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VwGH vom 27.01.1999, 98/16/0365

VwGH vom 27.01.1999, 98/16/0365

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Repa, über die Beschwerde der Dr. A in W, vertreten durch Dr. Wolfgang Lenneis, Rechtsanwalt in Wien I, Singerstraße 8, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl GA 9-690/95, betreffend Erbschaftssteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde, der Beschwerdeergänzung, dem angefochtenen Bescheid und den dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten ergibt sich folgender Sachverhalt:

Am verstarb Dr. JG. Im

eidesstättigen Vermögensbekenntnis vom war unter den Aktiven unter anderem ein Sparbuch mit einem Guthabensstand von S 3,990.670,46 ausgewiesen.

In einem Pflichtteilsübereinkommen vom zwischen der erblasserischen Witwe und Alleinerbin WG einerseits und ihren beiden Töchtern, darunter der Beschwerdeführerin, andererseits wurde unter anderem "zur Abfindung des Pflichtteilsanspruches" vereinbart, daß die Beschwerdeführerin "aus dem Sparvermögen", das die Erbin nach dem Erblasser geerbt habe, "eine einmalige Zahlung von S 1,500.000,--" erhalte.

Mit Bescheid des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien vom wurde der Beschwerdeführerin Erbschaftssteuer von einer Bemessungsgrundlage von S 1,500.000,-- abzüglich des Freibetrages von S 30.000,-- vorgeschrieben.

In der Berufung gegen diesen Bescheid wurde geltend gemacht, im Pflichtteilsübereinkommen sei ausdrücklich festgehalten worden, daß die Zahlung des Pflichtteils aus dem Sparvermögen des Erblassers erfolge. Der Erwerb sei daher gemäß § 15 Abs 1 Z 17 ErbStG 1955 steuerfrei.

Die belangte Behörde wies die Berufung als unbegründet ab und vertrat die Auffassung, der Pflichtteilsanspruch sei eine Forderung auf einen verhältnismäßigen Teil des Nachlaßwertes in Geld, jedoch kein Anspruch auf einen aliquoten Teil des Nachlasses. Der Pflichtteilsberechtigte sei einem Gläubiger gleichzuhalten. Es handle sich bei dem zur Abgeltung des Pflichtteilsanspruchs erhaltenen Geldbetrag nicht um ein Vermögen im Sinne des § 15 Abs 1 Z 17 ErbStG. Die angeführte Steuerbefreiung komme bei Hingabe von Bargeld zur Abgeltung des Pflichtteilsanspruches ausschließlich dem Erben, nicht aber dem Pflichtteilsberechtigten zugute.

In der nach mit Beschluß vom , B 2763/95, erfolgten Ablehnung ihrer Behandlung durch den Verfassungsgerichtshof an den Verwaltungsgerichtshof abgetretenen Beschwerde gegen diesen Bescheid erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Steuerfreiheit für den auf Grund des Pflichtteilsübereinkommens erfolgten Erwerb verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Verfassungsbestimmungen des § 1 Abs 1 und 2 sowie § 3 des Endbesteuerungsgesetzes, BGBl Nr 11/1993, lauten in der für den Beschwerdefall anzuwendenden Fassung des Steuerreformgesetzes, BGBl Nr 818/1993, auszugsweise:

"Abschnitt I

Steuerabgeltung bei bestimmten Einkünften

aus Kapitalvermögen und sonstigen Vermögen

durch Abzug von Kapitalertragsteuer

§ 1. (1) Es ist bundesgesetzlich vorzusehen, daß bei der Besteuerung

1. von Einkünften aus Kapitalvermögen (§ 27 des Einkommensteuergesetzes 1988), und zwar von

a) Kapitalerträgen aus Geldeinlagen bei Kreditinstituten und sonstigen Forderungen gegenüber Kreditinstituten (§ 1 des Bankwesengesetzes), denen ein Bankgeschäft zugrunde liegt,

b) Kapitalerträgen aus Forderungswertpapieren, wenn sich die kuponauszahlende Stelle im Inland befindet,

. . .

2. des sonstigen Vermögens (§ 69 des Bewertungsgesetzes 1955), aus dem die Kapitalerträge im Sinne der Z. 1 fließen, sowie des Erwerbes dieses Vermögens von Todes wegen die Steuern (Abs. 2) - soweit diese Kapitalerträge nach der für das Kalenderjahr 1993 geltenden Rechtslage einem Kapitalertragsteuerabzug unterliegen - mit dem Kapitalertragsteuerabzug abgegolten sind. Für abzugsfreie Forderungswertpapiere ist bundesgesetzlich vorzusehen, daß die Abgeltung der Steuern auch dann eintritt, wenn im Wege der kuponauszahlenden Stelle ein Betrag in Höhe dieser Kapitalertragsteuer geleistet wird.

(2) Abs. 1 gilt hinsichtlich

1. Lit. a und b für die Einkommensteuer (Körperschaftsteuer) und Vermögensteuer, soweit die Steuerschuld ab entstanden ist, sowie die Erbschafts- und Schenkungssteuer, wenn der Erblasser nach dem verstorben ist.

. . .

§ 3. Von den Maßnahmen im Sinne der §§ 1 und 2 bleiben unberührt:

1. Die Besteuerung von Einkünften und Vermögen, die nicht dieser Kapitalertragsteuer unterliegen.

2. Die Besteuerung von Erwerben von Todes wegen von Vermögen, aus dem keine Kapitalerträge im Sinne des § 1 fließen, sowie von Schenkungen unter Lebenden."

Nach § 2 Abs 1 Z 1 Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz 1995, BGBl Nr 141, gilt als Erwerb von Todes wegen unter anderem der Erwerb auf Grund eines geltend gemachten Pflichtteilsanspruches. Für einen solchen Erwerb entsteht die Steuerschuld gemäß § 12 Abs 1 Z 1 lit b ErbStG mit dem Zeitpunkt der Geltendmachung des Pflichtteilsanspruches.

Nach § 15 Abs 1 Z 17 ErbStG in der auf den Beschwerdefall anzuwendenden Fassung des Abgabenänderungsgesetzes 1994, BGBl Nr 680 (zur Anwendung vgl Art VIII Z 2 des letztgenannten Gesetzes) bleiben steuerfrei Erwerbe von Todes wegen von Kapitalvermögen, soweit dessen Erträge im Zeitpunkt des Todes des Erblassers der Steuerabgeltung gemäß § 97 Abs 1 erster Satz sowie § 97 Abs 2 erster bis dritter Satz EStG 1988 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl Nr 12/1993, unterliegen.

Da der Verwaltungsgerichtshof Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit des § 15 Abs 1 Z 17 ErbStG 1955 hegte, beantragte er mit Beschluß vom , Zl A 96/96, die Aufhebung dieser Bestimmung als verfassungswidrig. Zur Vermeidung weitwendiger Wiederholungen wird auf diesen Beschluß verwiesen.

Mit Erkenntnis vom , G 385/96-13, gab der Verfassungsgerichtshof diesem Antrag keine Folge, wobei er unter anderem ausdrücklich aussprach, daß § 15 Abs 1 ErbStG dem (im Verfassungsrang stehenden) § 1 Abs 1 Z 2 Endbesteuerungsgesetz entspricht, soweit dieser die Erbschafts- und Schenkungssteuer betrifft.

Die Befreiungsbestimmung des § 15 Abs 1 Z 17 ErbStG in der angeführten Fassung, deren Anwendung von der Beschwerdeführerin angestrebt wird, bezieht sich ihrem Wortlaut nach auf Kapitalvermögen, dessen Erträge im Zeitpunkt des Todes des Erblassers der Steuerabgeltung im einkommensteuerrechtlichen Sinne unterliegen. Daraus folgt, daß es sich bei diesem sog. "endbesteuerten" Kapitalvermögen zur Erlangung der Steuerbefreiung um konkretes, dem Erblasser im Zeitpunkt seines Todes zugerechnetes Vermögen gehandelt haben muß.

Nach Lehre der Rechtsprechung ist der Pflichtteilsanspruch im Sinne der Klarstellung durch das Hofdekret vom 31. Jänner 1844, JGS 781, kein Anspruch auf einen aliquoten Teil des Nachlasses, sondern ein Anspruch auf Auszahlung eines entsprechenden Wertes in Geld (vgl zB Koziol/Welser, Bürgerliches Recht10 II 378; Welser in Rummel ABGB2, §§ 762-764 ABGB, Rz 6; Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl 820/54, Slg Nr 1312(F), vom , Zl 1316/78, und vom , Zlen 93/16/0129, 0130; Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes vom , 7 Ob 509/76, NZ 1977, 124, und vom , 7 Ob 502/95, NZ 1996, 309).

Daraus folgt aber für den Beschwerdefall, daß Gegenstand des der Erbschaftssteuer unterliegenden Erwerbs des Pflichtteilsberechtigten eine Geldforderung, nicht aber - im § 15 Abs 1 Z 17 ErbStG näher bezeichnetes - sog. "endbesteuertes" Kapitalvermögen als ein Teil des im Zeitpunkt des Todes des Erblassers vorhandenen Nachlaßvermögens ist. Die von der Beschwerdeführerin angestrebte Befreiungsvorschrift im Sinne des § 15 Abs 1 Z 17 ErbStG kann daher schon deswegen nicht zum Tragen kommen, weil das erforderliche Tatbestandsmerkmal des Erwerbs von Kapitalvermögen, dessen Erträge im Zeitpunkt des Todes des Erblassers "endbesteuert" waren, beim Erwerb des Pflichtteilsberechtigten nicht erfüllt ist.

Aus der Sicht der Anwendung des § 15 Abs 1 Z 17 ErbStG kommt dem Umstand, auf welche Art und Weise der Pflichtteilsanspruch erfüllt wird, keine Bedeutung zu. Auf die Bestimmung des Erwerbsgegenstandes und dessen Bewertung ist es ohne Einfluß, durch welche Leistungen der durch seine Geltendmachung entstandene Pflichtteilsanspruch erfüllt worden ist, zumal im Beschwerdefall die Erfüllung der Geldforderung der Pflichtteilsberechtigten unmittelbar durch endbesteuertes Vermögen gar nicht behauptet worden ist. Vielmehr wurde im Pflichtteilsübereinkommen vereinbart, daß die Beschwerdeführerin "aus dem Sparvermögen", das die Erbin geerbt hat, "eine einmalige Zahlung" von S 1,500.000,-- erhält. Dieser Vereinbarung kann nur die Bedeutung beigemessen werden, daß das endbesteuerte Sparvermögen in das Eigentum der Erbin übergegangen ist, sodaß die Beschwerdeführerin nicht in den Genuß der Steuerbefreiung nach § 15 Abs 1 Z 17 ErbStG kommen konnte.

Anders, als dies im Schrifttum zum Ausdruck gekommen ist (vgl insbesondere Firlinger, Abgeltung der Erbschaftssteuer bei Befriedigung des Pflichtteilsanspruches mit Kapitalvermögen, ecolex 1995, 367; Taucher, Unternehmensnachfolge aus steuerlicher Sicht in Bertl/D.Mandl/G.Mandl/Ruppe, Unternehmensnachfolge durch Erben und Vererben, Wien 1996, 36), kann somit die Auslegung des Befreiungstatbestandes des Grundstückserwerbs von Todes wegen in § 3 Abs 1 Z 2 GrEStG 1987 (Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes vom , B 66/81, Slg Nr 9446, unter Berufung auf das Urteil des deutschen Bundesfinanzhofes vom , II R 64/80, BStBl 1982 II 76, weiters vom , B 522/83, Slg Nr 10464, vom , B 239/85, Slg Nr 10809, vom , B 253-256/85, Slg Nr 10829, und vom , B 175/90, Slg Nr 12567; Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl 83/16/0178, Slg Nr 6058/F, verstärkter Senat) für die Beurteilung des Gegenstandes des der Erbschaftsteuer unterliegenden Erwerbsvorganges nicht herangezogen werden. Auch der deutsche Bundesfinanzhof geht demzufolge bei der erbschaftsteuerrechtlichen Frage nach dem Gegenstand des Erwerbs davon aus, daß bei Geldvermächtnissen nicht ein zur Erfüllung des Vermächtnisanspruches hingegebenes Grundstück, sondern vielmehr die Geldforderung erbschaftsteuerrechtlicher Erwerbsgegenstand ist (vgl die Urteile vom , II R 62/93, BStBl II 783, und vom , II R 5/92, BStBl 1996 II 97). Zuletzt hat der deutsche Bundesfinanzhof unter ausdrücklicher Abkehr von der im Urteil BStBl 1982 II 76 (und weiteren Folgeentscheidungen) ausgesprochenen Auffassung im Urteil vom , II R 52/96, DStR 1998, 1957, die Meinung vertreten, daß der Geldanspruch des Pflichtteilsberechtigten unabhängig davon Erwerbsgegenstand bleibt, wie und durch welche Leistung der Anspruch zum Erlöschen gebracht worden ist.

Trifft der Pflichtteilsberechtigte mit dem Erben betreffend die Abgeltung des Pflichtteilsanspruchs eine Zahlungsvereinbarung, so wird dadurch der ursprüngliche - im Zeitpunkt der Entstehung des Erbschaftsteueranspruches gegebene und damit maßgebliche - Inhalt des durch den Pflichtteilsanspruch begründeten Schuldverhältnisses nicht berührt. Nach der Entstehung des Steueranspruches zwischen dem Erben und dem Pflichtteilsberechtigten getroffene Erfüllungsabreden vermögen den einmal entstandenen Steueranspruch nicht aufzuheben oder zu modifizieren.

Dem Ergebnis dieser Auffassung steht auch nicht entgegen, daß damit zwischen den einzelnen im § 2 Abs 1 ErbStG angeführten erbschaftssteuerrechtlich als gleichrangig zu betrachtenden Erwerbsvorgängen aus der Sicht der Anwendbarkeit des § 15 Abs 1 Z 17 ErbStG differenziert werden würde. Vielmehr ist dazu auf § 774 ABGB zu verweisen, wonach der Pflichtteil in Gestalt eines Erbteiles oder Vermächtnisses hinterlassen werden kann. So kann etwa vom Erblasser durchaus dem Pflichtteilsberechtigten ein Vermächtnis über endbesteuertes Vermögen ausgesetzt werden, wodurch dieser auch in den Genuß der Steuerbefreiung nach § 15 Abs 1 Z 17 ErbStG kommen kann.

Eine gleichheitssatzgemäße Interpretation des § 15 Abs 1 Z 17 ErbStG dergestalt, daß das bloße Vorhandensein von "endbesteuertem" Kapitalvermögen zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers für die Zuerkennung der Steuerfreiheit ausreichen würde, erscheint überdies ausgeschlossen, weil dies über den Wortlaut des einfachen Gesetzes bei weitem hinausginge, aber auch mit der verfassungsgesetzlichen Norm des § 1 Abs 1 Z 2 Endbesteuerungsgesetz nicht in Einklang zu bringen wäre.

Da somit der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die von der Beschwerdeführerin behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war sie gemäß § 35 Abs 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am