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VwGH vom 17.10.1991, 90/13/0005

VwGH vom 17.10.1991, 90/13/0005

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Hofrat Dr. Schubert und die Hofräte Dr. Pokorny, Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde des Peter H in W, vertreten durch Dr. Z, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , GZ. GA 5 - 4017/10/88, betreffend Gewährung von Familienbeihilfe für die Zeit ab , zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Zur Vorgeschichte des Beschwerdefalles wird auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 87/13/0261, verwiesen. In diesem Erkenntnis, mit dem der im ersten Rechtsgang ergangene Bescheid der belangten Behörde wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben wurde, ist insbesondere ausgeführt, daß die belangte Behörde auf die vom Beschwerdeführer angeführten zahlreichen Indizien, die seiner Ansicht nach dafür sprechen, daß sein Sohn Mark H ab Anfang Juli 1986 in der Wohnung seiner damaligen Verlobten (und späteren Ehegattin) Gabriele E wohnte, in keiner Weise konkret eingegangen sei. Die belangte Behörde habe aber auch zu der Frage der Haushaltszugehörigkeit des Mark H neben diesem selbst lediglich dessen Mutter - die ja bis dahin die Familienbeihilfe für den Genannten erhalten habe - sowie dessen Schwester und Verlobte, nicht aber den in der Berufung angeführten Bruder des Beschwerdeführers, Hans H, vernommen. Die belangte Behörde habe es auch unterlassen, durch Rückfragen bei den Bewohnern der Häuser X-gasse bzw. R-gasse zu versuchen, die Haushaltszugehörigkeit des Mark H zu klären.

Im fortgesetzten Verfahren führte das Finanzamt im Auftrag der belangten Behörde Erhebungen bei den Hausparteien des Hauses R-gasse (Margit Ha, Johann Ly, Dr. Richard D, Marcella C und Monika J) und des Hauses X-gasse (Jesica Du, Helene P, Hermine L) durch.

Nach Aktenvermerken des Finanzamtes über entsprechende Ferngespräche mit Hans H am 9. September und am weigerte sich dieser, eine Aussage zum Streitgegenstand zu machen.

Am wurde Karin S beim Finanzamt als Zeugin vernommen. Sie gab an, bei einem Gespräch, an dem im November 1988 außer der Zeugin Mark H, Gabriele E und der Beschwerdeführer teilgenommen hätten, sei ohne Zweifel hervorgekommen, daß Gabriele E und Mark H zusammen lebten. Gabriele E habe ausdrücklich erklärt, daß sie alleine für Mark H koche, Wäsche wasche und er ausschließlich bei ihr lebe.

In einer Eingabe vom gaben die Eltern des Beschwerdeführers, Leopoldine und Dipl. Ing. Hans H, an, ihre Enkel Veerle und Mark H hätten ihnen bei einem Besuch etwa Mai oder Juni 1986 mitgeteilt, daß Mark H jetzt bei seiner Freundin wohne. Erst später sei für sie erkennbar geworden, daß Mark H dadurch für den Beschwerdeführer nicht mehr erreichbar gewesen sei.

Bei einer am durchgeführten Vernehmung bestritt Mark H als Zeuge ausdrücklich die Richtigkeit der Aussage der Zeugin S. Auch seinen Großeltern habe er nicht erzählt, daß er bei Gabriele E wohne.

Gabriele E, verehelichte H, gab gleichfalls am als Zeugin an, Mark H habe sich vor der Verehelichung nur "stundenweise" bei ihr aufgehalten. Hin und wieder habe er bei ihr geschlafen.

Veerle H, Tochter des Beschwerdeführers, gab dem Finanzamt in einer Eingabe vom bekannt, daß Mark H bis Mai 1987 bei seiner Mutter gewohnt habe.

Mit Eingaben vom 11. Oktober bzw. bestätigten fünf Personen aus dem Bekanntenkreis der Kindesmutter Achilla H bzw. der nunmehrigen Ehegatten Gabriele und Mark H, daß der letztere bis zu seiner Verehelichung bei seiner Mutter gewohnt habe.

Mit der nunmehr angefochtenen Berufungsentscheidung wurde das Rechtsmittel des Beschwerdeführers mit der Begründung abgewiesen, daß nach den überwiegenden Aussagen von Personen, die die Angaben der Kindesmutter und des Kindes aus eigener Sicht bestätigen, eine Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft zwischen Mutter und Sohn bestanden habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Wenn der Verwaltungsgerichtshof einer Beschwerde stattgegeben hat, sind die Verwaltungsbehörden gemäß § 63 Abs. 1 VwGG verpflichtet, in dem betreffenden Fall mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand herzustellen. Erfolgt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, weil es die belangte Behörde unterlassen hat, die für die Beurteilung des Rechtsfalles wesentlichen Tatsachenermittlungen zu treffen, so besteht die Herstellung des der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustandes darin, daß die belangte Behörde nunmehr jene Ergänzungen des Ermittlungsverfahrens durchführt, die eine erschöpfende Beurteilung des maßgebenden Sachverhaltes ermöglichen (vgl. z. B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 84/07/0094).

Im angefochtenen Ersatzbescheid hat es die belangte Behörde neuerlich unterlassen, sich mit den vom Beschwerdeführer in seiner Berufung angeführten Indizien, die nach dessen Ansicht dafür sprechen, daß sein Sohn ab dem Juli 1986 in der Wohnung seiner damaligen Verlobten Gabriele E wohnte, konkret auseinanderzusetzen. Weder in den ergänzend durchgeführten Vernehmungen noch im Ersatzbescheid wurde näher darauf eingegangen, aus welchen Gründen der Beschwerdeführer seinen Sohn nur mehr in der Wohnung der Gabriele E erreichte und am Türschild der Name Marks stand. Weder die Art der Zustellung von Briefsendungen und Sendungen des Gerichts (allenfalls Hinterlegung) wurde geprüft. Der Umstand, warum auf zwei innerhalb eines Monats ausgestellten Inskriptionsbestätigungen des Franz Schubert Konservatoriums zwei verschiedene Anschriften aufschienen, wurde nicht näher untersucht. Insbesondere hat es die belangte Behörde aber auch entgegen der im Vorerkenntnis ausgesprochenen Rechtsanschauung des Gerichtshofes unterlassen, den Bruder des Beschwerdeführers als Zeugen zu vernehmen. Da gemäß § 169 BAO grundsätzlich jedermann verpflichtet ist, vor den Abgabenbehörden als Zeuge über alle ihm bekannten, für ein Abgabenverfahren maßgebenden Tatsachen auszusagen, hätte sich die Behörde nicht damit begnügen dürfen, daß Hans H fernmündlich mitteilte, nicht aussagen zu wollen. Die Behörde hätte die als Zeugen in Aussicht genommene Person vielmehr unter Beachtung der Bestimmungen des § 91 Abs. 2 BAO vorzuladen gehabt.

Damit hat die belangte Behörde entgegen der Vorschrift des § 63 Abs. 1 VwGG verabsäumt, in allen im Vorerkenntnis angeführten Punkten, in denen Verfahrensvorschriften verletzt worden sind, den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand herzustellen, sodaß sie auch den Ersatzbescheid mit einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet hat.

Darüberhinaus sind der belangten Behörde im nunmehr angefochtenen Bescheid weitere Verfahrensmängel unterlaufen, bei deren Vermeidung sie zu einem im Spruch anders lautenden Bescheid hätte kommen können:

Die von der belangten Behörde angestellte zusammenfassende Beweiswürdigung (vgl. § 167 Abs. 2 BAO) beschränkt sich darauf, auf die überwiegende Zahl von Zeugenaussagen hinzuweisen. Eine solche Beweiswürdigung entbehrt der gebotenen Schlüssigkeit, da die aufgenommenen Beweise grundsätzlich nach ihrem Inhalt und Zeugenaussagen nach der Glaubwürdigkeit der vernommenen Zeugen zu gewichten sind; demgegenüber kommt der Anzahl der aufgenommenen Beweise keine wesentliche Bedeutung zu.

Als die Angaben der Kindesmutter bestätigende "Zeugenaussagen" wurden von der belangten Behörde auch "vier" - tatsächlich fünf - an das Finanzamt gerichtete Eingaben von Personen aus dem Bekanntenkreis der Kindesmutter, des Sohnes und der nunmehrigen Ehegattin des Sohnes angesehen (K. Sche, Dr. Hannelore F, Walter Fa, Irene P, Hans C). Diese Eingaben kommen zwar gemäß § 166 BAO als Beweismittel im Abgabenverfahren durchaus in Betracht; keinesfalls können diese Beweismittel als - schriftliche - Aussagen von Zeugen angesehen werden, da die Personen weder im Sinne des § 174 BAO belehrt und zur Angabe der Wahrheit ermahnt wurden noch auf die strafrechtlichen Folgen einer falschen Aussage aufmerksam gemacht worden sind.

Die belangte Behörde hat es dabei auch unterlassen, sich mit dem Inhalt dieser Eingaben der fünf genannten Personen näher auseinanderzusetzen; sie hätte dies umso eher tun müssen, als die gleichzeitig verfaßten Schreiben von Veerle H, Dr. Hannelore F und Hans C ein völlig gleiches Schriftbild (Maschinschrift, Zeilenabstand etc.), eine idente Bezeichnung der Anschrift ("Finanzamt für den 4., 5., und 10. Bezirk, z.H. Herrn YZ, K-Gasse 24-26, 1050 Wien") und überdies die gleichartige - unrichtige - Datumsangabe ("1988-11-10" statt richtig ) aufwiesen. Die Behörde wäre auf Grund dieser Umstände verpflichtet gewesen, die angeführten Personen unter Wahrheitsermahnung und Hinweis auf die strafrechtlichen Folgen einer falschen Beweisaussage über den Inhalt ihrer Angaben und das Zustandekommen ihrer schriftlichen Äußerungen zu befragen.

Die Rüge des Beschwerdeführers, daß in der Berufungsentscheidung nicht einmal die Namen der Personen, die diese schriftlichen Äußerungen abgegeben haben, angeführt wurden, zeigt auf, daß die belangte Behörde gegen die Bestimmungen des § 183 Abs. 4 BAO verstoßen und damit den Grundsatz des Parteiengehörs verletzt hat.

Im Hinblick auf die Widersprüchlichkeit der vorliegenden Zeugenaussagen bedeutet es auch eine Verletzung von Verfahrensvorschriften, daß Veerle H zu den konkreten Angaben in der Berufungsschrift und in der Eingabe des Beschwerdeführers vom sowie zu den Aussagen der Zeugin S nicht als Zeugin vernommen worden ist. Überdies hat es die belangte Behörde unterlassen, die in der Eingabe vom genannte weitere Person ("Bekannter Michael") als Zeugen zu vernehmen.

Der angefochtenen Bescheid erweist sich damit mit einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben war.

Zur Durchführung des fortgesetzten Verfahrens wird bemerkt, daß es bei widersprüchlichen Zeugenaussagen zur Wahrheitsfindung erforderlich ist, in konkreter Fragestellung die jeweilige Aussage der eine gegenteilige Position einnehmenden Person vorzuhalten. Dabei kann letztlich auch eine von Amts wegen vorgenommene Gegenüberstellung der Zeugen zur Erforschung der Wahrheit erforderlich sein. Wenn schließlich auch die Abgabenbehörden zweiter Instanz Ergänzungen des Ermittlungsverfahrens durch die Abgabenbehörde erster Instanz vornehmen lassen können (vgl. § 279 Abs. 2 BAO) und überdies dem Abgabenverfahren ein Grundsatz der Unmittelbarkeit fremd ist, so wird es aus Gründen der konkreten Wahrheitsfindung und aus verfahrensökonomischen Gründen in besonders gelagerten Fällen auf der Hand liegen, daß auch die maßgeblichen Verfahrensschritte von der letztlich entscheidenden Abgabenbehörde zweiter Instanz gesetzt werden, zumal ein Teil der aufgezeigten Verfahrensmängel seine Ursache in der Führung der Ermittlungen durch die Abgabenbehörde erster Instanz hat.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil ein Ersatz von Stempelgebühren allein für die Beschwerdeausfertigungen und die Beilage der Bescheidausfertigung gebührt. Die Vorlage weiterer Beilagen war zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht erforderlich. Da die Vollmacht bereits im hg. Verfahren Zl. 87/13/0261 vorgelegt worden ist, war ein Ersatz der Vollmachtsgebühr nicht zuzusprechen.