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VwGH vom 23.02.1994, 90/13/0060

VwGH vom 23.02.1994, 90/13/0060

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Pokorny, Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Rätin Dr. Büsser, über die Beschwerde der T G.m.b.H. & Co KG in S, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. 6/4-4282/1/88-03, betreffend Investitionsprämie für das

4. Kalendervierteljahr 1983, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.660,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die beschwerdeführende Kommanditgesellschaft betreibt eine Discothek in einem ehemaligen Fabriksgebäude. Im Zusammenhang mit der im Jahr 1983 erfolgten Adaptierung des Lokales machte die Beschwerdeführerin Investitionsprämien für die Anschaffung der Geschäftsausstattung und für bauliche Maßnahmen geltend. Da bezüglich des 4. Kalendervierteljahres 1983 mehrere Verzeichnisse eingereicht wurden, setzte das Finanzamt die Investitionsprämie schließlich mit Bescheid vom in Höhe von S 1,426.245,-- (= 8 % von S 17,828.064,--) fest. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

Im Jahr 1987 fand bei der Beschwerdeführerin eine

abgabenbehördliche Prüfung statt. Dabei wurde u.a. festgestellt, daß die Investitionsprämie für das

4. Kalendervierteljahr 1983 teilweise zu Unrecht gutgeschrieben worden war. Zwei Videorecorder samt Tuner und eine Videocamera im Gesamtwert von S 46.980,-- wären tatsächlich nicht betrieblich verwendet, sondern an andere Personen weitergegeben worden. Ferner sei die Bemessungsgrundlage um den auf bauliche Investitionen in Höhe von S 8,483.750,-- entfallenden Betrag zu kürzen. Das adaptierte Gebäude habe vor dem Umbau nämlich keinem Gaststättenbetrieb, sondern der Textilfabrikation gedient, weshalb die Voraussetzung des § 2 Abs. 3 Z. 1 lit. a Investitionsprämiengesetz 1982 nicht erfüllt sei (kein nachträglicher Einbau in ein bereits vorher dem Gaststätten- und Beherbergungsgewerbe dienendes Gebäude).

In der Folge erließ das Finanzamt mit Datum vom einen neuen Festsetzungsbescheid. Darin wurde die Investitionsprämie für das 4. Kalendervierteljahr 1983 der Ansicht des Prüfers entsprechend mit lediglich S 743.787,-- (= 8 % von S 9,297.339,--) zuerkannt. Die Begründung dieses Bescheides erschöpfte sich in dem Vermerk "lt. BP" (= laut Betriebsprüfung).

Die Beschwerdeführerin erhob Berufung. Die Bemessungsgrundlage für die Investitionsprämie des Streitzeitraumes sei nur um die Anschaffungskosten der vom Prüfer nicht anerkannten Wirtschaftsgüter (S 46.980,--) zu kürzen. Was die Gebäudeinvestition anlange, habe der Prüfer hingegen die Rechtslage falsch beurteilt. Nach dem Gesetzeswortlaut gebühre die Investitionsprämie auch für (bestimmte) nachträgliche Einbauten in gemietete Lokale, wenn das Mietobjekt unmittelbar ab Beginn des Bestandverhältnisses dem Betrieb des Gaststättengewerbes zugeführt werde. Die ursprüngliche Anerkennung der Gebäudeinvestitionen als begünstigungsfähig im Zuge einer Umsatzsteuer-Nachschau im Jahr 1985 bestehe daher zu Recht. "Da neue Tatsachen nicht hervorgekommen" seien, "wäre hinsichtlich der Gebäudeinvestitionen kein neuer Bescheid zu erlassen" gewesen.

Die belangte Behörde gab der Berufung in dem strittigen Punkt der Investitionsprämie für bauliche Verbesserungen keine Folge. Von einem nachträglichen begünstigten Einbau im Sinne des § 2 Abs. 3 Z. 1 lit. a Investitionsprämiengesetz 1982 könne nur dann gesprochen werden, wenn das Objekt vor dem Erwerb oder der Pacht bereits dem Betrieb einer Gaststätte durch den Vorgänger gedient hätte. Dies treffe auf den Beschwerdefall nicht zu, weil das Gebäude vor den strittigen Umbauarbeiten Fabrikationszwecken gewidmet gewesen sei. Für die unmittelbar im Zuge der Verwendungsänderung angefallenen Aufwendungen stehe eine Investitionsprämie nicht zu. Da durch die abgabenbehördliche Prüfung hervorgekommen sei, daß die Beschwerdeführerin für nicht betrieblich verwendete Wirtschaftsgüter eine Investitionsprämie beansprucht habe, liege ein Wiederaufnahmsgrund vor, was es ermögliche, auch die aufgezeigte Unrichtigkeit hinsichtlich der Gebäudeinvestitionen aufzugreifen.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gehen zutreffend davon aus, daß eine Neufestsetzung der Investitionsprämie gegenständlich nur in einem gemäß § 303 Abs. 4 BAO wiederaufgenommenen Verfahren erfolgen durfte. Streit besteht hingegen, ob der neue Sachbescheid vom tatsächlich im wiederaufgenommenen Verfahren oder (zu Unrecht) als neuerlicher "Erstbescheid" ergangen ist.

Die belangte Behörde stellt nicht in Abrede, daß weder ein (gesonderter) Wiederaufnahmebescheid vorliegt, noch der geänderte Sachbescheid des Finanzamtes irgendeinen Hinweis auf die verfügte Wiederaufnahme enthält. Sie meint jedoch, dies sei entbehrlich, da der Sachbescheid in seiner Begründung auf die Betriebsprüfung Bezug nehme und der Betriebsprüfungsbericht neue Tatsachen hinsichtlich der strittigen Investitionsprämie aufzeige.

Der Gerichtshof teilt diese Ansicht nicht. Zwar bedarf es zur Wiederaufnahme eines Verfahrens keiner förmlichen Ausfertigung eines entsprechenden verfahrensrechtlichen Bescheides, doch muß der behördliche Wille, ein bestimmtes Verfahren wiederaufzunehmen, im neuen Sachbescheid zumindest zum Ausdruck kommen. In diesem Sinne reicht ein Vermerk "Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs. 4 BAO" hin, das Vorliegen eines (selbständig anfechtbaren) Wiederaufnahmebescheides anzunehmen (vgl. Stoll, Bundesabgabenordnung, Seite 733). Wird der neue Sachbescheid hingegen wie im Beschwerdefall lediglich mit den Worten "laut Betriebsprüfung" begründet, kann darin kein Ausspruch über die Wiederaufnahme des Verfahrens erblickt werden.

Ein fehlender Bescheidspruch ist auch nicht der sachgerechten Auslegung zugänglich. "Vergißt" die Abgabenbehörde einen Bescheid zu erlassen, gilt er selbst dann nicht als ergangen, wenn der Steuerpflichtige diesen Irrtum erkennt und den behördlichen Willen richtig aus den Gesamtumständen erschließt. Ein tatsächlich nicht erlassener Bescheid kann nicht deswegen als erlassen fingiert werden, weil die Person, an die er zu erlassen gewesen wäre, in ihrer Argumentation zu Unrecht davon ausgeht, der Bescheid sei erlassen worden. Dem Umstand, daß die Beschwerdeführerin in ihrer Berufung davon gesprochen hat, es lägen hinsichtlich der Gebäudeinvestitionen KEINE NEUEN TATSACHEN vor, kommt daher im gegebenen Zusammenhang keine Bedeutung zu.

Gegen die Auffassung, die die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift vertritt, es könne unbedenklich davon ausgegangen werden, der neue Sachbescheid sei im wiederaufgenommenen Verfahren ergangen, weil in der Begründung des angefochtenen Bescheides "darauf Bezug genommen" werde, spricht schon der Umstand, daß der angefochtene Bescheid nur dann eine rechtserhebliche Aussage betreffend die Wiederaufnahme des Verfahrens hätte treffen können, wenn ein entsprechender erstinstanzlicher Bescheid ergangen und mit Berufung bekämpft worden wäre. Dies war jedoch, wie bereits gesagt, nicht der Fall. Eine Sanierung dieses Mangels im angefochtenen Bescheid kam nicht in Betracht.

Der Beschwerde kommt daher schon deshalb Berechtigung zu, weil der (zweite) Sachbescheid des Finanzamtes vom ohne Verfügung der Wiederaufnahme gemäß § 303 Abs. 4 BAO einen unzulässigen Eingriff in die Rechtskraft des ursprünglichen Festsetzungsbescheides vom darstellt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 51/70).

Folglich durfte die belangte Behörde den (zweiten) Festsetzungsbescheid des Finanzamtes nicht bestätigen, auch wenn sie in der Sache zutreffend erkannt hat, daß die Begünstigung gemäß § 2 Abs. 3 Z. 1 lit. a Investitionsprämiengesetz 1982 im Beschwerdefall nicht in Betracht kommt. Der Gesetzgeber spricht nämlich ausdrücklich vom nachträglichen Einbau bestimmter Anlagen in Gebäude, die unmittelbar dem Betrieb des Gaststätten- und Beherbergungsgewerbes dienen. Gebäude, die diesem Zweck erst dienbar gemacht werden sollen, sind von der Begünstigung nicht erfaßt. Vielmehr ist Voraussetzung, daß ein Gebäude VOR dem Einbau der begünstigten Anlagen bereits unmittelbar den genannten Zwecken gedient hat. Bauliche Aufwendungen im Zusammenhang mit der Umwidmung eines bisher für andere Zwecke genutzten Gebäudes sind somit ebensowenig begünstigt wie eine entsprechende Ausgestaltung anläßlich der Neuerrichtung solcher Gebäude.

Aus dem vorstehend aufgezeigten Grund war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben, womit es sich erübrigte, auf das weitere Beschwerdevorbringen, insbesondere zum Fehlen eines Wiederaufnahmegrundes, einzugehen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 104/1991. Stempelgebühren waren nur in dem Ausmaß zu ersetzen, in dem sie durch Schriftsätze und Beilagen verursacht wurden, zu deren Vorlage die Beschwerdeführerin verhalten war bzw. die der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung dienten.