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VwGH vom 05.07.1999, 98/16/0145

VwGH vom 05.07.1999, 98/16/0145

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Repa, über die Beschwerde der L GmbH in T, vertreten durch Wolczik, Knotek und Wurst, Rechtsanwälte in Baden, Pergerstraße 12, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. GA 9-888/95, betreffend Straßenverkehrsbeitrag 1991, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 13.040,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Aufgrund von Nachschauaufträgen des Finanzamtes Baden vom fand bei der Beschwerdeführerin betreffend Straßenverkehrsbeitrag 1/1990-10/1990 sowie "11/1990 bis laufend" eine Nachschau statt.

Die dazu erteilten Erhebungsaufträge bezogen sich auf die "Überprüfung der geltend gemachten Nachsichten im Zusammenhang mit aufgewendeten ausländischen Straßenverkehrsbeiträgen".

Im Arbeitsbogen über den Nachschauauftrag für 1/1990-10/1991 befinden sich zwei beim Finanzamt Baden am 3. Juli bzw. eingelangte Schreiben des Zollamtes Braunau, womit diverse, für die Zeiträume bis und bis erstellte Kontrollmitteilungen übersendet wurden.

In diesen Kontrollmitteilungen wurde vom Zollamt Braunau betreffend die inländischen Auflieger KennZ N 492075, N 592446, N 592445, N 492085 und N 392285 mitgeteilt, dass sie jeweils mit ausländischen Zugfahrzeugen in das Zollgebiet eingefahren waren und um Nacherhebung des Straßenverkehrsbeitrages wegen offensichtlicher Beitragshinterziehung gebeten.

Dessenungeachtet enthalten die am aufgenommenen Niederschriften über die Nachschau folgendes Ergebnis: "Die Nachschau gemäß § 144 Abs. 1 BAO betreffend Straßenverkehrsbeiträge 1/1990-10/1991 (bzw. 11/1991 bis laufend) ergab keine Beanstandungen".

Die von der Beschwerdeführerin für 1991 abgegebene Erklärung über den Straßenverkehrsbeitrag ergab eine Beitragssumme von S 1,120.640,--.

Aufgrund eines Prüfungsauftrages vom fand bei der Beschwerdeführerin eine Buch- und Betriebsprüfung u.a. betreffend Straßenverkehrsbeitrag 1990-1992 statt, wobei der am gemäß § 150 BAO erstellte Bericht in seinem Punkt 10 folgendes aussagt:

"Von der Gesellschaft wurden bisher zahlreiche Auflieger als überzählig und damit gemäß § 2 Z 9 StVBG als beitragsfrei behandelt. Die Ermittlungen der Bp ergaben, dass die derartig als beitragsfrei behandelten Anhänger jedoch von einem Fahrzeug eines anderen Beitragsschuldners gezogen wurden und somit der Befreiungstatbestand des § 2 Z 9 StVBG nicht gegeben ist.

Es ergeben sich folgende Nachzahlungen:

1991 S 151.120,-- ..."

Daraufhin verfügte das Finanzamt Baden mit Bescheid vom die Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs. 4 BAO und setzte den Straßenverkehrsbeitrag für 1991 mit S 1,271.760,-- fest. Hinsichtlich der Berechnung verweist dieser Bescheid darauf, dass außer den in der Erklärung einbekannten Beförderungen zusätzlich beitragspflichtige Beförderungen durchführt worden seien, wofür der Beitrag S 151.120,-- betrage.

In der Begründung dieses Bescheides findet sich nur der Vermerk "Ld. Bp-Bericht!".

Gegen diesen Bescheid berief die Beschwerdeführerin mit der Begründung, die Wiederaufnahme sei unzulässig, weil schon anlässlich der Nachschau im Jahr 1992, die keine Beanstandung ergeben habe, den Prüforganen exakt dieselben Unterlagen vorgelegen seien wie anlässlich der dem Wiederaufnahmsbescheid zugrundeliegenden Betriebsprüfung.

Die belangte Behörde wies die Berufung als unbegründet ab wobei sie ausdrücklich einräumt, dass es sein mag, dass den Nachschauorganen dieselben Unterlagen vorgelegen wären wie bei der Betriebsprüfung. Sie steht dabei aber auf dem Standpunkt, dass ein Verschulden der Behörde an der Nichtfeststellung maßgeblicher Tatsachen die Wiederaufnahme nicht hindere und betont, dass die Nachschau im Jahr 1992 aus anderen Blickwinkeln durchgeführt worden sei als die Betriebsprüfung im Jahr 1994. Erst anlässlich dieser Betriebsprüfung sei hervorgekommen, dass die von der Beschwerdeführerin als beitragsfrei behandelten Anhänger von einem Fahrzeug eines anderen Beitragschuldners gezogen worden seien.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht darauf verletzt, dass das Verfahren nicht wieder aufgenommen und dass ihr kein Straßenverkehrsbeitrag vorgeschrieben wird.

Der Bundesminister für Finanzen legte die Verwaltungsakten und die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift vor, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 303 Abs. 4 BAO ist eine Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen unter den Voraussetzungen des Abs. 1 lit. a und c und in allen Fällen zulässig, in denen Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im Verfahren nicht geltend gemacht worden sind, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

§ 2 Z. 9 StVBG 1978 in der auf den Beschwerdefall noch anzuwendenden Fassung (gemäß BGBl. 409/1988) lautet:

"Beitragsfrei sind Beförderungen

...

9. mit Anhängern, soweit deren Anzahl die der ziehenden beitragspflichtigen Fahrzeuge desselben Beitragsschuldners (§ 4 Abs. 2) übersteigt und die, bezogen auf die gesamte Anzahl der Anhänger des Beitragsschuldners, die geringere höchste zulässige Nutzlast aufweisen. Anhänger, die von einem Fahrzeug eines anderen Beitragschuldners gezogen werden, sind aus obiger Berechnung auszuscheiden."

Vorweg ist der belangten Behörde zuzugeben, dass eine Nachschau gemäß § 144 BAO ihrer Grundkonzeption nach eine beaufsichtigende Maßnahme darstellt, die eher der "äußerlichen Kontrolle" dient, wogegen eine Buch- und Betriebsprüfung gemäß §§ 147 ff BO den Zweck einer konkreten Prüfung hat (vgl. in diesem Sinn zB. Stoll, BAO-Kommentar 1608 Abs. 2). Ziel einer Buch- und Betriebsprüfung sind objektive Feststellungen im Sachverhaltsbereich, um dadurch die Grundlage für eine gesetzmäßige (richtige) Besteuerung zu schaffen (Stoll, a.a.O. 1622, 1623).

Der angefochtene Bescheid betont weiters zu Recht, dass es für eine amtswegige Wiederaufnahme unmaßgeblich ist, ob die neuen Umstände im Erstverfahren unverschuldet unberücksichtigt blieben (Stoll, a.a.O. 2930 vorletzter Absatz und die dort referierte hg. Judikatur). Auch ein behördliches Verschulden an der Nichtfeststellung maßgeblicher Tatsachen im Erstverfahren schließt eine amtswegige Wiederaufnahme nicht von vornherein aus (Stoll, a. a.O. 2934 Abs. 3 und die dort angeführte hg. Rechtsprechung).

Hingegen ist eine amtswegige Wiederaufnahme nicht zulässig, um die Folgen einer bloß unzutreffenden rechtlichen Würdigung eines schon seinerzeit offengelegten Sachverhaltes zu beseitigen (Stoll, a. a.O. 2931 letzter Absatz unter Berufung aus das hg. Erkenntnis vom , Zl. 87/14/0159).

Im vorliegenden Fall ist nun aufgrund der Aktenlage davon auszugehen, dass die unübersehbar im Arbeitsbogen über den Nachschauauftrag für 1/1990-10/1991 erliegenden Kontrollmitteilungen des Zollamtes Braunau seinerzeit (warum auch immer) offenbar rechtlich unzutreffend gewürdigt wurden, weil sich sonst das Nachschauergebnis nicht verständlich wäre. Hinsichtlich der dort enthaltenen Fakten durfte daher eine Wiederaufnahme nicht stattfinden.

Mit Rücksicht darauf, dass sowohl der erstinstanzliche als auch der angefochtene Bescheid entgegen den Bestimmungen der §§ 93 Abs. 3 lit. a bzw. 288 Abs. 1 lit. d BAO keine Begründung dahin enthalten, hinsichtlich welcher Anhänger oder Auflieger die Wiederaufnahme erfolgte und wie sich der Betrag von S 151.120,-- im einzelnen errechnet, ist eine nachprüfende Kontrolle der entscheidenden Frage, ob betreffend jener Anhänger/Auflieger, hinsichtlich deren die Wiederaufnahme erfolgte, schon im Jahr 1992 den Nachschauorganen bekannt war, dass sie von Fahrzeugen eines anderen Beitragsschuldners gezogen worden waren bzw. ob diese Anhänger/Auflieger nicht ohnehin in der von der Beschwerdeführerin für das Jahr 1991 abgegebenen Abgabenerklärung aufgelistet waren, nicht möglich.

Die von der belangten Behörde diesbezüglich in ihrer Gegenschrift gegebene Darstellung vermag die fehlende Begründung nicht zu ersetzen (vgl. dazu zB. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, 523 vorletzter Absatz

ref. hg. Judikatur), zumal diese Fakten der Beschwerdeführerin nach Ausweis der Verwaltungsakten nie vorgehalten wurden.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben, wodurch eine Auseinandersetzung mit den übrigen Beschwerdeargumenten entbehrlich wird.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VO BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Kostenmehrbegehrens betrifft die gesondert angesprochene Umsatzsteuer, die wegen des Pauschalcharakters des Schriftsatzaufwandes nicht zuzusprechen ist (vgl. dazu die bei Dolp a.a.O. 687 Abs. 3 ref. hg. Judikatur). Wien, am