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VwGH vom 10.03.1994, 93/15/0036

VwGH vom 10.03.1994, 93/15/0036

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Wetzel und Dr. Mizner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Eigelsberger, über die Beschwerde der G-Gesellschaft m.b.H. i.L., vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. GA 7 - 1292/1-/92, betreffend Vollstreckungsbescheid, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Finanzamtes vom wurden Anträge der Beschwerdeführerin, die Einhebung fälliger Abgaben (Kapitalertragsteuer 1988 und 1989, Umsatzsteuer 1988 bis 1990, Gewerbesteuer 1988 und 1989, Körperschaftsteuer 1988 und 1989) in der Höhe von insgesamt S 2,309.170,-- gemäß § 212a BAO auszusetzen, zurückgewiesen, weil sie keine Darstellung der Ermittlung der für die Aussetzung in Betracht kommenden Abgabenbeträge enthielten. Im (vorgedruckten) Text des Bescheides heißt es weiter: "Sie werden aufgefordert, jene Abgabenschuldigkeit(en), deren Aussetzung sie beantragt haben, zu entrichten. Hiefür steht Ihnen, wenn Ihr Antrag auf Aussetzung der Einhebung rechtzeitig eingebracht wurde, eine Frist von einem Monat ab Zustellung dieses Bescheides zur Verfügung."

Mit Bescheid des Finanzamtes vom wurde ausgesprochen, daß die "mit Bescheid vom bewilligte Zahlungsfrist" unwirksam sei, weil die Einbringlichkeit der Abgabenschuld gefährdet erscheine. Das Unternehmen sei stark überschuldet; überdies sei festgestellt worden, daß Bestrebungen des Geschäftsführers im Gange seien, Vollstreckungsmaßnahmen zu vereiteln bzw. zu verhindern.

Die Beschwerdeführerin erhob Berufung.

Nach Erlassung einer abweisenden Berufungsvorentscheidung und einem Antrag der Beschwerdeführerin auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz wies die belangte Behörde die Berufung mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet ab.

Dagegen richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Mit dem im Instanzenzug erlassenen Bescheid wurde gemäß § 230 Abs. 7 BAO ausgesprochen, daß "die Zahlungsfrist bzw. Nachfrist unwirksam sei" und "die erforderlichen Vollstreckungsmaßnahmen eingeleitet werden". Ein solcher Vollstreckungsbescheid dient lediglich zur Rechtfertigung dafür, daß bewilligte Zahlungserleichterungen ohne besonderen Widerruf, also mit sofortiger Wirkung, außer Kraft gesetzt werden (vgl. Stoll, BAO-HdB 574). Durch den vorliegenden "Vollstreckungsbescheid" wäre die Beschwerdeführerin somit nur dann in ihren Rechten verletzt worden, wenn durch ihn die Wirkungen einer bestehenden Hemmung der Vollstreckbarkeit (vorzeitig) beseitigt worden wären. Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor, weil die (im Beschwerdefall durch die Einbringung der Aussetzungsanträge) eingetretene Hemmung der Vollstreckbarkeit im Zeitpunkt der Erlassung des Vollstreckungsbescheides im Hinblick auf die Zurückweisung des Aussetzungsantrages aus den im folgenden dargelegten Gründen bereits beseitigt war.

Die Wirkungen von Aussetzungsanträgen, der bewilligten Aussetzung der Einhebung und der Ab- oder Zurückweisung von Aussetzungsanträgen sind insbesondere in den §§ 212a Abs. 5 und 7, 218 Abs. 4 und 5, 230 Abs. 2 und 6 BAO geregelt.

Die erwähnten Vorschriften haben folgenden Wortlaut:

"§ 212a Abs. 5: Die Wirkung einer Aussetzung der Einhebung besteht

in einem Zahlungsaufschub. Dieser endet mit Ablauf der Aussetzung oder ihrem Widerruf (§ 294). ...

Abs. 7: Für die Entrichtung einer Abgabe, deren Einhebung ausgesetzt wurde, steht dem Abgabepflichtigen eine Frist bis zum Ablauf eines Monats ab Bekanntgabe des Bescheides über den Ablauf der Aussetzung (Abs. 5) oder eines die Aussetzung betreffenden Bescheides gemäß § 294 zu.

§ 218 Abs. 4: Wird auf Grund eines vor Ablauf der für die Entrichtung einer Abgabe zur Verfügung stehenden Frist oder während der Dauer eines diese Abgabe betreffenden Zahlungsaufschubes im Sinn des § 212 Abs. 2 zweiter Satz eingebrachten Antrages die Aussetzung der Einhebung einer Abgabe (§ 212a Abs. 1) bewilligt, so tritt die Verpflichtung zur Entrichtung eines Säumniszuschlages für den von der Bewilligung betroffenen Teil der Abgabe erst mit ungenütztem Ablauf der Frist des § 212a Abs. 7 ein.

Abs. 5: Insoweit einem gemäß Abs. 4 zeitgerecht eingebrachten Antrag auf Aussetzung der Einhebung nicht stattgegeben wird, tritt die Verpflichtung zur Entrichtung eines Säumniszuschlages erst ein, wenn die Abgabe nicht spätestens einen Monat nach Bekanntgabe des den Antrag erledigenden Bescheides entrichtet wird.

§ 230 Abs. 2: Während einer gesetzlich zustehenden oder durch

Bescheid zuerkannten Zahlungsfrist dürfen Einbringungsmaßnahmen nicht eingeleitet oder fortgesetzt werden.

Abs. 6: Wurde ein Antrag auf Aussetzung der Einhebung gestellt, so dürfen Einbringungsmaßnahmen hinsichtlich der davon nach Maßgabe des § 212a Abs. 1, 2 lit. b und 3 letzter Satz betroffenen Abgaben bis zu seiner Erledigung weder eingeleitet noch fortgesetzt werden."

§ 230 Abs. 7 BAO lautet wie folgt:

"Kommen während der Zeit, in der gemäß Abs. 1 bis 6 Einbringungsmaßnahmen nicht eingeleitet oder fortgesetzt werden dürfen, Umstände hervor, die die Einbringung einer Abgabe gefährden oder zu erschweren drohen, so dürfen Einbringungsmaßnahmen durchgeführt werden, wenn spätestens bei Vornahme der Vollstreckungshandlung ein Bescheid zugestellt wird, der die Gründe der Gefährdung oder Erschwerung der Einbringung anzugeben hat (Vollstreckungsbescheid). Mit der Zustellung dieses Bescheides treten bewilligte Zahlungserleichterungen außer Kraft."

Aus den oben wiedergegebenen Vorschriften folgt zunächst, daß der Eintritt der Vollstreckbarkeit der in Betracht kommenden Abgaben weder durch einen Antrag auf Aussetzung der Einhebung nach § 212a BAO noch durch deren Bewilligung berührt wird. Zufolge § 230 Abs. 6 BAO führt jedoch bereits der Antrag auf Aussetzung zu einer Hemmung der Einbringung, die kraft ausdrücklicher Anordnung des Gesetzes (vgl. den letzten Halbsatz der zitierten Vorschrift) BIS ZU SEINER ERLEDIGUNG andauert. Wird sodann die Aussetzung bewilligt, so folgt die Hemmung der Einbringung aus § 230 Abs. 2 in Verbindung mit § 212a Abs. 5 erster Satz BAO. Die Hemmung der Einbringung endet in diesem Fall zufolge § 212a Abs. 5 zweiter Satz BAO mit Ablauf der Aussetzung oder ihrem Widerruf (§ 294), wobei § 212a Abs. 7 BAO eine (weitere) Zahlungsfrist von einem Monat ab Bekanntgabe des Bescheides über den Ablauf der Aussetzung (Abs. 5) oder eines die Aussetzung betreffenden Bescheides gemäß § 294 normiert.

Eine der zuletzt genannten Vorschrift vergleichbare Regelung für den Fall der Ab- oder Zurückweisung des Aussetzungsantrages fehlt; für diesen Fall bestimmt § 218 Abs. 5 BAO lediglich die Hinausschiebung des Eintrittes der Verpflichtung zur Entrichtung eines Säumniszuschlages.

Die Wirkungen eines (im Sinne des § 218 Abs. 4 BAO zeitgerecht eingebrachten) Aussetzungsantrages, dem nicht stattgegeben wurde, beschränken sich somit auf 1. die Hemmung der Vollstreckbarkeit BIS ZUR ERLEDIGUNG DES ANTRAGES (vgl. § 230 Abs. 6 BAO) und 2. die Hinausschiebung des Eintrittes der Verpflichtung zur Entrichtung eines Säumniszuschlages auf die Dauer eines Monates nach Bekanntgabe des den Antrag erledigenden Bescheides (vgl. § 218 Abs. 5 BAO). Eine weitere Zahlungsfrist - vergleichbar der durch § 212a Abs. 7 BAO für den Fall des Widerrufes oder des Ablaufes der Aussetzung normierten Monatsfrist - räumt das Gesetz dem Abgabepflichtigen, dessen Aussetzungsantrag ab- oder zurückgewiesen wurde, nicht ein.

Es besteht auch kein Anlaß, im erwähnten Zusammenhang eine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes anzunehmen. Hätte der Gesetzgeber eine Zahlungsfrist nach Ab- oder Zurückweisung eines Aussetzungsantrages normieren wollen, wäre es naheliegend gewesen, die hemmende Wirkung des Aussetzungsantrages in § 230 Abs. 6 BAO nicht mit der ERLEDIGUNG, sondern mit dem Ablauf eines Monates nach der ERLEDIGUNG zu begrenzen, oder die Regelung des § 218 Abs. 5 BAO nicht auf die Hinausschiebung der Verpflichtung zur Entrichtung eines Säumniszuschlages zu beschränken, sondern eine (weitere) Hemmung der Vollstreckbarkeit zu normieren, oder die Regelung des § 212a Abs. 7 BAO nicht auf die Fälle des Ablaufes bzw. Widerrufes der Aussetzung zu beschränken, sondern den Fall der Ab- oder Zurückweisung des Aussetzungsantrages in die Regelung einzubeziehen. Daß der Gesetzgeber an all dies nicht gedacht hätte, kann nicht unterstellt werden, zumal eine Gleichbehandlung von Fällen, in denen die gesetzlichen Voraussetzungen der Aussetzung nach § 212a BAO vorliegen, mit solchen, bei denen dies nicht der Fall ist, in der Frage des zeitlichen Ausmaßes der Hemmung der Vollstreckbarkeit nicht geboten erscheint.

Aus dem Gesagten folgt, daß im Zeitpunkt der Erlassung des vorliegenden "Vollstreckungsbescheides" die Vollstreckbarkeit der Abgabenforderung nicht etwa im Hinblick auf die Zurückweisung des Aussetzungsantrages gehemmt war; eine "gesetzlich zustehende Zahlungsfrist" im Sinne des § 230 Abs. 2 BAO stand der Beschwerdeführerin somit nicht offen.

Der Bescheid über die Zurückweisung des Aussetzungsantrages enthält aber auch keine (durch Bescheid) "zuerkannte Zahlungsfrist" im Sinne der soeben zitierten Vorschrift. Zwar enthält, wie bereits im Sachverhalt dargestellt wurde, der Bescheid den vorgedruckten Text, wonach der Beschwerdeführerin für die Zahlung eine Frist von einem Monat zur Verfügung stehe, wenn ihr Antrag rechtzeitig eingebracht wurde. Dabei handelt es sich jedoch schon nach dem Wortlaut nicht um einen normativen Abspruch im Sinne der Einräumung einer Zahlungsfrist, sondern lediglich um eine - nach dem oben Gesagten nicht der Rechtslage entsprechende - Rechtsbelehrung; dies offenbar auf der Grundlage der - auch in der Berufungsvorentscheidung zum Ausdruck gekommenen - Rechtsauffassung des Finanzamtes, daß § 218 Abs. 5 BAO eine Zahlungsfrist von einem Monat normiere. Daran, daß die Hemmung der Vollstreckbarkeit mit der Erlassung des den Aussetzungsantrag zurückweisenden Bescheides weggefallen war, vermochte diese Erklärung nichts zu ändern.

Im Zeitpunkt der Erlassung des "Vollstreckungsbescheides" war somit die Vollstreckbarkeit des Abgabenanspruches gegeben, ohne daß es hiezu dieses Bescheides bedurft hätte. Ein Fall des § 230 Abs. 7 BAO lag schon deshalb nicht vor, weil das Tatbestandsmerkmal der "Zeit, in der gemäß Abs. 1 bis 6 Einbringungsmaßnahmen nicht eingeleitet oder fortgesetzt werden dürfen" im Sinne der zuletzt zitierten Vorschrift nicht (mehr) vorlag. Der angefochtene Vollstreckungsbescheid war daher nicht geeignet, die Rechtslage (insbesondere zum Nachteil der Beschwerdeführerin) zu verändern, weil die Vollstreckbarkeit der in Rede stehenden Abgabenansprüche auch ohne diesen Bescheid schon im Zeitpunkt seiner Erlassung in erster Instanz gegeben war. Unabhängig von der Frage der Gesetzmäßigkeit des angefochtenen Bescheides war die Beschwerdeführerin durch diesen somit nicht in ihren Rechten verletzt; die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.