VwGH vom 28.09.1998, 98/16/0018
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner und Dr. Fellner als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Repa, über die Beschwerde des W in K, vertreten durch Dr. Heinz Edelmann, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. GA 13-7/K-562/1/1/95, betreffend Haftung (für eine Zollschuld), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer war bis Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung.
Gegenüber dieser Gesellschaft hatte das Zollamt Wien am (im angefochtenen Bescheid unrichtig wiedergegeben mit: ) einen Bescheid erlassen, mit dem gemäß § 13 Abs. 2 des Integrations-Durchführungsgesetzes 1988, BGBl. Nr. 623/1987 an Zoll S 316.728,-- und an Einfuhrumsatzsteuer S 60.194,-- nachgefordert wurden. Unter Hinweis darauf, daß die Zollschuld gemäß § 175 Abs. 1 ZollG schon mit ihrem Entstehen fällig geworden sei, wurde ein 2 % iger Säumniszuschlag in der Höhe von S 7.087,-- festgesetzt.
Gegen diesen Bescheid berief die Gesellschaft, wobei auch ein Antrag auf Aussetzung der Einhebung gemäß § 212a BAO gestellt wurde. Mit Bescheid vom wurde der Aussetzungsantrag abgewiesen, wogegen die Gesellschaft ebenfalls berief.
Mit Berufungsentscheidungen der nunmehr belangten Behörde je vom wurde einerseits die Berufung gegen die Ablehnung der Aussetzung als unbegründet abgewiesen, andererseits wurde der Berufung in der Sache selbst teilweise (betreffend die Einfuhrumsatzsteuer in Höhe von S 60.194,--) stattgegeben und die Abgabenvorschreibung um den genannten Betrag herabgesetzt.
Am erließ das Hauptzollamt Wien gegen den Beschwerdeführer gemäß §§ 9 und 80 iVm § 224 BAO einen Haftungsbescheid über S 323.815,-- (S 316.728,-- Zoll und S 7.078,-- Säumniszuschlag).
Gegen diesen Bescheid berief der Beschwerdeführer im wesentlichen mit der Begründung, er sei seit nicht mehr Geschäftsführer der Gesellschaft gewesen.
Gegen die daraufhin ergangene abweisliche Berufungsvorentscheidung beantragte der Beschwerdeführer fristgerecht die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz. In einer Ergänzung zur Berufung behauptete der Beschwerdeführer, auf seinen Fall sei bereits das Gemeinschaftsrecht anzuwenden, welches keine Haftungsbestimmungen kenne, die den §§ 9, 80 BAO entsprechen; außerdem sei die belangte Behörde unzuständig.
Die belangte Behörde wies die Berufung als unbegründet ab, wobei sie davon ausging, die Zollschuld, für die der Beschwerdeführer zur Haftung herangezogen werde, sei bereits zu einer Zeit entstanden und fällig geworden, als der Beschwerdeführer noch Geschäftsführer der Gesellschaft gewesen sei. Es wäre seine Sache gewesen, mit einem Scheitern der erhobenen Berufungen zu rechnen und für die Verfügbarkeit der entsprechenden Geldmittel zu sorgen. Der Beschwerdeführer habe keine Gründe dargelegt, die ihn an der Bereithaltung der erforderlichen Geldmittel gehindert hätten. Die Abgaben seien bei der Gesellschaft uneinbringlich. Auf den Fall des Beschwerdeführers sei das Gemeinschaftsrecht noch nicht anzuwenden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, vom Verfassungsgerichtshof nach Ablehnung ihrer Behandlung antragsgemäß an den Verwaltungsgerichtshof abgetretene Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht darauf verletzt, nur bei schuldhafter Verletzung seiner Pflichten zu haften, weiters in seinem Recht auf Anwendung des Gemeinschaftsrechtes und auf ein Verfahren vor der zuständigen Behörde.
Der Bundesminister für Finanzen legte die Verwaltungsakten und die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift vor, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet begehrt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Zur Frage des anzuwendenden Rechts:
Im vorliegenden Fall steht außer Streit, daß die Zollschuld, deretwegen der Beschwerdeführer zur Haftung herangezogen wird, schon vor dem Beitritt Österreichs zu den Europäischen Gemeinschaften entstanden ist. Dazu hat der Verwaltungsgerichtshof im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des EuGH zum zeitlichen Geltungsbereich (vgl. das Urteil vom in der Rechtssache C-261/96, Slg. 1997, I-6177) schon wiederholt ausgesprochen, daß dafür noch die vor dem Beitritt geltende Rechtslage anzuwenden ist (vgl. zuletzt das hg. Erkenntnis vom , Zl. 97/16/0512 und die dort angeführte Vorjudikatur, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird). Mit Rücksicht darauf, daß nach Anhang VI Punkt 9 des Vertrages über den Beitritt der Republik Österreich zur Europäischen Union, BGBl. Nr. 45/1995, Österreich in Fällen der vor dem Beitritt entstandenen Zollschuld berechtigt ist, die Nacherhebung nach seinen Vorschriften und zu seinen Gunsten vorzunehmen, sind auf den Beschwerdefall nicht nur (gemäß § 120 Abs. 2 ZollRDG) die Bestimmungen des ZollG 1988, sondern auch die Haftungsbestimmungen der §§ 9, 80 BAO weiterhin anwendbar, weil auch die Heranziehung des Beschwerdeführers zur Haftung der Nacherhebung zuzuordnen ist. Aus diesem Grund ist im vorliegenden Fall auch die Zuständigkeit der belangten Behörde gegeben und ein weiteres Eingehen auf die weitwendigen Beschwerdeausführungen zum Gemeinschaftsrecht und die Anregung zur Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens entbehrlich.
Zur Hauptfrage:
Die Beschwerdeausführungen erschöpfen sich letzten Endes in dem Argument, der Beschwerdeführer sei seit dem nicht mehr Geschäftsführer gewesen, er habe damit gerechnet, daß der von der Gesellschaft gegen den Abgabenbescheid erhobenen Berufung ebenso stattgegeben werde, wie der Berufung gegen die Abweisung des Aussetzungsantrages; die negativen Berufungsbescheide seien erst zu einem Zeitpunkt ergangen (), als der Beschwerdeführer nicht mehr Geschäftsführer gewesen sei.
§ 13 Abs. 3 IDG lautet:
(3) Auf die nach Abs. 2 entstandene Abgabenschuld sind die für eine Zollschuld nach § 174 Abs. 3 lit. c ZollG geltenden gesetzlichen Bestimmungen mit der Maßgabe anzuwenden, daß die Zollschuld auch für den Exporteur entsteht, der den Ursprungsnachweis ausgestellt oder dessen Ausstellung veranlaßt hat.
Gemäß § 175 Abs. 1 ZollG 1988 wird die Zollschuld mit ihrem Entstehen fällig. Nach § 174 Abs. 3 letzter Satz leg. cit. entsteht die Zollschuld in den Fällen des § 174 Abs. 3 lit. c in dem Zeitpunkt, in dem der Tatbestand, an den die Entstehung der Zollschuld geknüpft ist, verwirklicht ist.
Nach § 174 Abs. 4 ZollG 1988 entsteht die nach Abs. 3 lit. c für den Anmelder entstandene Zollschuld im selben Zeitpunkt auch für den Empfänger, falls dieser in der schriftlichen Anmeldung oder bei mündlicher Anmeldung im zollamtlichen Abfertigungsbefund genannt ist.
Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in §§ 80ff bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabenpflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.
Der Zeitpunkt, für den zu beurteilen ist, ob der Vertretene die für die Abgabenentrichtung erforderlichen Mittel zur Verfügung hatte, bestimmt sich danach, wann die Abgaben bei Beachtung der abgabenrechtlichen Bestimmungen zu entrichten gewesen wären (vgl. Ritz, BAO-Kommentar Rz 6 Abs. 3 zu § 9 BAO). Das war aber - mit Rücksicht auf § 175 Abs. 1 ZollG 1988 - jedenfalls schon zu einer Zeit der Fall, als der Beschwerdeführer noch Geschäftsführer der Gesellschaft war. Daß ihm bezogen auf diesen Zeitraum die Bereithaltung der zur Abgabenentrichtung erforderlichen Mittel ohne sein Verschulden nicht möglich gewesen wäre, hat der Beschwerdeführer im Abgabenverfahren nie behauptet; ebenso hat er nicht behauptet, die Mittel wären von ihm ohnehin bereitgehalten worden und erst in der Zeit nach seinem Ausscheiden als Geschäftsführer anders verwendet worden.
Der Umstand, daß der Beschwerdeführer auf einen Erfolg der von der Gesellschaft erhobenen Berufungen vertraute, vermag ihn keinesfalls zu exkulpieren (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 96/15/0269), weil im vorliegenden Fall dem Berufungsbescheid nicht die Aufgabe zukam, die ex lege entstandenen Abgaben der Gesellschaft gegenüber erstmals konstitutiv festzusetzen.
Sohin erweist sich der angefochtene Bescheid als frei von der behaupteten Rechtswidrigkeit, weshalb die Beschwerde als unbegründet abzuweisen war.
Mit Rücksicht auf die durch die hg. Rechtsprechung
klargestellte Rechtslage konnte die Entscheidung in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat getroffen werden.
Wien, am