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VwGH vom 03.10.1990, 90/13/0066

VwGH vom 03.10.1990, 90/13/0066

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Hofstätter und die Hofräte Dr. Schubert, Dr. Drexler, Dr. Pokorny und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Schnizer-Blaschka, über die Beschwerde des W gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. GA 7 - 1886/89, betreffend Abgabennachsicht, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer stellte beim Finanzamt den Antrag, ihm Nachzahlungen an Einkommensteuer für 1987 in Höhe von S 211.976,-- teilweise nachzusehen. Zur Begründung seines Nachsichtsansuchens brachte der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren im wesentlichen vor, im Einkommen des Jahres 1987 sei die auf Grund eines Prozesses erstrittene Pachtzahlung für mehrere vorangegangene Jahre enthalten. Diese sonst nicht übliche Zusammenballung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung habe progressionsbedingt zu einer höheren Steuerbelastung geführt, als sie bei rechtzeitigen Pachtzahlungen in den einzelnen Jahren eingetreten wäre. Die Mehrbelastung stelle sich als unbillig im Sinne des § 236 BAO dar, zumal der Beschwerdeführer keine Möglichkeit gehabt habe, die Verluste vorangegangener Jahre vorzutragen.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid trug die belangte Behörde dem Nachsichtsansuchen nicht Rechnung. Sie hielt die in § 236 Abs. 1 BAO geforderte Unbilligkeit der Abgabeneinhebung nach der Lage des Falles nicht für gegeben. Seien doch Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in dem Jahr des Zufließens zu versteuern. Es möge zutreffen, daß sich bei fiktiver Aufteilung der Pachteinkünfte auf vier Kalenderjahre eine geringere Steuerbelastung ergebe. Der Beschwerdeführer übersehe jedoch, daß bei der Veranlagung der Einkommensteuer 1987 keineswegs ein vom Gesetzgeber im Einzelfall unbeabsichtigtes Ergebnis eingetreten sei, das nach Lage des Falles unbillig sein könne, sondern daß als Auswirkung der allgemeinen Rechtslage in einem Jahr zugeflossene Einkünfte zu versteuern wären. Die vom Beschwerdeführer betonte "Zusammenballung" stelle keine Besonderheit des Einzelfalles dar. Vielmehr gebe es eine Vielzahl von Abgabepflichtigen, die im Wege von Zivilprozessen erstrittene Einkünfte, die schon in Vorperioden hätten zufließen können oder sollen, zu versteuern hätten. Wenn der Gesetzgeber eine steuerliche Begünstigung dieser Einkünfte gewollt hätte, hätte er eine entsprechende gesetzliche Regelung getroffen.

Vorliegende Beschwerde macht inhaltliche Rechtswidrigkeit

des angefochtenen Bescheides geltend.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 236 Abs. 1 BAO können fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre.

Die belangte Behörde verneint im angefochtenen Bescheid bereits die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung nach der Lage des Falles, sodaß die im § 236 Abs. 1 leg. cit. bei Vorliegen einer solchen Unbilligkeit vorgesehene Ermessensübung nicht zur Diskussion steht (siehe z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 84/14/0087).

Was nun aber diese Unbilligkeit betrifft, ist dem Beschwerdeführer zwar zuzubilligen, daß sie der Verwaltungsgerichtshof auch als gegeben ansah, wenn die Anwendung der Abgabenvorschriften im Einzelfall zu einem vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigten nachteiligen Ergebnis führt (beispielhaft erwähnt seien die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 3114/79, Slg. Nr. 5478/F, und vom , Zl. 85/17/0121). Von einer solchen Unbilligkeit im Einzelfall kann jedoch dann keine Rede sein, wenn lediglich eine Auswirkung der allgemeinen Rechtslage vorliegt, durch die alle von dem betreffenden Gesetz erfaßten Abgabepflichtigen in gleicher Weise berührt werden (vgl. etwa die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 797/72, und vom , Zl. 89/14/0136).

Im Beschwerdefall stellt sich die vom Beschwerdeführer angenommene Unbilligkeit der Abgabeneinhebung lediglich als eine Auswirkung der allgemeinen Rechtslage dar, durch die alle vom Einkommensteuergesetz 1972, das auf die Pachtzinszahlung des Jahres 1987 noch anzuwenden war, erfaßten Abgabepflichtigen in gleicher Weise berührt waren. Denn die vom Beschwerdeführer als unbillig empfundene progressive Besteuerung der zusammengeballt zugeflossenen Pachteinnahmen ist lediglich Ausfluß der für Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung geltenden Anordnung des § 19 Abs. 1 EStG 1972, daß Einnahmen innerhalb des Kalenderjahres bezogen sind, in dem sie dem Steuerpflichtigen ZUGEFLOSSEN sind. Daß der Beschwerdeführer, da er nur Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielte, nicht bilanzieren und damit Verlustvorträge nicht mit den zusammengeballt zugeflossenen Pachteinnahmen verrechnen durfte, ist ebenfalls nur auf die allgemeine Rechtslage zurückzuführen, die den Verlustabzug zufolge § 18 Abs. 1 Z. 4 EStG 1972 eben an eine Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 oder nach § 5 EStG 1972 bindet. Die vom Beschwerdeführer geltend gemachte Benachteiligung gegenüber jenen Steuerpflichtigen, die bilanzieren dürfen (oder müssen), ist keine Unbilligkeit "nach der Lage des Falles", sondern betrifft alle Bezieher von Einkünften im Sinne des § 2 Abs. 3 Z. 4 bis 7 EStG 1972. Eine andere Betrachtung mag entsprechend dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 3114/79, Slg. Nr. 5478/F, dann gerechtfertigt sein, wenn der fehlende Verlustvortrag (Verlustabzug) zu einer bereits konfiskatorischen Besteuerung der Ergebnisse aus einer schon abgeschlossenen Tätigkeit führte (damals Gewinn aus einem erfüllten Auftrag rund S 800.000,--, Körperschaftsteuer rund S 1,800.000,--). Einen solchen Sachverhalt hat der Beschwerdeführer aber nicht behauptet; nach der Darstellung seines von 1984 bis 1987 erzielten Einkommens (insgesamt S 487.837,--) und der darauf entfallenden Einkommensteuer (S 211.976,--) in der Eingabe vom ist ein vergleichbarer Sachverhalt sogar auszuschließen.

Ob die Mietzinszahlungen, die der Beschwerdeführer selbst in den Jahren 1984 bis 1987 an den Hauseigentümer zu leisten hatte, eine finanzielle Gefährdung bewirkten, ist für die Abgabennachsicht belanglos; maßgebend ist nach der Lage des Beschwerdefalles allein, ob die (volle) EINHEBUNG DER EINKOMMENSTEUER FÜR 1987 unbillig wäre.

Die Ausführungen des Beschwerdeführers über ein gemeinsames Vorgehen von Hauseigentümer und Pächter verhelfen der Beschwerde schon deshalb nicht zum Erfolg, weil sie gegen das aus § 41 Abs. 1 VwGG abzuleitende Neuerungsverbot verstoßen.

Der Schluß des Beschwerdeführers, der Gesetzgeber gehe, wenn er dem Verpächter die Möglichkeit des Verlustvortrages durch Bilanzierung entziehe, davon aus, daß Miet- und Pachteinnahmen regelmäßig erzielt werden (oder aber die Nichtzahlung innerhalb des Geschäftsjahres zu einer Auflösung des Pachtverhältnisses führe), ist unzutreffend. Dem Gesetz ist allein zu entnehmen, daß Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung ENTSPRECHEND IHREM ZUFLIESZEN zu eben solchen Einkünften führen, und zwar unabhängig davon, ob sie regelmäßig zufließen oder nicht.

Der angefochtene Bescheid läßt somit keine Rechtswidrigkeit erkennen. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG und die Verordnung vom , BGBl. Nr. 206.