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VwGH vom 28.09.1998, 98/16/0024

VwGH vom 28.09.1998, 98/16/0024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Repa, über die Beschwerde der E in W, vertreten durch Dr. Peter Ponschab, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. GA 9-387/94, betreffend Erbschaftssteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin ist eingeantwortete Alleinerbin ihres am verstorbenen Vaters. Mit einem vom Gerichtskommissar an das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien (im folgenden kurz: Finanzamt) am gerichtetes Schreiben der Zentralsparkasse und Kommerzialbank Aktiengesellschaft Wien vom gab das genannte Kreditinstitut

"aufgrund des § 25 (1) des Erbschafts- und Schenkungsgesetzes 1955 den Barwert bekannt, den die Realisierung des/der angefragten Kontos/Konten zum Todestag ergeben hätte:

Kontoart

Kontonummer

Bezeichnung

Barwert in Schilling

Sparbuch

196 446 058

Überbringer

172.512,74

Sparbuch

196 084 610

Überbringer

172.514,82

beide Bücher wurden bereits am saldiert

Sparbuch

196 433 254

Überbringer

146.123,46

das Sparbuch wurde bereits am saldiert"

In dem mit Beschluß des BG Donaustadt als Verlassenschaftsgericht vom , 17 A 300/90-17, zu Gericht angenommenen, vom Gerichtskommissar errichteten Inventar sind diese drei Sparbücher nicht enthalten. Auch eine Forderung gegen einen unbekannten Schuldner aus dem Titel der Entziehung dieser Sparbücher bzw. gegen das oben genannte Kreditinstitut wegen ungerechtfertigter Auszahlung der Spareinlagen wurde nicht inventarisiert.

Ungeachtet dessen wurden die drei Sparbücher vom Finanzamt in das aktive Nachlaßvermögen einbezogen.

Dagegen berief die Beschwerdeführerin mit der (zeitlich nicht näher spezifizierten) Behauptung, ein unbekannter Dritter habe sich die Sparbücher widerrechtlich angeeignet und die Guthaben behoben. Die drei Sparbücher seien gar nicht Gegenstand des Erwerbes von Todes wegen gewesen.

Gegen die daraufhin ergangene

abweisliche Berufungsvorentscheidung des Finanzamtes begehrte die Beschwerdeführerin fristgerecht die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz. Die Beschwerdeführerin hielt dabei der in der Berufungsvorentscheidung vertretenen Meinung des Finanzamtes, Änderungen nach dem Todestag seien für die Besteuerung ohne Einfluß, entgegen, die drei in Rede stehenden Sparbücher seien im Nachlaß überhaupt nicht vorgefunden worden und nicht Gegenstand der Abhandlung gewesen.

Die belangte Behörde wies die Berufung in der allein strittig verbliebenen Frage der Zuordnung der drei Sparbücher als unbegründet ab, wobei sie davon ausging, es wäre unstrittig, daß der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes Gläubiger der drei Sparbuchforderungen gewesen sei; die drei Sparbücher seien erst lange nach seinem Tod saldiert worden und seien daher die Spareinlagen dem ererbten Vermögen hinzuzurechnen. Spätere Veränderungen hätten außer Betracht zu bleiben.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die

vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Die Beschwerdeführerin erachtet sich - aus dem Beschwerdeinhalt erkennbar - in ihrem Recht darauf verletzt, daß die drei Sparbücher nicht in die Steuerbemessungsgrundlage für die Erbschaftssteuer einbezogen werden.

Der Bundesminister für Finanzen legte die Verwaltungsakten und die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift vor, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet begehrt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 18 ErbStG ist für die Wertermittlung soweit in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt ist, der Zeitpunkt des Entstehens der Steuerschuld maßgebend.

Die Steuerschuld entsteht gemäß § 12 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. bei Erwerben von Todes wegen grundsätzlich mit dem Tod des Erblassers. Die im § 12 Abs. 1 Z. 1 lit. a bis h normierten Ausnahmen spielen im Beschwerdefall keine Rolle.

Da auf den Beschwerdefall die Befreiungsbestimmung des § 15 Abs. 1 Z. 17 ErbStG noch nicht anzuwenden ist, ist allein streitentscheidend die Frage, wer zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers (also am ) Gläubiger derjenigen Geldforderungen war, die in den drei Sparbüchern verkörpert waren. Zur Beantwortung dieser Frage bedarf es vorweg einer Klärung der Rechtsnatur der in Rede stehenden Sparbücher.

Die Rechtsprechung des OGH kennt Überbringersparbücher (mit oder ohne Losungswort), die als Inhaberpapiere iS. des § 1392, zweiter Satz ABGB anzusehen sind (vgl. z.B.

1Ob 622-624/94 HS 26.312=SZ 68/44=EvBl 1995/133=RdW 1995,

297=ÖBA 1995, 636) und die nach sachenrechtlichen Grundsätzen durch

Übergabe des Papiers (samt Bekanntgabe des allfälligen Losungswortes als zusätzlichem Legitimationszeichen) übertragen werden (vgl. 3Ob 19/94 HS 25.293=JBl 1995, 181;

, 6Ob 819, 820/82 HS 14.444=QnHGZ 1983/4, 857 sowie

, 7Ob 695/81 HS 12.515 u.a.). Dabei spielt es keine

Rolle, ob solche Sparbücher auf Überbringer oder auf einen konkreten,

richtigen oder falschen, allenfalls auch erfundenen Namen lauten (OGH

, 70b 690/87

HS 18.434=SZ 60/186=EvBl 1988/50=ÖBA 1988, 290=WBl 1987, 345). Bei

einem solchen Sparbuch kann die Kreditunternehmung (ohne weitere

Anhaltspunkte) nicht beurteilen, ob das Sparbuch zum Vermögen eines

Verstorbenen gehört, sie ist auch nicht berechtigt, vom Präsentanten

den Nachweis seiner materiellen Berechtigung zu fordern und leistet

(guter Glaube vorausgesetzt) schuldbefreiend an den

jeweiligen Inhaber, der sich allenfalls (bei Vorliegen eines

Überbringersparbuches mit Losungswort) zusätzlich durch die Kenntnis

des Losungswortes formal legitimieren muß (OGH aaO. HS 18.434 sowie

, 60b 575/87 HS 18.438=SZ 61/216=ÖBA 1988,

1245=WBl 1989, 29).

Daneben gibt es Rektapapiere, das sind auf Namen

lautende Urkunden, deren Inhaber in jedem Fall seine materielle Berechtigung nachweisen muß (OGH aaO. HS 26.312 sowie , 7Ob 537/85 HS 16.410=EvBl 1985/160=RdW 1985, 275); dabei wird das Recht aus dem Papier durch Zession übertragen (vgl. z. B. 3Ob 660/81 HS 12.516=EvBl 1982/140).

Im vorliegenden Fall blieb (da das Schreiben der Zentralsparkasse vom nur den Hinweis "Überbringer" enthält, zur Frage einer allfälligen Sicherung der Sparbücher durch Losungsworte aber keine Aussage trifft), die Rechtsnatur der in Rede stehenden Sparurkunden unerhoben. Gerade das wäre aber von der belangten Behörde zu ermitteln gewesen, weil davon die entscheidende Frage abhängt, ob der Erblasser zur Zeit seines Todes überhaupt noch Gläubiger der in den Sparbüchern

verbrieften Geldforderungen war. Würde sich nämlich herausstellen, daß der Erblasser selbst (was immerhin denkbar ist) noch zu seinen Lebzeiten die Sparbücher jemandem übertragen hat (bei Überbringersparbüchern durch Übergabe des Papiers und allfällige Bekanntgabe des Losungswortes; bei Rektasparbüchern zusätzlich zur Übergabe durch Zession des Rechtes aus dem Papier), dann wären die betreffenden Forderungen schon zu Lebzeiten des Erblassers aus seinem Vermögen ausgeschieden. Stellte sich hingegen heraus, daß die Sparbücher gestohlen wurden (sei es vor oder nach dem Tod des Erblassers), dann hätte derjenige, der die Sparbücher nach dem Tode des Erblassers dem Kreditinstitut präsentierte, zwar (mangels Übergabe bzw. im Falle des Rektapapiers mangels Zession) weder das Recht aus dem Papier noch das Recht am Papier erworben gehabt, jedoch hätte das Kreditinstitut im Falle des Vorliegens eines Inhaberpapiers (ohne Losungswort) - guten Glauben vorausgesetzt - schuldbefreiend geleistet. In diesem Fall wäre an die Stelle der Sparbücher (bzw. der in ihnen verkörperten Forderungen) im Nachlaßvermögen die Forderung auf Ersatzleistung an den unbekannten Dritten als Aktivum getreten, die unter Berücksichtigung aller Umstände gemäß § 19 ErbStG nach den Vorschriften des Ersten Teiles des Bewertungsgesetzes einer Bewertung zuzuführen wäre. Stellte sich hingegen heraus, daß das Kreditinstitut im Falle des Vorliegens von Rektapapieren oder von durch Losungsworte gesicherten Inhaberpapieren an den Präsentanten ohne Nachweis des Erwerbes der

materiellen Berechtigung im Wege einer Zession bzw. ohne Nennung des richtigen Losungswortes geleistet hätte, dann wäre im Nachlaßvermögen an die Stelle der Sparguthaben die

entsprechende Schadenersatzforderung gegen das Kreditinstitut getreten, eine Forderung, die gemessen am jeweiligen Einlagenstand unter Berücksichtigung der nicht in Frage stehenden Bonität des im vorliegenden Fall betroffenen Geldinstituts wohl als vollwertig zu bewerten wäre.

Die belangte Behörde durfte daher den Beschwerdefall keineswegs nur mit dem Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 84/15/0004, lösen (in welchem Falle von der

dortigen Beschwerdeführerin nur vermutungsweise eingewendet worden war, es könnte schon vor dem Tod der Erblasserin eine Abhebung von Sparbüchern erfolgt sein), sondern hätte angesichts des Umstandes, daß im Beschwerdefall strittig ist, ob die aus den Sparbüchern resultierenden Forderungen zur Zeit des Todes des Erblassers überhaupt noch zu seinem Vermögen gehört haben, diese Frage durch geeignete Ermittlungen einer Klärung zuführen müssen. Auch das in der Gegenschrift von der Behörde dazu nachgetragene Argument, auf Grund der Auskunft der Zentralsparkasse vom seien die drei Sparbücher "zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers dessen Eigentum gewesen" vermag die belangte Behörde von dieser Ermittlungspflicht nicht zu befreien, zumal sich ein solcher Inhalt aus dem zitierten Schreiben der Zentralsparkasse gar nicht ergibt und das genannte Geldinstitut (ohne zusätzliche Informationen über die Verhältnisse des Erblassers) zu verläßlichen Aussagen über das "Eigentum" an den Sparbüchern gar nicht in der Lage wäre. Insbesondere ist aufklärungsbedürftig, wieso die Bank die Sparbücher überhaupt dem Verstorbenen zugeordnet hat; auffällig ist weiters, daß sich in einem Kuvert im Verlassenschaftsakt

sogenannte Kontonummernkarten auch betreffend die gegenständlichen Sparbücher befinden.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VO BGBl. 416/1994.

Wien, am