VwGH vom 13.04.1994, 90/12/0298
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Germ, Dr. Höß, Dr. Riedinger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Mag. Unterer, über die Beschwerde des K in X, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in F, gegen den Bescheid des Bundesministers für Landesverteidigung vom , Zl. 226.751/16-2.2/90, betreffend Versetzung (§ 38 BDG 1979), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.510,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer steht als Vizeleutnant in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Seine Dienststelle ist das LWSR 91, das in Bregenz stationiert war und nach der Ende 1989 erfolgten Fertigstellung der Walgau-Kaserne in Bludesch in der Folge dorthin verlegt wurde.
Mit Regiments-Tagesbefehl vom (berichtigt mit ) wurde für den Beschwerdeführer als (neuer) Dienstort mit Wirkung vom die Walgau-Kaserne Bludesch festgelegt.
Mit Eingabe vom erhob der Beschwerdeführer gegen diese Dienstortsänderung Einspruch. Seiner Auffassung nach stelle dies eine Versetzung im Sinne des § 38 BDG 1979 dar und könne daher nur mit Bescheid verfügt werden. Er ersuche daher um "bescheidmäßige Feststellung".
Mit Bescheid vom stellte das Korpskommando II (Dienstbehörde erster Instanz) fest, der mit RTB-LWSR 1991 befohlene Dienstortwechsel von Bregenz nach Bludesch mit Wirksamkeit vom stelle keine Versetzung im Sinne des § 38 BDG 1979 dar. Begründend führte die Dienstbehörde erster Instanz aus, nach der Legaldefinition (§ 38 Abs. 1 BDG 1979) setze eine Versetzung einen Dienststellenwechsel voraus. Da es im Beschwerdefall zu keinem Wechsel der Dienststelle gekommen sei, liege auch keine Versetzung im dienstrechtlichen Sinn vor.
In seiner Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, dem Gesetzgeber könne nicht unterstellt werden, die Schutzbestimmungen des § 38 Abs. 3 und Abs. 4 BDG 1979 nur jenen Beamten einzuräumen, die innerhalb des Ressorts einer anderen Dienststelle zur dauernden Dienstverwendung zugewiesen würden. Nach der RGV 1955 liege eine Versetzung vor, angeblich nicht aber nach § 38 BDG 1979. Aus Anlaß der Umstrukturierung des Bundesheeres 1978/79 sei aus seiner ehemaligen Dienststelle "JgB 23" das LWSR 91 geworden. Obwohl sich für die meisten Bediensteten damals weder der Dienstort noch der Arbeitsplatz verändert habe, hätten alle Bediensteten wegen der Namensänderung der Dienststelle einen Bescheid erhalten. Bei der Verlegung des LWSR 91 1989/90 von Bregenz nach Bludesch solle ihm bei gleichbleibender Dienststelle und gleichem Arbeitsplatz nicht einmal die Möglichkeit einer Einwendung bzw. eines Bescheides zustehen, obwohl der Dienstortwechsel zu einer täglichen An- und Rückreise von ca. 50 km und fast zwölfstündiger Abwesenheit von zu Hause führe?
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers nach § 66 Abs. 4 AVG ab. Sie wies in ihrer Begründung im wesentlichen darauf hin, die Begriffsbestimmung der RGV 1955 (§ 2 Abs. 4) unterscheide sich von der Legaldefinition der Versetzung nach § 38 Abs. 1 BDG 1979 dadurch, daß sie einen Dienstortwechsel verlange, während das BDG 1979 auch Versetzungen innerhalb des Dienstortes erfasse. Bei der seinerzeitigen Umgliederung des Jägerbataillons 23 in das LWSR 91 seien die Bediensteten einer anderen Dienststelle zur dauernden Dienstleistung zugewiesen worden. Diese Personalmaßnahme sei daher eine Versetzung im Sinne des BDG 1979 (Dienststellenwechsel), nicht aber eine Versetzung nach § 2 Abs. 4 RGV 1955 (mangels einer Änderung des Dienstortes) gewesen. Bei einem Dienstortwechsel wie z.B. im Beschwerdefall der Übersiedlung des LWSR 91 von Bregenz nach Bludesch liege (hingegen) eine Versetzung im Sinne des § 2 Abs. 4 RGV 1955, nicht jedoch eine Versetzung im Sinne des § 38 Abs. 1 BDG 1979 vor. Da die Legaldefinition des § 38 Abs. 1 BDG 1979 den Begriff der Versetzung eindeutig bestimme, sei die Berufung abzuweisen gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 38 BDG 1979 lautet:
"(1) Eine Versetzung liegt vor, wenn der Beamte innerhalb des Ressorts einer anderen Dienststelle zur dauernden Dienstleistung zugewiesen wird.
(2) Eine Versetzung von Amts wegen ist zulässig, wenn ein wichtiges dienstliches Interesse daran besteht. Während des provisorischen Dienstverhältnisses ist eine Versetzung auch ohne ein wichtiges dienstliches Interesse zulässig.
(3) Bei einer Versetzung an einen anderen Dienstort von Amts wegen sind die persönlichen, familiären und sozialen Verhältnisse des Beamten zu berücksichtigen. Eine Versetzung ist unzulässig, wenn sie für den Beamten einen wesentlichen wirtschaftlichen Nachteil bedeuten würde und ein anderer geeigneter Beamter, bei dem dies nicht der Fall ist, zur Verfügung steht.
(4) Ist die Versetzung des Beamten von Amts wegen in Aussicht genommen, so ist er hievon schriftlich unter Bekanntgabe seiner neuen Dienststelle und Verwendung mit dem Beifügen zu verständigen, daß es ihm freisteht, gegen die beabsichtigte Maßnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung Einwendungen vorzubringen. Werden innerhalb der angegebenen Frist solche Einwendungen nicht vorgebracht, so gilt dies als Zustimmung zur Versetzung.
(5) Die Versetzung ist mit Bescheid zu verfügen; eine Berufung gegen diesen Bescheid hat aufschiebende Wirkung.
(6) Im Falle der Versetzung an einen anderen Dienstort ist dem Beamten eine angemessene Übersiedlungsfrist zu gewähren."
Nach § 241 Abs. 1 BDG 1979 sind Dienststellen im Sinne dieses Bundesgesetzes die Behörden, Ämter und andere Verwaltungsstellen sowie die Anstalten und Betriebe des Bundes, die nach ihrem organisatorischen Aufbau eine verwaltungs- oder betriebstechnische Einheit darstellen.
Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht, an einen anderen Dienstort (nur) unter den Voraussetzungen des § 38 (insbesondere Abs. 3) BDG 1979 und nach Durchführung des nach dieser Norm (Abs. 4 und 5) vorgesehenen Verfahrens versetzt zu werden, durch unrichtige Anwendung dieser Bestimmungen verletzt.
In Ausführung dieses Beschwerdepunktes bringt der Beschwerdeführer im wesentlichen vor, zwar enthalte § 38 Abs. 1 BDG 1979 die von der belangten Behörde herangezogene Legaldefinition; Abs. 2 leg. cit. sehe aber vor, daß eine Versetzung immer dann zulässig sei, wenn ein wichtiges dienstliches Interesse bestehe. Davon sei die auf Interessen des Beamten abgestellte Regelung des Abs. 3 deutlich abgehoben. Der Gesetzeswortlaut hindere in keiner Weise, beide Bestimmungen als nebeneinanderstehend anzusehen, sodaß im Falle eines Dienstortwechsels eine Versetzung unabhängig davon vorliege, ob damit auch ein Dienststellenwechsel verbunden sei. Nach dem Gesetzessinn sei diese Auslegung auch geboten, sei ja doch sonst der Versetzungsschutz wesentlich vermindert, und zwar vor allem gerade insoweit, als er auf die konkrete Berücksichtigung der Lage des Beamten abstelle. Auch die Dienstgeberinteressen stünden dem nicht entgegen, könne doch im Falle des Dienstortwechsels das wichtige dienstliche Interesse sehr einfach begründet werden. Dem Dienstgeber sei es aber zumutbar, auch in diesem Fall die Interessensabwägung nach Abs. 3 vorzunehmen, zu der er bei einem Dienststellenwechsel jedenfalls verpflichtet sei. Die Begriffsbestimmung der RGV 1955 stelle darauf ab, jene Art von Versetzungen auszuscheiden, bei der offensichtlich kein abzugeltender Mehraufwand entstehe, weil der Beamte im selben Dienstort verbleibe. Keinesfalls könne daraus für den Anwendungsbereich des § 38 BDG 1979 (im Umkehrschluß) abgeleitet werden, der Versetzungsschutz komme bei einem bloßen Dienstortwechsel nicht in Betracht. Auch habe der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom , Zl. 86/12/0165, ausgesprochen, daß ein Dienstortwechsel ohne Dienststellenwechsel eine Versetzung im Sinne des § 38 BDG 1979 sei.
Dem hält die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift entgegen, die Definition nach § 38 Abs. 1 BDG stelle auf den Dienststellenwechsel ab. Die Abs. 2 bis 6 dieser Bestimmung legten fest, unter welchen Voraussetzungen eine Versetzung (im Sinne des Abs. 1) zulässig sei. Deshalb könnten die Abs. 1 und 3 des § 38 BDG 1979 nicht als (gleichwertig) "nebeneinanderstehend" angesehen werden. Außerdem komme die Bestimmung des § 38 Abs. 3 BDG 1979 im Beschwerdefall schon deshalb nicht zum Tragen, weil bei der Organisationsmaßnahme "Verlegung des LWSR 91 von Bregenz nach Bludesch", von der ein erheblicher Teil der Bediensteten, die in Bregenz ihren Garnisonsort gehabt hätten (in Bregenz sei lediglich das Militärkommando Vorarlberg mit der Stabskompanie verblieben), betroffen gewesen sei, ein anderer Beamter im Sinne des zweiten Satzes kaum zur Verfügung stünde. Die Verlegung einer Dienststelle oder eines Dienststellenteiles sei daher von § 38 BDG ausgenommen. Dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 86/12/0165, liege ein wesentlich anderer Sachverhalt zugrunde als im Beschwerdefall: In jenem Fall sei der damalige Beschwerdeführer mit Bescheid an seine Dienststelle mit der im Spruch enthaltenen Verfügung versetzt worden, daß hiemit eine Verlegung des Dienstortes nicht verbunden sei. Mit einem späteren (erfolgreich bekämpften) Bescheid habe die Dienstbehörde festgestellt, daß der Beschwerdeführer durch eine (zwischenzeitig erfolgte) Änderung der Geschäftseinteilung seine Funktion (nunmehr) an einem anderen Dienstort ständig auszuüben habe.
Die Beschwerde ist berechtigt.
Es trifft zu, daß die Versetzung im Sinn des § 38 Abs. 1 BDG 1979 die Zuweisung zu einer ANDEREN Dienststelle innerhalb des Ressorts voraussetzt. Der Dienststellenbegriff ist in § 241 Abs. 1 BDG 1979 enthalten. Aus § 241 Abs. 1 BDG 1979 ergibt sich, daß Mindestanforderungen gegeben sein müssen, damit eine Dienststelle vorliegt (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 91/09/0182, und das zum PVG ergangene Erkenntnis vom , Zl. 90/12/0229). Zu den maßgebenden Faktoren für das Vorliegen einer Dienststelle zählt neben dem Umstand der in einer einheitlichen Organisation und in relativer Selbständigkeit zu besorgenden Aufgaben auch die räumliche Entfernung bzw. örtliche Situierung einer solchen Organisationseinheit. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß § 38 Abs. 1 BDG 1979 von an bestimmten Orten tatsächlich eingerichteten Dienststellen und nicht bloß von der abstrakten Zusammenfassung von Zuständigkeiten ausgeht. Das Vorliegen einer anderen Dienststelle im Sinn des § 38 Abs. 1 BDG 1979 ist daher auch dann gegeben, wenn eines der die bisherige konkrete Dienststelle bestimmenden Elemente entscheidend geändert wird UND dadurch jene Bestimmungen, die der Gesetzgeber zum Schutz der Beamten vor willkürlichen Versetzungen erkennbar festgelegt hat, WESENTLICH berührt werden. Dazu gehört klar und unmißverständlich ein besonderer Schutz im Falle der Versetzung an einen anderen Dienstort (vgl. § 38 Abs. 3 Satz 1, aber auch Abs. 6 BDG 1979). Daraus ist abzuleiten, daß auch die Verlegung der Dienststelle an einen anderen Dienstort den Fall einer Versetzung im Sinn des § 38 Abs. 1 BDG 1979 darstellt. Zur Klarstellung weist der Verwaltungsgerichtshof darauf hin, daß die bloße Verlegung des Amtssitzes einer Dienststelle innerhalb desselben Dienstortes, aber auch die Dislozierung von Dienststellenteilen innerhalb des Dienstortes keine Versetzung im Sinne des § 38 Abs. 1 BDG 1979 begründet. Als Dienstort im Sinne des § 38 BDG ist, soweit die Organisationsvorschriften keine besondere Regelung treffen, jene Ortsgemeinde anzusehen, in der die Dienststelle ihren Sitz hat. Allfälligen Festlegungen nach § 2 Abs. 5 Satz 2 RGV 1955 (zur Rechtsnatur solcher Anordnungen vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 88/12/0056) kommt dabei für den Anwendungsbereich des BDG 1979 keine Bedeutung zu.
Diese Rechtsauffassung liegt implizite auch bereits dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 86/12/0165, zugrunde. Dem von der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift hervorgehobenen Umstand einer bescheidförmigen Dienstortfeststellung (in einer früheren Personalmaßnahme) kommt keine entscheidungswesentliche Bedeutung zu. Im übrigen wäre es auch unsachlich, wenn der Versetzungsschutz von der jeweils gewählten Art der zur Herbeiführung desselben Zieles ergriffenen Organisationsmaßnahme (z.B. Verlegung einer Dienststelle an einen anderen Dienstort oder Auflösung der bisherigen Dienststelle unter gleichzeitiger Errichtung einer neuen Dienststelle mit vergleichbaren Aufgaben an einen anderen Dienstort) abhinge.
Da der angefochtene Bescheid auf einer verfehlten Rechtsansicht beruht, war er wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben. Ob § 38 Abs. 3 Satz 2 BDG 1979 im konkreten Fall überhaupt eine Versetzung unzulässig machen kann oder nicht, ist für die (vorgelagerte) Frage, ob eine Personalmaßnahme als Versetzung im Sinne des § 38 Abs. 1 anzusehen ist oder nicht, ohne Bedeutung.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der gemäß ihrem Art. III Abs. 2 anzuwendenden Pauschalierungsverordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 104/1991.