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VwGH vom 15.12.1994, 93/15/0005

VwGH vom 15.12.1994, 93/15/0005

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Wetzel, Dr. Karger, Dr. Steiner und Dr. Mizner, im Beisein des Schriftführers Mag. Rauscher, über die Beschwerde des S in L, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom , Zl. B 9-4/91, betreffend Abgeltung einer außergewöhnlichen Belastung und Rückforderung derartiger Abgeltungsbeträge, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit der in Rechtskraft erwachsenen Berufungsvorentscheidung vom hat das Finanzamt die dem Beschwerdeführer als Mieter einer näher bezeichneten Wohnung als Folge der Erhöhung des Hauptmietzinses erwachsene außergewöhnliche Belastung durch die Zahlung eines monatlichen Betrages von S 6.151,-- mit Wirkung ab bis auf weiteres, längstens jedoch bis , gemäß § 106a EStG 1972 abgegolten.

Diesen Bescheid änderte das Finanzamt mit Bescheid vom dahingehend ab, daß die Mietzinsbeihilfe mit Wirkung ab auf S 1.440,-- monatlich herabgesetzt wurde. Gleichzeitig forderte das Finanzamt die für die Monate Jänner bis April 1990 zuviel bezogene Mietzinsbeihilfe im Betrag von S 18.844,-- zurück. Mit einem weiteren Bescheid vom wurde auch der für den Monat Mai 1990 bereits zuviel zur Auszahlung gebrachte Betrag von S 4.711,-- zurückgefordert und überdies der Mietzinsbeihilfenanspruch mit befristet.

Der gegen diesen Bescheid vom Beschwerdeführer erhobenen Berufung gab die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid teilweise Folge. Sie sprach aus, daß die außergewöhnliche Belastung gemäß § 107 EStG 1988 mit Wirkung ab bis auf weiteres, längstens jedoch bis einschließlich (bisher ) durch die Zahlung eines monatlichen Betrages von S 1.440,-- abgegolten werde; im übrigen wies sie die Berufung ab; dies im wesentlichen mit der Begründung, der durch Art. I Z. 49 des Abgabenänderungsgesetzes 1989, BGBl. Nr. 660 (AbgÄG 1989), durch Art. II Z. 5 leg.cit in § 107 Abs. 4 EStG 1988 angefügte Satz sei für Zeiträume nach dem anzuwenden. Dadurch habe der Gesetzgeber klar und unmißverständlich zum Ausdruck gebracht, daß die Begrenzung der staatlichen Förderung in den im Gesetz genannten Fällen unabhängig vom Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages jedenfalls ab einzutreten habe. Art. II Z. 5 des AbgÄG 1989 stelle eine den § 294 BAO derogierende Spezialbestimmung dar, weswegen sich die Frage, ob einer der in der zitierten Rechtsvorschrift aufgezählten Änderungsgründe vorliege, nicht stelle. Den Bescheiden des Finanzamtes komme, soweit damit lediglich die Änderung durch das AbgÄG 1989 vollzogen werde, nicht konstitutiver, sondern deklaratorischer Charakter zu.

Mit Beschluß vom , B 75/92-7, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde mit der Begründung ab, vor dem Hintergrund seiner ständigen Rechtsprechung zum Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz und angesichts des Umstandes, daß das Gesetz - gemeint ist der durch Art. I Z. 49 des AbgÄG 1989 an den § 107 Abs. 4 EStG 1988 angefügte Satz - nur für die Zeit nach seiner Kundmachung wirke und ein dem Sinn des Gesetzes widersprechender Beihilfenbezug hintangehalten werden sollte, lasse das Beschwerdevorbringen die behauptete Rechtsverletzung, aber auch die Verletzung eines anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes oder die Verletzung in einem sonstigen Recht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm als sowenig wahrscheinlich erscheinen, daß die Beschwerde - unter dem Blickwinkel der vom Verfassungsgerichtshof zu prüfenden Rechtsverletzungen - keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe.

Mit weiterem Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom , B 75/92-9, wurde die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

Vor dem Verwaltungsgerichtshof macht der Beschwerdeführer inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides geltend. Die belangte Behörde hätte den rechtskräftigen Bescheid vom nicht ändern dürfen und erst "mit Ablauf dieses Bescheides () allenfalls eine neue Mietzinsbeihilfe nach der neuen Rechtslage festsetzen" dürfen.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 107 Abs. 4 EStG 1988 in der Stammfassung lautet wie

folgt:

"(4) Die außergewöhnliche Belastung wird durch Zahlung eines monatlichen Betrages abgegolten. Der Abgeltungsbetrag ist bescheidmäßig in Höhe des Betrages festzusetzen, um den, auf einen Kalendermonat bezogen, der erhöhte Hauptmietzins das Vierfache des gesetzlichen Hauptmietzinses bzw. 4,50 S je Quadratmeter der Nutzfläche übersteigt. Übersteigt das Einkommen des Hauptmieters und der im Abs. 7 genannten Personen insgesamt die jeweils maßgebende Einkommensgrenze, so ist der Abgeltungsbetrag um den übersteigenden Betrag zu kürzen."

Mit dem AbgÄG 1989 wurde der eben im Wortlaut wiedergegebenen Gesetzesstelle ein dritter Satz mit folgendem Wortlaut angefügt:

"Sind gesetzlich unterhaltsberechtigte Kinder anspruchsberechtigt, so darf der Abgeltungsbetrag höchstens für eine Nutzfläche von 40 Quadratmetern gewährt werden und darf der Abgeltungsbetrag 36,-- S je Quadratmeter der Nutzfläche nicht übersteigen."

Die geänderte Rechtslage ist gemäß Art. II Z. 5 des AbgÄG 1989 für Zeiträume nach dem anzuwenden.

Die Rechtsansicht des Beschwerdeführers, die Verwaltungsinstanzen hätten der durch Anfügung eines Satzes in den § 107 Abs. 4 EStG 1988 durch das AbgÄG 1989 geänderten Rechtslage für Zeiträume nach dem wegen der Rechtskraft des Bescheides vom nicht zum Durchbruch verhelfen dürfen, ist verfehlt. Die Rechtskraft eines Bescheides, die bewirkt, daß er grundsätzlich unabänderlich ist, begründet nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nur bei unverändertem Sachverhalt UND unveränderter Rechtslage das Prozeßhindernis der rechtskräftig entschiedenen Sache. Bei Änderung des maßgebenden Sachverhaltes ODER der für die Entscheidung maßgebend gewesenen Rechtslage besteht dieses Hindernis jedoch nicht (siehe z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 85/09/0016, m. w.N.).

Soweit der Beschwerdeführer mit dem Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz argumentiert, verkennt er, daß gerade seine Rechtsansicht eine Verletzung dieses Rechtes zur Folge hätte (vgl. das eine rückwirkende gesetzliche Regelung betreffende Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , VfSlg. 5411, aus dem sich entnehmen läßt, daß es nicht unsachlich ist, wenn der Gesetzgeber die von ihm mit einer Neuregelung angestrebte Gleichmäßigkeit der Besteuerung nur dadurch erreichen kann, daß er rechtskräftige Entscheidungen unberücksichtigt läßt. Unterscheidet er nicht zwischen schon rechtskräftigen und noch nicht rechtskräftigen Fällen, so stellt ein rechtskräftiger Bescheid kein Hindernis für die Vollziehung der neuen, unmittelbar wirksamen Gesetzesbestimmungen dar; diesfalls ist die Heranziehung anderer Vorschriften (wie etwa der verfahrensrechtlichen Bestimmungen der BAO über die Wiederaufnahme des Verfahrens) überflüssig.

Nichts anderes kann für die im angefochtenen Bescheid für Zeiträume nach dem herangezogene neue Rechtslage gelten. Darauf, ob die Voraussetzungen für eine Änderung oder Zurücknahme eines Bescheides gemäß § 294 BAO vorliegen, kommt es somit im Beschwerdefall nicht an.

Da sich der angefochtene Bescheid infolgedessen als frei von der behaupteten Rechtswidrigkeit erweist, mußte die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abgewiesen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2.