VwGH vom 28.05.1998, 98/16/0136
Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):
98/16/0141
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde des TS in M, vertreten durch Dr. Achim Maurer, Rechtsanwalt in Wien I, Graben 27-28/2/19, gegen die Bescheide der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zlen. GA 13 7/St-213/1/98 und GA 13 7/St-213/2/98, betreffend Eingangsabgaben, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Aus der Beschwerde und den angefochtenen Bescheiden ergibt sich nachstehender Sachverhalt:
Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom wurde der Beschwerdeführer schuldig gesprochen, im April 1992 250 Stück und im Februar 1993
20 Stück Extasy-Tabletten und ein halbes Kilogramm Haschisch (Beschwerde Zl. 98/16/0136) und im Zeitraum September 1993 bis August 1994 über 12.640 Extasy-Tabletten und 36 Gramm Kokain (Beschwerde Zl. 98/16/0141) aus den Niederlanden widerrechtlich nach Österreich eingeführt zu haben.
Mit Bescheiden vom schrieb das Hauptzollamt Wien dem Beschwerdeführer für diese eingeführten Waren die nach § 174 Abs. 3 lit. a erster Tatbestand i.V.m. § 3 Abs. 2 ZollG 1988 entstandene Eingangsabgabenschuld in der Höhe von S 26.069,-- (S 8.780,-- Zoll, S 16.556,-- Einfuhrumsatzsteuer, S 222 AF-Beitrag und S 511,-- Säumniszuschlag) bzw. S 749.671,-- (Zoll S 180.560,--, Einfuhrumsatzsteuer S 546.752,-- AF-Beitrag S 7.660,-- und Säumniszuschlag S 14.699,--) vor.
Die gegen diese Bescheide erhobene Berufung, in der Verjährung der Abgabenschuld, Anwendung des EWR-Abkommens und des Gemeinschaftsrechtes, "Doppelbelastung" wegen Einbeziehung der niederländischen Umsatzsteuer in die Bemessungsgrundlage und der Umstand, daß die Extasy-Tabletten kein Suchtgift seien, geltend gemacht wurden, wies die belangte Behörde als unbegründet ab.
Gegen diese Bescheide richtet sich die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der sowohl Rechtswidrigkeit des Inhaltes als auch Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Nichtzahlung der Abgaben verletzt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Wie die belangte Behörde in dem mit der Beschwerde Zl. 98/16/0136 angefochtenen Bescheid zutreffend ausführte, sind in diesem Beschwerdefall für vor dem EWR-Beitritt betreffende Zeiträume das Zollgesetz 1988 und die in diesem Zusammenhang stehenden Bestimmungen anzuwenden (vgl. hg. Erkenntnis vom , Zl. 96/16/0068).
Nach Z. 9 des Anhanges VI des Beitrittsvertrages zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union und der Republik Österreich, BGBl. Nr. 45/1995, erfolgt die Nacherhebung von Zöllen nach den Gemeinschaftsvorschriften. Ist die Zollschuld jedoch vor dem Zeitpunkt des Beitritts entstanden, so nimmt der betreffende neue Mitgliedstaat die Nacherhebung nach seinen Vorschriften und zu seinem Gunsten vor. Für die Nacherhebung kraft Gesetzes nach § 174 Abs. 3 lit. a ZollG vor dem Beitritt entstandene Eingangsabgabenschulden sind daher das ZollG 1988 und die in diesem Zusammenhang stehenden Bestimmungen anzuwenden. Bei der Vorschreibung der Eingangsabgaben waren daher die im Zeitpunkt der Entstehung der Abgabenschuld in Geltung gestandenen Bestimmungen des Zollgesetzes des Umsatzsteuergesetzes sowie des AF-Beitragsgesetzes und nicht die Gemeinschaftsvorschriften anzuwenden.
Für die im Jahre 1994 eingeführten Waren ist zu beachten, daß die Republik Österreich mit Wirksamkeit dem EWR beigetreten ist.
Gemäß Art. 10 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Abkommen) BGBl. Nr. 909/1993 in der Fassung des Anpassungsprotokolls, BGBl. Nr. 910/1933, sind Ein- und Ausfuhrzölle und Abgaben gleicher Wirkung zwischen den Vertragsparteien verboten.
Gemäß Art. 8 Abs. 1 dieses Abkommens wird der freie Warenverkehr zwischen den Vertragsparteien nach Maßgabe dieses Abkommens verwirklicht.
Nach Art. 8 Abs. 2 dieses Abkommens gelten die Art. 10 bis 15, 19, 20, 25, 26 und 27 nur für Ursprungswaren der Vertragsparteien, soweit nichts anderes bestimmt ist.
Gemäß Art. 9 Abs. 1 erster Satz des Abkommens sind die Ursprungsregeln im Protokoll 4 niedergelegt.
Die Anhänge und die für die Zwecke dieses Abkommens angepaßten Rechtsakte, auf die darin Bezug genommen wird, sowie die Protokolle sind Bestandteil dieses Abkommens (Art. 119 des Abkommens).
Für die Anwendung des Zollsatzes Null der Wareneinfuhr aus einem EWR-Staat ist auf Grund dieser Bestimmungen somit neben der materiellen Voraussetzung des Ursprungs der Waren im EWR-Raum als weitere Voraussetzung die Vorlage der im Protokoll 4 Titel V angeführten Ursprungsnachweise erforderlich.
Wie die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid ausführte, wurde der Nachweis eines solchen Ursprungs der im Jahre 1994 in das damalige Zollgebiet Österreichs eingeführten Waren nach dem EWR-Abkommen trotz Aufforderung an den Beschwerdeführer nicht erbracht. Für diese Waren konnte daher die im EWR-Abkommen vereinbarte Zollfreiheit für die Ursprungswaren der Vertragsparteien nicht angewendet werden. Die Vorschreibung der Eingangsabgabenschuld für die aus den Niederlanden im Jahre 1994 nach Österreich eingeführten Waren hatte demnach ohne Anwendung des EWR-Abkommens nach den autonomen Zollbestimmungen Österreichs zu erfolgen. Somit erweist sich die Vorschreibung sowohl des Zolls als auch der sonstigen Eingangsabgaben sowie des Säumniszuschlages nach der Bundesabgabenordnung als nicht rechtswidrig.
Zur Bemessungsgrundlage der Abgaben stellte die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid fest, die Extasy-Tabletten seien vom Hauptzollamt Wien zolltarifarisch nicht als Suchtgift im Sinne des Suchtgiftgesetzes bzw. der Suchtgiftverordnung angesehen worden. Andernfalls wäre nämlich für diese Tabletten als Ware der Nummer 3004 ein Zollsatz von S 100.000,-- für ein Kilogramm zum Tragen gekommen. Die Rechtsmittelbehörde habe vielmehr den Zollsatz für nicht Suchtgift enthaltende Waren der Warennummer 300490 290 A9 herangezogen und der Abgabenberechnung zugrunde gelegt. Dies sei auch den den erstinstanzlichen Bescheiden angeschlossenen Berechnungsblättern zu entnehmen. Der in der Beschwerde erhobene Vorwurf, bei der Berechnung der Abgaben sei nicht auch auf die Menge, das Gewicht und die enthaltenen Substanzen entsprechend eingegangen worden, sodaß die tarifmäßige Einordnung der Waren zu Lasten des Beschwerdeführers unrichtig erfolgt sei, erweist sich somit als nicht berechtigt. Wenn in der Beschwerde weiters vorgebracht wird, die Behörde hätte auf Grund der Beschaffenheit der Tabletten, des Haschisch und des Kokains im Rahmen des Berufungsverfahrens Feststellungen dazu treffen müssen, ob eine Bemessung nach dem Suchtgiftreingehalt für den Beschwerdeführer nicht günstiger gewesen wäre, ist zu entgegnen, daß der Beschwerdeführer nach der im angefochtenen Bescheid wortwörtlich wiedergegebenen Berufung im Berufungsverfahren nichts gegen die Tarifierung und die Bewertung des Haschisch und Kokains vorgebracht und hinsichtlich der Extasy-Tabletten angemerkt hat, daß diese kein Suchtgift enthielten. Auch in der Beschwerde behauptet der Beschwerdeführer nicht einmal konkret, daß die Abgabenfestsetzung der Höhe nach rechtswidrig gewesen wäre.
Im angefochtenen Bescheid führte die belangte Behörde auch begründend aus, der Beschwerdeführer habe die Vorsatzdelikte des Schmuggels begangen und die Verjährungsfrist betrage daher zehn Jahre.
Gemäß § 207 Abs. 2 zweiter Satz BAO beträgt bei hinterzogenen Abgaben und Beiträgen die Verjährungsfrist zehn Jahre.
Da die Verjährung der Abgabenfestsetzung nach § 208 Abs. 1 lit. a BAO in den Fällen des § 207 Abs. 2 BAO mit Ablauf des Jahres beginnt, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist, und die Abgabentatbestände im Beschwerdefall in den Jahren 1992 bis 1994 verwirklicht wurden, kann bei Gegebensein der zehnjährigen Verjährungsfrist von einem Eintritt der Festsetzungsverjährung keine Rede sein.
Der Beschwerdeführer verkennt ferner die Rechtslage, wenn er rügt, die verfallenen Suchtgifterlöse seien nicht "berücksichtigt" worden. Dieses Vorbringen kann wohl nur so verstanden werden, daß er eine Einrechnung der verfallenen Suchtgifterlöse bei der Vorschreibung der Eingangsabgaben für rechtens hält. Das Gesetz sieht jedoch eine solche "Berücksichtigung" verfallener Suchtgifterlöse bei der Abgabenfestsetzung nicht vor.
Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.