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VwGH vom 07.10.1993, 93/16/0050

VwGH vom 07.10.1993, 93/16/0050

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Hofrat Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Dr. Wurdinger, über die Beschwerde des R in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Tirol vom , Zl. 80.046-8/93, betreffend Beschlagnahme gemäß § 89 Abs. 1 FinStrG, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Das Zollamt Innsbruck als Finanzstrafbehörde erster Instanz hat am mit einer auf § 89 Abs. 1 FinStrG gestützten und an den Beschwerdeführer gerichteten schriftlichen Beschlagnahmeanordnung die Beschlagnahme von "6 Stück Rotohraras" verfügt. Zur Begründung wurde ausgeführt, auf Grund von Ermittlungen bestehe der begründete Verdacht, daß mit diesen Tieren eine Hinterziehung von Eingangsabgaben im Sinne des § 35 Abs. 2 Finanzstrafgesetz begangen worden sei und es sich daher um verfallsbedrohte Ware handle. Zudem würden die Tiere als Beweismittel im Finanzstrafverfahren benötigt. Die Beschlagnahme der Tiere sei gemäß § 89 Abs. 1 FinStrG anzuordnen gewesen, da ansonsten zu befürchten sei, daß die Tiere nicht in die Gewahrsame des Zollamtes zu bringen seien.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Administrativbeschwerde brachte der Beschwerdeführer vor, daß in der Beschlagnahmeanordnung nicht begründet worden sei, worauf sich der Verdacht der Hinterziehung der Eingangsabgaben stütze. Eine ordnungsgemäße Begründung gehöre zu den Grunderfordernissen jeder rechtsstaatlichen Entscheidung. Eine solche Begründung fehle hier nicht bloß in bezug auf den angeblichen Tatverdacht, sondern auch hinsichtlich der anderen gesetzlichen Voraussetzungen der Beschlagnahme. Es würden nur Leerformeln angeführt; schon aus diesem Grunde sei der angefochtene Bescheid rechtswidrig. Ein auf konkrete Umstände gründender Verdacht liege nicht vor. Die Einfuhr der Vögel sei zu Zuchtzwecken erfolgt, wobei jegliches kaufmännische Motiv fehle. Es gebe "keinerlei beweismäßige Anhaltspunkte" dafür, daß der Preis von 900 englischen Pfund für die Tiere nicht den Tatsachen entsprechen sollte. Ein allenfalls üblicher Handelspreis für diese Tiere sei aber für den Erwerb der Tiere durch den Beschwerdeführer von keiner Relevanz. Der Verkäufer habe im übrigen die Angaben des Beschwerdeführers vollinhaltlich bestätigt. Zum Nachweis dafür werde in der Beilage zur Beschwerde die schriftliche Erklärung des Verkäufers vom in Englisch samt einer deutschen Übersetzung beigelegt. Im übrigen sei darauf hingewiesen, daß der Beschwerdeführer bei der Einfuhr der Tiere nach Österreich auch alle Zollformalitäten gesetzesgemäß durchgeführt habe. Die Beschlagnahme sei auch nicht geboten gewesen, da es sich bei den Tieren um besonders geschützte Vögel handle, die nicht marktgängig seien. Auch sei die Zollbehörde bereits im Besitz aller Papiere, die die Einfuhr der Tiere betreffen. Zudem wäre es durchaus ausreichend gewesen, die Nämlichkeit der Tiere durch Aufnahme von Fotografien oder durch andere geeignete Maßnahmen (wie z.B. die Anbringung von Fußringen) zu sichern. Dem Zweck der behördlichen Ermittlungen hätte dies vollständig genügt. Welche enorme Gefahr eine Verbringung dieser höchstempfindlichen und sensiblen Tiere von ihrem gewohnten und auf ihre Bedürfnisse zugeschnitteten Platz in eine neue örtliche Umgebung für die Gesundheit bedeute, sei in Züchter - und Tierschützerkreisen bestens bekannt. Es sei zu befürchten, daß die Tiere durch die vorgenommene Ortsveränderung erheblich geschädigt würden und letztlich sogar verendeten. Die Beschlagnahme sei also im vorliegenden Falle nicht nur nicht gerechtfertigt, sondern auch wenig zweckdienlich und daher auch mit dem Bestreben nach Erhaltung und Schutz gefährdeter und seltener Vogelarten nicht in Einklang zu bringen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom gab die Finanzlandesdirektion für Tirol als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz der Beschwerde keine Folge. Dies im wesentlichen mit der Begründung, der Beschwerdeführer habe am über das Zollamt Flughafen Wien sechs Rotohraras eingeführt, wobei er unter Vorlage einer vom Verkäufer ausgestellten handschriftlichen Faktura vom gleichen Tag einen Zollwert von insgesamt 900 Pfund (umgerechnet S 18.990,--) erklärt habe. Die vom Zollamt Innsbruck beim Tierpark Schönbrunn fernmündlich angestellten Preisnachforschungen hätten jedoch ergeben, daß es sich bei Rotohraras um eine äußerst seltene Vogelart handle, die nur um einen Preis von S 30.000,-- bis 40.000,-- pro Stück (somit nur um ein Vielfaches des vom Beschwerdeführer erklärten Wertes) käuflich zu erwerben seien. Aus dem Aktenvermerk vom ergebe sich, daß der Verkäufer der Tiere gegenüber dem Vorstand des Zollamtes Innsbruck fernmündlich erklärt habe, daß der Preis für diese Tiere an die 1000 Pfund (somit rund S 20.000,--) pro Paar betragen habe. Der Beschwerdeführer werde überdies durch eine weitere in der Begründung näher umschriebene Person dahingehend belastet, bei einem anderen Einfuhrvorgang die Ausstellung einer fingierten Faktura ausdrücklich verlangt zu haben. Im Hinblick auf diese Umstände bestehe der begründete Verdacht, daß der Beschwerdeführer anläßlich der Einfuhr der Tiere vorsätzlich den Kaufpreis zu niedrig erklärt und sich daher des Finanzvergehens der Zollhinterziehung gemäß § 35 Abs. 2 FinStrG schuldig gemacht habe, wobei die noch lebenden Tiere im Falle eines Schuldspruches vom Verfall bedroht seien. Ob sich der Verdacht letzlich erhärten werde, werde das nunmehr vom Zollamt Innsbruck weiterzuführende Verfahren ergeben, in dessen Rahmen auch die Einlassungen des Beschwerdeführers über deren Stichhaltigkeit zu überprüfen sein werden. Die Tiere kämen im weiteren Verfahren auch als Beweismittel in Betracht, da eine Schätzung durch Sachverständige erforderlich werden könnte. Die Tiere seien leicht von Ort zu Ort zu transportieren. Auch bestehe kein Zweifel, daß die Tiere gerade im Hinblick auf ihre Seltenheit unter Vogelliebhabern leicht abgesetzt werden könnten. Die in der Beschwerde vorgeschlagenen Maßnahmen zur Nämlichkeitsfesthaltung stellten wohl wirksame Maßnahmen dar, um einen Austausch der Vögel hintanzuhalten, sie seien jedoch keinesfalls dazu geeignet, die Verbringung der Vögel an einen der Finanzstrafbehörde unbekannten Ort zu verhindern. Die sogenannte Gefahrenrelevanz werde weiters durch den Umstand verstärkt, daß der Beschwerdeführer anläßlich der Vernehmung vom selbst eingeräumt habe, bereits mehrere Vögel teils an Züchter, teils auch an Privatpersonen weiterverkauft zu haben. Ohne Beschlagnahme wäre daher zu besorgen, daß die Tiere dem Zugriff der Finanzstrafbehörde auf Dauer entzogen werden könnten. Die Beschlagnahme sei daher im Sinne des § 89 Abs. 1 FinStrG geboten gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der der Beschwerdeführer sowohl Rechtswidrigkeit des Inhaltes als auch Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht "auf eine ordnungsgemäße Begründung gemäß §§ 58 ff AVG" und darin verletzt, daß eine Beschlagnahme nach § 89 FinStrG nur bei Vorliegen der in dieser Bestimmung genannten Voraussetzungen ausgesprochen werden dürfe.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 89 Abs. 1 FinStrG hat die Finanzstrafbehörde mit Bescheid die Beschlagnahme von verfallsbedrohten Gegenständen und von Gegenständen, die als Beweismittel in Betracht kommen, anzuordnen, wenn dies zur Sicherung des Verfalls oder zur Beweissicherung geboten ist.

Tatbestandsvoraussetzungen für die Verfügung der Beschlagnahme sind der Verdacht der Begehung eines Finanzvergehens, die Bedrohung des Gegenstandes mit der Strafe des Verfalls oder der Umstand, daß der Gegenstand als Beweismittel in Betracht kommt, sowie das Gebotensein der Beschlagnahme zur Sicherung des Verfalls bzw. zur Beweissicherung (vgl. hg. Erkenntnis vom , Zl. 87/16/0164).

Bei dem Rechtsinstitut der Beschlagnahme durch die Finanzstrafbehörde nach § 89 Abs. 1 FinStrG handelt es sich um ein Verfahren, das der zwangsweisen Entziehung der Gewahrsame an einer Sache (Wegnahme) zum Zwecke der Verwahrung dient und in dem Entscheidungen im Verdachtsbereich zu treffen, aber keine abschließende Lösungen zu finden sind. Als zeitlich begrenzte Maßnahme endet sie entweder durch die Freigabe bzw. Rückgabe des beschlagnahmten Gegenstandes oder durch den rechtskräftigen Ausspruch des Verfalls. Daß der Beschuldigte das mit Verfall "bedrohte" Finanzvergehen begangen hat, braucht im Zeitpunkt des Ausspruches der Beschlagnahme noch nicht nachgewiesen zu sein; weil diese Aufgabe ebenso wie die Feststellung, daß bestimmte Personen den Verfall gegen sich gelten zu lassen haben, erst dem Untersuchungsverfahren nach §§ 114 ff FinStrG und dem Straferkenntnis zukommt. Es genügt, wenn gegen den Beschuldigten ein Verdacht besteht. Es müssen hinreichende Gründe vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, daß er als Täter eines mit der Sanktion eines Vermögensverlustes - in der Gestalt des Verfalls - bedrohten Finanzvergehens in Frage kommt (vgl. hg. Erkenntnis vom , Zl. 92/16/0141, samt angeführter Rechtsprechung).

Wenn der Beschwerdeführer vorbringt, von einem auf konkrete Umstände gegründeten Verdacht des Finanzvergehens nach § 35 Abs. 2 FinStrG könne bei Würdigung aller Umstände keine Rede sein, dann übersieht er, daß die belangte Behörde ihre Begründung auf eine allgemeine Preisnachfrage für solche Tiere (30.000 bis 40.000,-- S pro Stück), auf die fernmündliche Erklärung des Verkäufers, der Preis für die Tiere habe an die 1000 Pfund pro Paar betragen, und das Verhalten des Beschwerdeführers bei einem vorangegangenen Einfuhrvorgang gestützt hat. Dieser von der Behörde festgestellte Verdacht wird weder dadurch entkräftet, daß der Tiergarten Schönbrunn erst nach Rücksprache mit einem weiteren Zoo die Anfrage der Behörde nach den Preis solcher Tiere beantwortet hat - wird doch damit die zusätzliche Erfahrung dieses Zoos bei der Preiseinschätzung miteingebracht -, noch durch den Umstand, daß nach Ansicht des Beschwerdeführers, die Tiere offensichtlich im Handel nicht erhältlich seien und daher auch keinen entsprechenden Handelswert aufwiesen, der einer zollrechtlichen Deklaration zugrundegelegt werden könnte. Die Behörde hat für die Festsetzung der Einfuhrumsatzsteuer nämlich nicht einen "entsprechenden Handelswert" der vom Beschwerdeführer erworbenen Tiere, sondern die tatsächliche Bemessungsgrundlage (nach § 5 UStG: Entgelt, Zollwert) festzustellen. Diese anläßlich der Abfertigung erklärte Bemessungsgrundlage steht jedoch mit dem sonst für solche Tiere zur zahlenden Preis in einem derart auffallenden vom Beschwerdeführer nicht hinreichend aufgeklärten Mißverhältnis, daß sich schon daraus der Verdacht einer Hinterziehung von Eingangsabgaben ergeben kann.

Der Beschwerdeführer erhebt weiters den Vorwurf, daß sich die angefochtene Entscheidung u.a. auch auf den Aktenvermerk vom über das fernmündliche Gespräch zwischen dem Amtsvorstand des Zollamtes und dem Verkäufer stütze. Mit der der Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Beschlagnahmebescheid beigelegten schriftlichen Erklärung des Verkäufers, die zum Inhalt des vorerwähnten Aktenvermerkes in auffallendem Widerspruch stehe, setze sich die belangte Behörde überhaupt nicht auseinander. Diese Erklärung werde in der gesamten Rechtsmittelentscheidung nicht einmal erwähnt. Somit leide der angefochtene Bescheid unter einem schwerwiegenden Begründungsmangel. Überdies ziehe er den Inhalt des nicht vom Amtsvorstand, sondern von einem Dritten verfaßten Aktenvermerk vom wegen solcher sich auf allfällige Sprachschwierigkeiten gründende Mißverständnisse in Frage.

Mit diesem Vorbringen rügt der Beschwerdeführer mit Recht einen Begründungsmangel des angefochtenen Bescheides. Eine Verletzung von Verfahrensvorschriften - im Finanzstrafverfahren sind die Bestimmungen des Finanzstrafgesetzes und nicht die "§§ 58 ff AVG"anzuwenden - führt jedoch nicht in jedem Fall zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides, sondern nur dann, wenn bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Der Beschwerdeführer behauptet zwar, es handle sich um einen "schwerwiegenden Begründungsmangel", legt aber die Wesentlichkeit des geltend gemachten Verfahrensmangels nicht dar. Nun stützt sich der Verdacht Begehung des Finanzvergehens nicht nur auf den Aktenvermerk vom , sondern auch auf weitere im angefochtenen Bescheid angeführte Verdachtsgründe, sodaß bei Nichtberücksichtigung des einen Verdachtsgrundes nicht schon der Verdacht überhaupt wegfällt. Somit kann der Verwaltungsgerichtshof nicht finden, daß dem Verfahrensmangel im vorliegenden Fall Wesentlichkeit zukommt, weil die übrigen Umstände einen Verdacht noch hinreichend zu begründen vermögen.

Aus der konditionalen Verknüpfung von Tatbestand und Rechtsfolge mittels der Konjunktion "wenn" im Zusammenhang mit dem verbum legale "geboten ist", folgt, daß der Gesetzgeber die Beschlagnahme von der weiteren Voraussetzung abhängig machte, daß sie nach den Zielsetzungen des Rechtsinstitutes des Verfalls oder zur Beweissicherung notwendig ist. In Ermangelung einer gesetzlichen Klärung ist eine für alle einschlägigen Fälle gültige Definition des "Gebotenseins" kaum möglich. Ungeachtet der Schwierigkeit, den Begriff des "Gebotenseins" der Beschlagnahme inhaltlich zu erfassen, kann doch kein Zweifel bestehen, daß dieses Kriterium in dem Gewicht und der Bedeutung des Schutzzweckes dieser Norm, eine Gefährdung der Sicherheit der Abgabenbelange hintanzuhalten oder einer Unterdrückung eines Beweismittels vorzugreifen, zu suchen ist (Gefahrenrelevanz). Eine solche Gefährdung der Abgabenbelange wird z.B. gegeben sein, wenn die Gefahr besteht, daß der Eigentümer den beschlagnahmten Gegenstand, in dessen vermögenswerte Rechte die Beschlagnahme einzugreifen vermag, den Zielsetzungen des Verfalls zuwider, dem jederzeitigen Zugriff der Behörde entziehen werde (vgl. hg. Erkenntnis vom , Zl. 88/16/0209, samt Rechtsprechung).

In dieser Hinsicht hat die belangte Behörde ihre Entscheidung im wesentlichen auf im angefochtenen Bescheid näher angeführte Umstände gestützt, bei deren Vorliegen der Verwaltungsgerichtshof die Annahme der belangten Behörde, es sei zumindest zu befürchten, daß der Beschwerdeführer versuchen werde, die Tiere dem Zugriff der Finanzstrafbehörde zu entziehen, nicht als rechtswidrig zu erkennen vermag.

Da sich somit die Beschwerde insgesamt als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, ist mit der Entscheidung in der Hauptsache gegenstandslos geworden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 104/1991.