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VwGH vom 11.04.1991, 90/13/0258

VwGH vom 11.04.1991, 90/13/0258

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Karlik und die Hofräte Dr. Schubert, Dr. Hnatek, Dr. Pokorny und Dr. Graf als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde des Dr. N gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Berufungssenat I, vom , Zl. 6/1-1174/89-02, betreffend Einkommensteuer 1986, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.600,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Lungenfacharzt, ging in der Einkommensteuererklärung für 1986 und deren Beilagen davon aus, daß er mit der Zurücklegung der Kassenverträge zum eine Betriebsaufgabe bewirkt habe. Er legte einerseits für die Zeit vom 1. Jänner bis zum 30. Juni und anderseits für die Zeit vom 1. Juli bis zum Einnahmenüberschußrechnungen (§ 4 Abs. 3 EStG 1972) vor und ermittelte weiters auf den Zeitpunkt der angenommenen Betriebsaufgabe () einen Veräußerungsgewinn von S 332.199,64, für den er die im Einkommensteuergesetz vorgesehenen Begünstigungen (Freibetrag, ermäßigter Steuersatz) geltend machte.

In einer Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid für 1986, mit dem das Finanzamt dem Beschwerdeführer diese Begünstigungen versagt hatte, brachte er vor, daß die Zurücklegung der Kassenverträge wirtschaftlich eine Betriebsaufgabe darstelle, und zwar im Hinblick auf die Weiterführung einer Privatordination eine Teilbetriebsveräußerung (richtig wohl: Teilbetriebsaufgabe).

Die belangte Behörde gab dieser Berufung mit dem angefochtenen Bescheid keine Folge. Es könne bei der fachmedizinischen Betreuung durch einen Arzt in dessen einziger Praxis von zwei gesondert zu betrachtenden Teilbetrieben keine Rede sein. Abgesehen davon habe mit der Zurücklegung der Kassenverträge durch den Beschwerdeführer keine Veräußerung eines (Teil-)Betriebes, sondern allenfalls die Aufgabe eines - lediglich hinsichtlich der Honorarabrechnungen abgrenzbaren - Teilbereiches seiner ärztlichen Tätigkeit stattgefunden, bei dem es sich jedoch aus den angeführten Gründen um keinen Teilbetrieb im Sinne des § 24 EStG 1972 gehandelt habe. Es sei keine Aufgabe eines Teilbetriebes, sondern lediglich eine Einschränkung des Geschäftsumfanges erfolgt.

Vorliegende Beschwerde macht sowohl inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides als auch dessen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer erachtet sich zunächst insofern in seinen Rechten verletzt, als die belangte Behörde in der Zurücklegung sämtlicher Kassenverträge keinen Veräußerungstatbestand im Sinne des § 24 EStG 1972 verwirklicht sieht.

Als "Veräußerungstatbestand im Sinne des § 24 EStG 1972" kommt nach der Lage des Beschwerdefalles nur die AUFGABE eines Betriebes im Sinne des § 24 Abs. 3 EStG 1972, welcher die Aufgabe eines Teilbetriebes gleichzuhalten ist (vgl. z.B. die beiden Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 718/80 und Zl. 733/80), in Betracht. Denn daß eine VERÄUSZERUNG des ganzen Betriebes oder eines Teilbetriebes stattgefunden hätte, hat der Beschwerdeführer weder im Verwaltungsverfahren noch in der Beschwerde behauptet.

Die Aufgabe eines Teilbetriebes setzt voraus, daß ein solcher Teilbetrieb - vor der Aufgabe- auch tatsächlich bestand. Von einem Teilbetrieb kann aber nur die Rede sein, wenn ein innerhalb des Gesamtbetriebes organisch geschlossener, gesondert geführter wirtschaftlicher Teil auch NACH AUSZEN HINREICHEND als selbständige Einheit in Erscheinung tritt, wie dies im Rahmen einer selbständigen Tätigkeit im Sinne des § 22 EStG 1972 etwa bei Außenstellen von Wirtschaftstreuhandkanzleien oder Filialbetrieben größerer Gebäudeverwaltungen der Fall sein kann (siehe Schubert-Pokorny-Schuch-Quantschnigg, Einkommensteuerhandbuch2, § 24 Tz 20, und die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zlen. 59, 171/78, Slg. Nr. 5322, und vom , Zl. 83/15/0053, Slg. Nr. 5829/F). Die Betreuung der Kassenpatienten im Rahmen ein und derselben ärztlichen Ordination, in der der Arzt seine Tätigkeit als solche einschließlich der Betreuung der Privatpatienten entfaltet, tritt nicht nach außen als selbständige Einheit in Erscheinung, womit mangels Teilbetrieb auch keine begünstigte Aufgabe eines solchen unterstellt werden kann. Dies dürfte auch der Beschwerdeführer erkannt haben, weil er in den Beschwerdegründen anders als in den Berufungsgründen eine Teilbetriebsaufgabe nicht mehr ausdrücklich behauptet.

Nunmehr - in der Beschwerde - läuft der Standpunkt des Beschwerdeführers darauf hinaus, daß er am seinen ganzen Betrieb aufgegeben habe. Er habe am sämtliche Kassenverträge zurück- und seine Ordination stillgelegt und erst wieder am einen neuen Betrieb, nämlich eine Privatpraxis, eröffnet.

Dieser Standpunkt verhilft der Beschwerde schon deshalb nicht zum Erfolg, weil der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren eine Stillegung seiner Ordination zum und eine Neueröffnung zum nicht vorbrachte und Tatsachenangaben (erst) in der Beschwerde, die anderes besagen, dem im verwaltungsgerichtlichen Verfahren bestehenden Neuerungsverbot widersprechen. Er hat zwar in der Berufung ausgeführt, daß er mit seine Ordination bei der Ärztekammer abmeldete, seine Kassenverträge zurücklegte, um die Alterspension einreichte und mit bei der Ärztekammer seine Privatordination anmeldete. Gleichzeitig wertete er aber die Zurücklegung der Kassenverträge "IM HINBLICK AUF DIE WEITERFÜHRUNG EINER PRIVATORDINATION" als Teilbetriebsaufgabe. Angesichts der Unterlagen, die den Abgabenerklärungen für das Jahr 1986 beigeschlossen waren, hatten die Abgabenbehörden keinen Anlaß, davon auszugehen, daß die Ordination des Beschwerdeführers tatsächlich (zur Gänze) am im Sinne einer Betriebsaufgabe stillgelegt wurde, wie dies der Beschwerdeführer ausdrücklich erst in der Beschwerde behauptet. Legte er doch eine Überschußrechnung FÜR DIE ZEIT VOM 1. JULI BIS 31. DEZEMBER 1986 vor, in der unter anderem "Nettogehälter vom 1. Juli bis ", "Sozialversicherungen", Lohnsteuer und Dienstgeberbeitrag "7 bis 11/86" aufscheinen. Für die Monate August und Septemter 1986 machte der Beschwerdeführer Aufwendungen für Fachtagungen als Betriebsausgaben geltend, was sich mit einer endgültigen Aufgabe der ärztlichen Ordination zum nur schwer in Einklang bringen läßt. Bei dieser Sachlage war die belangte Behörde keinesfalls verhalten, eine Stillegung des Betriebes des Beschwerdeführers zum im Sinne einer Betriebsaufgabe zu unterstellen. Sie durfte vielmehr in Anbetracht der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes davon ausgehen, daß es zu diesem Zeitpunkt lediglich zu einer EINSCHRÄNKUNG DES GESCHÄFTSUMFANGES der ärztlichen Tätigkeit auf die Behandlung der Privatpatienten, damit aber nicht auch zu einer Betriebsaufgabe kam (siehe nochmals die Erkenntnisse Zl. 718/80, Zl. 733/80, Slg. Nr. 5829/F, und weiters das auch vom Beschwerdeführer zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 88/14/0083).

Für den Beschwerdeführer wäre aber selbst dann nichts gewonnen, wenn man die von ihm ins Treffen geführte Stillegung seiner Ordination von Anfang Juli bis Ende September 1986 als erwiesen annehmen wollte. Könnte doch darin nur eine vorübergehende Stillegung erblickt werden, die im Hinblick auf die anschließende Weiterbetreuung der Privatpatienten in derselben Ordination einer Betriebsaufgabe nicht gleichgehalten werden könnte. Wenn der Beschwerdeführer in der Beschwerde behauptet, er hätte am eine völlig neue Betriebsgrundlage, nämlich einen völlig neuen Privatpatientenstock geschaffen, so widerspricht dies bei einem (gesuchten) Lungenfacharzt, der seine ärztliche Tätigkeit in denselben Ordinationsräumen weiterführt, nicht nur allgemeiner Lebenserfahrung, sondern auch dem Vorbringen des Beschwerdeführers in der Berufung, dem zufolge er auch nach Zurücklegung der Kassenverträge auf einen Patientenstock zurückgreifen konnte.

Der zweite Beschwerdepunkt geht dahin, daß die belangte Behörde keinen "Übergangsgewinn" ansetzen hätte dürfen, wenn sie die Betriebsaufgabe in Abrede stellte. Mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer aus folgenden Erwägungen im Recht:

Der Gewinn aus einer Betriebsaufgabe ist gemäß § 4 Abs. 1 (oder § 5) EStG 1972 zu ermitteln, und zwar auch dann, wenn der Steuerpflichtige wie der Beschwerdeführer bisher Einnahmen-Ausgabenrechner im Sinne des § 4 Abs. 3 EStG 1972 war (siehe § 24 Abs. 2 zweiter Satz EStG 1972). Die Ermittlung des Veräußerungsgewinnes gemäß § 4 Abs. 1 EStG 1972 erfordert beim bisherigen Einnahmen-Ausgabenrechner infolge Wechsels der Gewinnermittlungsart auch die Ermittlung eines entsprechenden Übergangsgewinnes (Schubert-Pokorny-Schuch-Quantschnigg, aaO, § 24 Tz 26, und Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 6/66).

Im Beschwerdefall berechnete der Beschwerdeführer für die von ihm angenommene Betriebsaufgabe zum einen "Veräußerungsgewinn" von S 332.199,64 (Seite 9 des "Jahresabschlusses zum "). Der Beschwerdeführer hatte dabei allerdings offensichtlich keinen Veräußerungsgewinn, sondern einen Übergangsgewinn im Auge. Ist doch zu berücksichtigen, daß er bei der Ermittlung des Gewinnes von S 332.199,64 Positionen wie Geldvermögen und Anlagevermögen außer Ansatz ließ, die zwar bei einer Übergangsgewinnermittlung außer Ansatz zu bleiben haben

(Schubert-Pokorny-Schuch-Quantschnigg, aaO, § 4 Tz 17), nicht aber auch bei der gemäß § 4 Abs. 1 EStG 1972 (durch Betriebsvermögensvergleich) vorzunehmenden Veräußerungsgewinnermittlung. Vor allem unterblieb auch eine Gegenüberstellung von gemeinen Werten und Buchwerten im Sinne des § 24 Abs. 3 EStG 1972. So hat denn auch der Beschwerdeführer schon in der Berufung nicht mehr von einem Veräußerungsgewinn, sondern von einem ÜBERGANGSGEWINN von S 332.200,-- gesprochen. Auch die Beschwerde wendet sich gegen den Ansatz eines ÜBERGANGSGEWINNES von S 332.200,-- bei der Einkommensteuerbemessungsgrundlage.

Das Finanzamt ging bei der Festsetzung der Einkommensteuer für 1986 von Einkünften des Beschwerdeführers aus selbständiger Arbeit von S 490.791,-- aus. In eben dieser Höhe kamen die Einkünfte aus selbständiger Arbeit auch bei der Einkommensteuerfestsetzung im Rahmen des angefochtenen Bescheides zum Ansatz (Seite 5). Die "Gewinnberechnung" des Finanzamtes unter OZ. 6 des Verwaltungsaktes zeigt, daß der "angenommene Veräußerungsgewinn laut Seite 9 der Beilage zur Erklärung" mit dem vom Beschwerdeführer erklärten Betrag von S 332.199,64 bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit erfaßt wurde. Wenn aber das Finanzamt und die belangte Behörde - zu Recht - die Auffassung vertreten, daß im Jahre 1986 kein Veräußerungstatbestand im Sinne des § 24 EStG 1972 verwirklicht wurde, dann waren weder ein Veräußerungsgewinn noch ein Übergangsgewinn bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit anzusetzen, zumal auch - was den Übergangsgewinn betrifft - ein tatsächlicher Wechsel der Gewinnermittlungsart nicht stattfand, der Beschwerdeführer vielmehr (von der belangten Behörde unbestritten) seinen laufenden Gewinn vor und nach dem durch Überschußrechnung gemäß § 4 Abs. 3 EStG 1972 ermittelte (vgl. auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 89/14/0101, 0116). Der Ansatz eines Übergangsgewinnes (oder auch Veräußerungsgewinnes) im Rahmen der Einkünfte aus selbständiger Arbeit, obwohl die Voraussetzungen für einen solchen Ansatz nicht vorlagen, bewirkt die inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides. Der Beschwerdeführer erhob mit seinem Einwand, daß ohne Betriebsveräußerung (Betriebsaufgabe) und ohne tatsächlichen Wechsel der Gewinnermittlungsart die Besteuerung eines Veräußerungs- bzw. Übergangsgewinnes unzulässig wäre, eine Rechtsrüge, die, anders als die belangte Behörde in der Gegenschrift meint, nicht unter das Neuerungsverbot des § 41 Abs. 1 VwGG fällt.

Für das fortzusetzende Verwaltungsverfahren sei allerdings bemerkt, daß nach der Aktenlage nicht bloß der Übergangsgewinn aus den Einkünften aus selbständiger Arbeit auszuscheiden sein wird. Der Beschwerdeführer wies nämlich in der Überschußrechnung für die Zeit vom 1. Juli bis nur Honorareinnahmen von brutto S 120.530,79 aus. In der Überschußrechnung für das erste Halbjahr 1986 scheinen Bruttoeinnahmen von S 1,082.694,73 auf. Beide Beträge ergeben in Summe S 1,203.225,52. Nach der Umsatzsteuererklärung für 1986 beträgt der Bruttoumsatz dieses Jahres (vereinnahmte Entgelte) S 1,777.931,27. Die Differenz zwischen diesem Betrag und den S 1,203.225,52 macht S 574.705,75 aus (siehe auch die Berechnung des Finanzamtes unter OZ. 6 des Verwaltungsaktes). Dieser Betrag entspricht, von einer Differenz von 3 Groschen abgesehen, den Forderungen aus Leistungen, wie sie die "Berechnung des Veräußerungsgewinnes" - richtig wohl:

Übergangsgewinnes - laut Seite 9 der Beilage zu den Abgabenerklärungen ausweist (S 574.705,78). Eine Differenz von S 574.705,77 ergibt sich, wenn man die gemäß Vorhaltsbeantwortung vom in der Zeit vom 1. Juli bis vereinnahmten Entgelte von netto S 632.033,24 auf den Bruttobetrag von S 695.236,56 umrechnet und um den Bruttoumsatz von S 120.530,79 laut Überschußrechnung für die Zeit vom 1. Juli bis vermindert.

Die eben dargestellten Zahlen lassen darauf schließen, daß in der Überschußrechnung für die Zeit vom 1. Juli bis und damit auch im Gesamtergebnis der Überschußrechnungen für beide Halbjahre Erträge, vermutlich aber auch Aufwendungen nicht erfaßt sind, die in der Berechnung des "Veräußerungsgewinnes" (Übergangsgewinnes) Niederschlag fanden. Inwieweit die einzelnen Komponenten der "Veräußerungsgewinn"-(Übergangsgewinn)Ermittlung die Überschußrechnung für das zweite Halbjahr 1986 (oder allenfalls spätere Zeiträume) tatsächlich beeinflussen, wird im fortzusetzenden Verwaltungsverfahren unter Mitwirkung des Beschwerdeführers festzustellen sein.

Die belangte Behörde hat dadurch, daß sie einen "Veräußerungsgewinn" (Übergangsgewinn) als solchen bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit erfaßte, obwohl weder eine Betriebsveräußerung (Betriebsaufgabe) noch ein freiwilliger Wechsel der Gewinnermittlungsart stattfanden, das Gesetz verletzt. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG und die Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/91.