VwGH vom 22.03.1991, 90/13/0074
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Hofstätter und die Hofräte Dr. Schubert, Dr. Drexler, Dr. Pokorny und Dr. Graf als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde der N Handelsgesellschaft mbH gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. GA 7-659/2/90, betreffend Sicherstellungsauftrag, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.660,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Sicherstellungsauftrag vom ordnete das Finanzamt die Sicherstellung in das bewegliche und unbewegliche Vermögen der Beschwerdeführerin zur Sicherung der Körperschaftsteuer, der Gewerbesteuer und der Kapitalertragsteuer für 1978 bis 1984 im Gesamtbetrag von S 257,668.246,-- an. In der Begründung des Sicherstellungsauftrages findet sich nach dem Hinweis auf § 232 BAO der Vordruck: "Daß im vorliegenden Fall der Anspruch auf die sicherzustellenden Abgaben bereits entstanden ist, ergibt sich aus den Bestimmungen des § 4 BAO im Zusammenhang mit §§ ...." (der diesbezügliche Vordruck ist nicht ausgefüllt). Weiters enthält die Begründung Ausführungen dazu, aus welchen Gründen die Erschwerung der Einbringlichkeit zu befürchten sei. Aus der dem Sicherstellungsauftrag beiliegenden Aufgliederung, auf die im Spruch hingewiesen wurde, kann geschlossen werden, daß sich die Abgabennachforderungen aus der Zurechnung von Gewinnen aus "T"-Geschäften ergeben, ohne daß sich nähere Ausführungen dazu finden, warum diese Zurechnung vorgenommen wurde.
Die Beschwerdeführerin erhob dagegen Berufung, in der sie auf Mängel der bereits mehr als vier Jahre dauernden Betriebsprüfung sowie eine in Kopie angeschlossene Eingabe an die Großbetriebsprüfungsstelle hinwies. Darin wendete sich die Beschwerdeführerin gegen die vom Prüfer beabsichtigte Zurechnung von Gewinnen im wesentlichen mit der Begründung, daß sie mangels Kenntnis der Unterlagen bisher nicht habe Stellung nehmen können. In der Berufung bekämpfte sie zudem die Auffassung des Finanzamtes, daß eine Erschwerung der Einbringung zu befürchten sei.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Sie ging davon aus, daß die Höhe der Abgaben, für die der Sicherstellungsauftrag erlassen worden sei, außer Streit stehe und beschäftigte sich des weiteren ausschließlich mit der Gefährdung oder wesentlichen Erschwerung der Einbringung der Abgaben. In diesem Zusammenhang erwähnte die belangte Behörde u.a., daß die zu erwartenden Abgabennachforderungen das Resultat von Zurechnungen der Gewinne einer zuerst in A, später in B ansässigen "Briefkastenfirma" sei, mittels welcher die Beschwerdeführerin jahrelang den Großteil ihrer erwirtschafteten Gewinne ins Ausland transferiert habe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Gemäß § 232 Abs. 1 BAO kann die Abgabenbehörde, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den die Abgabenvorschriften die Abgabepflicht knüpfen, selbst bevor die Abgabenschuld dem Ausmaß nach feststeht, bis zum Eintritt der Vollstreckbarkeit an den Abgabepflichtigen einen Sicherstellungsauftrag erlassen, um einer Gefährung oder wesentlichen Erschwerung der Einbringung zu begegnen. Der Abgabepflichtige kann durch Erlag eines von der Abgabenbehörde zu bestimmenden Betrages erwirken, daß Maßnahmen zur Vollziehung des Sicherstellungsauftrages unterbleiben und bereits vollzogene Maßnahmen aufgehoben werden. Gemäß § 232 Abs. 2 leg. cit. hat der Sicherstellungsauftrag zu enthalten: a) die voraussichtliche Höhe der Abgabenschuld; b) die Gründe, aus denen sich die Gefährdung oder Erschwerung der Einbringung der Abgabe ergibt;
c) den Vermerk, daß die Anordnung der Sicherstellung sofort in Vollzug gesetzt werden kann; d) die Bestimmung des Betrages, durch dessen Hinterlegung der Abgabepflichtige erwirken kann, daß Maßnahmen zur Vollziehung des Sicherstellungsauftrages unterbleiben und bereits vollzogene Maßnahmen aufgehoben werden.
Die Erlassung eines Sicherstellungsauftrages setzt somit zunächst die Verwirklichung jenes Tatbestandes voraus, an den die Abgabepflicht geknüpft ist. Die Verwirklichung dieses Tatbestandes muß schon im Hinblick auf die auch für Sicherstellungsaufträge geltende Begründungspflicht im Sinne des § 93 Abs. 3 lit. a BAO in der Begründung des Sicherstellungsauftrages entsprechend dargetan werden, sofern sie nicht ohnedies außer Streit steht, wovon aber im Beschwerdefall nicht ausgegangen werden kann. Die Begründung müßte in diesem Zusammenhang jedenfalls erkennen lassen, welcher konkrete Sachverhalt der Entscheidung zugrundegelegt wurde und welche Erwägungen im Rahmen der Beweiswürdigung dafür maßgebend waren.
Der angefochtene Bescheid genügt diesen Anforderungen nicht, weil er zur Frage der Zurechnung der Gewinne an die Beschwerdeführerin keine konkreten Sachverhaltsfeststellungen und dementsprechend auch keine diesbezügliche Beweiswürdigung enthält. Dem Bescheid kann nicht entnommen werden, aus welchen Gründen es sich bei den Gewinnen einer Gesellschaft mit Sitz im Ausland in Wahrheit um Gewinne der Beschwerdeführerin handelt. Allenfalls dafür sprechende (in den dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten nicht enthaltene) Beweisergebnisse wurden im angefochtenen Bescheid nicht angeführt.
Soweit die belangte Behörde in der Gegenschrift die Auffassung vertritt, im Sicherstellungsauftrag sei über die Rechtmäßigkeit der dem Sicherstellungsauftrag zugrunde gelegten Abgaben nicht abzusprechen, ist ihr entgegenzuhalten, daß dieser Standpunkt im Hinblick auf § 232 Abs. 1 erster Satz BAO nur in bezug auf das Ausmaß der Abgabenschuld geteilt werden kann, nicht aber in Ansehung der Verwirklichung des Tatbestandes, an den die Abgabepflicht geknüpft wird. Diesbezüglich muß der Sicherstellungsauftrag eine schlüssige Begründung enthalten, warum die Abgabenbehörde den Tatbestand als verwirklicht ansieht.
Soweit in der Gegenschrift (unter Bezugnahme auf dem Verwaltungsgerichtshof nicht vorliegende Beweise) behauptet wird, daß die Beschwerdeführerin mit Hilfe einer "Briefkastenfirma" jahrelang erwirtschaftete Gewinne unversteuert ins Ausland transferiert habe, ist darauf hinzuweisen, daß selbst ausführliche Darlegungen in der Gegenschrift - wovon hier nicht gesprochen werden kann - die fehlenden Erörterungen und Feststellungen im angefochtenen Bescheid nicht zu ersetzen vermögen (siehe die in Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, 3. Auflage, Seite 607, Abs. 3 und 4 angeführte hg. Rechtsprechung).
Im Hinblick darauf, daß der angefochtene Bescheid schon deshalb rechtswidrig ist, weil nicht begründet wurde, warum die belangte Behörde die Verwirklichung des Tatbestandes angenommen hat, an den die Abgabepflicht geknüpft ist, braucht auf die Ausführungen der Beschwerdeführerin und der belangten Behörde zur Gefährdung oder Erschwerung der Einbringung nicht näher eingegangen zu werden. Für das fortzusetzende Verfahren kann allerdings jetzt schon gesagt werden, daß für den Fall, daß der von der belangten Behörde in der Gegenschrift skizzierte Sachverhalt konkretisiert und schlüssig begründet wird, nicht nur von der Verwirklichung des Tatbestandes, an den die Abgabepflicht geknüpft ist, sondern auch von der Gefährdung der Einbringung ausgegangen werden kann.
Aus den dargelegten Gründen war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.