildung, sondern um die rechtliche Verpflichtung eines Vaters ging, dem Sohn an inländischen Schulen eine Ausbildung (noch) zuteil werden zu lassen.

Die belangte Behörde hat somit den Kosten für das Auslandsstudium der Tochter zu Recht die Anerkennung als außergewöhnliche Belastung versagt. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen. Von der Durchführung der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung konnte der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG absehen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG und die Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere auf deren Art. III Abs. 2.