VwGH vom 16.02.1994, 90/13/0002
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Pokorny, Dr. Fellner und Dr. Hargassner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Rätin Dr. Büsser, über die Beschwerde der H-G.m.b.H. in S, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , GZ. 6/2-2155/83-06, betreffend Körperschaftsteuer 1980, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die beschwerdeführende Ges.m.b.H. befaßt sich vornehmlich mit der Erzeugung, der Bearbeitung und dem Vertrieb von Textilwaren. Im Jahre 1979 machte sie im Zusammenhang mit der Erweiterung eines ihrer Betriebsgebäude (Aufstockung und Erweiterung der Lagerhalle) eine vorzeitige Abschreibung gemäß § 122 Abs. 3 EStG 1972 von S 2,345.083,70 (das waren 25 % der Herstellungskosten in Höhe von S 9,380.335,--) geltend und verrechnete diesen Betrag mit einer für das Jahr 1976 gebildeten Investitionsrücklage.
Wie eine abgabenbehördliche Prüfung für den Zeitraum 1978 - 1980 ergab, wurde das im Oktober 1979 fertiggestellte Gebäude mit Vertrag vom , beginnend ab an die Firma HP, eine Tochtergesellschaft der Beschwerdeführerin, vermietet. Die Betriebsprüferin sah daher die Ausschlußbestimmung des § 122 Abs. 3 EStG 1972, wonach zur Vermietung bestimmte Gebäude von der vorzeitigen Abschreibung ausgenommen sind, verwirklicht. Daran ändere auch der Umstand nichts, daß zu Baubeginn im November 1978 noch keine Klarheit über die spätere Nutzung bestanden habe. Entscheidend seien die Verhältnisse im Jahr der Fertigstellung. 1979 sei das Gebäude aber bereits von der am gegründeten Tochtergesellschaft genützt worden. Dies gehe aus der Erklärung der Fa HP, ihre Tätigkeit mit am gegenständlichen Betriebsort begonnen zu haben, hervor. Eine vorzeitige Abschreibung von den Herstellungskosten der Büroaufstockung und der Vergrößerung der Lagerhalle stehe daher nicht zu.
Das Finanzamt folgte der Ansicht der Betriebsprüferin. Da der gesamte Betrag der vorzeitigen Abschreibung gegen die Investitionsrücklage 1976 verrechnet worden war, wirkte sich diese Prüfungsfeststellung allerdings erst in den Jahren ab 1980 gewinnerhöhend aus.
Die Beschwerdeführerin erhob gegen den im wiederaufgenommenen Verfahren erlassenen Körperschaftsteuerbescheid 1980 Berufung. Es treffe nicht zu, daß das Gebäude bereits 1979 von der Tochtergesellschaft genützt worden sei. Die neugegründete HP Ges.m.b.H. sei bis zum ein bloßer "Mantel" ohne Personal und Vorräte gewesen. Das im schriftlichen Vertrag als Mietbeginn angegebene Datum () gebe daher die wahren Verhältnisse richtig wieder. Tatsächlich sei das Gebäude im Jahr der Fertigstellung ausschließlich von der Beschwerdeführerin selbst genutzt worden. So seien in den neugeschaffenen Schauräumen eine Handarbeitsausstellung veranstaltet und in der vergrößerten Halle Verkaufseinrichtungen gelagert worden. In rechtlicher Hinsicht verwies die Beschwerdeführerin auf das hg. Erkenntnis vom , 82/14/0254, aus dem sich ergebe, daß die Frage, ob ein Gebäude zur Vermietung bestimmt ist, lediglich anhand der im Zeitpunkt der Geltendmachung der vorzeitigen Abschreibung vorliegenden Umstände beurteilt werden dürfe. Später eintretende Änderungen müßten demnach unberücksichtigt bleiben. Darüber hinaus wäre bei einer anderen rechtlichen Gestaltung, z.B. bei Einbringung des Gebäudes in die Tochtergesellschaft als Sacheinlage, die vorzeitige Abschreibung ohne weiteres anerkannt worden. Der Gesetzgeber habe mit der strittigen Ausschlußbestimmung des § 122 Abs. 3 EStG 1972 lediglich sogenannte Verlustgesellschaften von der begünstigten Abschreibung ausnehmen wollen. Schließlich lägen aufgrund der Rechtsform der Beschwerdeführerin auch keine Einkünfte aus Vermietung, sondern solche aus Gewerbebetrieb vor.
In einer Stellungnahme der Betriebsprüferin wurde den Berufungsausführungen auf Sachverhaltsebene entgegnet, die angesprochene Handarbeitsausstellung habe lediglich drei Tage gedauert und nur 20 % des neuerrichteten zweiten Stockwerkes umfaßt. Auch die Lagerung der Verkaufseinrichtungen wäre eine bloß vorübergehende Maßnahme gewesen. Im übrigen seien von der Tochtergesellschaft 1979 bereits Vorsteuern geltend gemacht worden, sodaß sie in diesem Jahr (vom späteren Mietobjekt aus) wohl schon Vorbereitungshandlungen für die ab begonnene Geschäftstätigkeit gesetzt haben müsse.
Die Beschwerdeführerin bestritt diese Feststellungen nicht; meinte jedoch, daß die dargestellte Nutzung des Gebäudes für eigene Betriebszwecke den Anspruch auf vorzeitige Abschreibung begründe.
Die belangte Behörde wies die Berufung ab. Ob ein Gebäude zur Vermietung bestimmt sei, müsse auf längere Sicht beurteilt werden. Eine kurzfristige eigenbetriebliche Nutzung genüge nicht. Als kurzfristig habe der Verwaltungsgerichtshof in dem zu § 10 EStG 1972 ergangenen Erkenntnis vom , 82/14/0114, noch einen Zeitraum von 18 Monaten angesehen. Zudem sei bereits im Zeitpunkt der Gründung der Tochtergesellschaft, somit vor Ende der Bauausführung, festgestanden, daß das Gebäude nicht für eigene betriebliche Zwecke benötigt werde. Alternative Vertragsgestaltungen stünden nicht zur Beurteilung an. Schließlich stelle die strittige Ausschlußbestimmung auch nicht darauf ab, welcher Einkunftsart die aus der Vermietung erzielten Einkünfte zuzurechnen seien.
Die Beschwerdeführerin erachtet sich dadurch in ihrem Recht auf Geltendmachung der vorzeitigen Abschreibung gemäß § 122 Abs. 3 EStG 1972 verletzt und beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Wie ihrem weiteren Vorbringen zu entnehmen ist, sieht die Beschwerdeführerin die Voraussetzungen der begünstigten Abschreibung in dem dem Streitjahr vorangegangenen Veranlagungszeitraum als erfüllt an. Die Beschwerde wendet sich daher in Wahrheit gegen die gemäß § 9 Abs. 2 EStG 1972 vorgenommene gewinnerhöhende Auflösung der Investitionsrücklage 1976 und begründet ihre Ansicht mit der im Jahr 1979 erfolgten bestimmungsgemäßen Verwendung der Rücklage.
Über die in diesem Sinne zu verstehende Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Gemäß § 122 Abs. 3 EStG 1972 in der für das Jahr 1979 geltenden Fassung des 2. Abgabenänderungsgesetzes 1977, BGBl. Nr. 645, sind Gebäude, soweit sie zur Vermietung bestimmt sind, von der vorzeitigen Abschreibbarkeit im Sinne des § 8 EStG 1972 ausgenommen.
Die Beschwerdeführerin vertritt die Auffassung, der Umstand, daß das Gebäude mit vermietet wurde, ändere nichts an dem im Herstellungsjahr 1979 durch die eigenbetriebliche Nutzung erworbenen Anspruch. Nach dem hg. Erkenntnis vom , 82/14/0254, sei nämlich ausschließlich auf die Verhältnisse im Anschaffungs- (Herstellungs-)zeitpunkt abzustellen; nachträgliche Änderungen dürften nicht berücksichtigt werden.
Das Erkenntnis vom befaßt sich mit der vorzeitigen Abschreibung gemäß § 8 Abs. 1 EStG 1972 und behandelt insbesondere die Frage, wann eine Verwendung eines Wirtschaftsgutes in einer inländischen Betriebsstätte (= weitere Voraussetzung für eine vorzeitige Abschreibung) vorliegt. In diesem Zusammenhang traf der Gerichtshof die von der Beschwerde aufgegriffene Aussage, wonach die Beurteilung der vorzeitigen Abschreibbarkeit eine auf den Zeitpunkt der Anschaffung bezogene Betrachtung verlange. Der Beschwerde ist nun insoweit zuzustimmen, als diese Entscheidung, obwohl sie die Auslegung eines anderen Tatbestandsmerkmales zum Inhalt hatte, auch für den gegenständlichen Streitfall einen Lösungsansatz bietet. Mit ihren Schlußfolgerungen irrt die Beschwerdeführerin jedoch. Der Gerichtshof hat in dem angeführten Erkenntnis nämlich weiters festgehalten, daß der Begriff "Verwendung ... ein auf einen ZEITRAUM bezogener Begriff" sei. Maßgebend sei, ob das jeweilige Wirtschaftsgut im Zeitpunkt der Anschaffung zur Verwendung in einer inländischen Betriebsstätte BESTIMMT war. Damit stellte der Gerichtshof gerade nicht auf die der Anschaffung unmittelbar folgende tatsächliche Verwendung - eine solche fand im damaligen Beschwerdefall gar nicht statt -, sondern auf die im Anschaffungszeitpunkt vorgesehene Nutzung ab. Eine derartige Betrachtung muß umso mehr Platz greifen, wenn schon die gesetzliche Formulierung auf die einen künftigen Zeitraum betreffende Absicht abgestellt ist. Gemäß § 122 Abs. 3 EStG 1972 sind nämlich nicht nur bereits VERMIETETE, sondern schon Gebäude, soweit sie zur Vermietung BESTIMMT sind, also VERMIETET WERDEN SOLLEN, von der vorzeitigen Abschreibung im Sinne des § 8 EStG 1972 ausgenommen.
Wenn von vornherein beabsichtigt ist, ein Wirtschaftsgut in bestimmter Weise zu verwenden, dann führt eine kurzfristige, von diesem Verwendungszweck abweichende Nutzung nicht dazu, daß in der anschließenden beabsichtigten Verwendung eine Änderung der Verhältnisse zu erblicken wäre. Eine solche Änderung läge vielmehr erst dann vor, wenn ein Wirtschaftsgut mit der Absicht, es einem bestimmten (begünstigten) Gebrauch zuzuführen, erworben, die Absicht aber später aufgegeben wird.
Diese Überlegungen sind auch für Herstellungsvorgänge mit der Maßgabe anzuwenden, daß als Zeitpunkt der Herstellung eines Wirtschaftsgutes der Zeitpunkt gilt, in dem das Wirtschaftsgut bestimmungsgemäß verwendbar ist (vgl. Schubert-Pokorny-Schuch-Quantschnigg, Einkommensteuerhandbuch2, Tz. 8 zu § 8).
Ob eine kurze Zeit nach der Anschaffung (Herstellung) erfolgte Nutzungsänderung im Zeitpunkt der Anschaffung (Herstellung) beabsichtigt war oder nicht, ist eine auf Beweisebene zu lösende Sachfrage.
Wie der Gerichtshof in seinem Erkenntnis vom , 83/14/0217, ausgesprochen hat, "ist das Motiv eines Handelns aus dem Verhalten des Handelnden zu erschließen". Dabei kann - wie dies im eben zitierten Erkenntnis der Fall war - auf die ursprüngliche Zweckbestimmung eines Wirtschaftsgutes auch noch aus einem mehr als zwei Jahre späteren Verhalten geschlossen werden.
Die belangte Behörde ging davon aus, daß die Entscheidung gegen eine dauernde eigenbetriebliche Nutzung spätestens mit Gründung der Tochtergesellschaft, also vor Fertigstellung des Gebäudes, gefallen war. Die Beschwerde stellt dies nicht in Abrede. Auch der Gerichtshof erkennt darin keine unschlüssige Beweiswürdigung. Ein Wirtschaftsgut ist nämlich bereits dann zur Vermietung bestimmt, wenn eine entsprechende Absicht durch konkrete Bemühungen zutage tritt. Das Berufungsvorbringen, bis zum Abschluß des Mietvertrages sei ein Scheitern der Verhandlungen und damit eine anderweitige (dauernd eigenbetriebliche) Nutzung möglich gewesen, erweist einerseits die Vermietungsabsicht und stellt andererseits eine nachträglich mögliche, tatsächlich aber nicht eingetretene Verwendungsänderung in den Raum. Wollte man der Beschwerdeführerin folgen, daß es bei der für die vorzeitige Abschreibung eines Gebäudes maßgebenden Zweckbestimmung ausschließlich auf die tatsächliche, wenn auch noch so kurze Nutzung im Jahr der Herstellung ankommt, so stünde es regelmäßig im Belieben des Abgabepflichtigen, den einschränkenden Vorschriften des § 122 Abs. 3 EStG 1972 ihre Wirkung zu nehmen, indem mit der (schädlichen) Vermietung des hergestellten Gebäudes erst ab dem nächstfolgenden Jahr begonnen wird.
Der Beschwerde ist es daher nicht gelungen, die behauptete Rechtswidrigkeit aufzuzeigen. Der Vollständigkeit halber sieht sich der Gerichtshof noch veranlaßt darauf hinzuweisen, daß das von der belangten Behörde herangezogene hg. Erkenntnis vom , 82/14/0114, 0137, zur Rechtslage vor dem 2. Abgabenänderungsgesetz 1977 erging und daher die Frage, ob ein Wirtschaftsgut zur Vermietung bestimmt ist, nicht behandelt. Dies hat den angefochtenen Bescheid aus den dargestellten Gründen jedoch nicht mit Rechtswidrigkeit belastet, sodaß die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 104/1991.