VwGH vom 31.03.1999, 98/16/0182

VwGH vom 31.03.1999, 98/16/0182

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Repa, über die Beschwerde der W AG in W, vertreten durch die Alix Frank Rechtsanwälte KEG, Wien I, Schmerlingplatz 8, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. RV 0502-09/07/97, betreffend Börsenumsatzsteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Am wurde in Zürich zwischen Jean Dominique Sturm (als Verkäufer) einerseits sowie der Wienerberger Baustoffindustrie Aktiengesellschaft und der Beschwerdeführerin andererseits eine als "Rahmenvertrag" bezeichnete Vereinbarung geschlossen, deren (für den Beschwerdefall bedeutsamer) Punkt 2.2. folgenden Wortlaut hat (wobei die Beschwerdeführerin als WZI bezeichnet wird):

"Gleichzeitig mit der Aktienübertragung gemäß Pkt. 2.1 verkauft und überträgt J.D. Sturm 3760 (in Worten: dreitausendsiebenhundertsechzig) Stück Aktien der Tuileries Reunies du Bas-Rhin SA an die WZI oder an von dieser genannte dritte Personen. Der einvernehmlich festgelegte Kaufpreis für die vorgenannten Aktien beträgt 210,000.000,-- FRF (in Worten: zweihundertzehn Millionen Französische Franc) und ist bei Übertragung der Aktien an J.D. Sturm zur Zahlung fällig. Die Aufteilung des Kaufpreises obliegt J.D. Sturm.

Die Übertragung erfolgt auf Grundlage dieses Rahmenvertrages mit einer gesonderten Aktienübertragungsurkunde gemäß Beilage ./B."

Mit Eingabe ihrer steuerlichen Vertreterin vom teilte die Beschwerdeführerin dem Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien (im folgenden kurz Finanzamt) folgende

Vertragsdaten mit:

"Abschlußdatum:

Vertragsort: Zürich, Schweiz

Veräußerer: J.D. Sturm, F-68000 Colmar, 17, Avenue Foch

Kaufgegenstand: Nom. FRF 2.016.612,00 Aktien der Tuileries

Reunies du Bas-Rhin SA

Kaufgegenstand: Nom. FRF 2.952.250,00 Aktien der Tuileries

Reunies du Bas-Rhin SA

Erwerber: Wienerberger Ziegelindustrie France SA mit

Sitz in Frankreich

Kaufpreis: FRF 210.000.000,00 d.s. ÖS 425.798.850,00"

Dazu wurde um die Festsetzung der Börsenumsatzsteuer mit dem halben Steuersatz ersucht.

Über Vorhalt des Finanzamtes vom teilte die Beschwerdeführerin im Wege eines Schreibens ihrer steuerlichen Vertreterin dem Finanzamt vom u.a. folgendes mit:

"... Die WZI AG hat den Rahmenvertrag zugunsten eines Dritten, nämlich ihrer Tochtergesellschaft, der Wienerberger Ziegelindustrie France S.A. mit dem Sitz in Paris, abgeschlossen.

Die Aktien der Tuileries Reunies du Bas-Rhin SA (TRBR) im Ausmaß von 3760 Stück wurden daher in Erfüllung des Verpflichtungsgeschäftes von Herrn J.D. Sturm an die Wienerberger Ziegelindustrie France S.A. tatsächlich abgetreten."

Dazu wurden diverse Urkunden vorgelegt, darunter zwei in französischer Sprache verfaßte "ordres de movement" (AS. 145 und 147), in denen im Zusammenhang mit den gegenständlichen Aktien die Firma der Beschwerdeführerin genannt ist und die nicht näher zuzuordnende Unterschriften tragen.

Mit Börsenumsatzsteuerbescheid vom wurde gegenüber der Beschwerdeführerin für den Erwerb von 3.760 Stück Aktien an der Tuileries Reunies de Bas-Rhin SA am von "J.D. Sturm und Michel Thomas zum Preis von FF 210 Mio (= S 424,090.000) Börsenumsatzsteuer festgesetzt. Dieser Bescheid blieb unbekämpft und erwuchs in Rechtskraft.

Am richtete das Finanzamt an die Beschwerdeführerin folgende Anfrage:

"Welche Leistungen hatte die Wienerberger Ziegelindustrie France SA für den Erwerb der Aktien der Tuilieries Reunies du Bas-Rhin SA an Sie oder an Dritte zu erbringen?"

Daraufhin antwortete die steuerliche Vertreterin der Beschwerdeführerin dem Finanzamt mit Schreiben vom wie folgt:

"Im Auftrag unserer Mandantin teilen wir Ihnen zu Ihrem o.a. Ergänzungsauftrag mit, daß die WZI France SA für den Erwerb der Aktien der Tuilieries Reunies du Bas-Rhin SA den im Rahmenvertrag genannten Erwerbspreis an den Veräußerer der Aktien zu leisten hatte. Über den Erwerbspreis hinaus hatte die WZI France SA weder an die Wienerberger Ziegelindustrie AG noch an Dritte Leistungen zu erbringen."

Mit Börsenumsatzsteuerbescheid vom schrieb daraufhin das Finanzamt der Beschwerdeführerin für die Veräußerung von 3.760 Stück Aktien an der Tuileries Reunies de Bas-Rhin SA am an die Wienerberger Ziegelindustrie France SA zum Preis von FF 210 Mio (= S 426,090.000,--) Börsenumsatzsteuer vor.

Dagegen berief die Beschwerdeführerin, wobei sie vorbrachte, daß kein zweiter Erwerbsvorgang vorliege. Die Beschwerdeführerin sei nur "Beteiligte" am Erwerb der Aktien durch die Wienerberger Ziegelindustrie France SA gewesen; der Aktienkauf sei von der Beschwerdeführerin "im Namen und für Rechnung der Wienerberger Ziegelindustrie France SA" vorgenommen worden. Wörtlich führte die Berufung dazu u.a. aus:

" ... Unseres Erachtens liegt daher ein Streckengeschäft vor, welches eine zweifache Belastung mit Börsenumsatzsteuer ausschließt."

Gegen die daraufhin ergangene, abweisliche Berufungsvorentscheidung des Finanzamtes vom stellte die Beschwerdeführerin fristgerecht einen Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz, worin sie den Standpunkt vertrat, sie hätte den Vertrag zugunsten der Erwerberin der Aktien, der Wienerberger Ziegelindustrie France SA geschlossen. Es liege daher nur ein Verpflichtungsgeschäft vor. Dem erstinstanzlichen Bescheid fehle jede Begründung für das Vorliegen eines zweiten Verpflichtungsgeschäftes.

Die belangte Behörde wies die Berufung als unbegründet ab, wobei sie folgende Meinung vertrat: Es seien zwei Veräußerungsvorgänge erfolgt, der erste von J.D. Sturm an die Beschwerdeführerin und der zweite von der Beschwerdeführerin an die Wienerberger Ziegelindustrie France SA. Die Zahlung sei im kurzen Weg direkt von der Wienerberger Ziegelindustrie France SA an den Veräußerer erfolgt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht darauf verletzt, daß für das Anschaffungsgeschäft nur einmal Börsenumsatzsteuer zu zahlen ist.

Der Bundesminister für Finanzen legte die Akten des Verwaltungsverfahrens und die von der belangten Behörde verfaßte Gegenschrift vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 17 Abs. 1 KVG lautet:

"Der Börsenumsatzsteuer unterliegt der Abschluß von Anschaffungsgeschäften über Wertpapiere, wenn die Geschäfte im Inland oder unter Beteiligung wenigstens eines Inländers im Ausland abgeschlossen werden."

Gemäß § 18 Abs. 1 KVG sind Anschaffungsgeschäfte entgeltliche Verträge, die auf den Erwerb des Eigentums an Wertpapieren gerichtet sind.

Der Steuer unterliegt nach der hg. Judikatur das schuldrechtliche Geschäft, das die Pflicht zur Übertragung (Übereignung) begründet (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 89/15/0125, Slg. N.F. 6884/F sowie das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 98/16/0215 mwN).

Im vorliegenden Fall geht es allein um die Frage, ob die Beschwerdeführerin überhaupt nur ein Anschaffungsgeschäft abgeschlossen hat oder zuerst ein Geschäft, nämlich den Rahmenvertrag vom und danach ein zweites, indem sie die solcherart gekauften Aktien dann an die Wienerberger Ziegelindustrie France SA weiterveräußert hat.

Die Beschwerdeführerin steht dazu auf dem Standpunkt, es sei von ihr vorliegendenfalls nur ein Titelgeschäft abgeschlossen worden, nämlich der Vertrag vom , und zwar zugunsten der Wienerberger Ziegelindustrie France SA.

Rechtlich ist im vorliegenden Zusammenhang ein (echter oder unechter) Vertrag zugunsten Dritter (§ 881 ABGB) von einer Veräußerung und Übereignung im Wege eines sogenannten Streckengeschäftes zu unterscheiden:

Während durch einen Vertrag zugunsten Dritter zwischen den Vertragschließenden im Wege einer einzigen Einigung vereinbart wird, daß die Leistung unmittelbar an einen Dritten zu erbringen ist (vgl. dazu Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I10 108; Aicher in Rummel, ABGB I2 14 lit. c und d zu § 1061 ABGB), der lediglich zum Zeitpunkt des Rechtserwerbes bestimmbar sein muß (vgl. dazu Rummel in Rummel, ABGB I2 Rz 6 zu § 881 ABGB mwN) liegen im Falle des sogenannten Streckengeschäftes mehrere Titelgeschäfte in Form einer Kette vor (Koziol/Welser, a.a.O. II10 78, 79; Spielbüchler in Rummel, ABGB I2 Rz 5 zu § 425 ABGB; Aicher in Rummel, a.a.O. Rz 16 zu § 1061 ABGB); nur die Auslieferung (Übergabe) erfolgt dann abgekürzt durch Übergabe des Objektes vom ersten Veräußerer an den letzten Erwerber (Koziol/Welser a.a.O.; Spielbüchler a.a.O.). Der Eigentumserwerb durch den Letzterwerber basiert auf der Gültigkeit aller Titelgeschäfte in der Kette (Aicher in Rummel a.a.O.).

Angewendet auf den vorliegenden Fall ergibt sich daraus, daß der Text des Punktes 2.2. des Rahmenvertrages vom für das Vorliegen eines alternativ entweder von der Beschwerdeführerin für sich selbst oder zugunsten eines von ihr zu bestimmenden Dritten geschlossenen Vertrages spricht und daß die Beschwerdeführerin - geht man von ihrem Vorbringen im Verwaltungsverfahren aus - dann später die Wienerberger Ziegelindustrie France SA als den aus dem Vertrag vom berechtigten Dritten bestimmt hat.

Demgegenüber finden sich in den Verwaltungsakten - abgesehen von den nur in französischer Sprache vorliegenden und ohne Übersetzung rechtlich in keiner Weise aussagekräftigen Urkunden ("Ordre de Mouvement" AS 145 und 147), deren Unterschriften auch nicht weiter zugeordnet werden können - keinerlei Anhaltspunkte für das von der belangten Behörde angenommene Vorliegen von zwei Rechtsvorgängen, die jeweils den Tatbestand des Anschaffungsgeschäftes erfüllen könnten.

Die belangte Behörde hat es insbesondere verabsäumt, einerseits eine deutsche Übersetzung der Urkunden AS 145 und 147 zu verlangen bzw. vornehmen zu lassen und (ausgehend davon, daß sie der Version des Vertrages zugunsten Dritter offensichtlich nicht folgen wollte) andererseits die Rechtslage zwischen der Beschwerdeführerin und der Wienerberger Ziegelindustrie France SA in Gestalt der von ihr angenommenen Weiterveräußerung zweifelsfrei zu klären. Dazu wäre auch zu klären gewesen, von wem die Unterschriften auf den Urkunden AS 145 und 147 stammen und welche rechtliche Bedeutung sie haben. Allein die französischsprachige Urkunden AS 145 und 147 stellen noch keine verläßliche Entscheidungsgrundlage dafür dar, von einem Erwerb der Papiere durch die Beschwerdeführerin und einer anschließenden Weiterveräußerung dieser Papiere an die Wienerberger Ziegelindustrie France SA auszugehen.

Die belangte Behörde hat somit durch Unterlassung der vollständigen Aufklärung des Sachverhaltes ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet, was gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG zu seiner Aufhebung führen muß.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VO BGBl. 416/1994. Die Abweisung des Kostenmehrbegehrens betrifft die für den Schriftsatzaufwand gesondert angesprochene Umsatzsteuer, deren Ersatz zufolge des Pauschalcharakters des Schriftsatzaufwandes aber nicht in Frage kommt (vgl. dazu z.B. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3 687 Abs. 3 referierte hg. Judikatur).

Wien, am