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VwGH vom 21.10.1998, 96/09/0078

VwGH vom 21.10.1998, 96/09/0078

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Enzlberger, über die Beschwerde der E H in L, vertreten durch Dr. Aldo Frischenschlager und Dr. Dieter Gallistl, Rechtsanwälte in Linz, Landstraße 15, gegen den Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Oberösterreich vom , Zl. B3-6702 B ABA Nr. 569 181 Dr.Auf/Eb, betreffend Versagung einer Arbeitserlaubnis nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Arbeitsmarktservice hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom wurde der Antrag der Beschwerdeführerin vom auf Ausstellung einer Arbeitserlaubnis nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 14a Abs. 1 AuslBG abgewiesen.

Zur Begründung führte die belangte Behörde nach Darlegung des Verfahrensverlaufes und der maßgebenden Rechtslage im wesentlichen aus, die Beschwerdeführerin sei ab bei dem Arbeitgeber KGM-F in W beschäftigt gewesen und habe vom bis Wochengeld bezogen. Seit habe die Beschwerdeführerin Karenzurlaubsgeld erhalten. Das Dienstverhältnis der Beschwerdeführerin sei am auf Grund der Betriebsschließung des KGM-F beendet worden. In den letzten 14 Monaten (rückgerechnet sowohl vom Datum der erstinstanzlichen als auch der zweitinstanzlichen Entscheidung) habe die Beschwerdeführerin somit nur Karenzurlaubsgeld bezogen. Beschäftigungszeiten für den Anspruch auf Ausstellung einer Arbeitserlaubnis könnten jedoch nur Zeiten sein, in denen der Ausländer tatsächlich der Arbeit beim Arbeitgeber nachgehe und mit einer Tätigkeit beschäftigt gewesen sei. Karenzurlaubszeiten ohne Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses beim selben Arbeitgeber nach Beendigung des Karenzurlaubes könnten nicht als Beschäftigungszeiten im Sinne des § 14a Abs. 1 AuslBG anerkannt werden. Die Beschwerdeführerin sei bis in einem aufrechten Arbeitsverhältnis (zum Arbeitgeber KGM-Familia) gestanden, sie sei aber "nicht in Beschäftigung", sondern in Karenzurlaub gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht auf Ausstellung einer Arbeitserlaubnis nach dem AuslBG verletzt. Sie beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin bringt unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit unter anderem vor, entscheidend sei, daß das Dienstverhältnis trotz des Beschäftigungsverbotes nach dem Mutterschutzgesetz und des Karenzurlaubes bis zum rechtlich aufrecht gewesen sei. Allein dieses aufrechte Dienstverhältnis reiche hin, die Zeiten bis zur Beendigung des Dienstverhältnisses als Beschäftigungszeiten im Sinne des AuslBG zu werten. Der tatsächliche Wiederantritt der Arbeit nach dem Karenzurlaub (der im vorliegenden Fall jedoch auf Grund der Dienstgeberkündigung nicht möglich gewesen sei) sei nicht Tatbestandsvoraussetzung des § 14a Abs. 1 AuslBG. Den Gesetzesmaterialien sei zu entnehmen, daß Karenzurlaube nach dem Mutterschutzgesetz innerhalb eines Dienstverhältnisses als Beschäftigungszeiten zu gelten hätten. Der Karenzurlaub bis zum Ende des Dienstverhältnisses zähle als Beschäftigungszeit im Sinne des AuslBG.

Schon mit diesem Vorbringen ist die Beschwerde im Recht.

Gemäß § 14a Abs. 1 AuslBG (BGBl. Nr. 450/1990 in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung der Novelle BGBl. Nr. 475/1992) ist einem Ausländer auf Antrag eine Arbeitserlaubnis auszustellen, wenn der Ausländer in den letzten 14 Monaten insgesamt 52 Wochen im Bundesgebiet im Sinne des § 2 Abs. 2 mit einer dem Geltungsbereich dieses Bundesgesetzes unterliegenden Tätigkeit erlaubt beschäftigt war.

Gemäß § 15 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. ist einem Ausländer auf Antrag ein Befreiungsschein auszustellen, wenn der Ausländer während der letzten acht Jahre mindestens fünf Jahre im Bundesgebiet im Sinne des § 2 Abs. 2 mit einer dem Geltungsbereich dieses Bundesgesetzes unterliegenden Tätigkeit erlaubt beschäftigt war.

Als Beschäftigung gilt zufolge § 2 Abs. 2 AuslBG die Verwendung


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a)
in einem Arbeitsverhältnis
b)
in einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis, sofern die Tätigkeit nicht auf Grund gewerberechtlicher oder sonstiger Vorschriften ausgeübt wird
c) in einem Ausbildungsverhältnis, einschließlich der Tätigkeiten nach § 3 Abs. 5,
d)
nach den Bestimmungen des § 18 oder
e)
überlassener Arbeitskräfte im Sinne des § 3 Abs. 4 des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes, BGBl. Nr. 196/1988.
Gemäß § 15 Abs. 1 Mutterschutzgesetz (MSchG, BGBl. Nr. 221/1979 in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 70/1998) ist Dienstnehmerinnen auf ihr Verlangen im Anschluß an die Frist des § 5 Abs. 1 und 2 ein Urlaub gegen Entfall des Arbeitsentgelts (Karenzurlaub) bis zum Ablauf des zweiten Lebensjahres des Kindes zu gewähren. Das gleiche gilt, wenn anschließend an die Frist nach § 5 Abs. 1 und 2 ein Gebührenurlaub verbraucht wurde oder die Dienstnehmerin durch Krankheit oder Unglücksfall an der Dienstleistung verhindert war.
Nach Abs. 1 a dieser Gesetzesstelle kann die Dienstnehmerin neben ihrem karenzierten Dienstverhältnis eine geringfügige Beschäftigung im Sinne des § 5 Abs. 2 lit. a bis c des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes, BGBl. Nr. 189/1955 (ASVG), ausüben. Eine Verletzung der Arbeitspflicht bei dieser geringfügigen Beschäftigung hat keine Auswirkungen auf das karenzierte Dienstverhältnis. Der Zeitpunkt der Arbeitsleistung im Rahmen der geringfügigen Beschäftigung ist zwischen Dienstnehmerin und Dienstgeber vor jedem Arbeitseinsatz zu vereinbaren.
Wird Karenzurlaub nach Abs. 1 gewährt, so erstreckt sich zufolge Abs. 4 dieser Gesetzesstelle der Kündigungs- und Entlassungsschutz nach den §§ 10 und 12 bis zum Ablauf von vier Wochen nach Beendigung des Karenzurlaubes.
Gemäß § 10 Abs. 3 MSchG kann abweichend von den Abs. 1 und 2 (Kündigungs- und Entlassungsschutzbestimmungen des § 10 Abs. 1 und 2 leg. cit.) eine Kündigung rechtswirksam ausgesprochen werden, wenn vorher die Zustimmung des Gerichts eingeholt wurde. Der Dienstgeber hat gleichzeitig mit der Erbringung der Klage dem Betriebsrat hierüber Mitteilung zu machen. Die Zustimmung zur Kündigung ist nur dann zu erteilen, wenn der Dienstgeber des Dienstverhältnis wegen einer Einschränkung oder Stillegung des Betriebes oder der Stillegung einzelner Betriebsabteilungen nicht ohne Schaden für den Betrieb weiter aufrecht erhalten kann oder wenn sich die Dienstnehmerin in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung nach Rechtsbelehrung der Parteien durch den Vorsitzenden über den Kündigungsschutz nach diesem Bundesgesetz mit der Kündigung einverstanden erklärt. Nach Stillegung des Betriebes ist eine Zustimmung des Gerichts zur Kündigung nicht erforderlich.
Die mit der Änderung des AuslBG durch die Novelle BGBl. Nr. 450/1990 geschaffene Arbeitserlaubnis (§ 14a) verfolgt das Ziel, die Integration von Ausländern, welche bereits länger in Österreich gearbeitet haben, aber noch keinen Anspruch auf den Befreiungsschein haben, zu verbessern. Ausländern, die in den letzten 14 Monaten insgesamt 52 Wochen erlaubt beschäftigt waren, soll ein Anspruch auf Arbeitserlaubnis eröffnet werden. Die Arbeitserlaubnis soll dem Ausländer ermöglichen, eine Beschäftigung aufzunehmen, ohne daß vorher ein förmliches arbeitsplatzbezogenes Verfahren (über Antrag eines Arbeitgebers) abgewickelt werden muß.
Diese mit der Arbeitserlaubnis verfolgte Zielsetzung liegt auch der schon in der Stammfassung des AuslBG (BGBl. Nr. 218/1975) enthaltenen Regelung des Befreiungsscheines (§ 15) zugrunde. Den Gesetzesmaterialien zur Stammfassung (1451 Blg. NR 13. GP, Seite 30) ist unter anderem zu der im Beschwerdefall strittigen Frage der Anrechnung der Zeit des Karenzurlaubes zu entnehmen, daß die Bestimmungen hinsichtlich der Anrechnung von sogenannten Ersatzzeiten (früher § 15 Abs. 2 leg. cit.) keine Anwendung finden sollen, so lange die Ausländerin in einem Beschäftigungsverhältnis steht und Leistungen aus Anlaß der Mutterschaft erhält, weil eine Unterbrechung des Beschäftigungsverhältnisses nicht vorliegt. Lediglich wenn das Beschäftigungsverhältnis beendet wurde, sind Zeiten, in denen die Ausländerin Wochengeld, Sonderunterstützung oder Karenzurlaubsgeld erhalten hat, als sogenannte Ersatzzeiten im Sinne des Abs. 2 lit. c und d anzusehen.
Vor diesem Hintergrund des in der Stammfassung des AuslBG enthaltenen Systems von Ersatzzeitenregelungen bei der Erlangung eines Befreiungsscheines wurde durch die genannte Novelle BGBl. Nr. 450/1990 der Zugang zum Befreiungsschein unter anderem dahingehend weiter erleichtert, daß nach der Neuregelung das administrativ aufwendige System der Ersatzzeiten entfiel. Den Gesetzesmaterialien zur genannten Novelle (1462 Blg. NR 17. GP, Seite 3) ist unter anderem zu entnehmen, daß durch die Neuregelung ermöglicht werde, innerhalb von acht Jahren drei volle Karenzurlaube nach dem Mutterschutzgesetz außerhalb eines Dienstverhältnisses ohne Verlust der Anwartschaft auf den Befreiungsschein in Anspruch zu nehmen. Gleichzeitig wird aber ausdrücklich festgehalten, daß Karenzurlaub nach dem Mutterschutzgesetz innerhalb eines Dienstverhältnisses auch nach der Neuregelung als Beschäftigungszeiten gelten und demnach voll auf die fünf Jahre Beschäftigungszeiten anzurechnen sind. Soll diese zur Neuregelung des Befreiungsscheines erklärte Absicht des Gesetzgebers betreffend die Anrechnung von Zeiten eines Karenzurlaubes nach dem Mutterschutzgesetz verwirklicht werden, dann muß die Zeit des Karenzurlaubes nach dem Mutterschutzgesetz innerhalb eines Dienstverhältnisses in gleicher Weise bei Beurteilung der zeitlichen Voraussetzungen zur Erlangung einer Arbeitserlaubnis nach dem AuslBG als anrechenbare Beschäftigungszeit angesehen werden, stimmen doch - abgesehen von zeitlichen Unterschieden (52 Wochen in den letzten 14 Monaten bzw. während der letzten acht Jahre mindestens fünf Jahre) - die Regelungen über die Arbeitserlaubnis nach § 14a Abs. 1 AuslBG und über den Befreiungsschein nach § 15 Abs. 1 Z. 1 AuslBG hinsichtlich der Tatbestandsvoraussetzung, daß eine erlaubte Beschäftigung im Sinne des § 2 Abs. 2 mit einer dem Geltungsbereich dieses Bundesgesetzes unterliegenden Tätigkeit erforderlich ist, wörtlich überein.
Die belangte Behörde hat daher die Rechtslage verkannt, wenn sie davon ausging, daß bei Beurteilung der anrechenbaren Beschäftigungszeiten zur Erlangung einer Arbeitserlaubnis nach dem AuslBG nur solche Zeiten berücksichtigt werden dürften, in denen der Ausländer "tatsächlich der Arbeit beim Arbeitgeber nachgeht". Zu diesem Ergebnis gelangte die belangte Behörde durch Verkennung des normativen Gehalts der Bestimmung des § 2 Abs. 2 AuslBG, kann doch dieser auf eine weite Umschreibung der Beschäftigung gerichteten Regelung nicht entnommen werden, daß ein aufrechtes (nach den Umständen des Beschwerdefalles lediglich karenziertes) Dienstverhältnis nicht als Beschäftigung zu gelten habe. Aus dem Umstand, daß nach § 2 Abs. 2 AuslBG auch die Verwendung unter bestimmten Umständen und ohne ein rechtliches Verhältnis für die Verwirklichung des Tatbestandes der Beschäftigung nach dem AuslBG genügt (vgl. dazu auch die Gesetzesmaterialien 1451 Blg. NR 13. GP, Seite 20) kann nicht der (unzulässige) Umkehrschluß gezogen werden, im Falle eines gültigen und aufrechten Dienstverhältnisses (arbeitsrechtlichen Vertragsverhältnisses) liege keine Beschäftigung vor.
Dadurch, daß die belangte Behörde somit in Verkennung der Rechtslage zu einer negativen Sachentscheidung über den Antrag der Beschwerdeführerin auf Ausstellung einer Arbeitserlaubnis nach dem AuslBG gelangte, belastete sie aus den dargelegten Gründen den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit § 41 AMSG und der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am