VwGH vom 16.03.1995, 93/16/0012
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peternell, über die Beschwerde der A Gesellschaft mbH in L, vertreten durch Dr. Z, Rechtsanwalts-Kommandit-Partnerschaft in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom , Zl. 111/2-9/Nd-1992, betreffend Rechtsgebühren, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin zeigte mit Schreiben vom dem Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern Linz (im folgenden: Finanzamt) an, daß sie von Dkfm. G.O. deren Geschäftsanteil an der H.O. Geschäftsführungsgesellschaft m. b.H. zum Preis von S 7,000.000,-- erworben habe. Es sei am ein Vergleich über die Abtretung beim Bezirksgericht Innere Stadt Wien geschlossen worden. Dieser Vorgang werde wegen der Börsenumsatzsteuerpflicht dem Finanzamt zur Kenntnis gebracht.
In der Folge wurde die Vergleichsausfertigung 40 C 1516/90x des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien, datiert mit , vorgelegt. Diese Vergleichsausfertigung weist die Beschwerdeführerin als Klägerin und Antragsstellerin, Dkfm. G.O. als Beklagte und Antragsgegnerin aus. Der Vergleich lautet auszugsweise:
"Die Parteien haben am folgenden
gerichtlichen
Vergleich
geschlossen:
Vergleich
über die Antretung eines Geschäftsanteiles
Erstens:
Die H.O. Geschäftsführungsgesellschaft m.b.H. ... hat ein
zur Hälfte eingezahltes Stammkaptial von S 500.000,-- ...
Gessellschafter sind ... Frau Dkfm. G.O. mit einer zur Hälfte
eingezahlten Stammeinlage von S 50.000,-- ...
Viertens:
Frau Dkfm. G.O. verkauft und tritt ab einen Teil ihres Geschäftsanteiles ..., der einer zur Hälfte eingezahlten Stammeinlage von S 45.000,-- ... entspricht und die (Beschwerdeführerin) kauft und übernimmt diesen Geschäftsanteil.
Der Kaufpreis ist bereits berichtigt.
Die (Beschwerdeführerin) erwirbt diesen Geschäftsanteil mit allen Rechten und Pflichten, die Frau Dkfm. G.O. gegenüber der (Geschäftsführungsgesellschaft) sowie den Mitgesellschaftern zustehen bzw. obliegen.
Die (Beschwerdeführerin) wird die übernommene Stammeinlage bis 20. Feber 1991 voll einbezahlen. ...
Dieser Vergleich kann von der (Beschwerdeführerin) schriftlich widerrufen werden. Der schriftliche Widerruf hat bis spätestens bei Gericht einzulangen. Die (Beschwerdeführerin) kann auf den Widerruf schriftlich verzichten. Mit Einlangen des schriftlichen Widerrufsverzichtes ist das Widerrufsrecht erloschen."
Andere Bestandteile als die Vereinbarung über die Abtretung eines Geschäftsanteiles und die Widerrufsklausel enthält der Vergleich nicht.
Über Aufforderung des Finanzamtes wurde die Gesellschafterliste per vorgelegt, die die Beschwerdeführerin mit einer übernommenen Stammeinlage von S 370.000,--, G.O. nur mehr mit einer Stammeinlage von S 5.000,-- ausweist.
Mit Bescheid vom schrieb das Finanzamt für diese Abtretung gemäß § 33 TP. 21 Abs. 1 Z. 2 GebG eine Gebühr von 2 % der Bemessungsgrundlage (S 7,000.000,-- plus halben übernommenen Stammanteil, also S 22.500,--) mit S 140.550,-- vor. Gemäß § 21 Abs. 2 (gemeint wohl: § 33 TP. 21 Abs. 2) GebG gelte die beim Handelsgericht eingereichte Liste der Gesellschafter als Urkunde über das Rechtsgeschäft.
In ihrer dagegen erstatteten Berufung verwies die Beschwerdeführerin zunächst darauf, daß die Behörde zu Recht nicht auf den - ausdrücklich als "prätorisch" bezeichneten - Vergleich abgestellt habe, weil alle im Rahmen eines Gerichtsvergleiches abgeschlossenen Rechtsgeschäfte nur nach dem GGG zu beurteilen seien und nicht der Vergleichsgebühr nach dem Gebührengesetz unterlägen. Mit dem Gerichtsvergleich liege jene Urkunde vor, die in einer für das Entstehen der Gebührenschuld maßgeblichen Weise errichtet werde, sodaß die beim Handelsgericht eingereichte Liste keine Ersatzurkunde darstellen könne; es fehlten ihr wesentliche Bestandteile, um eine Urkunde über einen Abtretungsvertrag zu bilden.
Nach abweisender Berufungsvorentscheidung durch das Finanzamt gab die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid der Berufung keine Folge. Auch nach Auffassung der Berufungsbehörde unterlag der Gerichtsvergleich keiner Vergebührung, weshalb der Tatbestand der TP. 21 Abs. 2 GebG greife.
Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der gegen diesen Bescheid gerichteten Beschwerde mit Beschluß vom , Zl. B 522/92, ab und trat sie antragsgemäß dem Verwaltunsgerichtshof ab. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Freiheit von Gebühren nach dem GebG in jedwedem Zusammenhang mit dem gerichtsgebührenpflichtigen Erwerb eines Geschäftsanteiles an der
H.O. Geschäftsführungs Ges.m.b.H. von Frau Dkfm. G.O. verletzt.
Der Bundesminister für Finanzen legte die Verwaltungsakten und die Gegenschrfit der belangten Behörde vor; die Beschwerdeführerin erstattete eine Gegenäußerung.
Nach der Bestimmung des § 33 TP. 21 Abs. 1 Z. 2 GebG (in der hier anzuwendenden Fassung des Abgabenänderungsgesetzes 1989, BGBl. Nr. 660, also vor Inkrafttreten der Novelle BGBl. Nr. 629/1994) unterlagen Zessionen (Abtretungen) von Anteilen an einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung einer Rechtsgeschäftsgebührenhöhe von 2 v.H. vom Entgelt, mindestens aber vom Wert der Anteile.
Der Verwaltunsgerichtshof hat sich im Erkenntnis vom , Zl. 93/16/0014 (veröffentlicht u.a. AnwBl 1994/4659, mit Glosse von Arnold) mit der Gebührenpflicht einer in die Form eines Gerichtsvergleiches gekleideten Abtretung eines Geschäftsanteiles einer Ges.m.b.H. befaßt. Er gelangte zum Ergebnis, daß unabhängig davon, ob überhaupt ein Vergleich - im Sinne einer unter beiderseitigem Nachgeben einverständlichen neuen Festlegung strittiger oder zweifelhafter Rechte - abgeschlossen oder ob nur der Geschäftsanteil einvernehmlich abgetreten wurde, die Aufnahme des Rechtsgeschäftes in einen gerichtlichen Vergleich der Gebührenpflicht dieses Rechtsgeschäftes nicht entgegensteht. Auf die Begründung dieses Erkenntnisses wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG hingewiesen. Im Erkenntnis vom , Zl. 93/16/0091, welches die Pauschalgebühr nach dem GGG für einen in einem prätorischem Vergleich beurkundeten Abtretungsvertrag zum Gegenstand hatte, wurde unter Ablehnung der Anleitung W. Bruggers ("Abgabensparende Modelle beim Ges.m.b.H.-Anteilserwerb", ecolex 1991, 771 ff) darauf hingewiesen, daß die Rechtsgebühr durch die Vorschreibung der Gerichtsgebühr keineswegs "absorbiert" werde.
Der hier vorliegende Abtretungsvertrag als Grundlage der Vergebührung unterscheidet sich von dem im Erkenntnis vom entschiedenen Fall allein dadurch, daß hier kein Abtretungspreis genannt ist. Der die Gebührenpflicht auslösende Tatbestand ist aber bereits dann erfüllt, wenn nur EINE Vertragspartei im Stande ist, mit der Urkunde den Beweis des ihr zustehenden Anspruches zu führen; ein Schriftstück ist nur dann eine Urkunde i.S.d. § 15 Abs. 1 GebG, wenn sie Angaben über Art und Umfang wenigstens EINES durch das Rechtsgeschäft begründeten Anspruches enthält, der sich gegen eine Partei richtet, die das Schriftstück unterzeichnet hat (Frotz-Hügel-Popp, Kommentar zum Gebührengesetz, B II 1 b dd und B II 1 d zu §§ 15 bis 18 GebG). Im vorliegenden Vergleich wird der Leistungsgegenstand einer Vertragspartei - die Abtretung eines Teiles des Gesellschaftsanteiles der Dkfm. G.O. - genau bestimmt; durch die Nichtanführung des Abtretungspreises wird die Urkunde bloß unvollständig, aber keineswegs undeutlich i.S.d. § 17 Abs. 2 GebG, weshalb die nicht beurkundeten Umstände in einem Ermittlungsverfahren (§ 115 BAO) festzustellen sind (Frotz-Hügel-Popp aaO, B V 2 d zu §§ 15 bis 18 GebG; Fellner, Stempel- und Rechtsgebühren5, E 59 zu § 17 GebG).
Die Behörde konnte aufgrund der Angaben in der Anmeldung vom den Abtretungspreis mit S 7,000.000,-- feststellen. Diesem Betrag wurde richtig (siehe das hg. Erkenntnis vom , Zl. 88/15/0032) die im Punkt 4. des Vergleiches über die Abtretung übernommene und nicht einbezahlte Stammeinlage zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage hinzugerechnet.
Da somit die belangte Behörde im Ergebnis zu Recht den Abtretungsvertrag einer Vergebührung unterzogen hat, erwies sich die Beschwerde als unbegründet, sodaß sie gemäß § 42 Abs. 2 VwGG abzuweisen war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2.