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VwGH vom 29.04.1992, 90/13/0036

VwGH vom 29.04.1992, 90/13/0036

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schubert und die Hofräte Dr. Pokorny, Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde des P in W, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Berufungssenat VI, vom , GZ 6/3-3329/89-05, betreffend Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuer 1985, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.570,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Nach dem Bericht über eine bei dem in Wien wohnhaften Beschwerdeführer hinsichtlich der Jahre 1983-1985 durchgeführte Betriebsprüfung wurde dieser vom Kreisgericht K. wegen bandenmäßigen und gewerbsmäßigen Schmuggels - begangen zwischen dem und dem - rechtskräftig verurteilt. Im Zuge der Ermittlungen der Zollbehörden seien bei einer Hausdurchsuchung fünf Notizbücher beschlagnahmt worden. Der Beschwerdeführer habe 1985 unter Mithilfe weiterer Beteiligter Silber in das Inland eingeführt und andererseits Uhren und Schmuckstücke nach Polen ausgeführt. Der Ermittlung der Bemessungsgrundlagen seien die Aufzeichnungen in den Notizbüchern unter der Annahme eines durchschnittlichen Aufschlages von 100 % zugrundegelegt worden.

In der Berufung gegen die nach der Betriebsprüfung erlassenen Bescheide wurde zunächst die Auffassung vertreten, daß "bei Einkünften, die durch strafbare Handlungen erworben werden, keine Abgabenpflicht" entstehe. Weiters wurde vom Beschwerdeführer geltend gemacht, er sei im gerichtlichen Strafverfahren zu einer Wertersatzstrafe in Höhe von S 4,841.542,24, also in Höhe des Zollwertes der geschmuggelten Waren, verurteilt worden. Da der Beschwerdeführer somit ein Vielfaches des Gewinnes zu bezahlen habe, habe die Schmuggeltätigkeit insgesamt zu einem Verlust geführt. Zudem sei die aus dem Prüfungsbericht ersichtliche Annahme, daß die gesamte geschmuggelte Ware im Inland verkauft worden sei, unrichtig. Vielmehr sei das Schmuggelgut zum Teil in der Bundesrepublik Deutschland verkauft worden. Weiters sei vom Gericht festgestellt worden, daß der Beschwerdeführer nicht sämtliche dreizehn Schmuggelfahrten durchgeführt hatte; vielmehr seien einige Schmuggelfahrten von zwei diesbezüglich verurteilten Bandenmitgliedern durchgeführt worden. Die Einfuhrumsatzsteuer für dreizehn zwischen dem und dem gesetzten Tathandlungen (Schmuggel von Silber, Palladium, Zigaretten und Kaviar) sei mit S 808.082,-- errechnet worden. Demgegenüber sei die Umsatzsteuer für 1985 mit S 1,479.515,15 festgesetzt worden.

Aus den vom Beschwerdeführer geführten genauesten Aufzeichnungen über die Schmuggelfahrten gehe hervor, daß der Gewinn pro kg Silber höchstens S 800,-- betragen habe. Insgesamt seien - einschließlich der Schmuggelfahrten der Bandenmitglieder - 1157 kg Silber geschmuggelt worden. Das ergebe - bei Zuordnung des gesamten geschmuggelten Silbers an den Beschwerdeführer - für 1985 einen Gewinn von lediglich S 869.600,-- statt der rd. 1,7 Mio S lt. Betriebsprüfung.

Der Beschwerdeführer beantragte, die Akten des Kreisgerichtes K. und des Zollamtes W. (Schlußbericht) beizuschaffen.

Das Finanzamt erließ Berufungsvorentscheidungen. Dabei wurden die Umsätze des Jahres 1985 ausgehend von Bruttoeinnahmen in Höhe von S 4,057.050,-- und der Gewinn 1985 ausgehend von einem Rohgewinn von S 869.600,-- - von dem noch Beträge an Umsatzsteuer und Gewerbesteuer abgezogen wurden - ermittelt.

Der Beschwerdeführer stellte den Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde der Berufung teilweise stattgegeben. Die Abgaben wurden in der in den Berufungsvorentscheidungen ausgewiesenen Höhe festgesetzt.

In der Beschwerde, die sich ausdrücklich nur gegen die Abgabenvorschreibung des Jahres 1985 richtet, werden inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Soweit der angefochtene Bescheid Einkommen- und Gewerbesteuer für 1985 betrifft, hat die belangte Behörde darin allein die Tätigkeit des Beschwerdeführers im Zusammenhang mit der Einfuhr von Silber gewürdigt. Weder die Tätigkeit des der Aktenlage nach unbeschränkt steuerpflichtigen Beschwerdeführers im Zusammenhang mit der Einfuhr anderer Waren noch die Tätigkeit im Zusammenhang mit der Ausfuhr von Waren wurde im angefochtenen Bescheid der Abgabenbemessung zugrunde gelegt. Auf diese Tätigkeiten hat der Verwaltungsgerichtshof daher nicht einzugehen.

Die belangte Behörde ist in der Begründung des angefochtenen Bescheides davon ausgegangen, daß auch durch strafbare Handlungen erzielte Einkünfte grundsätzlich der Besteuerung unterliegen. Damit ist die Behörde im Recht, weil die Erhebung einer Abgabe gemäß § 23 Abs. 2 BAO nicht dadurch ausgeschlossen wird, daß ein Verhalten, das den abgabepflichtigen Tatbestand erfüllt oder einen Teil des abgabepflichtigen Tatbestandes bildet, gegen ein gesetzliches Gebot oder Verbot oder gegen die guten Sitten verstößt. Nach dieser Gesetzesstelle können somit insbesondere auch die einer Schmuggeltätigkeit nachfolgenden Verwertungshandlungen abgabenrechtliche Folgen nach sich ziehen (vgl. zur Verwertung gestohlener Sachen die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , 509/73, und vom , 1326 - 1328/79).

Abgesehen von den Ausführungen über die abgabenrechtlichen Folgen strafbarer Handlungen hat sich die belangte Behörde darauf beschränkt, ihre Entscheidung folgendermaßen zu begründen:

"In der Berufungsvorentscheidung ist das Finanzamt unwidersprochen den Intentionen des Bw. gefolgt, indem es - wiederum unwidersprochen - nur dem Bw. Zuordenbares den Bemessungsgrundlagen zugrundelegte."

Da somit keine Unrichtigkeit der Berufungsvorentscheidungen aufgezeigt worden sei, würden die in den Berufungsvorentscheidungen ausgewiesenen Bemessungsgrundlagen in die Berufungsentscheidung übernommen.

Die belangte Behörde hat damit nicht beachtet, daß nach dem fünften Satz des § 276 Abs. 1 BAO eine Berufung wiederum als unerledigt gilt, wenn nach Erlassung einer Berufungsvorentscheidung rechtzeitig ein Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz eingebracht wird. Dies bedeutet, daß die Abgabenbehörde zweiter Instanz ungeachtet dessen über alle Berufungsanträge zu entscheiden hat, ob der genannte Antrag auf Entscheidung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz weitere Ausführungen zur Sache enthält oder nicht.

Die belangte Behörde hat demgegenüber eine Auseinandersetzung mit sämtlichen Berufungsanträgen unterlassen und somit gegen die Begründungspflicht im Sinne des § 288 Abs. 1 lit. d BAO verstoßen. Insbesondere ist die Behörde in keiner Weise auf das Vorbringen des Beschwerdeführers eingegangen, er habe an einigen Schmuggelfahrten nicht teilgenommen. In diesem Verstoß gegen die Begründungspflicht ist eine Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gelegen, weil die belangte Behörde bei Einhaltung derselben zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Dabei konnte den Akten, die von der belangten Behörde dem Verwaltungsgerichtshof nur unvollständig vorgelegt worden sind, nicht entnommen werden, ob dem Beweisantrag, die Gerichtsakten sowie die Akten (Aktenteile) der Zollbehörden einzuholen, entsprochen worden ist. Das Fehlen eines Abspruches über diesen Beweisantrag im angefochtenen Bescheid stellt ebenfalls einen wesentlichen Verfahrensmangel dar.

Weiters wird vom Beschwerdeführer zu Recht gerügt, daß sich die belangte Behörde mit seinem Vorbringen, er habe einen Teil der geschmuggelten Ware in Deutschland veräußert, nicht auseinandergesetzt hat. Daß die belangte Behörde bei Vermeidung dieses Begründungsmangels zu einem anderslautenden Umsatz- und Gewerbesteuerbescheid hätte kommen können, liegt dabei schon deswegen nahe, weil der Beschwerdeführer den Ausführungen im Betriebsprüfungsbericht zufolge in München bei einer Verwertungshandlung betreten worden ist.

Soweit die belangte Behörde hinsichtlich des Begehrens, die Wertersatzstrafe, zu der der Beschwerdeführer nach seinem Vorbringen rechtskräftig verurteilt worden ist, als Betriebsausgabe anzuerkennen, gleichfalls ihre Begründungspflicht verletzt hat, hätte die Behörde jedoch durch die Vermeidung dieses Verfahrensmangels zu keinem anderen Bescheid kommen können: Nach ständiger Rechtsprechung fallen nämlich Zuwiderhandlungen, die zur Bestrafung führen, nicht in den Rahmen normaler Betriebsführung und haben demnach nicht im Betrieb als solchem, sondern im schuldhaften Verhalten des Betriebsinhabers ihre auslösende Ursache. Dies gilt auch für Wertersatzstrafen (vgl. das noch zur Rechtslage vor der Finanzstrafgesetz-Novelle 1975, BGBl. Nr. 335, ergangene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2051/71), zumal der Wertersatz nach § 19 FinStrG in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung eine echte Strafe darstellt (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 88/16/0002).

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.