VwGH vom 29.04.1998, 98/16/0111
Beachte
Abgehen von Vorjudikatur (demonstrative Auflistung):
98/16/0222 E ;
(RIS: abgv)
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde der I Ges.m.b.H in W, vertreten durch Dr. Heinz Edelmann, Rechtsanwalt in Wien VI, Windmühlgasse 30, gegen den Bescheid des Präsidenten des Handelsgerichtes Wien vom , Zl. Jv 474-33/98, betreffend Gerichtsgebühren, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Aus der Beschwerde und dem mit der Beschwerde vorgelegten angefochtenen Bescheid ergibt sich nachfolgender Sachverhalt:
Aufgrund eines Antrages um Firmenbucheintragung vom wurde der Beschwerdeführerin eine Pauschalgebühr in Höhe von 0,55 % des Stammkapitals, nämlich ein Betrag von S 2.750,-- vorgeschrieben und am durch Überweisung entrichtet. Am beantragte die Beschwerdeführerin, diese anläßlich ihrer Firmenbucheintragung entrichtete Pauschalgebühr aufgrund des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 97/16/0050, 0061, zurückzuerstatten. Diesen Antrag wies die belangten Behörde mit dem angefochtenen Bescheid ab. Aufgrund der Regelung des Art. XII Abs. 12 zweiter Satz des Insolvenzrechtsänderungsgesetzes in der Fassung der Erweiterten Wertgrenzennovelle sind die Bestimmungen der Tarifpost 10 des Gerichtsgebührengesetzes schon dann anzuwenden, wenn wie im vorliegenden Fall das Firmenbuchgericht die Eintragung nach dem vorgenommen hat. Da dieser Maßnahme ein vor dem bei Gericht eingelangter Antrag zugrundelag, durfte die Gebühr insgesamt den Betrag nicht übersteigen, der nach Tarifpost 10 GGG alter Rechtslage zu entrichten war. Unter Hinweis auf eine von der belangten Behörde vorgenommene Gebührenaufstellung führte sie aus, daß die Gerichtsgebühr nach der neuen Tarifpost 10 des Gerichtsgebührengesetzes in der Fassung des Insolvenzrechtsänderungsgesetzes 1997 höher als die im Eintragungszeitpunkt maßgeblich gewesen Pauschalgebühr war. Dem Rückzahlungsantrag konnte daher nicht stattgegeben waren.
Im angefochtenen Bescheid wurde von nachstehender Gebührenaufstellung ausgegangen, wobei die dort gleichfalls ausgewiesene Veröffentlichungsgebühr von S 3.000,-- im verwaltungsgerichtlichen Verfahren keine Rolle spielt:
"GEBÜHRENAUFSTELLUNG
gemäß Tarifpost 10 I GGG in der Fassung BGBl.I.Nr. 114/1997
Eingabengebühr (lit a Z 7) ..................... S 400,--
Veröffentlichungsgebühr ........................ S 3.000,--
Eintragungsgebühren für Neueintragungen:
Firma (lit b Z 1) .............................. S 100,--
Sitz (lit b Z 2) ............................... S 100,--
Geschäftsanschrift (lit b Z 3) ................. S 100,--
Kapital (lit b Z 4) ............................ S 1.500,--
Gesellschaftsvertrag (lit b Z 14) .............. S 1.000,--
Geschäftsführer (lit c Z 3) .................... S 300,--
Gesellschafter (lit c Z 8) ..................... S 200,--
Gesamtsumme der von der antragstellenden Partei
zu tragenden Gerichtsgebühren .................. S 6.700,--
entrichtete Gebühren ........................... S 5.750,--"
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Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht verletzt erachtet, gemäß § 30 Abs. 2 GGG ohne Zahlungsauftrag entrichtete Gebühren zurückgezahlt zu erhalten, wenn diese Gebühren nicht oder in einem geringeren Betrag geschuldet werden, sowie in ihrem Recht auf Anwendungsvorrag des Gemeinschaftsrechtes.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Bis zu den im Insolvenzrechtsänderungsgesetz 1997, BGBl. I Nr. 114, enthaltenen Änderungen des Gerichtsgebührengesetzes sah die Tarifpost 10 D I a 3. GGG bei Gesellschaften mit beschränkter Haftung eine Pauschalgebühr in Höhe von 5,5 vT vom Stammkapital vor. Der Verwaltungsgerichtshof hat ausgesprochen, daß eine Pauschalgebühr, die nicht nach den (allenfalls pauschaliert ermittelten) Kosten des Eintragungsvorganges, sondern im Wege der Anwendung eines Tausendsatzes vom Betrag des Kapitals bemessen wird, dem Gemeinschaftsrecht, und zwar der Richtlinie des Rates betreffend indirekte Steuern auf die Ansammlung von Kapital (69/335/EWG), Art. 10, widerspricht (hg. Erkenntnis vom , Zl. 97/16/0050, 0061). Die entgegenstehende innerstaatliche Norm wurde vom Gemeinschaftsrecht verdrängt.
Durch das Insolvenzrechtsänderungsgesetz 1997, BGBl. I Nr. 114, fand die Tarifpost 10 GGG eine umfassende Änderung insoferne, als für dort aufgelistete Einzelleistungen fixe Gebühren vorgeschrieben sind; deren Höhe kann aus der eingangs dargelegten Aufstellung entnommen werden. Die Vergebührung der Einzelleistungen mit festen Gebühren entspricht den Anforderungen, wie sie der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaft (EuGH) in Anwendung des Art. 12 Abs. 1 lit. e der Richtlinie schon im Urteil PONENTE-CARNI gefordert hat und wie dies nunmehr in dem von der Beschwerdeführerin herangezogenen Urteil FANTASK A/S vom , C-188/95, wiederholt wurde: (Spruch Pkt.1)
"Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe e der Richtlinie 69/335/EWG des Rates vom betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital in der durch die Richtlinie 85/303/EWG des Rates vom geänderten Fassung ist dahin auszulegen, daß die bei der Eintragung von Aktiengesellschaften und Gesellschaften mit beschränkter Haftung und bei der Erhöhung des Kapitals dieser Gesellschaften erhobenen Abgaben, um Gebührencharakter zu haben, allein auf der Grundlage der Kosten der betreffenden Förmlichkeiten berechnet werden müssen, wobei in diese Beträge auch die Kosten unbedeutender gebührenfreier Vorgänge eingehen dürfen. Für die Bemessung dieser Beträge kann ein Mitgliedstaat sämtliche Kosten berücksichtigen, die mit den Eintragungen zusammenhängen, einschließlich des auf diese Vorgänge entfallenden Teils der allgemeinen Kosten. Zudem kann ein Mitgliedstaat pauschale Abgaben vorsehen und deren Höhe zeitlich unbegrenzt festsetzen, wenn er sich in regelmäßigen Abständen vergewissert, daß diese Beträge nicht die durchschnittlichen Kosten der betreffenden Vorgänge übersteigen."
Die nunmehr richtlinienkonforme Tarpifpost 10 - nichts Gegenteiliges hat die Beschwerde aufgezeigt - findet auf die gegenständliche, am beantragte Eintragung Anwendung, weil mit BGBl. I Nr. 140/1997 die im Insolvenzrechtsänderungsgesetz diesbezüglich enthaltene Übergangsbestimmung wie folgt geändert wurde:
"Artikel VIII Z. 7 (Tarifpost 10 GGG) ist anzuwenden, wenn das Firmenbuchgericht die Eintragung nach dem vorgenommen hat; ist zudem die Eingabe vor dem beim Firmenbuchgericht eingelangt, so dürfen die Gebühren insgesamt den Betrag nicht übersteigen, der nach
Tarifpost 10 GGG in der im Zeitpunkt der Entstehung des Gebührenanspruches (§ 2 Z. 4 GGG) und vor Inkrafttreten des Artikel VIII des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 114/1997 maßgebenden Fassung zu entrichten war."
Mit dieser rückwirkenden Regelung (BGBl. I 114/1997 sah die Anwendung der neuen Tarifpost für den Fall vor, daß der Antrag auf Vornahme der Amtshandlung nach dem beim Firmenbuchgericht eingelangt ist), hat sich der Verfassungsgerichtshof im Beschluß vom , B 373/98, befaßt und ausgesprochen, daß angesichts der österreichischen und der gemeinschaftsrechtlichen Rechtslage die Rechtsunterworfenen nicht darauf vertrauen konnten, daß die Eintragung ins Firmenbuch endgültig gänzlich gebührenfrei bleiben würde. In diesem Beschluß wurde die Behandlung einer an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Beschwerde abgelehnt.
Der hier gegenständliche Antrag auf Rückzahlung der Gebühren richtet sich nach § 30 Abs. 2 Z. 1 GGG. Danach sind Gebühren zurückzuzahlen, wenn sie ohne Zahlungsauftrag entrichtet wurden, sich aber in der Folge ergibt, daß überhaupt nichts oder ein geringerer Betrag geschuldet wurde. Diese Bestimmung hat durch Art. XXXII Abs. 1 Punkt 20
BGBl. Nr. 140/1997 insofern eine Änderung erfahren, als der vorgenannte Art. XXX leg. cit. mit der Maßgabe anzuwenden ist, daß abweichend von der Regelung des § 30 GGG ein Übermaß an Gebühren, für die der Anspruch des Bundes vor dem begründet wurde, nur auf Antrag zurückzuzahlen ist und daß der Umstand, daß die Gebühr aufgrund eines Zahlungsauftrages entrichtet worden ist, einer Rückzahlung nicht entgegensteht.
Die belangte Behörde hat nun die Gebühr ermittelt, die sich nach der rückwirkend in Kraft gesetzten neuen Bestimmung der TP 10 GGG ergibt, die seinerzeit vorgeschriebene Gebühr gegenübergestellt und ermittelt, daß die neue Gebühr höher ist als die früher vorgeschrieben gewesene. Aus diesem Grunde hat sie den Rückzahlungsantrag als unbegründet abgewiesen.
Dem hält die Beschwerdeführerin entgegen, es hätte ein Zahlungsauftrag oder eine Gebührenvorschreibung nach der neuen Rechtslage erlassen werden müssen; ein derartiger Zahlungsauftrag sei nicht erlassen worden, sodaß die Behörde nicht berechtigt gewesen sei, in Form einer Aufrechnung gegen den nach § 30 GGG bestehenden Rückforderungsanspruch mit ihrem allfällig nach der neuen Rechtslage bestehenden Gebührenanspruch zu kompensieren. Das Gesetz biete keine Handhabe für eine derartige Kompensation. Es sei auch keine Aufrechnungserklärung abgegeben worden.
Die von der Beschwerdeführerin bekämpfte "Aufrechnung" liegt hier nicht vor. Aufgrund der durch den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union am gegebenen Verdrängung der früheren Gebührenbestimmung und der rückwirkend in Kraft gesetzten Neuregelung ist davon auszugehen, daß für das Firmenbuchgesuch vom bereits die Gebührenbestimmung des Insolvenzrechtsänderungsgesetzes BGBl. I Nr. 114/1997 Anwendung findet. Diese Rechtslage ist Basis für die Beurteilung, ob die Beschwerdeführerin im Sinne des § 30 Abs. 2 Z. 1 GGG nichts oder einen geringeren Betrag schuldete. Anhand der neuen Rechtslage hätte aber die Gesamtgebühr S 3.700,-- betragen, sodaß das Rückzahlungsbegehren unberechtigt ist.
Die Beschwerdeführerin meint nun, daß die Rückerstattung europarechtlich geboten sei und verweist abermals auf das EuGH-Urteil in der Sache FANTASK A/S, wo es unter Zitierung der EuGH-Rechtsprechung heißt:
"Nach dieser Rechtsprechung ist das Recht auf Erstattung von Abgaben, die ein Mitgliedstaat unter Verstoß gegen die Vorschriften des Gemeinschaftsrechts erhoben hat, Folge und Ergänzung der Rechte, die den einzelnen aus den gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften zustehen, die solche Abgaben verbieten."
Dabei verkennt die Beschwerdeführerin, daß die nach der bereinigten Rechtslage zur Anwendung kommende Gebühr nicht mehr der Richtlinie widerspricht, sodaß keine Rückerstattung in Betracht kommt. Das genannte EuGH-Urteil enthält auch nicht den behaupteten generellen Rechtssatz, wonach es das Gemeinschaftsrecht einem Mitgliedstaat (in allen Fällen) verwehre, die Erstattung von Abgaben, die unter Verstoß gegen die Gesellschaftsteuerrichtlinie eingehoben wurden, abzulehnen.
Insoferne lautet der Tenor des EuGH-Urteils wie folgt:
"2. Nach dem Gemeinschaftsrecht können Klagen auf Erstattung von Abgaben, die unter Verstoß gegen die Richtlinie 69/335 in ihrer geänderten Fassung erhoben worden sind, nicht mit der Begründung abgewiesen werden, daß die Erhebung dieser Abgaben auf einem entschuldbaren Irrtum der Behörden des Mitgliedstaates beruht, da die betreffenden Abgaben lange Zeit erhoben worden sind, ohne daß die Behörden oder die Abgabenpflichtigen sich ihrer Rechtswidrigkeit bewußt gewesen sind.
3. Das Gemeinschaftsrecht verwehrt es bei seinem derzeitigen Stand einem Mitgliedstaat, der die Richtlinie 69/335 in ihrer geänderten Fassung nicht ordnungsgemäß umgesetzt hat, nicht, sich gegenüber Klagen auf Erstattung von Abgaben, die unter Verstoß gegen diese Richtlinie erhoben worden sind, auf eine nationale Verjährungsfrist, die vom Zeitpunkt der Fälligkeit der betreffenden Forderungen an läuft, zu berufen, sofern diese Frist für die Geltendmachung auf Gemeinschaftsrecht gestützter Ansprüche nicht ungünstiger ist als für die Geltendmachung auf innerstaatliches Recht gestützter Ansprüche und die Ausübung der durch die Gemeinschaftsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich macht oder übermäßig erschwert.
4. Artikel 10 in Verbindung mit Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe e der Richtlinie 69/335 in ihrer geänderten Fassung begründet für den einzelnen Rechte, auf die er sich vor den nationalen Gerichten berufen kann."
Die Beschwerdeführerin verkennt, daß, wie der Verfassungsgerichtshof im zitierten Ablehnungsbeschluß ausgesprochen hat, sie nicht darauf vertrauen konnte, daß die Eintragung ins Firmenbuch endgültig gänzlich gebührenfrei bleiben würde. Derartiges wird auch nicht von der Judikatur des EuGH gefordert.
Da somit schon der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.