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VwGH vom 07.10.1993, 93/16/0018

VwGH vom 07.10.1993, 93/16/0018

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Hofrat Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Dr. Wurdinger, über die Beschwerde der A Verwaltungsgesellschaft m.b.H. in S, vertreten durch Dr. X, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Salzburg vom , GZ. 132-GA 5-DTa/92, betreffend Stempelgebühren und Gebührenerhöhung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.510,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

In den dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten befindet sich die Kopie eines Protokolls über die am abgehaltene Hauptversammlung der S. AG. Daran wird zunächst festgehalten, daß die "im angeschlossenen Teilnehmerverzeichnis, Beilage./A," angeführten Vertreter der beschwerdeführenden GmbH, der einzigen Aktionärin der S. AG, anwesend waren. Unter Punkt 1. der Tagesordnung (Vorlage des Geschäftsberichtes des Vorstandes ...) wird unter anderem wörtlich ausgeführt:

"Da sich hiezu niemand zu Wort meldet, wird sohin von den erschienenen Vertretern der einzigen Aktionärin beschlossen,


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a)
den der Aktionärin vorliegenden und in einem Stück diesem Protokoll als Beilage./B beigefügten Jahresabschluß für das Geschäftsjahr 1990 (eintausendneunhundertneunzig), dem von der zum Abschlußprüfer bestellten A. AG der uneingeschränkte Prüfungsvermerk erteilt und der vom Aufsichtsrat einstimmig gebilligt und damit festgestellt wurde, zur Kenntnis zu nehmen,
b)
den der Aktionärin gleichfalls vorliegenden, vom Aufsichtsrat ebenfalls gebilligten und diesem Protokoll als Beilage./C beigefügten Geschäftsbericht des Vorstandes für das Geschäftsjahr 1990 (eintausendneunhundertneunzig) unter Verzicht auf Verlesung genehmigend zur Kenntnis zu nehmen,
c)
den diesem Protokoll als Beilage./D beigefügten Aufsichtsratsbericht für das Geschäftsjahr 1990 (eintausendneunhundertneunzig) unter Verzicht auf Verlesung genehmigend zur Kenntnis zu nehmen."

Die angeführten Beilagen A - D waren nach der Sachverhaltsfeststellung im angefochtenen Bescheid dem Protokoll angeschlossen und mit diesem fest verbunden. Die Beilage A war mit S 30,--, die Beilage B mit S 60,--, die Beilage C mit S 90,-- und die Beilage D mit S 30,-- gestempelt.

Das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Salzburg schrieb für die genannten Beilagen Bogengebühr im Sinne des § 6 Abs. 1 GebG 1957 - abzüglich der bereits entrichteten Beilagengebühr - sowie eine entsprechende Gebührenerhöhung mit einem an die Beschwerdeführerin gerichteten Bescheid vor.

Die gegen diesen Bescheid gerichtete Berufung wurde mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid als unbegründet abgewiesen. Die belangte Behörde vertrat darin die Auffassung, daß den angeführten Beilagen die Eigenschaft als weiterer Bogen des Protokolls auf Grund der ausdrücklichen Erklärungen im Protokolle und auch deswegen zukomme, weil diese mit der Schrift tatsächlich fest verbunden waren.

In der Beschwerde gegen diesen Bescheid werden dessen inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 14 TP 7 Z. 4 lit. a GebG 1957 unterliegen Protokolle (Niederschriften) über eine Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft vom ersten Bogen einer festen Gebühr von S 2.400,--.

Nach § 6 Abs. 1 GebG 1957 sind bei den einer festen Gebühr unterliegenden Schriften der zweite und jeder weitere Bogen mit dem für den ersten Bogen vorgeschriebenen Stempel zu versehen; beträgt die feste Gebühr für den ersten Bogen mehr als S 120,--, so unterliegt jeder weitere Bogen der festen Gebühr von S 120,--.

Nach § 14 TP 5 Abs. 1 GebG 1957 unterliegen Beilagen, das sind Schriften und Druckwerke aller Art, wenn sie einer gebührenpflichtigen Eingabe (einem Protokolle) beigelegt werden, von jedem Bogen einer festen Gebühr von S 30,--, jedoch nicht mehr als S 180,-- je Beilage.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gibt es drei Fälle, in denen eine Bei- bzw. Anlage im Sinne des gewöhnlichen Sprachgebrauches als "weiterer Bogen" im Sinne des § 6 GebG 1957 angesehen wird, und zwar

1. wenn die Bei- oder Anlage wesentlicher Bestandteil der Schrift ist (z.B. ihre Fortsetzung),

2. wenn ihr diese Eigenschaft auf Grund ausdrücklicher Erklärung zukommt und

3. wenn sie mit der Schrift (dem ersten Bogen) tatsächlich fest verbunden ist (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 90/15/0069, und die dort angeführte Vorjudikatur).

Im Beschwerdefall ist die belangte Behörde davon ausgegangen, daß in dem in Rede stehenden Protokoll ausdrücklich auf die vier Beilagen verwiesen worden ist, wodurch ihnen die Eigenschaft als wesentlicher Bestandteil der Schrift durch eine ausdrückliche Erklärung beizumessen ist. Überdies hat die belangte Behörde unwidersprochen festgestellt, daß die Beilagen mit dem Protokoll fest verbunden sind. Sie hat diese Beilagen A, B, C und D daher zutreffend als weitere Bogen des Protokolls beurteilt.

Auch die Beschwerdeausführungen bieten keinen Anlaß, von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abzugehen. Insbesondere kommt entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin dem Wortlaut des § 14 TP 5 Abs. 1 GebG für die Beantwortung der Streitfrage keine entscheidende Bedeutung zu. Als Beilage im Sinne des § 14 TP 5 GebG 1957 kann damit nur eine Schrift betrachtet werden, die nicht bereits nach der sowohl für den II. als auch den III. Abschnitt des Gebührengesetzes geltenden Bestimmung des § 6 GebG 1957 als weiterer Bogen anzusehen ist. Da die im I. Abschnitt des Gebührengesetzes enthaltene Bestimmung des § 6 GebG im Hinblick auf diese Systematik des Gebührengesetzes als grundsätzliche Bestimmung anzusprechen ist, kann von einem "Primat" des § 14 TP 5 GebG keine Rede sein. Wenn die Beschwerdeführerin dabei eine nähere Bestimmung des im § 6 GebG gebrauchten Begriffs "Bogen" vermißt, so ist darauf hinzuweisen, daß Inhalt des § 6 GebG die Festsetzung der Gebührenhöhe für eine eine geschlossene Einheit bildende Schrift (Urkunde) ist.

Jedenfalls kann die Beschwerdeführerin aus dem Wortlaut des § 14 TP 5 Abs. 1 GebG schon deswegen nichts gewinnen, weil die vier streitgegenständlichen Schriften eben dem Protokolle gar nicht "beigelegt" (im Sinne des § 14 TP 5 GebG), sondern vielmehr diesem angeheftet und daher mit dem Protokolle fest verbunden wurden. Schon durch das Anheften - im Sinne der ständigen Rechtsprechung aber auch durch die Erklärung - haben aber, was die Beschwerdeführerin übersieht, die "Beilagen A, B, C und D" ihre gebührenrechtliche Selbständigkeit verloren. Da die Schriften damit nur mehr Bestandteile des Protokolles sind, scheidet eine gebührenrechtliche Beurteilung unter dem Gesichtspunkt der - zwar akzessorischen, aber doch einen für sich selbständigen gebührenrechtlichen Tatbestand bildenden - Beilagengebühr aus. Entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin hat die dargestellte Auffassung auch nicht zur Folge, daß § 14 TP 5 GebG 1957 seines Anwendungsbereiches beraubt würde, weil insbesondere einer Schrift (Urkunde) nicht angeheftete Beilagen, auf die bloß verwiesen wird, ohne daß sie zum Inhalt der Schrift gemacht werden, den Tatbestand des § 14 TP 5 GebG erfüllen.

Die Darlegungen der Beschwerdeführerin über die "außergebührenrechtlichen" Motive für die im Beschwerdefall gewählte Vorgangsweise des Anschlusses der Beilagen A bis D gehen schon deswegen ins Leere, weil die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid keineswegs vom Vorliegen eines Mißbrauchstatbestands im Sinne des § 22 Abs. 1 BAO ausgegangen ist. Vielmehr hat sie ausdrücklich festgehalten, daß "das Motiv" für die Herstellung der festen Verbindung unmaßgeblich ist. Im übrigen ist für die Gebührenpflicht das Vorhandensein und der Inhalt eines Schriftstückes entscheidend; eine tatsächlich errichtete Schrift unterliegt auch dann der Gebührenpflicht, wenn ihre Errichtung bei zweckmäßigerer Vorgangsweise unterbleiben hätte können (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 89/15/0066).

Von der Beschwerdeführerin wird hingegen zu Recht vorgebracht, daß die Beurteilung der Beilagen A bis D als sieben weitere Bogen nicht nachvollziehbar ist. Schon der erstinstanzliche Gebührenbescheid weist diesbezüglich keine - nach § 93 Abs. 2 lit. a zweite Alternative BAO gebotene - Begründung auf. Ungeachtet des Umstandes, daß im Berufungsverfahren keine Einwendungen gegen die Höhe der vorgeschriebenen Gebühr erhoben wurden, war die belangte Behörde aber gemäß § 279 Abs. 1 BAO verpflichtet, die Höhe der mit dem angefochtenen Bescheid inhaltlich bestätigten Gebühr zu begründen. Da die belangte Behörde eine Begründung dafür, daß durch die vier Beilagen gerade sieben weitere Bogen anzunehmen waren, unterlassen hat, kann der Bescheid insoweit auf seine inhaltliche Gesetzmäßigkeit nicht nachgeprüft werden. Überdies wird von der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift eingeräumt, daß die Anzahl der Bogen aus der im Akt erliegenden Kopie der Niederschrift samt Beilagen nicht zweifelsfrei ermittelt werden kann. Die belangte Behörde verwies dabei darauf, daß die Beilage B durch Verkleinern und doppelseitiges Kopieren auf einen halben Bogen reduziert worden sei. Gerade deswegen aber, weil die Größe der Kopien offensichtlich der Urschrift des streitgegenständlichen Protokolls nicht entsprach, hat die belangte Behörde dadurch, daß sie den maßgeblichen Sachverhalt nicht von Amts wegen ermittelt hat, Verfahrensvorschriften außer acht gelassen, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.

Zur Klarstellung wird dabei bemerkt, daß zur Ermittlung der Anzahl der weiteren Bogen im Sinne des § 6 Abs. 1 GebG - wie dies von der Beschwerdeführerin zutreffend vertreten wird - von einer Einheit der einer festen Gebühr (hier: nach § 14 TP 7 Z. 4 lit. a GebG) unterliegenden Schrift einschließlich der, wie ausgeführt, einen Bestandteil dieser Schrift ausmachenden Beilagen auszugehen ist. Insbesondere ist also die Regelung des § 5 Abs. 3 GebG nur in den Fällen anzuwenden, in denen die eine Einheit darstellende Schrift insgesamt ein Flächenausmaß von weniger als einem Bogen - im Sinne des § 5 Abs. 2 GebG - aufweist. Weisen also etwa zwei als weitere Bogen zu betrachtende Beilagen - wie dies im Beschwerdefall nach dem Vorbringen der Beschwerdeführerin hinsichtlich der Beilagen A und D der Fall ist - nur den Umfang eines halben Bogens auf, so sind diese beiden Halbbogen - ungeachtet der Vorschrift des § 5 Abs. 2 GebG - zusammenzurechnen.

Zur Entrichtung der Stempelgebühren sind bei gebührenpflichtigen Protokollen diejenigen verpflichtet, in deren Interesse das Protokoll verfaßt wird (vgl. § 13 Abs. 1 Z. 1 GebG). Im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 1814/64, wurde dazu mit näherer Begründung die Ansicht vertreten, daß die Verfassung des Protokolls über die Versammlung der Gesellschafter einer GmbH sowohl im Interesse der Gesellschafter als auch der Gesellschaft gelegen ist. Ebenso ist das Protokoll über die Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft jedenfalls auch im Interesse der Aktionäre gelegen, da diese ihre Rechte in den Angelegenheiten der Gesellschaft in der Hauptversammlung ausüben (vgl. § 102 Abs. 1 AktG). Der Hinweis der Beschwerdeführerin auf Publikumsgesellschaften geht schon deswegen ins Leere, weil es sich bei der Beschwerdeführerin um die Alleinaktionärin der S. AG handelt. Auch die Meinung der Beschwerdeführerin, die Aktiengesellschaft sei "Primärschuldnerin", ist im Gesetz nicht begründet. Trifft wie hier auf Grund mehrfach gegebenen Interesses an der Protokollverfassung mehrere Personen die Verpflichtung zur Entrichtung der Stempelgebühr, so sind sie gemäß § 13 Abs. 2 GebG zur ungeteilten Hand verpflichtet. Über eine Vorrangigkeit eines der in Betracht kommenden Abgabenschuldner kann aber dem Gesetz nichts entnommen werden.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Von der beantragten Verhandlung war aus den Gründen des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abzusehen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.