VwGH vom 21.11.1990, 90/13/0150
Beachte
Besprechung in:
ÖStZB 1991, 382;
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Hofstätter und die Hofräte Dr. Schubert, Dr. Drexler, Dr. Pokorny und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat I) vom , Zl. 6/1-1233/88-07, betreffend Einkommensteuer 1986 und Einkommensteuervorauszahlung 1988, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer machte für das Jahr 1986 unter Bezugnahme auf die Punkte V und XI eines Vergleiches, den er im Jahre 1984 anläßlich der einvernehmlichen Scheidung von seiner bisherigen Ehegattin (§ 55a Ehegesetz) mit dieser abgeschlossen hatte, Unterhaltsleistungen an die minderjährige Tochter N. L. in Höhe von S 77.563,13 geltend.
Nach dem aktenkundigen Vergleich hatte der Beschwerdeführer der geschiedenen Ehegattin monatliche Unterhaltsleistungen von S 4.000,-- zu erbringen (Punkt IV).
In Punkt V verpflichtete sich der Beschwerdeführer, der geschiedenen Ehegattin monatlich einen weiteren Unterhaltsbeitrag von S 2.500,-- zu bezahlen; der Anspruch auf diesen Unterhaltsbeitrag bestehe für die Ehegattin unabhängig von einer allfälligen Verehelichung oder Lebensgemeinschaft, und zwar insolange, als zumindest eines der ehelichen Kinder A. E., mj. I. M. und mj. N. L. mit der geschiedenen Gattin in Haushaltsgemeinschaft lebe und nicht selbsterhaltungsfähig sei. Dieser Unterhaltsanspruch ruhe insolange, als der Beschwerdeführer den ehelichen Kindern A. E. und mj. I. M. einen allfällig zustehenden gesetzlichen Unterhalt leiste, und zwar mit jenem Betrag, der der Unterhaltsleistung entspreche, sodaß nur bei einer den vereinbarten Unterhaltsbeitrag übersteigenden Unterhaltsleistung an eines oder an beide der genannten Kinder der gesamte Unterhaltsbeitrag ruhe.
Die Unterhaltsbeiträge gemäß Punkt IV und V - nicht auch die in Punkt XI festgelegten - wurden wertgesichert (Punkt VI des Vergleiches).
Punkt X des Vergleiches übertrug Pflege, Erziehung, Vermögensverwaltung und Vertretung hinsichtlich der mj. Kinder
I. M. und N. L. der Mutter (geschiedene Ehegattin).
Punkt XI verpflichtete den Beschwerdeführer zu monatlichen Unterhaltsleistungen an die Tochter N. L. von S 3.500,-- (bis zur Selbsterhaltungsfähigkeit).
Die Vergleichspunkte X und XI waren pflegschaftsbehördlich zu genehmigen (Punkt XIII).
Punkt XII hielt fest, daß I. M. zur Zeit ihren Unterhalt aus eigenem bestreite.
Das Finanzamt anerkannte mit dem Einkommensteuerbescheid für 1986 nur die Unterhaltszahlungen gemäß Punkt XI des Vergleiches (12 x 3.500 = S 42.000,--) als außergewöhnliche Belastung an; die darüber hinausgehenden Zahlungen wären nicht zwangsläufig angefallen. Die anerkannte außergewöhnliche Belastung überstieg laut Einkommensteuerbescheid nicht die zumutbare Mehrbelastung.
Mit Berufung wandte der Beschwerdeführer ein, die vom Finanzamt mit S 42.000,-- bezifferten Unterhaltszahlungen laut Punkt XI des Vergleiches hätten infolge Wertsicherung S 45.245,16 ausgemacht. Die weiteren, als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigenden Alimentationsleistungen von S 32.317,97 resultierten aus Punkt V des Vergleiches und wären im Hinblick auf die Zugehörigkeit der Tochter N. L. zum Haushalt der geschiedenen Gattin als weitere Unterhaltsleistung für diese Tochter angefallen.
In einer Berufungsvorentscheidung anerkannte das Finanzamt eine außergewöhnliche Belastung in Höhe von S 45.245,--, die aber ohne steuerliche Auswirkung blieb, weil auch sie laut Bescheidbegründung die zumutbare Mehrbelastung nach § 34 Abs. 4 und 5 EStG 1972 nicht überstieg.
Der Beschwerdeführer beantragte die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge. Als außergewöhnliche Belastung könnten Unterhaltsleistungen, denen sich der Steuerpflichtige aus rechtlichen Gründen nicht entziehen könne, nur insoweit geltend gemacht werden, als sie einer gesetzlichen Verpflichtung entsprächen und über den Rahmen des Normalaufwandes für den Unterhalt hinausgingen. Bei Kindern sei dies mit jenem Betrag der Fall, mit dem die normalen Aufwendungen für ihren Unterhalt und die Berufsausbildung überschritten würden; die üblichen Unterhaltskosten für Kinder - und das gelte auch für uneheliche Kinder und Kinder aus einer geschiedenen Ehe - seien nicht außergewöhnlich.
Nach der Verwaltungspraxis könnten, wie der angefochtene Bescheid fortfährt, grundsätzlich alle Leistungen, die der Unterhaltsverpflichtete für Kinder aus einer geschiedenen Ehe erbringe, als außergewöhnliche Belastung anerkannt werden, sofern sich diese Unterhaltsleistungen im Rahmen der vom Pflegschaftsgericht festgesetzten Höhe oder - wenn anläßlich der Ehescheidung ein Unterhaltsvergleich geschlossen worden sei - im Rahmen des sodann pflegschaftsbehördlich genehmigten Vergleiches hielten und durch entsprechende Zahlungsbelege nachgewiesen seien. Die Leistungen nach Punkt V des Vergleiches könnten aber deshalb nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden, weil sie nach dem Vergleichswortlaut der geschiedenen Ehegattin und nicht einem unterhaltsberechtigten Kind (N. L.) zustünden und (daher) auch keiner pflegschaftsbehördlichen Genehmigung bedürften.
Unterhaltsleistungen für minderjährige Kinder könnten auch nicht pauschal für mehrere Kinder, sondern nur getrennt für jedes einzelne Kind festgesetzt bzw. vereinbart werden. Ebenso wäre es unzulässig, das Ruhen des Unterhaltsanspruches eines minderjährigen Kindes für den Fall der Leistung des gesetzlichen Unterhalts an weitere Kinder zu vereinbaren. Punkt XI des Vergleiches sehe schließlich allein schon eine angemessene Alimentation der Tochter N. L. vor, allerdings ohne Wertsicherung.
Vorliegende Beschwerde macht sowohl inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides als auch dessen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend. Beschwerdepunkt ist laut Beschwerde die Verletzung des gesetzlich gewährleisteten Rechts auf Abzug von Zahlungen für Alimentationsleistungen an nicht haushaltszugehörige leibliche Kinder und von Zahlungen an deren leibliche Mutter für die Aufnahme in deren eigenen Haushalt als außergewöhnliche Belastung mit einem S 42.000,-- übersteigenden Betrag. Auch die Beschwerde erblickt in den Leistungen gemäß Punkt V des Vergleiches Unterhaltsleistungen für die Tochter N. L., die der Kindesmutter als finanzieller Zuschuß zur Abgeltung der erhöhten Haushaltskosten infolge Aufnahme des Kindes in ihren Haushalt gewährt werden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach dem ersten Satz des § 34 Abs. 1 EStG 1972 werden außergewöhnliche Belastungen, die dem Steuerpflichtigen zwangsläufig (Abs. 3) erwachsen, insoweit vor Berechnung der Steuer vom Einkommen abgezogen, als sie die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4). Gemäß dem ersten Satz des § 34 Abs. 2 EStG 1972 liegt eine außergewöhnliche Belastung, die zu einer Ermäßigung der Einkommensteuer führt, vor, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig (Abs. 3) größere Aufwendungen als der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes erwachsen. Dem ersten Satz des § 34 Abs. 3 EStG 1972 zufolge erwächst die Belastung dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.
Die Steuerermäßigung des § 34 EStG 1972 kann nur zum Zug kommen, wenn eine Belastung AUSZERGEWÖHNLICH im Sinne des Abs. 2 der Gesetzesstelle ist UND im Sinne des Abs. 3 der Gesetzesstelle ZWANGSLÄUFIG erwächst.
Eine AUSZERGEWÖHNLICHKEIT der durch die Unterhaltsverpflichtung verursachten Aufwendungen könnte nur dann vorliegen, wenn einem unterhaltsverpflichteten Steuerpflichtigen höhere Unterhaltskosten erwachsen als der Mehrheit der Steuerpflichtigen mit vergleichbaren Unterhaltsverpflichtungen. Dies kann bei Kindern z.B. der Fall sein, wenn auf Grund der familiären Verhältnisse die Notwendigkeit einer Internatserziehung besteht oder wenn Mehrkosten für das auswärtige Studium eines Kindes oder infolge einer Erkrankung eines Kindes anfallen. Die üblichen Unterhaltskosten für ein Kind sind hingegen mangels Außergewöhnlichkeit nicht gemäß § 34 EStG 1972 abzugsfähig, und zwar auch dann nicht, wenn sie für außereheliche Kinder oder Kinder aus einer geschiedenen Ehe zu leisten sind (siehe die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 85/14/0030, vom , Zl. 85/13/0090, vom , Zl. 85/14/0081, vom , Zl. 87/14/0152, vom , Zl. 86/13/0005, vom , Zl. 88/13/0019, und vom , Zl. 89/14/0243).
Im Beschwerdefall hat der Beschwerdeführer, dem es bei der antragsbedürftigen Steuerermäßigung oblegen wäre, das Vorliegen der Voraussetzungen für die Zuerkennung einer außergewöhnlichen Belastung aufzuzeigen, niemals dargetan, daß ihm für seine Tochter N. L. andere als die üblichen Unterhaltsaufwendungen erwachsen wären. Auch die Beschwerde legt solches nicht dar, obwohl der angefochtene Bescheid im Einklang mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ausdrücklich festhält, daß die üblichen Unterhaltskosten für Kinder, eingeschlossen uneheliche Kinder und Kinder aus einer geschiedenen Ehe, nicht außergewöhnlich sind. Schon damit bleibt der Beschwerde ein Erfolg versagt.
Selbst wenn man aber den strittigen Unterhaltsaufwand für die Tochter N. L. als außergewöhnlich anerkennen wollte, wäre damit für den Beschwerdeführer nichts gewonnen, weil ein ZWANGSLÄUFIGER Aufwand, der im Sinne des § 34 Abs. 4 und 5 EStG 1972 die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigt, nicht ins Treffen geführt werden konnte. Dabei ist davon auszugehen, daß der pflegschaftsbehördlich zu genehmigende Unterhalt für die Tochter N. L. gemäß Punkt XI des Vergleiches die Mehrbelastungsgrenze des § 34 Abs. 4 EStG 1972 auch dann nicht übersteigt, wenn man entgegen dem Wortlaut des Vergleiches eine Wertsicherung dieses Unterhalts unterstellt. Dies zeigen die eigenen Ausführungen des Beschwerdeführers in der Berufung (zumutbare Mehrbelastung S 46.838,--, wertgesicherter Unterhalt laut Punkt XI des Vergleiches S 45.245,16). Was aber die über den pflegschaftsbehördlich zu genehmigenden Unterhalt nach Punkt XI des Vergleiches hinausgehenden, pflegschaftsbehördlich nicht zu genehmigenden Unterhaltszahlungen gemäß Punkt V des Vergleiches betrifft, so verkennt der Beschwerdeführer, daß Unterhaltszahlungen nicht schon deshalb zwangsläufig anfallen, weil sie vertraglich (in einem Vergleich) festgelegt sind. Vielmehr mußte schon die Verpflichtung zur festgelegten Leistung zwangsläufig erwachsen sein; der Steuerpflichtige durfte sich DER BELASTUNG aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen NICHT ENTZIEHEN KÖNNEN. Auch dies aufzuzeigen, wäre Sache des Beschwerdeführers gewesen.
Der Beschwerdeführer vermochte somit keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darzutun. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Von der Durchführung der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung konnte der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG absehen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG und die Verordnung vom , BGBl. Nr. 206.