VwGH vom 13.04.2005, 2002/13/0183
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Fuchs, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Keidel LL.M., über die Beschwerde des GSch in W, vertreten durch Jirovec & Partner Rechtsanwalts GmbH in 1010 Wien, Bauernmarkt 24, gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission Wien vom , Zl. ABK - S 94/01, betreffend Haftung nach §§ 7 und 54 WAO, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom wurde der Beschwerdeführer in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der A. GmbH für rückständige Abgaben dieser Gesellschaft, und zwar "Kommst Säumniszuschlag 11/97" im Betrag von S 84,--, "Kommst 4-6/98" im Betrag von S 4.901,-- "lt. Erkl.
v. " samt Säumniszuschlag im Betrag von S 98,-- sowie "DGA 4-6/98" im Betrag von S 190,-- "lt. Erkl. v. ", in Summe S 5.273,-- ("entspr. 383,20 Euro"), zur Haftung herangezogen.
In seiner dagegen erhobenen Berufung machte der Beschwerdeführer geltend, im fraglichen Zeitraum auch an die anderen Gläubiger der Gesellschaft keine Zahlungen geleistet zu haben. Die zur Verfügung gestandenen Mittel hätten zur Tilgung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft nicht ausgereicht. Durch die Verweigerung jeglicher Zahlungen habe der Beschwerdeführer keine Pflichten schuldhaft verletzt. Mangels Verstoßes gegen die Gleichbehandlungspflicht komme seine Heranziehung zur Haftung nicht in Betracht. Eine Haftung für Säumniszuschläge könne es unabhängig davon nicht geben. "Erforderlichenfalls" werde die Aufnahme näher genannter Beweise beantragt.
Mit Berufungsvorentscheidung vom wurde die Berufung vom Magistrat der Stadt Wien als unbegründet abgewiesen. Den Nachweis einer anteiligen Verwendung der vorhandenen Gesellschaftsmittel zur Begleichung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft habe der Beschwerdeführer nicht erbracht. Anlässlich einer Revision des Unternehmens der Gesellschaft sei nämlich festgestellt worden, dass Löhne und Gehälter bis einschließlich Juni 1998 ausbezahlt worden seien. Würden Löhne ausbezahlt, ohne die entsprechenden lohnabhängigen Abgaben abzuführen, dann werde mit einer solchen Vorgangsweise das Gebot der Gleichbehandlung aller Gläubiger verletzt.
In seinem Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz wiederholte der Beschwerdeführer sein Vorbringen, an keinen der Gläubiger Zahlungen geleistet zu haben, und erwiderte der aus dem Revisionsbericht abgeleiteten Feststellung der Zahlung von Löhnen und Gehältern bis einschließlich Juni 1998, dass es sich dabei lediglich um die Feststellung bestehender Lohn- und Gehaltsansprüche, nicht aber um tatsächliche Auszahlungen gehandelt habe. Wie sich auch aus der Forderungsanmeldung des letzten Dienstnehmers beim "Insolvenzentgeltfonds" ergebe, seien "gerade die letzten Monate" nicht ausbezahlt worden, sodass der Fonds habe Zahlung leisten müssen. Während Kommunalsteuer und Dienstgeberabgabe "bis April bzw. Mai" 1998 bezahlt worden sei, seien die Dienstnehmerbezüge "im gleichen Ausmaß" nicht bezahlt worden. Da die Abgaben erst auf Grund der Erklärung vom "festgestellt" worden seien, bestehe auch deshalb kein Verschulden des Beschwerdeführers. Zum Beweis "für das gesamte ergänzende Vorbringen" wurde die Vernehmung eines mit Namen und Anschrift bezeichneten Steuerberaters beantragt. Dass die bereits zuvor beantragte Vernehmung des Steuerberaters bislang unterblieben sei, stelle einen Verfahrensmangel dar.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung in der Sache als unbegründet ab. Unbestritten sei, dass die im bekämpften Bescheid angeführten Abgabenforderungen entstanden seien und dass der Beschwerdeführer seit dem allein vertretungsbefugter Geschäftsführer gewesen sei, ferner stehe fest, dass über das Vermögen der Gesellschaft der Konkurs eröffnet worden sei, in welchem nach Auskunft des Masseverwalters Aussicht auf eine Konkursquote höchstens "im einstelligen Prozentbereich" bestehe, wird in der Begründung des angefochtenen Bescheides eingangs ausgeführt. Die Pflichtverletzung durch den Beschwerdeführer ergebe sich aus der Missachtung der Vorschriften über den Zeitpunkt der Entrichtung der Abgaben, wonach der Abgabepflichtige für jeden Monat längstens bis zum 15. des darauf folgenden Monats den Abgabenbetrag zu entrichten habe. Den ihm obliegenden Nachweis entweder der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft zu den Fälligkeitszeitpunkten von Kommunalsteuer und Dienstgeberabgabe oder der anteiligen Verwendung vorhandener Gesellschaftsmittel zur Begleichung aller Schulden der Gesellschaft habe der Beschwerdeführer "nicht dargetan". Der Beschwerdeführer habe einerseits behauptet, keine Zahlung an die Gläubiger geleistet und deswegen der Gleichbehandlungspflicht entsprochen zu haben, und andererseits vorgebracht, Kommunalsteuer und Dienstgeberabgabe "bis April bzw. Mai" 1998 bezahlt, die Dienstnehmerbezüge "im gleichen Ausmaß" hingegen nicht bezahlt zu haben. Die zum Beweis für dieses Vorbringen beantragte Vernehmung des Steuerberaters ziele, abgesehen von der "Widersprüchlichkeit dieses Vorbringens", auf einen "unzulässigen Erkundungsbeweis" ab, den die Berufungsbehörde nicht aufzunehmen habe. Hiedurch habe der Beschwerdeführer die ihm bekannten "Feststellungen des Revisionsberichtes nicht entkräften" können. Nach Darlegungen zu den rechtlichen Voraussetzungen des Entstehens und der Fälligkeit von Kommunalsteuer und Dienstgeberabgabe stellte die belangte Behörde fest, dass die "gegenständlichen Abgaben an Kommunalsteuer und Dienstgeberabgabe unbestritten zu den jeweiligen Fälligkeitszeitpunkten nicht entrichtet worden" seien. Aus welchen Gründen die fristgerechte Entrichtung unterblieben sei, habe der Beschwerdeführer nicht darstellen können, sodass von "seiner schuldhaften Pflichtverletzung" auszugehen sei. Es entspreche die Geltendmachung der Haftung auch den Grundsätzen der Zweckmäßigkeit und Billigkeit, weil Geschäftsführer, die ihre Pflichten verletzten, nicht besser als solche gestellt werden dürften, die ihre Pflichten erfüllten.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Erstattung einer Gegenschrift und Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:
Gemäß § 7 Abs. 1 WAO in der im gegenständlichen Fall anzuwendenden Fassung der Novelle LGBl. Nr. 40/1992 haften die in den §§ 54 ff bezeichneten Vertreter und sonstigen Verpflichteten neben den Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern und sonstigen Verpflichteten auferlegten Pflichten, sei es abgabenrechtlicher oder sonstiger Pflichten, bei den Abgabepflichtigen nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden können, insbesondere im Falle der Konkurseröffnung.
Nach § 54 Abs. 1 WAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es Aufgabe des Geschäftsführers, darzutun, weshalb er den auferlegten Pflichten nicht entsprochen habe, insbesondere nicht habe Sorge tragen können, dass die Gesellschaft die angefallenen Abgaben entrichtet hat, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden darf. Hat der Vertreter schuldhaft seine Pflicht verletzt, für die Abgabenentrichtung aus den Mitteln der Gesellschaft zu sorgen, so darf die Abgabenbehörde auch davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit ursächlich war. Der Geschäftsführer haftet für nicht entrichtete Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die Mittel, die ihm für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft zur Verfügung gestanden sind, hiezu nicht ausreichten, es sei denn, er weist nach, dass er die Abgabenschulden im Verhältnis nicht schlechter behandelt hat als bei anteiliger Verwendung der vorhandenen Mittel für die Begleichung aller Verbindlichkeiten (siehe etwa die hg. Erkenntnisse vom , 2004/13/0156, vom , 2001/13/0286, und vom , 97/13/0080, mwN, sowie die zur Bestimmung des § 9 Abs. 1 BAO ergangenen hg. Erkenntnisse vom , 2002/13/0218, und vom , 99/13/0032, mwN).
Die qualifizierte Mitwirkungspflicht des Geschäftsführers bedeutet nicht, dass die Behörde von jeder Ermittlungspflicht entbunden wäre; entspricht der Geschäftsführer nämlich seiner Obliegenheit, das Nötige an Behauptung und Beweisanbot zu seiner Entlastung darzutun, dann liegt es an der Behörde, erforderlichenfalls Präzisierungen und Beweise vom Geschäftsführer abzufordern, jedenfalls aber konkrete Feststellungen über die von ihm angebotenen Entlastungsbehauptungen zu treffen (siehe etwa das hg. Erkenntnis vom , 2000/15/0119, sowie das zur Bestimmung des § 9 Abs. 1 BAO ergangene hg. Erkenntnis vom , 2002/13/0151, mwN, und das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , 91/13/0037, 0038, Slg. N.F. Nr. 7.038/F).
Nach § 128 Abs. 1 WAO bedürfen Tatsachen, die bei der Abgabenbehörde offenkundig sind, und solche, für deren Vorhandensein das Gesetz eine Vermutung aufstellt, keines Beweises.
Nach § 144 Abs. 3 WAO sind von den Parteien beantragte Beweise aufzunehmen, soweit nicht eine Beweiserhebung gemäß § 128 Abs. 1 zu entfallen hat. Von der Aufnahme beantragter Beweise ist abzusehen, wenn die unter Beweis zu stellenden Tatsachen als richtig anerkannt werden oder unerheblich sind, wenn die Beweisaufnahme mit unverhältnismäßigem Kostenaufwand verbunden wäre, es sei denn, dass der Abgabepflichtige sich zur Tragung der Kosten bereit erklärt und für diese Sicherheit leistet, oder wenn aus den Umständen erhellt, dass die Beweise in der offenbaren Absicht, das Verfahren zu verschleppen, angeboten worden sind. Gegen die Ablehnung der von den Parteien angebotenen Beweise ist ein abgesondertes Rechtsmittel nicht zulässig.
Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren vorgetragen, dass es sich bei der im Revisionsbericht unterstellten Auszahlung von Löhnen und Gehältern bis einschließlich Juni 1998 nicht um tatsächliche Auszahlungen, sondern lediglich um die Feststellung bestehender Lohn- und Gehaltsansprüche gehandelt habe und dass Kommunalsteuer und Dienstgeberabgabe "bis April bzw. Mai" 1998 bezahlt worden sei, während die Dienstnehmerbezüge "im gleichen Ausmaß" nicht bezahlt worden seien.
Dieses Vorbringen unter Beweis zu stellen, durfte dem Beschwerdeführer nicht verwehrt werden. Entgegen der von der belangten Behörde geäußerten Ansicht begehrte der Beschwerdeführer mit der (auch) zu diesem Vorbringen beantragten Vernehmung des Steuerberaters nicht die Aufnahme eines unzulässigen Erkundungsbeweises in Art der den von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid und in der Gegenschrift angeführten hg. Erkenntnissen vom , 98/15/0075, und vom , 98/14/0082 (das in der Gegenschrift angeführte hg. Erkenntnis vom , 2000/14/0081, enthält zum Erkundungsbeweis keine Aussage), zu Grunde gelegenen Fallkonstellationen. Die von der belangten Behörde gesehene Widersprüchlichkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers im Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz liegt bei rechtem Verständnis seiner Ausführungen nicht vor und hätte selbst im Falle ihres Vorliegens bei gegebener rechtlicher Relevanz der unter Beweis zu stellenden Tatsachenbehauptungen die Unterlassung der begehrten Beweisaufnahme nach Maßgabe der Bestimmung des § 144 Abs. 3 WAO nicht gerechtfertigt. Rechtliche Relevanz lässt sich dem dargestellten Vorbringen des Beschwerdeführers aber schon deswegen nicht absprechen, weil eine Erweislichkeit des von ihm behaupteten Sachverhaltes nicht nur die Frage nach einer ihm vorzuwerfenden Verletzung seiner Vertreterpflichten, sondern - im Hinblick auf die zutreffenden Ausführungen des angefochtenen Bescheides über das Entstehen etwa der Kommunalsteuerschuld - vielmehr schon jene des Entstehens der von der Haftung erfassten Abgabenschuldigkeiten berührt, was die Ausführungen in der Begründung des angefochtenen Bescheides, wonach es unbestritten sei, dass die im bekämpften Bescheid angeführten Abgabenforderungen entstanden seien, als fragwürdig erweist.
Durch die Ablehnung des vom Beschwerdeführer angebotenen Beweises auf Vernehmung des Steuerberaters zu dem im Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz erstatteten Sachvorbringen hat die belangte Behörde Verfahrensvorschriften verletzt, bei deren Wahrung die Erlassung eines im Spruche anders lautenden Bescheides nicht ausgeschlossen werden kann. Der angefochtene Bescheid war deshalb nach § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG aufzuheben. Eines Eingehens auf die Rüge der Ermessensübung bedurfte es damit nicht mehr.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am