VwGH vom 22.02.1996, 93/15/0195
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Wetzel und Dr. Steiner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Traudtner, über die Beschwerde des E in N, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in N, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat VIII) vom , Zl. 6/4-4086/1/87-06, betreffend Zurückweisung von Berufungen in Abgabensachen, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Dem Beschwerdeführer wurden zu Handen seines Rechtsvertreters am 24. JÄNNER 1985 auf insgesamt sieben Schriftstücken mehrere Bescheide des Finanzamtes Neunkirchen mit einer einzigen Sendung zugestellt. Es handelte sich um Bescheide, mit denen - teilweise unter Wiederaufnahme des Verfahrens - der Einheitswert des Betriebsvermögens des Beschwerdeführers zum bis 1974, 1976 und 1977 (zum und 1973 unter Fortschreibung gemäß § 21 BewG) festgestellt wurde, und um Bescheide, mit denen unter Wiederaufnahme des Verfahrens Einkünfte für die Jahre 1970 bis 1976 festgestellt wurden. Auf dem Rückschein war als Inhalt der Postsendung der Vermerk "BP-Bescheide u. Bericht StNr. 030/0286" angebracht.
Am 25. JÄNNER 1985 wurden dem Beschwerdeführer ebenfalls zu Handen seines Rechtsvertreters Bescheide, mit denen die Gewerbesteuerverfahren für die Jahre 1970 bis 1976 wiederaufgenommen wurden, sowie die damit verbundenen Sachbescheide - es handelt sich um insgesamt drei Schriftstücke - mit einer einzigen Postsendung zugestellt; diese Bescheide waren Erledigungen mittels Formular "Bp 42". Auf dem Rückschein war als Inhalt der Sendung "3St. Bp. 42
v. 030/0286-4" vermerkt.
Alle genannten Bescheide tragen das Datum .
Mit Schriftsatz vom 18. FEBRUAR 1985 erhob der Beschwerdeführer gegen die Umsatzsteuer-, Alkoholabgabe- und Gewerbesteuerbescheide für die Jahr 1970 bis 1979 sowie gegen die Einkommen-, Kapitalertrag- und Vermögensteuerbescheide für die Jahre 1970 bis 1980 Berufung. Am 28. FEBRUAR 1985 beantragte er, "daß sämtliche eingereichten Berufungen auch für Feststellungs-, Zerlegungs- und Einheitswertbescheide des bekämpften Zeitraumes 1970 bis 1980 gelten".
Das Finanzamt forderte den Beschwerdeführer sodann mit Vorhalt vom auf, die Zustelldaten der mit Berufung bekämpften Bescheide bekanntzugeben. Der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers verweigerte hierauf die Auskunfterteilung mangels Zustimmung des letzteren, welcher der belangten Behörde aber unabhängig davon mitteilte, eine Auskunfterteilung sei ihm leider nicht möglich, weil er nicht wisse, wo sich die Bescheide "zur Zeit" befänden. "Wann und ob sie gekommen sind", sei ihm nicht bekannt.
In der Folge hielt die belangte Behörde dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom die Verspätung der gegen die genannten Bescheide erhobenen Berufung vor. In seiner Stellungnahme hiezu bestritt der Beschwerdeführer die Zustellung der Bescheide nicht.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung im nachfolgend wiedergegeben Umfang als verspätet zurück. Begründend führte sie im wesentlichen aus, die die Vermögensteuer, Zerlegung des einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrags und Haftung für Kapitalertragsteuer für die Jahre 1970 bis 1976, Alkoholabgabe für die Jahre 1970 bis 1974 und Feststellung des Einheitswerts des Betriebsvermögens zum 1. Jänner der Jahre 1970 und 1975 betreffenden Bescheide (erste Gruppe) seien nie erlassen worden. Die die Feststellung des Einheitswerts des Betriebsvermögens zum 1. Jänner der Jahre 1971 bis 1974, 1976 und 1977 sowie gesonderte Feststellung von Einkünften für die Jahre 1970 bis 1976 betreffenden Bescheide (zweite Gruppe) seien am zugestellt, die Berufung dagegen jedoch erst am erhoben worden. Eine Rechtsmittelfristverlängerung sei nur betreffend Bescheide des Finanzamtes Wiener Neustadt, nicht aber betreffend Bescheide des Finanzamtes Neunkirchen beantragt und bewilligt worden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer erachtet sich erkennbar im Recht verletzt, daß (nach amtswegiger Ermittlung der Zustelldaten der erstinstanzlichen Bescheide) über seine Berufung (mangels Vorliegens einer die Zurückweisung rechtfertigenden Verspätung) meritorisch entschieden werde.
Hinsichtlich der mit dem angefochtenen Bescheid erfolgten Zurückweisung der Berufung gegen die Bescheide der ersten Gruppe als unzulässig gemäß § 278 in Verbindung mit § 273 Abs. 1 lit. a BAO bringt die Beschwerde nichts vor. Da auch die Verwaltungsakten keinen Anhaltspunkt für eine Erlassung dieser Bescheide enthalten, hat die belangte Behörde die Berufung in diesem Umfang zu Recht zurückgewiesen. Dem angefochtenen Bescheid haftet aber auch im restlichen Umfang die behauptete Rechtswidrigkeit aus folgenden Gründen nicht an:
Grundsätzlich ist zwischen dem Realakt einer Zustellung (entweder durch körperliche Übergabe oder durch Hinterlegung eines Schriftstücks) und dem Nachweis über eine gesetzmäßige Zustellung zu unterscheiden. Letzterer kann durch einen Zustellnachweis im Sinne des § 22 ZustG oder - wenn ein solcher fehlt oder mangelhaft ist - auf andere Weise nach den Grundsätzen der freien Beweiswürdigung geführt werden (vgl. dazu Stoll, BAO-Kommentar, 1146 f). Die Vorgänge der Zustellung sind diesfalls von Amts wegen zu ermitteln (vgl. dazu beispielsweise das hg. Erkenntnis vom , Zl. 84/04/0058; und Walter-Mayer, Das österreichische Zustellrecht (1983), 118 f, m.w.N.).
Im Beschwerdefall ist nur strittig, WANN die Zustellung der Bescheide der zweiten Gruppe erfolgte. Denn die Beschwerde behauptet nicht, die Bescheide seien dem Beschwerdeführer nicht zugestellt worden, sondern nur, die Abgabenbehörden könnten das Zustelldatum nicht nachweisen und daher sei von der Rechtzeitigkeit der Einbringung der Berufung auszugehen.
Die belangte Behörde ging in ihrem Vorhalt vom von der bescheinigten Zustellung der in Rede stehenden Bescheide am aus. Dieser ihm zur Kenntnis gebrachten Sachverhaltsannahme trat der Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme vom nicht entgegen. Auch dem früher gestellten Ersuchen des Finanzamts um Bekanntgabe der Zustelldaten hat er mit dem bloßen Hinweis darauf, er wisse nicht, wo sich die Bescheide "zur Zeit" befänden bzw. "wann und ob sie gekommen" seien, nicht entsprochen.
Bei diesem Sachverhalt bietet die Aktenlage nicht den geringsten Anhaltspunkt für die Richtigkeit der Beschwerdebehauptung, die in Rede stehenden Bescheide seien dem Beschwerdeführer entgegen dem auf dem Zustellschein angebrachten Vermerk nicht am zugestellt worden. Dieser den Charakter einer öffentlichen Urkunde aufweisende Rückschein gibt den Inhalt der nach der abgabenbehördlichen Prüfung zugestellten Sendung zwar unvollständig wieder, ihr Inhalt läßt sich aber auf Grund der Aktenlage eindeutig bestimmen. Daß die nach der abgabenbehördlichen Prüfung erstellten Bescheide in zwei Gruppen zugestellt wurden, erklärt sich aus der nur bei den Abgabenbescheiden erforderlichen, Zeit beanspruchenden kassenmäßigen Verbuchung; die unterschiedlichen Zustellungszeitpunkte der hier in Rede stehenden Bescheide erscheinen dadurch hinreichend geklärt.
Bei dieser Sachlage besteht der Beschwerdevorwurf, die belangte Behörde habe ihr Ermittlungsverfahren in bezug auf das Zustelldatum der mit Berufung bekämpften erstinstanzlichen Bescheide mangelhaft geführt, nicht zu Recht. Vielmehr ist dem Beschwerdeführer eine Verletzung seiner Mitwirkungspflicht im Abgabenverfahren anzulasten, wäre es doch jedenfalls nach Vorhalt im Abgabenverfahren seine Sache gewesen, ein anderes Zustelldatum zu behaupten und zumindest glaubhaft zu machen. Die schon erwähnte Stellungnahme des Beschwerdeführers auf den diese Frage betreffenden Vorhalt des Finanzamtes trägt jedoch zur Sachverhaltsklärung nichts bei.
Soweit die Beschwerde vorbringt, der Beschwerdeführer habe das Schreiben der belangten Behörde vom nicht erhalten, ist auf den im Verwaltungsakt erliegenden Zustellschein und auf die dort erliegende "Stellungnahme und Gegenäußerung" des Beschwerdeführers vom zu verweisen.
Auf die von der Beschwerde angeschnittene Frage der Verjährung des Rechtes zur Abgabenfestsetzung wegen eingetretener "absoluter Verjährung" war im Hinblick auf den Verfahrensgegenstand des angefochtenen Bescheides nicht näher einzugehen.
Da dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit somit nicht anhaftet, mußte die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abgewiesen werden. Diese Entscheidung konnte im Hinblick auf die beiden Tatbestände des § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG im Dreiersenat getroffen werden.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994, insbesonder deren Art. III Abs. 2.