VwGH vom 15.12.1994, 93/15/0008
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Wetzel, Dr. Karger, Dr. Steiner und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Rauscher, über die Beschwerde der M Nachfolger GmbH in W, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat III) vom , Zl. 6/2 - 2435/88-10, betreffend Körperschaft- und Gewerbesteuer für das Jahr 1986, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Am Stammkapital der mit Gesellschaftsvertrag vom mit dem Sitz in Wien gegründeten Beschwerdeführerin war ursprünglich die S-Ges.m.b.H. mit 80 % und die W-Ges.m.b.H. mit 20 % beteiligt. Betriebsgegenstand war der Handel mit Spielwaren und Sportartikeln sowie die Fortführung des Unternehmens der M Nachfolger (KG). Mit Verschmelzungsvertrag vom wurde die S-Ges.m.b.H. auf die W-Ges.m.b.H. und mit weiterem Verschmelzungsvertrag vom die W-Ges.m.b.H. auf die J-Ges.m.b.H. übertragen. Mit Sacheinlagevertrag vom wurden sämtliche Anteile an der Beschwerdeführerin durch die J-Ges.m.b.H. in die N-AG eingebracht. Der Gegenstand des Unternehmens der Beschwerdeführerin wurde im Jahr 1985 geändert und besteht seither in der gewerblichen Vermietung von Wirtschaftsgütern. In dem eben genannten Jahr wurden auch sämtliche Filialen der Beschwerdeführerin geschlossen und die Geschäftsleitung nach W verlegt. In der Gewinn- und Verlustrechnung der Beschwerdeführerin für das Streitjahr wurde ein außerordentlicher Ertrag aus einem Sanierungszuschuß der J-Ges.m.b.H., welcher mit einer Verbindlichkeit gegenüber dieser Gesellschaft verrechnet wurde, in Höhe von
S 10,417.762,89 ausgewiesen. Weiters erhielt die Beschwerdeführerin von der J-Ges.m.b.H. Gesellschafterzuschüsse zur Verlustabdeckung in Höhe von S 34 Mio. (im Jahr 1985) und von S 12 Mio. (im Jahr 1986).
In ihren Abgabenerklärungen für das Streitjahr beantragte die Beschwerdeführerin, den Sanierungszuschuß der J-Ges.m.b.H. in der schon genannten Höhe als Sanierungsgewinn gemäß § 22 Abs. 5 KStG zu behandeln. Dieser Antrag wurde vom Finanzamt mit dem das Streitjahr betreffenden Körperschaft- und Gewerbesteuerbescheid als unbegründet abgewiesen. Die dagegen von der Beschwerdeführerin erhobene Berufung wies das Finanzamt mit Berufungsvorentscheidung ab und begründete dies im wesentlichen damit, Verlustüberhänge aus Vorjahren stünden der beantragten Vorgangsweise entgegen.
In ihrem Antrag auf Entscheidung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz brachte die Beschwerdeführerin nunmehr vor, der Zuschuß der J-Ges.m.b.H. stamme aus deren Gesellschaftersphäre und sei daher steuerneutral zu behandeln.
Über Vorhalt der belangten Behörde brachte die Beschwerdeführerin mit dem Bemerken, daß daraus die ausschließliche Bedingtheit des Forderungsverzichtes durch das Gesellschaftsverhältnis hervorgehe, die nachfolgend in ihrem wesentlichen Teil im Wortlaut wiedergegebene Aktennotiz bei:
"Betrifft: Forderungsverzicht
gegenüber M Nachfolger GmbH
Die J-Ges.m.b.H. erklärt hiemit verbindlich, auf ihre alte Forderung in Höhe von S 10,417.762,89 zu verzichten, soferne das Mietrecht der Lokalität Wien bis längstens nicht um mindestens S 20 Mio. an einen Konzernfremden veräußert oder eine monatliche Miete von mindestens S 300.000,-- von Konzernfremden vereinnahmt wird. Dieser Verzicht erfolgt zum Zweck der bilanziellen Sanierung der M Nachfolger GmbH."
Über weiteren Vorhalt der belangten Behörde führte die Beschwerdeführerin noch aus, die Forderung der J-Ges.m.b.H. an sie in der schon genannten Höhe stamme "aus laufenden Geschäften mit der W-Ges.m.b.H." und betreffe daher die Zeit vor der Übernahme der Gesellschaftsanteile an der Beschwerdeführerin durch den N-Konzern. Das Mietrecht an der schon näher bezeichneten Lokalität, deren Eigentümer dem eben genannten Konzern nicht nahestehe, sei im Zeitpunkt der Änderung der Konzernzugehörigkeit der einzige Vermögensgegenstand der Beschwerdeführerin von wesentlichem Wert gewesen. Für den neuen Gesellschafter der Beschwerdeführerin sei es wesentlich gewesen, zu wissen, ob das Mietrecht tatsächlich den Wert repräsentiere, der bei den Kaufüberlegungen unterstellt worden sei, und ob dieses Vermögen innerhalb angemessener Zeit "versilbert" werden könne. Aus diesem Grund sei bereits bei der Übernahme der Beschwerdeführerin durch die J-Ges.m.b.H. vereinbart worden, letztere werde, wenn das Mietrecht nicht innerhalb angemessener Frist zu verwerten sei, auf ihre in Rede stehende Forderung gegenüber der Beschwerdeführerin verzichten. In der Tat sei es dann zu dem "Forderungsverzicht in Form eines Gesellschafterzuschusses" gekommen.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab. Begründend führte sie nach Darstellung des geschilderten Sachverhaltes noch aus, die J-Ges.m.b.H. habe die bereits zuvor von der W-Ges.m.b.H. wertberichtigte Forderung im Wirtschaftsjahr 1986/1987 durch Auflösung des Wertberichtigungskontos im Betrag von S 10,417.762,89 gegen das Verrechnungskonto M abgeschrieben. Aus dem Kapitalverkehrsteuerakt der Beschwerdeführerin beim Finanzamt für Gebühren und Verkehrssteuern in Wien sei nicht ersichtlich, daß die Beschwerdeführerin diesen Forderungsverzicht als gesellschaftssteuerpflichtiger Vorgang angemeldet habe. Nach Wiedergabe der Rechtslage führte die belangte Behörde weiters begründend aus, die Darstellung im Rechenwerk der Beschwerdeführerin und der J-Ges.m.b.H. spreche gegen eine gesellschaftsrechtliche Veranlassung des Forderungsverzichtes. Die Beschwerdeführerin habe auch im Abgabenverfahren ursprünglich beantragt, den durch den Forderungsverzicht bei ihr entstandenen außerordentlichen Ertrag als Sanierungsgewinn gemäß § 22 Abs. 5 KStG zu behandeln. Schließlich beruhe der Forderungsverzicht auch nicht auf einem Gesellschafterbeschluß, sondern bloß auf einem internen Aktenvermerk der geschäftsführenden Organe der J-Ges.b.m.H. Es müsse daher davon ausgegangen werden, daß im Zeitpunkt des Forderungsverzichtes die für eine Einlage wesentliche Vorteilsgewährungsabsicht des (ehemaligen) Gesellschafters (nämlich der J-Ges.m.b.H.) gefehlt habe. Aus dem Gesamtbild der Umstände folge somit, daß der strittige Forderungsverzicht nicht durch das Gesellschaftsverhältnis, sondern betrieblich veranlaßt gewesen sei.
Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Beschwerdefall ist zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ausschließlich die Rechtsfrage strittig, ob der Forderungsverzicht der J-Ges.m.b.H. aus betrieblichen oder gesellschaftsrechtlichen Gründen erfolgt ist.
Die Beschwerde bringt hiezu vor, bei Forderungsverzichten durch Gesellschafter im Zusammenhang mit Sanierungen von Kapitalgesellschaften spreche die Vermutung für das Vorhandensein einer gesellschaftsrechtlichen Wurzel. Derartige Verzichte führten zwar handelsrechtlich zu Gewinnen, steuerrechtlich lägen jedoch verdeckte, nicht gewinnwirksame Einlagen vor (vgl. Ruppe in Ruppe, Rechtsprobleme der Unternehmenssanierung, 271). Es sei daher grundsätzlich davon auszugehen, daß im Regelfall bei gleichzeitiger Gesellschafter- und Gläubigerstellung die gesellschaftsrechtliche Komponente vorgehe, wobei es der Abgabenbehörde obliege zu beweisen, daß keine Einlage getätigt worden sei. Da zwischen der Beschwerdeführerin und der J-Ges.m.b.H. keine Geschäftsbeziehungen bestanden hätten, scheide eine betriebliche Veranlassung für den Forderungsverzicht aus und komme lediglich eine Zuwendung "causa societatis" in Betracht. Die J-Ges.m.b.H. habe als Gesellschafter der Beschwerdeführerin ein Interesse daran gehabt, die letztere zu sanieren. Die Beschwerdeführerin rügt insbesondere als Verfahrensmangel, daß die "zuständigen Organe der beteiligten Unternehmen" nicht vernommen worden seien, um zu klären, ob eine Vorteilsgewährungsabsicht des Alleingesellschafters bestanden habe. Daß betreffend den Forderungsverzicht kein Gesellschafterbeschluß, sondern lediglich ein interner Aktenvermerk der Geschäftsführung der J-Ges.m.b.H. vorliege, sei nicht entscheidend, weil nicht für eine Eintragung in das Firmenbuch bestimmte Gesellschafterbeschlüsse keiner bestimmten Form bedürften, sondern auch durch formlosen Beschluß des Gesellschafters gefaßt werden könnten.
Die Verfahrensrüge der Beschwerdeführerin ist aus folgenden Gründen nicht berechtigt:
Die Beschwerdeführerin hat im Verwaltungsverfahren zunächst selbst eine betriebliche Veranlassung des Forderungsverzichtes geltend gemacht und erst später eine gesellschaftsrechtliche behauptet. Da sie dazu wie schon im Verwaltungsverfahren auch jetzt in ihrer Beschwerde aber in keiner Weise aufzeigt, auf Grund welcher objektivierbaren Umstände eine gesellschaftsrechtliche Ursache für die in Rede stehende Transaktion anzunehmen wäre, fehlte einem Verfahrensmangel, selbst wenn er vorläge, jegliche Relvanz, weshalb darauf gar nicht weiter eingegangen zu werden brauchte und liegt auch die behauptete Rechtswidrigkeit des Inhaltes nicht vor. Die Beschwerde mußte daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abgewiesen werden.
Von der Durchführung der von der Beschwerdeführerin beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2.