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VwGH vom 14.12.1994, 93/16/0011

VwGH vom 14.12.1994, 93/16/0011

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peternell, über die Beschwerde des P in W, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. GA 13-7/B-578/1/1/91, betreffend Haftung für Eingangsabgaben gemäß § 11 BAO, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Haftungsbescheid gemäß § 224 Abs. 1 BAO vom wurde der mit der rechtskräftig gewordenen Strafverfügung des Zollamtes Wien vom wegen Abgabenhehlerei nach §§ 11 und 37 Abs. 1 lit. b FinStrG bestrafte Beschwerdeführer für die für den Schmuggler entstandene Eingangsabgabenschuld in der Höhe von S 73.080,-- (S 72.000,-- Einfuhrumsatzsteuer und S 1.080,-- AF-Beitrag) samt Säumniszuschlag in der Höhe von S 1.462,-- zur Haftung nach § 11 BAO herangezogen.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, das Delikt, an dem er beteiligt gewesen sei bzw. das er verübt habe, sei keines gewesen, bei dem Abgaben hätten verkürzt werden können; dies sei bei der Abgabenhehlerei denkunmöglich. Der Vorgang, der die Entstehung der Abgabenschuld ausgelöst habe, sei die (widerrechtliche) Einfuhr gewesen. Es stehe daher fest, daß der Beschwerdeführer am Schmuggel selbst nicht beteiligt gewesen sei. Nur im Falle einer Beteiligung daran wären die §§ 11 und 224 BAO anwendbar gewesen. Die Geltendmachung der Haftung sei in das Ermessen der Behörde gestellt. Es hätte daher zuerst versucht werden müssen, die Abgaben beim Abgabepflichtigen einbringlich zu machen. Dies sei jedoch nicht geschehen.

Nach Ergehen einer Berufungsvorentscheidung, mit der die Berufung als unbegründet abgewiesen wurde, und einem nicht weiter begründeten Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz, gab die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der Berufung teilweise Folge und verminderte den Haftungsbetrag auf S 72.000,-- an Einfuhrumsatzsteuer und S 1.440,-- an Säumniszuschlag. In der Begründung führte die belangte Behörde aus, außer Streit stehe, daß der Beschwerdeführer mit der in Rechtskraft erwachsenen Strafverfügung des Zollamtes Wien vom als Beteiligter der vorsätzlichen Abgabenhehlerei nach §§ 11 und 37 Abs. 1 lit. b FinStrG betreffend 20 Stück Goldbarren schuldig gesprochen worden und nicht am Schmuggel in das Zollgebiet beteiligt gewesen sei. Voraussetzung für eine Haftung nach § 11 BAO sei, daß der Beschwerdeführer als Täter oder Beteiligter eines vorsätzlichen Finanzdelikts rechtskräftig verurteilt worden sei. Diese Feststellung, ob nun ein vorsätzliches Finanzdelikt vorliege, sei im Strafverfahren zu treffen. Sie sei somit eine Vorfrage für die nach § 224 BAO geltend zu machende Vollhaftung. Diese Voraussetzung sei durch die bereits angeführte rechtskräftige Strafverfügung zweifelsfrei erfüllt. Nicht erforderlich für die Inanspruchnahme des Beschwerdeführers als Haftender sei jedoch, daß er selbst durch Beteiligung am Schmuggel die auf die in Rede stehenden Goldbarren entfallenden Eingangsabgaben verkürzt habe. Dem Vorwurf, das Ermessen der Behörde zur Geltendmachung der Haftung wäre derart auszuüben, daß zuerst versucht werden müsse, die Abgaben beim Abgabepflichtigen einbringlich zu machen, werde entgegengehalten, daß die Abgabenschuld sowohl gegenüber dem Schmuggler als auch gegenüber dem weiteren Beteiligten an der Abgabenhehlerei geltend gemacht worden sei. Es habe sich jedoch herausgestellt, daß die in Rede stehende Abgabenschuld bei diesem uneinbringlich sei. Ein Verzicht der Abgabenbehörde auf Hereinbringung dieser Abgaben hätte jedoch zur Folge, daß dies zu Lasten der Allgemeinheit, also der Steuerzahler ginge. Die belangte Behörde habe daher in Ausübung des hier eingeräumten Ermessens den Zweckmäßigkeitserwägungen vor den Billigkeitserwägungen den Vorzug gegeben. Die Höhe des Haftungsbetrages sei mit dem im Strafverfahren festgestellten Abgabenverkürzungsbetrag begrenzt. Im Spruch der zitierten Strafverfügung werde als Verkürzungsbetrag lediglich S 72.000,-- an Einfuhrumsatzsteuer festgestellt. Nicht als verkürzt wurde in dieser Strafverfügung der dem Beschwerdeführer mit dem bekämpften Bescheid ebenfalls vorgeschriebene AF-Beitrag in der Höhe von S 1.080,-- festgestellt. Als Folge der Herabsetzung der Abgabenvorschreibung verringere sich auch die Vorschreibung des Säumniszuschlages.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde, in der sich der Beschwerdeführer - dem Beschwerdevorbringen nach - wegen der Heranziehung zur Haftung nach § 11 BAO beschwert erachtet.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach der in der Beschwerde vertretenen Ansicht liegt die Rechtswidrigkeit der Heranziehung des Beschwerdeführers zur Haftung darin, daß er an einem Delikt beteiligt gewesen sei, durch welches keine Abgaben verkürzt worden seien. Die Abgabenschuld sei nämlich schon anläßlich des Schmuggels entstanden, an dem er jedoch nicht beteiligt gewesen sei. Die Abgabenhehlerei sei keine Handlung, die eine Abgabepflicht auslöse, sodaß er zu Unrecht zur Haftung nach § 11 BAO herangezogen worden sei.

Gemäß § 11 BAO haften bei vorsätzlichen Finanzvergehen rechtskräftig verurteilte Täter und andere an der Tat Beteiligte, wenn sie nicht selbst abgabepflichtig sind, für den Betrag, um den die Abgaben verkürzt wurden.

Die Haftung nach § 11 BAO setzt eine Entscheidung im gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen Verfahren voraus, mit der der Beschwerdeführer eines vorsätzlichen Finanzvergehens rechtskräftig schuldig gesprochen wurde. Nach der Terminologie des Finanzstrafgesetzes bezieht sich das Wort "verurteilt" nur auf gerichtliche Entscheidungen über die Verhängung von Geldstrafen und Freiheitsstrafen (und Wertersätze), während im finanzbehördlichen Finanzstrafverfahren auf eine Geldstrafe oder einen Wertersatz "erkannt" wird. Der im § 11 BAO verwendete Ausdruck muß aber in einem umfassenden Sinn verstanden werden, nämlich in dem, daß die Haftung bei allen vorsätzlichen Finanzvergehen besteht derentwegen eine rechtskräftige Bestrafung erfolgte, und zwar, unabhängig davon, ob die Entscheidung im finanzbehördlichen Finanzstrafverfahren oder im gerichtlichen Strafverfahren ergangen ist (Stoll, BAO-Kommentar, I, 142).

Die Bestimmung des § 11 BAO ist dem § 112 RAO nachgebildet und stammt aus dem bereits vor 1919 bestehendem Zoll- und Verbrauchsteuerrecht. Der § 112 RAO hatte folgenden Inhalt:

"Wer eine Steuerhinterziehung oder eine Steuerhehlerei begeht, haftet, auch wenn er nicht Steuerschuldner ist, für den Betrag, in dessen Höhe Steuereinnahmen verkürzt oder Steuervergünstigungen zu Unrecht gewährt oder belassen werden."

Durch die Fassung der BAO, wonach bei vorsätzlichen Finanzvergehen - dazu gehört auch die Abgabenhehlerei - rechtskräftig verurteilte Täter haften, hat der Tatbestandgegenüber der Fassung der RAO keine Einschränkung erfahren. Im Gegenteil: Die Bestimmung der BAO erfaßt nämlich alle vorsätzlichen Finanzvergehen und nicht nur - wie die der RAO - die "Steuerhinterziehung" und die "Steuerhehlerei". Demnach sind auch die Abgabenhehler des § 37 FinStrG Täter nach § 11 BAO (und nicht Beteiligte im Sinne des § 11 FinStrG), die im Fall einer rechtskräftigen "Verurteilung" für die verkürzten Abgaben haften. Dabei kommt es (wie schon nach § 112 RAO) nicht darauf an, daß der Täter durch sein Verhalten die Abgaben selbst auch verkürzt hat, er haftet auch für die durch die Vortat bereits verkürzten Abgaben, für die eine andere Person als Abgabepflichtiger herangezogen werden kann.

Im Beschwerdefall ist unbestritten, daß an den Beschwerdeführer eine rechtskräftig gewordene Strafverfügung ergangen und er selbst nicht abgabepflichtig ist. Ein Fall des § 174 Abs. 3 lit. a zweiter Tatbestand ZollG liegt nämlich nicht vor, weil Voraussetzung für das Entstehen einer Zollschuld nach dieser Bestimmung ist, daß eine zollhängige Ware an sich gebracht wurde. Dies ist nach den Feststellungen im angefochtenen Bescheid jedoch nicht erfolgt.

Die Haftung erstreckt sich auf den Betrag, um den die Abgaben verkürzt wurden. Der im § 37 Abs. 2 FinStrG genannte Verkürzungsbetrag, der im Finanzstrafverfahren Grundlage des Strafrahmens bei der "Verurteilung" des Täters war, ist im Abgabenverfahren der maßgebende Haftungsbetrag nach § 11 BAO. Somit ist der Verkürzungsbetrag an Eingangsabgaben, die auf die verhehlten Sachen entfallen (§ 37 Abs. 2 FinStrG), ein Betrag, den der Täter, wenn er ihn nicht kannte, so doch jederzeit feststellen konnte (die Haftung wurde im vorliegenden Beschwerdefall für eine mit 20 % Einfuhrumsatzsteuer belastete Ware vorgeschrieben). Die Möglichkeit, die abgabenrechtlichen Haftungsfolgen des pönalisierten Verhaltens zu überblicken, war für den Beschwerdeführer ohne weiteres gegeben, sodaß keine Bedenken gegen die Sachlichkeit der Haftung des Abgabenhehlers für die verkürzten Abgaben entstanden sind (vgl. hiezu die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, insbesondere Erkenntnis vom , G 3/91, G 127/91, G 173/91). Damit sind aber die Voraussetzungen des § 11 BAO erfüllt, und der Beschwerdeführer hat als nicht selbst abgabepflichtiger Täter (Abgabenhehler) für die bereits vor seiner Tat verkürzten Eingangsabgaben haftungsmäßig einzustehen. Der angefochtene Bescheid erweist sich daher frei von der behaupteten Rechtswidrigkeit.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VO BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2.