VwGH vom 28.09.1998, 98/16/0168

VwGH vom 28.09.1998, 98/16/0168

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Repa in den Beschwerdesachen 1. des B in G, 2. des P in W, beide vertreten durch Dr. Werner J. Loibl, Rechtsanwalt in W, gegen die Bescheide der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zlen. RV/103-07/03/98 (hg. Zl. 98/16/0168) und RV/104-07/03/98 (hg. Zl. 98/16/0289) betreffend Vollstreckbarkeitserklärung hinsichtlich Eingangsabgaben, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Gegenstand der zu den hg. Zlen. 97/16/0172 und 0173 protokollierten Beschwerden waren die Bescheide der belangten Behörde vom , mit welchen einem Ersuchen der Oberfinanzdirektion Hannover an die belangte Behörde um Rechts- und Amtshilfe in Zoll-, Verbrauchsteuer- und Monopolangelegenheiten nach dem Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich vom (BGBl. Nr. 430/1971, im folgenden: Vertrag) entsprochen wurde. Begehrt wurden Sicherungsmaßnahmen wegen Abgabenforderungen gegen die beiden Beschwerdeführer unter Bezugnahme auf Art. 12 des Vertrages. Steuerschuldner der in den Rückstandsanzeigen ausgewiesenen Beträge von zusammen DM 77,137.936,99, derentwegen um Sicherungsmaßnahmen ersucht wurde, waren die beiden Beschwerdeführer als Gesamtschuldner. Das Hauptzollamt Hannover habe die beiden Beschwerdeführer mit Steuerbescheiden vom und für entstandene Einfuhrabgaben in Anspruch genommen. Gegen die beiden Steuerbescheide seien Rechtsbehelfe eingelegt worden, weshalb vorerst nur um Vornahme von Sicherungsmaßnahmen nach Art. 12 des Vertrages ersucht wurde. Vollstreckungsmöglichkeiten gegen die Beschwerdeführer seien im Inland (in der Bundesrepublik Deutschland) nicht gegeben. Angeschlossen waren damals die beiden den Erstbeschwerdeführer betreffenden Rückstandsanzeigen vom mit dem Ordnungsbegriff SK 001596000142 und SK 000595000063 sowie die beiden den Zweitbeschwerdeführer betreffenden Rückstandsanzeigen vom mit dem Ordnungsbegriff SK 001596000143 und SK 00595000077.

Der Spruch des damals vom Erstbeschwerdeführer angefochtenen Bescheides lautete wie folgt:

"Die beiden Rückstandsanzeigen des Hauptzollamtes Hannover vom über Abgabenschulden des Herrn ... (Erstbeschwerdeführer), wohnhaft in ..., werden anerkannt und für vollstreckbar erklärt. Der zu vollstreckende Geldbetrag von insgesamt 77,137.936,99 Deutsche Mark wird in 544,863.817,92 Österreichische Schilling umgerechnet."

Der damals vom Zweitbeschwerdeführer angefochtene Bescheid hatte mit Ausnahme des Namens und der Adresse des Zweitbeschwerdeführers denselben Inhalt. In den Begründungen wurde auf Art. 11 Abs. 2 des Vertrages verwiesen.

Der Verwaltungsgerichtshof hob die bei ihm angefochtenen Bescheide wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes auf, wobei er von der Anwendbarkeit des Vertrages ausging. Nach Wiedergabe der Art. 11 und 12 des Vertrages wurde ausgeführt:

"Die angefochtenen Bescheide lassen weder im Spruch noch in der Begründung erkennen, daß von der ersuchenden Behörde die Vornahme von Sicherungsmaßnahmen begehrt werde. Es werden Rückstandsanzeigen 'anerkannt und für vollstreckbar erklärt'; in der Begründung wird nur auf Art. 11 Abs. 2 des Vertrages, nicht aber auf Art. 12 verwiesen. Die belangte Behörde entgegnet dem Vorwurf, es sei über das Rechtshilfeersuchen hinausgegangen worden, mit dem Hinweis auf ihre oben erwähnten Schreiben an die Finanzämter. Diese Schreiben wurden jedoch nicht Bescheidinhalt und entfalten keinerlei normative Wirkung.

Zwar ergibt sich aus dem Vertrag nicht, daß ein gemäß § 11 Abs. 2 erlassener Bescheid einen Hinweis auf Sicherungsmaßnahmen enthalten muß. Art. 12 nennt ausdrücklich vollstreckbare, jedoch nicht unanfechtbare Exekutionstitel, aufgrund derer um die Vornahme von Sicherungsmaßnahmen ersucht werden kann. Es konnte daher erklärt werden, daß die Rückstandsausweise 'vollstreckbar' sind. Andererseits sind nach § 11 Abs. 2 des Vertrages Exekutionstitel, die den Bestimmungen des Abs. 1 entsprechen, 'anzuerkennen'. Hier liegt ein Exekutionstitel vor, der den Bestimmungen des Abs. 1 nicht entspricht, weil eine Bescheinigung, daß die Rückstandsausweise auch 'unanfechtbar' seien, nicht vorgelegt wurde; die Bescheinigungen beziehen sich ausdrücklich nur auf die Vollstreckbarkeit. Eine Anerkennung gemäß Art. 11 Abs. 2 des Vertrages ohne jeden Hinweis auf Art. 12 des Vertrages erweckt den Eindruck, daß ein Exekutionstitel im Sinne des Art. 11 Abs. 1 des Vertrages vorliegt. Im Fall des Art. 12 des Vertrages kann daher keine 'Anerkennung', sondern nur eine Erklärung der Vollstreckbarkeit erfolgen.

Da die belangte Behörde über die Schranken des Art. 12 hinaus die Rückstandsausweise ausdrücklich 'anerkannt' hat und ihnen damit eine dem Art. 11 Abs. 1 widersprechende Qualifikation zugebilligt hat, belastete sie ihre Bescheide mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes."

Weiters führte der Verwaltungsgerichtshof zu einer entsprechenden Verfahrensrüge aus, daß sich die Rückstandsausweise ohne weiteres zuordnen ließen.

Der Spruch des nunmehr angefochtenen, den Erstbeschwerdeführer betreffenden Bescheides lautet:

"Die beiden Rückstandsanzeigen des Hauptzollamtes Hannover vom über Abgabenschulden des Herrn .... (Erstbeschwerdeführer) wohnhaft in ...., werden für vollstreckbar erklärt. ..."

Der zweitangefochtene Bescheid hat mit Ausnahme des Namens und der Adresse des Zweitbeschwerdeführers denselben Inhalt.

In den Begründungen wird auf Art. 11 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 12 des Vertrages verwiesen.

Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden Beschwerden; die Beschwerdeführer erachten sich in ihrem Recht verletzt, daß die Vollstreckbarkeit nur bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen erklärt werden dürfe. Sie begehren die Aufhebung der angefochtenen Bescheide wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerden wegen ihres sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung verbunden und über sie erwogen:

Die oben wiedergegebenen Sprüche der nunmehr angefochtenen Bescheide entsprechen exakt den Anforderungen im Vorerkenntnis für Sicherungsmaßnahmen bei nicht rechtskräftigen, aber vollstreckbaren Titeln (Art. 12 des Vertrages). Im Spruch ist von einer Anerkennung keine Rede mehr, in der Begründung wird auf Art. 12 verwiesen und damit klargelegt, daß nur Sicherungsmaßnahmen erfolgen können. Soweit sich die Beschwerdeführer gerade dadurch verletzt erachten, daß bloß eine Vollstreckbarerklärung und nicht auch eine Anerkennung erfolgte, werden sie auf die Begründung im Vorerkenntnis verwiesen.

Schon im Falle des Vorerkenntnisses wurden, wie oben wiederholt, die Rückstandsanzeigen vom mit der Geschäftszahl bezeichnet, sodaß sich die belangte Behörde nunmehr mit der Angabe des Datums begnügen konnte. Der Betrag, hinsichtlich dessen die Vollstreckbarkeit erklärt wurde, wurde genau unter Bezugnahme auf die jeweils beiden Rückstandsausweise angegeben und umgerechnet, sodaß auch insoferne ein Mangel des angefochtenen Bescheides nicht erkennbar ist.

Abermals rügen die Beschwerdeführer, daß die Behörde die Voraussetzungen des Art. 14 des Vertrages nicht geprüft habe. Diese Bestimmung lautet wie folgt:

"Uneinbringlichkeit

Sind nach den Vorschriften des ersuchten Staates die Voraussetzungen der Niederschlagung oder der Aussetzung der Einbringung wegen Uneinbringlichkeit gegeben, so hat die ersuchte Behörde das Ersuchen um Vollstreckung mit einer Bescheinigung über das Vorliegen der Voraussetzungen und mit den hiefür vorhandenen Belegen an die ersuchende Behörde zurückzuleiten."

Wie die belangte Behörde schon in der seinerzeitigen Gegenschrift aufgezeigt hat, geht es hier aber nur um die Vollstreckbarerklärung eines Titels, sodaß sich die Frage der Einbringlichkeit überhaupt noch nicht stellt. Unter welchen Voraussetzungen eine Vollstreckbarerklärung erfolgt, ergibt sich aus Art. 11 Abs. 2, hier im Zusammenhang mit Art. 12 des Vertrages; daß zuvor die Einbringlichkeit geprüft werden müsse, ist dem Vertrag keinesfalls zu entnehmen.

Da somit schon der Inhalt der beiden Beschwerden erkennen ließ, daß die von den Beschwerdeführern behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, waren die Beschwerden ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen (§ 35 Abs. 1 VwGG). Die Entscheidung konnte, zumal die Behörde nach § 63 Abs. 1 VwGG vorgegangen ist, in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat getroffen werden.

Durch die Entscheidung in der Sache selbst erübrigt sich ein Eingehen auf die Anträge, den Beschwerden die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am