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VwGH vom 21.11.1990, 90/13/0145

VwGH vom 21.11.1990, 90/13/0145

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Hofstätter und die Hofräte Dr. Schubert, Dr. Drexler, Dr. Pokorny und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. GA 7 - 1963/88, betreffend Haftung gemäß § 14 BAO, zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Spruch

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Das Finanzamt zog den Beschwerdeführer mit Bescheid vom gemäß § 14 BAO zur Haftung für Abgabenschuldigkeiten des J jun. - laut Beschwerde der Bruder des Beschwerdeführers - in Höhe von insgesamt S 3,710.738,-- heran.

In einer gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung bestritt der Beschwerdeführer die Annahme, es hätte eine Übereignung des Unternehmens des J jun. an ihn im Ganzen stattgefunden.

Zur Berufung nahm die Betriebsprüfungsabteilung des Finanzamtes (BP) Stellung. Der Beschwerdeführer gab zu dieser Stellungnahme eine Äußerung ab.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge. Die Übereignung eines Unternehmens im Ganzen gemäß § 14 Abs. 1 BAO liege vor, wenn zumindest der wesentliche Teil des Unternehmens veräußert werde, also jene Wirtschaftsgüter, welche die hauptsächlichen Grundlagen des Unternehmens gebildet hätten und an sich geeignet seien, dem Erwerber die wesentliche Grundlage zur Fortführung des übernommenen Unternehmens zu bieten. Bei einem Einzelhandelsgeschäft - nach der Aktenlage handelt es sich beim übereigneten Unternehmen um ein Juweliergeschäft - sei das Warenlager als hauptsächliche Geschäftsgrundlage anzusehen. J jun. habe an den Beschwerdeführer laut Rechnungen vom Waren um einen Preis von S 8,753.425,-- zusätzlich S 1,750.685,-- Umsatzsteuer und laut Rechnungen vom um S 2,470.070,-- zuzüglich S 494.014,-- Umsatzsteuer verkauft. Unter Berücksichtigung der laut Rechnungen vom gewährten Preisnachlässe infolge Entmodung von S 1,242.000,-- entspreche dies einem Warenvorrat von S 12,897.557,--. Das bedeute einen Großteil des zum vorhanden gewesenen Warenlagers, welches mangels Vorlage einer Inventur ausgehend vom Anfangsbestand zum anhand der erklärten Zukäufe und Verkäufe abzüglich eines Rohaufschlages von 37 % kalkulatorisch mit S 15,347.870,-- errechnet worden sei.

Die vom Beschwerdeführer nach Vorhalt dieses Sachverhaltes abgegebene Stellungnahme hätte diese Feststellungen nicht widerlegen können. Dies deshalb nicht, weil der Beschwerdeführer, ohne sich mit den vorgehaltenen Feststellungen auseinanderzusetzen, lediglich das Ausmaß der von ihm getätigten Warenkäufe von J jun. entgegen dem anhand der Rechnungen vom und ermittelten Betrag von S 11,223.495,-- (netto) und auch in Widerspruch zu seiner Angabe in der Berufung mit ca. 4,5 Mio S nun mit S 7,540.970,-- bezifferte, ohne jeglichen Beweis hiefür zu erbringen oder zumindest anzubieten. Auf Grund der vorgehaltenen Feststellungen hätte der Beschwerdeführer jedoch davon ausgehen können, daß seinem Vorbringen hinsichtlich des Ausmaßes des vom Betriebsvorgänger erworbenen Warenlagers kein Glauben geschenkt werde. Somit sei es ihm oblegen, zum Nachweis seiner Behauptungen zumindest Beweisanbote zu stellen.

Der Einwand, daß Waren im Ausmaß von insgesamt

S 8,556.676,88 an die Lieferanten des Betriebsvorgängers zurückgegeben worden seien, sei schon deshalb nicht zielführend, weil nach Aussage des zur Vertretung des Beschwerdeführers bevollmächtigten J sen. die an die Firmen L,

C und K retournierten Waren von diesen neuerlich an den Beschwerdeführer fakturiert worden seien. Eine körperliche Rückgabe an diese Firmen und neuerliche Lieferung erscheine in Anbetracht desselben Betriebsortes nicht wahrscheinlich. Selbst wenn die schuldrechtlichen Titelgeschäfte bezüglich einzelner Teile des Warenlagers mit Dritten abgeschlossen worden wären, habe der Beschwerdeführer dennoch zumindest das wirtschaftliche Eigentum an der Gesamtsache Warenlager von J jun. erworben. Die Übergabe des Warenlagers, die Zurverfügungstellung der Mietrechte an den Geschäftsräumlichkeiten und die Vermietung der Betriebsausstattung habe den Beschwerdeführer zweifelsfrei in die Lage versetzt, den erworbenen Betrieb fortzuführen.

Vorliegende Beschwerde macht sowohl inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides als auch dessen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerde hält der von der belangten Behörde unterstellten Übereignung des Unternehmens des J jun. im Ganzen an den Beschwerdeführer gemäß § 14 Abs. 1 BAO zunächst entgegen, daß J jun. an der gleichen Adresse, doch in anderen Räumen neben dem Beschwerdeführer sein eigenes Juweliergeschäft - wenn auch in verkleinertem Umfang - weiterbetrieb. Damit bringt der Beschwerdeführer aber einen Sachverhalt ins Spiel, den er im Verwaltungsverfahren noch nicht vorgetragen hatte und von dem die belangte Behörde bei ihrer Entscheidung nicht ausgehen mußte. Obwohl der durch einen Steuerberater vertretene Beschwerdeführer schon in der Berufung erkannt hatte, daß die Frage der Übereignung eines Unternehmens im Ganzen in Streit steht, ist dort von einer Betriebsfortführung durch J jun. keine Rede. Auf jeden Fall hätte der Beschwerdeführer auf Grund der Stellungnahme der BP schon im Verwaltungsverfahren einwenden müssen, daß J jun. sein Juweliergeschäft - und sei es auch nur in eingeschränktem Umfang - weiterbetrieb. Stellte doch der Prüfer ausdrücklich fest, daß (im Laufe der offenbar bei J jun. stattgefundenen BP, um die Einbringung der bereits abzusehenden Steuernachforderung zu umgehen) die ÜBERTRAGUNG DES UNTERNEHMENS erfolgt sei. Die Ausführungen in der Äußerung zur Stellungnahme der BP, der Beschwerdeführer habe von J jun. ALLE beweglichen und unbewegliche Wirtschaftsgüter (des Anlagevermögens) gemietet, J jun. habe einen Teil des Warenlagers an den Beschwerdeführer verkauft und den Rest an Lieferanten zurückgegeben, sprachen gegen eine - wenn auch nur eingeschränkte - Betriebsfortführung durch J jun. Die belangte Behörde hatte daher keinen Anlaß, sich im angefochtenen Bescheid mit der Frage einer Betriebsfortführung durch J jun. auseinanderzusetzen; in der Gegenschrift legte die belangte Behörde unter Hinweis auf die von ihr vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens dar, daß J jun. in sämtlichen Umsatzsteuervoranmeldungen die Umsätze für den Zeitraum nach der Betriebsübergabe mit Null angegeben habe. Soweit der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang Ermittlungen und Beweisaufnahmen durch die belangte Behörde vermißt, ist ihm zu entgegnen, daß es an ihm gelegen gewesen wäre, schon im Verwaltungsverfahren die Betriebsfortführung durch J jun. vorzubringen und unter Beweis zu stellen, da in erster Linie er um den behaupteten Sachverhalt und die zu seiner Erhärtung in Betracht kommenden Beweismittel Bescheid wissen mußte.

Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers hat sich die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides nicht in buchhalterischen Spekulationen ergangen, sondern anhand des Warenlagers, wie es die BP für den Zeitpunkt der Unternehmensübereignung mangels Inventur rechnerisch ermittelt hatte, und der von J jun. dem Beschwerdeführer ausgestellten RECHNUNGEN aufgezeigt, daß J jun. dem Beschwerdeführer den größten Teil seines Warenlagers überließ. Worin hier eine Unschlüssigkeit bestehen sollte, legt der Beschwerdeführer nicht dar. Er vermag auch nicht aufzuzeigen, zu welch anderem Ergebnis die belangte Behörde in Anbetracht der vorliegenden Rechnungen durch Einsichtnahme in die Buchhaltung des J jun. und des Beschwerdeführers hätte kommen sollen.

Gegen das aus § 41 Abs. 1 VwGG abzuleitende Neuerungsverbot verstößt auch das Beschwerdevorbringen, das fragliche Juweliergeschäft sei nicht bloß Einzelhandelsgeschäft, sondern auch Dienstleistungsbetrieb (handwerkliche Tätigkeit als Goldschmied und Uhrmacher). In der Berufung ist von einem Einzelhandelsgeschäft die Rede. Die BP hatte in ihrer Stellungnahme zur Berufung ausdrücklich ein Einzelhandelsgeschäft unterstellt und die Äußerung zu dieser Stellungnahme enthält nichts, was diese Sachverhaltsannahme entkräftet hätte. Zudem kommt es nicht darauf an, ob im Unternehmen des Beschwerdeführers (Übernehmer) auch eigener Schmuck hergestellt wird. Maßgebend sind vielmehr die Verhältnisse beim Übereignenden, weil in bezug auf das übereignete Unternehmen zu prüfen ist, ob es mit seinen wesentlichen Geschäftsgrundlagen übertragen wurde.

Bezüglich der von J jun. anläßlich der Unternehmensübergabe an die Lieferanten retournierten Waren sei folgendes bemerkt:

Die Übereignung eines Unternehmens im Ganzen gemäß § 14 Abs. 1 BAO setzt nicht voraus, daß dem Erwerber des Unternehmens sämtliche Wirtschaftsgüter übertragen werden. Wohl aber müssen die wesentlichen Grundlagen des Unternehmens auf den Erwerber übergehen, die ihm die Fortführung des Unternehmens ermöglichen (siehe z.B. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 86/13/0079, und vom , Zl. 87/14/0106). Zu den wesentlichen Grundlagen eines Einzelhandelsgeschäfts gehört nach dieser Rechtsprechung auch das Warenlager. Es ist aber auch bezüglich des Warenlagers nicht uneingeschränkt zu fordern, daß es zur Gänze auf den Erwerber übergeht. Behält der Übereignende z.B. Ladenhüter, beschädigte oder sonst schwer verkäufliche Waren zurück, so steht dies der Annahme einer Übereignung des Unternehmens im Ganzen nicht entgegen, wenn der Erwerber mit den übernommenen Waren das Unternehmen ohne weiteres fortführen kann und auf diese Weise ein lebensfähiges Unternehmen erwirbt (siehe z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 83/13/0006). Unter dem Gesichtspunkt, ob der Erwerber das Unternehmen ohne weiteres fortführen kann bzw. ob er ein lebensfähiges Unternehmen erwirbt, ist auch ein Sachverhalt zu prüfen, bei dem wie im Beschwerdefall der Übereignende dem Erwerber nach den Feststellungen der belangten Behörde zwar den größten Teil des Warenlagers übereignet, den Rest aber anläßlich der Übereignung den Lieferanten retourniert. Der Beschwerdeführer hat weder im Verwaltungsverfahren noch in der Beschwerde behauptet, daß er mit dem von J jun. übernommenen Warenlager, das nach den im einzelnen nicht widerlegten Feststellungen der belangten Behörde immerhin einen Wert von nahezu 13 Mio S repräsentiert und das selbst nach den eigenen Angaben des Beschwerdeführers in der Äußerung zur Stellungnahme der BP einen Wert von 7,5 Mio S erreichte, dessen Unternehmen nicht hätte fortführen können. Es ist daher auch nicht mehr von Belang, ob die Retourwaren tatsächlich an die Lieferanten zurückgingen und von diesen dann an den Beschwerdeführer wieder geliefert und fakturiert wurden, oder ob sie gleich - im "wirtschaftlichen Eigentum" - beim Beschwerdeführer blieben und lediglich auf ihn "umfakturiert" wurden. Eine andere Betrachtung mag in einem Fall geboten sein, in dem Waren nicht an die Lieferanten zurückgehen, sondern an Dritte veräußert werden. Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor.

Das Finanzamt, das den Beschwerdeführer in erster Instanz zur Haftung heranzog, ist nicht, wie der Beschwerdeführer meint, mitbelangte Behörde (Partei). Vielmehr ist allein jene Behörde, die den angefochtenen Bescheid erließ - die Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland -, belangte Behörde.

Der Beschwerdeführer vermochte somit keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG und die Verordnung vom , BGBl. Nr. 206.