zurück zu Linde Digital
TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
VwGH vom 09.10.1991, 90/13/0249

VwGH vom 09.10.1991, 90/13/0249

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Hofrat Dr. Schubert und die Hofräte Dr. Pokorny, Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde des Georgios N in W, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , GZ GA 7 - 1377/7/90, betreffend Haftung für Abgabenschuldigkeiten gemäß § 9 BAO, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer war Geschäftsführer der seit 1987 in Liquidation befindlichen X-Restaurant Betriebs GmbH in W. Mit Bescheid vom wurde er gemäß den §§ 9 und 80 BAO zur Haftung für Abgabenschuldigkeiten der GmbH im Gesamtbetrag von S 681.301,-- herangezogen.

In der Berufung gegen diesen Bescheid wurde eine schuldhafte Verletzung der dem Beschwerdeführer auferlegten Pflichten in Abrede gestellt. Für den wirtschafltichen Niedergang des Unternehmens seien zahlreiche, vom Beschwerdeführer nicht beeinflußbare äußere Umstände maßgebend gewesen. Seit dem Jahre 1984 sei es mit der Verpächterin der Räumlichkeiten des Restaurants zu ständigen Streitigkeiten gekommen, in deren Verlauf ungefähr 20 Zivilprozesse und mehrere Strafverfahren anhängig gewesen seien. Seit 1985 seien unzählige Besitzstörungshandlungen gegen den Beschwerdeführer und das Restaurant gesetzt worden, wodurch es zu einem deutlichen Geschäftsrückgang gekommen sei. Durch die rechtswidrige Verhaltensweise der Bestandgeberin sei es zu den wirtschaftlichen Schwierigkeiten gekommen. Ein gegen den Beschwerdeführer wegen des Verdachtes der fahrlässigen Krida gemäß § 159 StGB beim Landesgericht für Strafsachen Wien anhängiges Strafverfahren sei eingestellt worden.

Die Berufung wurde zunächst vom Finanzamt mit einer Berufungsvorentscheidung insoweit abgewiesen, als sich die Haftung auf Umsatzsteuer, Lohnsteuer und Abgabe von alkoholischen Getränken sowie verschiedene Nebengebühren erstreckte. Durch den Antrag Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz galt die Berufung wiederum als unerledigt. In dieser Eingabe wurde zum Sachverhalt noch ausgeführt, auf Grund des schwachen Besuches des Restaurants hätten die jeweiligen Tageslosungen nicht einmal ausgereicht, die "notwendigsten Fixkosten" wie Lieferantenrechnungen, Gehälter und sonstige Betriebskosten laufend bar zu bezahlen. Der Beschwerdeführer habe keineswegs wissentlich eingegangene Beträge zweckwidrig verwendet. Der in der Berufungsvorentscheidung enthaltene Vorhalt, für den Geschäftsführer hätte die Möglichkeit bestanden, die jeweiligen Abgabenschulden unmittelbar einzubehalten und abzuführen, stelle sich sohin in der Praxis als völlig lebensfremd dar und vermöge eine Haftung nicht zu begründen.

Mit einem Schreiben der belangten Behörde vom wurde dem Beschwerdeführer vorgehalten, er habe laut den Ausführungen in der Berufungsschrift trotz des Umsatzrückganges den Geschäftsbetrieb aufrechterhalten wollen und deshalb versucht, die "laufenden Verbindlichkeiten" abzudecken. Der Beschwerdeführer wurde befragt, um welche Verbindlichkeiten es sich dabei gehandelt habe und welche dieser Verbindlichkeiten tatsächlich abgedeckt worden seien. Weiters wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, die betreffenden Exekutionsbewilligungen und eine betragsmäßige Auflistung der erfolgreich durchgeführten Exekutionen vorzulegen. In Beantwortung dieses Schreibens wurde mit einer am bei der belangten Behörde eingelangten Eingabe eine Aufstellung von Geschäftszahlen des zuständigen Exekutionsgerichtes übermittelt und gleichzeitig beantragt, die bezughabenden Exekutionsakten beizuschaffen.

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid der belangten Behörde wurde die Haftung des Beschwerdeführers auf Umsatzsteuer 1982 bis 1985 sowie Umsatzsteuer März bis August 1986, auf Abgabe von alkoholischen Getränken 1983 bis 1985 sowie auf Lohnsteuer Juli bis November 1983, Jänner bis August 1984 und April bis September 1986 mit einem Gesamtbetrag von S 377.151,50 eingeschränkt. Im übrigen wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Die belangte Behörde bejahte ein Verschulden des Beschwerdeführers an der Nichtentrichtung der Abgaben, auch wenn er den wirtschaftlichen Niedergang des Betriebes nicht verschuldet habe. Aus dem Umstand, daß bei einem Restaurant die Erlöse bar vereinnahmt werden, sei ersichtlich, daß dem Beschwerdeführer die notwendigen Mittel zur Entrichtung der Umsatzsteuer und der Abgabe von alkoholischen Getränken zur Verfügung gestanden seien. Gerade aus der Verantwortung des Beschwerdeführers ergebe sich, daß er die Entrichtung der Abgaben zugunsten der Entrichtung anderer Verbindlichkeiten hintangestellt habe und damit gegen die Verpflichtung als Geschäftsführer verstoßen hat. Eine Auszahlung der Löhne in Teilbeträgen bzw. eine verspätete Auszahlung habe den Beschwerdeführer nicht seiner Verpflichtung zur Berechnung und Abfuhr der Lohnsteuer enthoben.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wird sowohl dessen inhaltliche Rechtswidrigkeit als auch Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Außer Streit steht einerseits, daß die Abgaben, für die der Beschwerdeführer als Haftungspflichtiger herangezogen wurde, bei der GmbH nicht mehr eingebracht werden können, und andererseits, daß der Beschwerdeführer in dem in Rede stehenden Zeitraum vertretungsbefugter Geschäftsführer der Gesellschaft war und damit zum Kreis der in § 80 BAO genannten Vertreter zählte, der zur Haftung gemäß § 9 leg. cit. herangezogen werden kann.

Was nun die Abfuhr der in dem im Spruch des angefochtenen Bescheides genannten Haftungsbetrag ausschließlich enthaltenen Umsatzsteuer, Abgabe von alkoholischen Getränken und Lohnsteuer anlangt, ist davon auszugehen, daß der Beschwerdeführer als Geschäftsführer der gegenständlichen GmbH zur Abfuhr dieser Steuern abgabenrechtlich verpflichtet war. Die Verletzung dieser Verpflichtung durch ihn war, unabhängig von den zweifellos vorhandenen wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Gesellschaft jedenfalls schuldhaft, weil es sich bei den in Rede stehenden Abgaben um solche handelt, deren Entrichtung bzw. Abfuhr bei korrekter Geschäftsführung durch diese Schwierigkeiten nicht gehindert war (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 84/13/0086, und vom , Zl. 90/13/0143). Soweit sich die Haftung auf Umsatzsteuer und Abgabe von alkoholischen Getränken bezieht, hat der Beschwerdeführer nicht einmal behauptet, daß diese Abgaben mit den Entgelten für die Lieferungen oder sonstigen Leistungen nicht vereinnahmt wurden und daher zur Abgabenzahlung nicht zur Verfügung standen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 90/15/0145, und die dort erwähnte Vorjudikatur). Der Beschwerdeführer hat konkret nicht bestritten, daß die in Rede stehende GmbH die von der belangten Behörde für den fraglichen Zeitraum angenommenen Umsätze tatsächlich tätigte und auch die ermittelten Beträge an Umsatzsteuer und an Abgabe von alkoholischen Getränken richtig seien. Der Beschwerdeführer stellte auch nicht die Annahme der belangten Behörde in Abrede, daß bei einem Restaurantbetrieb die Erlöse und damit auch die anfallende Umsatzsteuer und Abgabe von alkoholischen Getränken bar vereinnahmt werden. Die belangte Behörde hat weiters zutreffend aus der im Abgabenverfahren vorgebrachten Verantwortung des Beschwerdeführers, er habe die täglichen Einnahmen zur Abdeckung der laufenden Kosten benötigt, den Schluß gezogen, daß der Beschwerdeführer die Entrichtung der Abgaben zugunsten der Entrichtung anderer Verbindlichkeiten hintangestellt habe. Aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers, die sofortige Entrichtung der Abgaben sei "praxis- und lebensfremd" gewesen, ist dabei ersichtlich, daß die Benachteiligung der Abgabenforderungen bei der Verfügung über die vorhandenen Mittel vom Beschwerdeführer bewußt vorgenommen worden ist. Wenn der Beschwerdeführer als Geschäftsführer der genannten GmbH die Beträge an Umsatzsteuer und Abgabe von alkoholischen Getränken nicht entrichtete, diese Abgabenschuldigkeiten vielmehr schlechter behandelte als die übrigen aus dem von ihm verwalteten Vermögen zu begleichenden Schulden (vgl. dazu z.B. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 89/14/0043, und vom , Zl. 89/17/0244), liegt darin ein abgabenrechtlich relevantes Verschulden. Die Behauptung in der Eingabe vom , Exekutionen auf Einnahmen hätten Mittel für die Abgabenentrichtung entzogen, vermochte der Beschwerdeführer trotz gebotener Gelegenheit (Vorhalt vom ) nicht in der erforderlichen konkreten Weise zu belegen.

Hinsichtlich der nicht abgeführten Lohnsteuerbeträge ist auf § 78 Abs. 3 EStG 1972 hinzuweisen, aus welcher Bestimmung sich ergibt, daß jede Zahlung voller vereinbarter Arbeitslöhne, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel nicht auch für die daruaf entfallende Lohnsteuer ausreichen, eine schuldhafte Verletzung der abgabenrechtlichen Pflichten des Beschwerdeführers mit den Rechtsfolgen des § 9 Abs. 1 BAO darstellt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 90/13/0143). Aus § 78 Abs. 3 EStG 1972 ergibt sich aber weiters, daß im Falle, als die Mittel, wie vom Beschwerdeführer geltend gemacht, für die Auszahlung der Löhne nicht ausreichen, nur ein solcher Betrag zur Auszahlung gelangen darf, der die Abfuhr der Lohnsteuer erlaubt. Die behauptete Auszahlung der Löhne in Teilbeträgen kann somit der Annahme einer schuldhaften Verletzung der Vertreterpflichten nicht wirksam entgegengehalten werden.

Soweit der Beschwerdeführer der belangten Behörde unter dem Gesichtspunkt der Verletzung von Verfahrensvorschriften zum Vorwurf macht, daß sie es unterlassen habe, die Akten über Besitzstörungsverfahren, ein gegen den Beschwerdeführer geführtes Strafverfahren sowie über Vollstreckungsverfahren beizuschaffen, ist dem entgegenzuhalten, daß damit nur ein Beweis über die wirtschaftliche Lage der GmbH und deren Ursachen erbracht hätte werden können, ein Umstand, dem bei der dargestellten Rechtslage insbesondere im Hinblick auf die Art der Abgabenschuldigkeiten keine maßgebliche Bedeutung zukam. Im übrigen hat nicht die Abgabenbehörde das Ausreichen der Mittel zur Abgabenentrichtung nachzuweisen, sondern der zur Haftung herangezogene Vertreter das Fehlen ausreichender Mittel (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 89/17/0244). Die Verfahrensrüge ist schließlich auch deswegen unberechtigt, weil die konkreten, auf die maßgebende Beurteilung der Finanzgebarung bei Entrichtung der Umsatzsteuer gerichteten Fragen im Vorhalt vom mit der bezugnehmenden - erst nach fünf Monaten erstellten - Eingabe in keiner Weise beantwortet worden sind.

Der Beschwerde kommt somit keine Berechtigung zu. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.