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VwGH vom 31.03.1999, 98/16/0297

VwGH vom 31.03.1999, 98/16/0297

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Repa, über die Beschwerde des J in I, vertreten durch Mag. Dr. Othmar Mair, Rechtsanwalt in Innsbruck, Fallmerayerstraße 4, gegen den Bescheid der bei der Stadtgemeinde Innsbruck eingerichteten Berufungskommission in Abgabensachen vom , Zl. I-5042/98, betreffend Getränkesteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Stadt Innsbruck Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Beim Beschwerdeführer fand betreffend den Zeitraum bis eine Getränkesteuerprüfung statt. Auf Grund des Prüfungsergebnisses wurde mit Bescheid vom die Getränkesteuer für den genannten Zeitraum festgesetzt. Dieser Bescheid erwuchs mangels Erhebung eines Rechtsmittels dagegen in Rechtskraft.

Mit Antrag vom begehrte der Beschwerdeführer die Rückzahlung der Getränkesteuer mit dem Argument, ihre Erhebung widerspreche dem Gemeinschaftsrecht.

Diesem Antrag wurde mit Bescheid des Stadtmagistrates Innsbruck vom keine Folge gegeben, wogegen der Beschwerdeführer berief. Der Stadtmagistrat Innsbruck wies die Berufung mit Berufungsvorentscheidung vom als unbegründet ab, wogegen der Beschwerdeführer fristgerecht den Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz stellte.

Die belangte Behörde wies die Berufung als unbegründet ab und vertrat (gestützt auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes) die Ansicht, der Rückforderung stünde der Umstand entgegen, daß § 188 TLAO auf einen Fall, in dem die Abgabe bescheidmäßig festgesetzt worden sei, keine Anwendung finde. Aus diesem Grund sei für den vorliegenden Fall auch die Frage einer allfälligen "EU-Widrigkeit der Getränkesteuer" nicht relevant.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf "Zurückzahlung der bezahlten Getränkesteuer für den Zeitraum vom bis in der Höhe von S 156.542,-- im Sinne der Bestimmungen der §§ 151, 187 und 188 TLAO verletzt".

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung als unbegründet begehrt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerde ist zulässig, weil ungeachtet des Umstandes, daß grundsätzlich gegen letztinstanzliche Bescheide jeder Gemeinde die Vorstellung gemäß Art. 119a Abs. 5 B-VG zulässig ist, dieser Rechtsbehelf u.a. betreffend Bescheide der Stadt Innsbruck landesgesetzlich ausgeschlossen wurde (vgl. dazu z.B. Walter/Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts6 Rz 551). Damit ist im vorliegenden Fall die positive Prozeßvoraussetzung der Erschöpfung des Instanzenzuges gemäß Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG gegeben.

Die Beschwerde ist hingegen nicht berechtigt.

Die auf den Beschwerdefall anzuwendenden Bestimmungen der Tiroler Landesabgabenordnung lauten:

"§ 151

(1) Wenn die Abgabenvorschriften die Selbstberechnung einer Abgabe durch den Abgabepflichtigen ohne abgabenbehördliche Festsetzung der Abgabe zulassen, gilt die Abgabe durch die Einreichung der Erklärung über die Selbstbemessung als festgesetzt.

(2) Die Abgabenbehörde hat jedoch die Abgabe mit Bescheid festzusetzen, wenn der Abgabepflichtige die Einreichung der Erklärung unterläßt oder wenn sich die Erklärung als unvollständig oder die Selbstberechnung als unrichtig erweist. Innerhalb derselben Abgabenart kann die Festsetzung mehrerer Abgaben in einem Bescheid zusammengefaßt erfolgen.

(3) Die Abs. 1 und 2 gelten sinngemäß, wenn nach den Abgabenvorschriften die Selbstberechnung einer Abgabe und die Einreichung der Erklärung einem abgabenrechtlichen Haftungspflichtigen obliegt. Hiebei sind Nachforderungen mittels Haftungsbescheides (§ 172 Abs. 1) geltend zu machen.

§ 187

(1) Die Rückzahlung von Guthaben kann auf Antrag des Abgabepflichtigen oder von Amts wegen erfolgen. Ist der Abgabepflichtige nach bürgerlichem Recht nicht rechtsfähig, so können Rückzahlungen mit Wirkung für ihn unbeschadet der Vorschrift des § 60 Abs. 2 nur an diejenigen erfolgen, die nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes über das Guthaben zu verfügen berechtigt sind.

(2) Die Abgabenbehörde kann den Rückzahlungsbetrag auf jenen Teil des Guthabens beschränken, der die der Höhe nach festgesetzten Abgabenschuldigkeiten übersteigt, die der Abgabepflichtige nicht später als drei Monate nach der Stellung des Rückzahlungsantrages zu entrichten haben wird.

(3) Anträge nach Abs. 1 können bis zum Ablauf des fünften Kalenderjahres gestellt werden, das auf das Jahr folgt, in dem das Guthaben entstanden ist.

§ 188

(1) Wurde eine Abgabe zu Unrecht entrichtet oder zu Unrecht zwangsweise eingebracht, so ist dieser Betrag auf Antrag zurückzuzahlen.

(2) Wurden Wertzeichen in der Absicht verwendet, eine Abgabe zu entrichten, so ist der entrichtete Betrag, soweit eine Abgabenschuld nicht besteht, von der zur Erhebung der Abgabe zuständigen Abgabenbehörde auf Antrag zurückzuzahlen.

(3) Anträge nach Abs. 1 und 2 können bis zum Ablauf des fünften Kalenderjahres gestellt werden, das auf das Jahr folgt, in dem der Betrag zu Unrecht entrichtet bzw. zu Unrecht zwangsweise eingebracht wurde."

Was zunächst die Rüge betrifft, die belangte Behörde habe den gestellten Rückzahlungsantrag nicht im Lichte des § 187 TLAO geprüft, ist der Beschwerdeführer darauf zu verweisen, daß diese Bestimmung (ebenso wie der gleichlautende § 239 BAO) das Vorhandensein eines Guthabens auf dem Abgabenkonto voraussetzt (vgl. dazu z.B. die bei Ritz, BAO-Kommentar Rz 1 und 2 zu § 239 BAO referierte hg. Judikatur). Besteht kein rückzahlbares Guthaben, so ist ein Rückzahlungsantrag abzuweisen (vgl. Ritz, a.a.O. Rz 14 Abs. 3 und das dort angeführte hg. Erkenntnis vom , Zl. 85/17/0050). Da nicht einmal der Beschwerdeführer selbst das Vorhandensein eines Guthabens behauptet, kann das auf § 187 TLAO gestützte Argument daher der Beschwerde von vornherein nicht zum Erfolg verhelfen.

Auch der Hinweis auf § 151 TLAO geht ins Leere, weil im vorliegenden Fall unstrittig auf Basis der durchgeführten Getränkesteuerprüfung bereits eine bescheidmäßige Abgabenfestsetzung erfolgt ist und daher der Rückzahlungsantrag nicht mehr als Antrag des Beschwerdeführers auf bescheidmäßige Festsetzung nach einer unrichtigen Selbstbemessung anzusehen war.

Zu prüfen bleibt daher, ob § 188 TLAO anzuwenden ist. Nach dem schon von der belangten Behörde zitierten, zu § 185 Abs. 1 OÖLAO ergangenen hg. Erkenntnis vom , Zl. 88/17/0242, ist auch betreffend den Rückforderungstatbestand einer "zu Unrecht entrichteten Abgabe" der in Lehre und Judikatur geprägte Rechtssatz anzuwenden, daß ein Rückzahlungsantrag nicht gerechtfertigt ist, wenn eine Abgabe zu Unrecht festgesetzt wurde. Unrechtmäßig festgesetzte Abgaben müssen vielmehr im Wege der Erhebung eines Rechtsmittels gegen den Abgabenbescheid bekämpft werden (vgl. dazu auch z.B. die bei Ritz a.a.O. Rz 3 zu § 241 Abs. 1 BAO referierte hg. Rechtsprechung und die im hg. Erkenntnis Zl. 88/17/0242, zitierte Literatur und Vorjudikatur). Das hat auch für den hier in Rede stehenden Rückzahlungstatbestand des § 188 Abs. 1 TLAO zu gelten, dessen Anwendung der Beschwerdeführer anstrebt. Der Beschwerdeführer hat den Abgabenfestsetzungsbescheid vom aber unbekämpft gelassen!

In diesem Zusammenhang stellt sich allerdings die Frage, ob ein in Zukunft über die mit hg. Beschluß vom , Zlen. 97/16/0221, 976/0021, dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften zur Vorabentscheidung gemäß Art. 177 EGV vorgelegten Fragen ergehendes Urteil auf den Fall des Beschwerdeführers anzuwenden wäre, wenn der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften das österreichische Getränkesteuersystem (in welchem Umfang auch immer) für gemeinschaftsrechtswidrig erachten sollte.

Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften hat mit seinem Urteil vom in der Rs C-62/93 "BP Soupergaz", Slg. 1995 I-1883, zur Frage der Rückerstattung einer gegen das Gemeinschaftsrecht verstoßenden Abgabe u.a. folgendes ausgesprochen:

"Durch die Auslegung einer Vorschrift des Gemeinschaftsrechts, die der Gerichtshof in Ausübung seiner Befugnisse aus Artikel 177 des Vertrages vornimmt, wird erläutert, und erforderlichenfalls verdeutlicht, in welchem Sinn und mit welcher Tragweite diese Vorschrift seit ihrem Inkrafttreten zu verstehen und anzuwenden ist oder gewesen wäre. Daraus folgt, daß die Gerichte die Vorschriften in dieser Auslegung auch auf Rechtsverhältnisse, die vor Erlaß des auf das Ersuchen um Auslegung ergangenen Urteils entstanden sind, anwenden können und müssen, wenn alle sonstigen Voraussetzungen für die Anrufung der zuständigen Gerichte in einem die Anwendung dieser Vorschrift betreffenden Streit vorliegen. Insbesondere folgt daraus, daß das Recht auf Erstattung von Beträgen, die ein Mitgliedstaat unter Verstoß gegen die Vorschriften des Gemeinschaftsrechts erhoben hat, eine Folge und eine Ergänzung der Rechte darstellt, die den einzelnen durch die gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften in ihrer Auslegung durch den Gerichtshof eingeräumt worden sind. Zwar kann die Erstattung nur im Rahmen der in den jeweils einschlägigen nationalen Rechtsvorschriften festgelegten materiellen und formellen Voraussetzungen betrieben werden, doch dürfen diese Voraussetzungen die Verfahrensmodalitäten für die Klagen, die den Schutz der dem Bürger aus der unmittelbaren Wirkung des Gemeinschaftsrechts erwachsenen Rechte gewährleisten sollen, nicht ungünstiger sein als bei ähnlichen Klagen, die nur innerstaatliches Recht betreffen, und sie dürfen nicht so ausgestaltet werden, daß sie die Ausübung der Rechte, die die Gemeinschaftsrechtsordnung einräumt, praktisch unmöglich macht.

Ein Steuerpflichtiger kann daher mit Rückwirkung auf den Tag des Inkrafttretens der im Widerspruch zur Sechsten Richtlinie (77/388) stehenden nationalen Rechtsvorschriften die Erstattung der ohne Rechtsgrund gezahlten Mehrwertsteuer nach den in der innerstaatlichen Rechtsordnung des betreffenden Mitgliedstaats festgelegten Verfahrensmodalitäten verlangen, sofern diese Modalitäten den obengenannten Anforderungen entsprechen."

Demnach kommt es darauf an, ob die nationale Verfahrensvorschrift, die auf einen Rückzahlungsantrag anzuwenden ist, im Ergebnis eine Rückzahlung übermäßig erschwert oder praktisch unmöglich macht.

Davon kann angesichts der dem Beschwerdeführer seinerzeit gegen den Festsetzungsbescheid gemäß §§ 190 ff TLAO gesetzlich eröffneten Möglichkeit der Erhebung einer Berufung aber nicht gesprochen werden. Der Umstand, daß der Beschwerdeführer von seiner Rechtsmittelbefugnis damals nicht Gebrauch gemacht und damit die Möglichkeit der Überprüfung eines allfälligen Widerspruches zwischen dem Tiroler Getränkesteuerrecht und dem Gemeinschaftsrecht im Festsetzungsverfahren nicht wahrgenommen hat, muß ihm nunmehr selbst zur Last fallen.

Der EuGH hat in der Folge, ausgehend vom Grundsatz, daß eine Vorschrift des nationalen Rechts, die der Durchführung des in Artikel 177 des Vertrages vorgesehenen Verfahrens entgegensteht, unangewendet bleiben muß, in den beiden Urteilen vom , Peterbroeck, Van Campenhout & Cie SCS gegen Belgischen Staat (Rechtssache C-312/93) und Jeroen van Schijndel und Johannes Nicolaas Cornelis van Veen gegen Stichting Pensioenfonds voor Fysiotherapeuten (verbundene Rechtssachen C-430/93 und C-431/93) ausgesprochen:

"Für die Anwendung dieser Grundsätze ist jeder Fall, in dem sich die Frage stellt, ob eine nationale Verfahrensvorschrift die Anwendung des Gemeinschaftsrechts unmöglich macht oder übermäßig erschwert, unter Berücksichtigung der Stellung dieser Vorschrift im gesamten Verfahren, des Verfahrensablaufs und der Besonderheiten des Verfahrens vor den verschiedenen nationalen Stellen zu prüfen. Dabei sind gegenbenenfalls die Grundsätze zu berücksichtigen, die dem nationalen Rechtsschutzsystem zugrunde liegen, wie z.B. der Schutz der Verteidigungsrechte, der Grundsatz der Rechtssicherheit und der ordnungsgemäße Ablauf des Verfahrens."

Der somit auch vom EuGH angesprochene Grundsatz der Rechtssicherheit schließt es aus, daß eine Verfahrenspartei in Fällen, in denen sie nicht gehindert war, ihre Verteidigungsrechte in einem ordnungsgemäß abgeführten Verfahren zu wahren, eine allfällige (materielle) Unrichtigkeit der Abgabenfestsetzung nach Belieben neu aufrollen kann.

Wie der BFH mit Urteil vom , XI R 36/95, BFHE 179/563, BStBl. II 1996/399, UR 1996, 392 (in Bestätigung einer Entscheidung des Hessischen Finanzgerichtes, UR 1995, 402) in Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften klargestellt hat, kommt eine Änderung bereits bestandskräftiger Abgabenbescheide nicht in Betracht. Eine solche Änderung ist abgesehen vom Vorliegen eines speziellen Änderungstatbestandes im Abgabenverfahrensrecht nur dann zulässig, wenn gegen den Festsetzungsbescheid rechtzeitig ein Rechtsmittel ergriffen wird. Die Rechtsmittelbefugnis läßt den Abgabenpflichtigen eine ausreichende Möglichkeit offen, ihre vom Gemeinschaftsrecht eingeräumten Rechte wahrzunehmen, womit die im Abgabenverfahrensrecht geltende Bestandskraft (Rechtskraft) von Bescheiden auch gemeinschaftsrechtlich abgesichert ist (vgl. dazu insbesondere die Glosse von Lohse zum , "BP Soupergaz", UR 1995, 408).

Mit Rücksicht auf die durch das oben zitierte Urteil des EuGH in der Rs "BP Soupergaz" klargestellte Rechtslage war im vorliegenden Fall die Einholung einer Vorabentscheidung entbehrlich (vgl. das , C.I.L.F.I.T., Slg. 1982, 3415).

Da somit die vom Beschwerdeführer behaupteten Rechtswidrigkeiten dem angefochtenen Bescheid nicht anhaften, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47ff VwGG iVm der VO BGBl. 416/1994.

Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung war aus dem Grunde des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abzusehen.

Wien, am