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VwGH vom 15.02.1994, 93/14/0227

VwGH vom 15.02.1994, 93/14/0227

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Karger, Mag. Heinzl und Dr. Zorn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Rätin Dr. Hutter, über die Beschwerde des H in I, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Tirol (Berufungssenat I) vom , Zl. 30.156-3/92, betreffend Einkommensteuer 1987 und 1991, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Die Ehegattin des Beschwerdeführers hatte im Jahr 1984 einen Kredit in Höhe von 700.000,-- aufgenommen, um einen Gastgewerbebetrieb (Cafe) zu eröffnen und somit selbständig tätig zu sein, wobei der Beschwerdeführer - nach den Sachverhaltsfeststellungen im nunmehr angefochtenen Bescheid - auf Verlangen der Bank als Solidarschuldner beigetreten war. Der Gastronomiebetrieb führte ausschließlich zu Verlusten und wurde deshalb im Jahr 1987 eingestellt. Der Beschwerdeführer leistete Kreditrückzahlungen (im Jahr 1987 S 81.483,--, im Jahre 1991 S 59.500,--). Diese Zahlungen sowie die Entrichtung einer Umsatzsteuerschuld der Ehegattin von S 79.228,-- im Jahre 1987 machte der Beschwerdeführer in den Streitjahren als außergewöhnliche Belastung geltend. Dabei führte er an, er habe im Jahr 1983 seine Arbeit als Diplom-Ingenieur bei einer Baugesellschaft verloren. Im Jahre 1984 habe er sich zwar um Arbeit bemüht, aber nur kurzfristige Beschäftigungen gefunden. In dieser Notlage habe er als einzige Möglichkeit der Existenzerhaltung seiner Familie (Ehegattin und zwei Kinder im Alter von 12 und 17 Jahren) die Übernahme des Cafes durch seine Gattin angesehen.

Die belangte Behörde versagte mit dem angefochtenen Bescheid den Zahlungen die Anerkennung als außergewöhnliche Belastung. Da der Beschwerdeführer im Jahre 1984 keine positiven Einkünfte erzielt habe, habe eine sittliche Verpflichtung zur Übernahme einer Verbindlichkeit in Höhe von S 700.000,-- nicht bestanden. Die Übernahme der Verpflichtung sei auch deswegen nicht als zwangsläufig anzusehen, weil der Beschwerdeführer nicht dargetan habe, warum die Gattin - sie sei im Zeitpunkt der Betriebseröffnung im 39. Lebensjahr gestanden - nicht durch eine andere, unter Umständen nichtselbständige Tätigkeit die wirtschaftliche Existenz hätte sichern können. Im übrigen seien der Beschwerdeführer und seine Gattin je zur Hälfte Eigentümer eines Wohnhauses mit Einheitswert von S 924.000,-- gewesen, aus dessen Verkaufserlös der Unterhalt gedeckt werden hätte können. Zudem habe der Beschwerdeführer auch nicht dargelegt, welche Überlegungen die Annahme hätten stützen können, die wirtschaftliche Notlage der Gattin würde durch die Übernahme des Cafes erfolgreich abgewendet werden, zumal mit diesem Betrieb in der Folge ausschließlich Verluste erwirtschaftet worden seien. Da auch im Jahre 1987 keine existenzbedrohende Notlage der Gattin vorgelegen sei, könne weiters die Begleichung der Umsatzsteuerschulden nicht als außergewöhnliche Belastung anerkannt werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde, in welcher Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird. Der Beschwerdeführer erachtet sich im Recht auf Anerkennung der geltend gemachten Zahlungen als außergewöhnliche Belastung verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 34 Abs. 1 EStG 1972 werden auf Antrag außergewöhnliche Belastungen, die dem Steuerpflichtigen zwangsläufig erwachsen, insoweit vor Berechnung der Steuer vom Einkommen abgezogen, als sie die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen. Zwangsläufigkeit liegt vor, wenn sich der Steuerpflichtige der Belastung aus tatsächtlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.

Gemäß § 34 Abs. 1 EStG 1988 kann jeder unbeschränkt Steuerpflichtige beantragen, daß bei Ermittlung des Einkommens nach Abzug der Sonderausgaben außergewöhnliche Belastungen abgezogen werden. Zwangsläufig erwächst die Belastung einem Steuerpflichtigen gemäß § 34 Abs. 3 leg. cit. dann, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.

Die Unterhaltsleistungen betreffende einschränkende Bestimmung des § 34 Abs. 7 EStG 1988 kommt im gegenständlichen Fall nicht zur Anwendung, weil Zahlungen im Zusammenhang mit Betriebskrediten der Ehegattin keine Unterhaltsleistungen sind (vgl. hg. Erkenntnis vom , 93/14/0105).

Während im angefochtenen Bescheid davon ausgegangen wird, daß der Beschwerdeführer hinsichtlich des Kredites, der im Interesse seiner Ehegattin und zu deren Verwendung aufgenommen worden sei, als Gesamtschuldner beigetreten sei, ergibt sich aus der Sachverhaltsdarstellung der Beschwerde, der Beschwerdeführer habe hinsichtlich dieses Kredites eine Bürgschaft übernommen. Der Verwaltungsgerichtshof hat freilich im Erkenntnis vom , 89/13/0037, zum Ausdruck gebracht, daß Zahlungen aufgrund eines Beitrittes als Gesamtschuldner und solche aufgrund der Haftung als Bürge hinsichtlich ihrer Beurteilung als außergewöhnliche Belastung nach den gleichen Grundsätzen zu beurteilen sind. Demnach erwachsen derartige Zahlungen dann zwangsläufig, wenn bereits das Eingehen der Verpflichtung zwangsläufig war. Entscheidend ist daher, ob ein Steuerpflichtiger aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen eine derartige Verpflichtung eingehen mußte. Unstrittig ist, daß im vorliegenden Fall eine rechtliche Verpflichtung nicht bestand.

Der Beschwerdeführer verweist zu Recht darauf, daß nicht schon aufgrund seiner Einkommensverhältnisse im Jahre 1984 eine sittliche Verpflichtung zum Schuldbeitritt bzw. zur Übernahme der Bürgschaft ausgeschlossen werden kann. Zwar besteht nach dem Urteil billig und gerecht denkender Menschen keine sittliche Pflicht zur Übernahme unverhältnismäßiger Belastungen für nahe Angehörige. Bei Beurteilung der Verhältnismäßigkeit ist aber jedenfalls die Vermögenslage eines Steuerpflichtigen mit zu berücksichtigen (vgl. hg. Erkenntnis vom , 88/14/0199), was die belangte Behörde zu Unrecht unterlassen hat.

Der Beschwerde kann aber aus einem anderen Grund kein Erfolg beschieden sein:

Der Verwaltungsgerichtshof hat zur Frage, ob Leistungen aufgrund von Bürgschaftsverpflichtungen - gleiches gilt aufgrund eines Beitrittes als Solidarschuldner - eine außergewöhnliche Belastung darstellen, bereits wiederholt ausgesprochen, daß dies nur dann der Fall ist, wenn der Steuerpflichtige glauben durfte, durch die Übernahme der Bürgschaft eine existenzbedrohende Notlage des nahen Angehörigen mit Aussicht auf Erfolg abwenden zu können. Eine existenzbedrohende Notlage liegt aber nicht schon dann vor, wenn die Aufnahme oder Fortführung einer selbständigen Betätigung ohne die Übernahme der Bürgschaften nicht möglich wäre, sondern wenn die wirtschaftliche Existenz des nahen Angehörigen überhaupt gefährdet ist, dieser also seine berufliche Existenz nicht auch auf andere ihm zumutbare Weise hätte erhalten können (vgl. hg. Erkenntnis vom , 90/13/0006). Eine existenzbedrohende Notlage kann nicht etwa daraus abgeleitet werden, daß der Angehörige ohne Bürgschaftsübernahme eine selbständige Tätigkeit nicht ausüben könne (vgl. hg. Erkenntis vom , 91/13/0009).

Der Beschwerdeführer rügt als Verletzung von Verfahrensvorschriften, über einen entsprechenden Vorhalt hätte er der belangten Behörde mitteilen können, eine hinsichtlich Bezahlung, Arbeitszeit, Arbeitsplatznähe und Bedachtnahme auf die Notwendigkeit, für die beiden unversorgten Kinder zu bestimmten Zeiten zu Hause anwesend zu sein, zumutbare nichtselbständige Arbeit habe für die Gattin nicht bestanden. Dem ist entgegenzuhalten, daß es bei Inanspruchnahme von Abgabenbegünstigungen in erster Linie dem Abgabepflichtigen obliegt, die für die begehrte Begünstigung maßgeblichen Tatsachen vorzubringen und zumindest glaubhaft zu machen (vgl. hg. Erkenntnis vom , 90/14/0127). Es wäre daher Sache des Beschwerdeführers gewesen, die Gründe für die Zwangsläufigkeit zu behaupten.

In der vorliegenden Beschwerde wird nicht bestritten, daß der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren nicht vorgebracht hat, seine Gattin könne nicht eine andere, insbesondere nichtselbständige Tätigkeit zur Sicherung des Unterhaltes aufnehmen. Unter diesen Umständen bestand aber keine sittliche Pflicht, der Ehegattin, die nicht über ausreichend Eigenkapital verfügte, die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit durch die Übernahme von Sicherheiten für einen Bankkredit zu ermöglichen. Zudem ist darauf zu verweisen, daß zur Beseitigung einer wirtschaftlichen Notlage auch besondere Mühen in Kauf genommen werden müssen.

Der Beschwerdeführer bringt auch vor, er habe sich aus tatsächlichen Gründen der Übernahme der Verpflichtung nicht entziehen können, da die Führung des Gastgewerbebetriebes durch die Ehegattin die einzige Möglichkeit zur Erwirtschaftung des Lebensunterhaltes für ihn (und seine Kinder) gewesen wäre. Der Gerichtshof kann nicht finden, daß der Beschwerdeführer unter diesem Aspekt gezwungen wesen wäre, die Verpflichtung zu übernehmen. Auch nach dem Beschwerdevorbringen war der Beschwerdeführer nur vorübergehend nicht in der Lage, für den Lebensunterhalt seiner Familie zu sorgen. Abgesehen davon, daß der Beschwerdeführer den vorübergehenden Unterhalt durch Belehnung des Vermögens hätte decken können, kann keine Rede davon sein, daß er sich aus tatsächlichen Gründen der Übernahme einer Verpflichtung (Bürgschaft), die in keiner Weise den künftigen Lebensunterhalt sicherstellt, nicht entziehen hätte können. Insbesondere war es im Hinblick auf das Unternehmerwagnis auch in keiner Weise gesichert, daß durch den Betrieb des Kaffeehauses Mittel erwirtschaftet würden, die zum Unterhalt des Beschwerdeführers (und seiner Kinder) zur Verfügung stehen könnten.

Zur Frage, warum die Entrichtung der Umsatzsteuerschuld für die Ehegattin im Jahr 1987 eine außergewöhnliche Belastung sein sollte, enthält die Beschwerde keine Ausführungen. Im Hinblick auf die vorstehenden Erwägungen wurde der Beschwerdeführer auch hinsichtlich dieser Steuerzahlung in dem als Beschwerdepunkt geltend gemachten Recht nicht verletzt.

Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, konnte die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung abgewiesen werden.