VwGH vom 30.08.1995, 93/16/0062

VwGH vom 30.08.1995, 93/16/0062

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peternell, über die Beschwerde des N in W, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. GA 13 - 7/N-154/1/92, betreffend Zollschuld kraft Gesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer und T.Z. wurden in den frühen Morgenstunden des dabei beobachtet, wie sie gemeinsam Kartons mit insgesamt 150.000 Stück Zigaretten aus einem VW Kastenwagen, bei dem die Scheibe eingeschlagen worden war, in einen auf den Beschwerdeführer zugelassenen PKW umluden.

Wegen dieses Vorfalles erkannte der Spruchsenat beim Zollamt Wien als Finanzstrafbehörde erster Instanz mit Erkenntnis vom den T.Z. schuldig, er habe am vorsätzlich 150.000 Stück Zigaretten, hinsichtlich welcher von unbekannten Tätern ein Schmuggel bzw. ein vorsätzlicher Monopoleingriff begangen worden war, an sich gebracht, verheimlicht bzw. zum Teil verhandelt. Das unter einem abgeführte Finanzstrafverfahren gegen den Beschwerdeführer wurde hingegen im selben Erkenntnis gemäß § 136 FinStrG eingestellt. In der Begründung wurde ausgeführt, es sei sowohl dem T.Z. als auch dem Beschwerdeführer bekannt gewesen, daß die Zigaretten auf dem Schmuggelweg in das Zollgebiet gebracht worden wären. Aus den vom Verteidiger in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Urkunden habe sich ergeben, daß in den gegen den Beschwerdeführer beim Landesgericht für Strafsachen Wien zu den Aktenzeichen 23 b Vr 10027/88 und 27 d Vr 12717/90 anhängig gewesenen Verfahren eine Strafverfolgung nicht möglich gewesen wäre, weil der Beschwerdeführer nach den in diesem Verfahren eingeholten Gutachten an einem schizophrenen Defektzustand und damit an einer schweren Persönlichkeitsstörung vom Rang einer seelischen Abartigkeit hohen Grades litt, welche zeitweise den Stellenwert einer strafrechtlich relevanten Geisteskrankeit erlangte. Jedenfalls könne nicht ausgeschlossen werden, daß der Beschwerdeführer auch die ihm zur Last gelegten Straftaten (vom ) im Zustand der Zurechnungsunfähigkeit (Schüben von Schizophrenie) begangen habe.

Mit Bescheid des Zollamtes Wien vom wurden gegenüber dem Beschwerdeführer Eingangsabgaben kraft Gesetzes (§ 174 Abs. 3 lit. a ZollG) geltend gemacht, weil er am 150.000 Stück Zigaretten als einfuhrzollpflichtige Ware an sich gebracht hätte, obwohl ihm die Zollhängigkeit bekannt gewesen sei. Inklusive eines Säumniszuschlages wurden S 269.862,-- festgesetzt; es erging auch die Mitteilung, daß hinsichtlich desselben Betrages mit T.Z. ein Gesamtschuldverhältnis bestehe.

In seiner dagegen erstatteten Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, die Zollhängigkeit dieser Waren sei ihm nicht bekannt gewesen, weil er zu jener Zeit einen schizophrenen Schub durchgemacht habe. Wie sich auch aus der Einstellung des Finanzstrafverfahrens ergäbe, sei er unzurechnungsfähig gewesen und habe daher keine bewußte Kenntnis von der Zollhängigkeit haben können.

Nach abweisender Berufungsvorentscheidung und Antrag des Beschwerdeführers auf Entscheidung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz wies die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid die Berufung als unbegründet ab. Aufgrund der Angaben des Beschwerdeführers bei seiner Einvernahme am stellte sie fest, daß ihm bewußt gewesen sei, die Zigaretten seien im Wege des Schmuggels nach Österreich gelangt. Hinsichtlich der Entscheidung des Spruchsenates bestehe keine Bindungswirkung. Aus dem gerichtspsychiatrischen Gutachten vom 3. März (richtig: Jänner) 1991 ergäbe sich nicht, daß am der schizophrene Defektzustand bestanden hätte; gerade die Vernehmungen nach dieser Tat zeigten, daß der Beschwerdeführer damals völlig logisch und einsichtig gehandelt hätte.

In seiner dagegen erhobenen Beschwerde erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht darauf verletzt, von der Vorschreibung einer Eingangsabgenschuld verschont zu bleiben, weil er mangels Zurechnungsfähigkeit weder in der Lage war über eine zollhängige Ware zu verfügen, noch in der Lage war zu erkennen, daß die Ware zollhängig gewesen sei. Er begehrt Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Der Bundesminister für Finanzen legte die Verwaltungsakten

und die Gegenschrift der belangten Behörde vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 174 Abs. 3 lit. a zweiter Fall ZollG entsteht die Zollschuld kraft Gesetzes für den, der eine einfuhrzollpflichtige zollhängige Ware an sich bringt, obwohl ihm die Zollhängigkeit bekannt war oder nur infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt war.

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, daß er einfuhrzollpflichtige, zollhängige Ware an sich gebracht habe. Er will aber nicht in der Lage gewesen sein, zu erkennen, daß Zollhängigkeit gegeben war. Damit bekämpft er die von den Finanzbehörden insbesondere aufgrund seiner eigenen Angaben getroffene Feststellung, es sei ihm bewußt gewesen, daß die Zigaretten im Wege des Schmuggels nach Österreich gelangt wären.

Der Beschwerdeführer vermag keine Rechtsgrundlage für die von ihm gewünschte Bindung der Abgabenbehörde an eine Einstellung eines Finanzstrafverfahrens anzugeben. Im übrigen stellte der Spruchsenat ausdrücklich fest, daß es auch dem Beschwerdeführer bekannt war, daß die Waren auf dem Schmuggelwege in das Zollgebiet gebracht worden waren. Gerade weil der Spruchsenat ausführt, es könne nicht ausgeschlossen werden, daß der Beschwerdeführer die ihm zur Last gelegte Straftat im Zustand der Unzurechnungsfähigkeit begangen habe, war es umsomehr Sache der Abgabenbehörde, selbst zu prüfen, ob dem Beschwerdeführer die Zollhängigkeit bekannt war oder nicht.

Nach Auffassung des Beschwerdeführers hätte die Sachverhaltsfeststellung einer Ergänzung durch Einholung medizinischer Gutachten bedurft, weil im gerichtlichen Strafverfahren, welches denselben Vorfall betraf, ein Gutachten eingeholt wurde, das die Unzurechnungsfähigkeit des Beschwerdeführers zum Tatzeitpunkt belegte.

Aus dem vom Verwaltungsgerichtshof beigeschafften Akt des Landesgerichtes für Strafsachen Wien, 23 b Vr 10027/88, ergibt sich, daß der Beschwerdeführer zunächst wegen Diebstahlshandlungen vor 1989 verfolgt wurde. Der Untersuchungsrichter holte am ein Sachverständigengutachten zur Frage ein, ob der Beschwerdeführer an einer der im § 11 StGB beschriebenen Krankheiten leide oder litt bzw. ein dort beschriebener Zustand vorliegt oder in den letzten Jahren vorlag.

In seinem Gutachten vom führte der Sachverständige Dr. R.J. aus, die Exploration habe ergeben, daß beim Beschwerdeführer bis zu Beginn dieses Jahres ein Verfolgungswahn mit Sinnestäuschungen bestanden hätte. Aufgrund der gemachten Beobachtungen und der Angaben des Untersuchten könne nicht ausgeschlossen werden, daß im Zeitpunkt der ihm angelasteten Straftaten, (das ist laut Gutachten der Zeitraum vom Dezember 1986 bis Oktober 1988), akute Schübe der Geisteskrankheit bestanden hätten. Die Sinnestäuschungen seien nach seinen Angaben seit Beginn dieses Jahres nicht mehr vorhanden. Insbesondere nahm der Sachverständige die vom Beschwerdeführer geschilderten Drangzustände, Gegenstände in einem Warenhaus zu stehlen, als glaubhaft an, weshalb die Bedingungen der Bestimmung des § 11 StGB erfüllt seien.

Wegen des eingangs beschriebenen Vorfalls begehrte der Staatsanwalt am die Einbeziehung der Nachtragsanzeige gegen den Beschwerdeführer und T.Z. wegen §§ 127 ff StGB und Ausdehnung der Voruntersuchung. Nach Kenntnisnahme vom Gutachten vom erklärte der Staatsanwalt jedoch aus dem Grunde des § 11 StGB keinen Grund zu einer weiteren Verfolgung des Beschwerdeführers zu finden; mit Beschluß vom bezog das Gericht die Nachtragsanzeige in das Verfahren ein und stellte das Verfahren gegen den Beschwerdeführer gemäß § 109 Abs. 1 StPO ein. T.Z. hingegen wurde wegen des Einbruchdiebstahls vom mit Urteil vom schuldig erkannt.

Aus dem gleichfalls vom Verwaltungsgerichtshof beigeschafften Akt 27 d Vr 12717/90 ergibt sich kein Hinweis auf den hier relevanten Tatzeitpunkt.

Aus dem erstgenannten gerichtlichen Strafakt folgt, daß das Gutachten des Dr. R.J. vom zwar zur Einstellung auch des Strafverfahrens wegen des gegenständlichen Einbruchdiebstahles führte. Dieses Gutachten, das wegen seiner zeitlichen Nähe zum Tatzeitpunkt besonders aussagekräftig ist, bescheinigt gerade für den Jahresanfang 1989 eine Besserung des Zustandes des Beschwerdeführers. "Wissen" bedeutet Kenntnis der objektiven Tatumstände; das ist nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilen. Die eindeutigen Angaben des Beschwerdeführers bei seinen Vernehmungen im Jänner und Februar 1989 lassen unter Bedachtnahme auf dieses Gutachten die Feststellung der Behörde, der Beschwerdeführer hätte die Zollhängigkeit gekannt, als nicht unschlüssig erscheinen.

Die Einholung weiterer Gutachen war somit entbehrlich. Daß das Gutachten des Dr. H. G. vom , welches im späteren Strafverfahren eingeholt wurde und Taten im Jahre 1990 betraf, nicht aussagekräftig ist, haben die Behörden richtig erkannt.

Der Beschwerdeführer selbst hat das Gutachten Dr. G. in der Verhandlung vor dem Spruchsenat vorgelegt. Der Vorwurf der Verletzung des Parteiengehörs - es sei ihm keine Gelegenheit gegeben worden, sich dazu zu äußern - ist somit unverständlich.

Zusammenfassend können also Verfahrensmängel, die geeignet gewesen wären, einen anderen Bescheid herbeizuführen, nicht erkannt werden. Die Beschwerde war daher insgesamt als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2.